Das Konzert am 8. August steht an. Ich kenne bis auf ein paar Radiohits und die beiden Corona-Folk-Alben nichts von ihr. Das will ich mal ändern. Einigermaßen unvoreingenommen, wenn das möglich ist.
Taylor Swift (2006) Ich versuche gerade zurückzudenken an 1989. Nicht, weil das Taylor Swifts Geburtsjahr ist, sondern weil ich da zwölf Jahre alt war. Und während ich schlecht Fußball spielte und etwas besser am C64 daddelte, hat Taylor Swift in dem Alter schon Songs geschrieben. Ihr selbstbetiteltes Debüt-Album erschien, das war sie noch keine 17. Country-Pop mit Sehnsuchtssongs über Liebe, Verflossene, Jungs mit Trucks und was die Zukunft so bringen würde - und mit Freundinnen und Freunden als Protagonisten (und sich selbst). Eingängige Songs, ordentlich produziert, ein wenig Slide-Guitar hier, ein wenig Fiddle da. Darüber die angenehme Stimme Swifts. Kein wirklich Ausfall. Hätte es "Dawsons Creek" zu dem Zeitpunkt noch gegeben, Swift hätte ganz viele Songs für den Soundtrack liefern können. Hätte man da den Ruhm erahnen können, der noch kommen mag? Nein. Aber dass da ein großes Talent am Werk ist, konnte man erkennen. 6/10
Kritiker-Wertungen: Metacritic: 67 Pitchfork: 6,7
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Fearless (2008) Das schwierige zweite Album? Vielleicht. Auf jeden Fall das erste, mit dem die damals fast 19-Jährige auch außerhalb der USA auf sich aufmerksam macht. "Love Story" kratzt in der Ursprungsfassung knapp an den eine Milliarde Streamings (rechnet man alle anderen Versionen des Songs dazu, ist die Milliarde längst überschritten). Das Country im Country-Pop wurde deutlich reduziert (auch wenn manchmal ein durchgedrehter Banjo-Spieler seine Manierismen ausleben darf), das Pop dafür größer. Das ist Musik von einem Teenager für Teenager. Und als das macht sie das hervorragend. Insgesamt finde ich die Platte aber schwächer als das Debüt. Klar, aus heutiger Sicht zeigte es schon die Richtung in die es gehen sollte, nämlich an den Popstar-Himmel. Aber vieles wirkt dann doch etwas glatt. Aber es sind auch ein paar wirklich starke Lieder dabei (die Balladen "White Horse" und "Breathe" (mit Colbie Caillat), auch wenn sich thementechnisch alles wieder um Boys, Freundschaften und Liebe(skummer) geht. 5/10
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Lachen musste ich bei einer Songzeile in "Fifteen":
"But in your life, you'll do things greater than Dating the boy on the football team But I didn't know it at fifteen"
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Kenne von ihr immer noch bewußt fast nichts. Kann es nicht nachvollziehen, daß die dermaßen zum Superstar geworden ist, aber es gibt schlimmeres. Auf jeden Fall sehr gut gemachte, produzierte und inszenierte Popmusik, die mich null erreicht. Aber ich bin auch nicht die Zielgruppe. Würde meine Tochter das mögen, käme ich damit besser klar als mit dem ganzen Scheiß, den meine jungen ArbeitskollegInnen hören.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
meine tochter spielte seinerzeit diesen nervigen amy-mcdonald-song rauf und runter, und auch da hätte es sicher schlimmeres gegeben. mit taylor swift hätte ich auch gut leben können, auch wenn ich mir bislang nicht einen einzigen song von ihr merken konnte.
Es ist schon bemerkenswert, dass ein dermaßen übergroßer Popstar keine Hits hat, die wirklich jeder kennt. "Shake It Off" kommt wohl am nächsten dran. Ich persönlich liebe "Blank Space" und das dazugehörige Album, 1989, ist eine großartige moderne Synth-Pop-Platte.
Aus der Zeit davor kenne ich auch rein gar nichts, von den Sachen danach alles außer den hochgelobten Folk-Ausflügen. Reputation fand ich schrecklich (und hab ich seinerzeit für die SPEX verrissen), Lover hat ein paar gute Sachen drauf, ist aber viel zu lang und wird von all den Füllern heruntergezogen. Midnights ist okay, I guess. Immer wenn ich das höre, finde ich es ganz solide, aber die Erinnerung verblasst schnell. Damit hat es dem neuen Album aber trotzdem einiges voraus, denn das ist ein gigantischer Monolith der Langeweile. Selten so uninspirierte Popsongs gehört. Zero excitement. Ein Album, das genauso gut von einer KI geschrieben worden hätte sein können.
Ich habe mal gelernt, dass ich ein paar Songs kenne und okay finde, aber ohne zu wissen dass sie von ihr sind. Ich könnte aber auch keinen davon benennen. "Anti-Hero" hat mir dann sogar richtig gut gefallen, auch das Video dazu. Dann habe ich die darauffolgende Single gehört, die klang praktisch genauso. Damit war ich wieder raus.
Speak Now (2010) 14 Songs. 67 Minuten. Das schreckt erst einmal ab. Habe ich da wieder eine der zahlreichen Deluxe-oder-was-auch-immer-Editions erwischt? Nö, ist das normale Album. Und dann hat Miss Swift jeden dieser Songs, die teils bis fast sieben Minuten lang sind (und leider auch größtenteils langweilig, besonders der just erwähnte namens "Dear John", in dem sie mit Ex-Freund John Mayer abrechnet) selbst geschrieben. Angeblich, weil es einfach so passiert ist - und wohl auch, um zu zeigen, dass sie ihre Songs selbst schreibt - zumindest zu großen Teilen. Leider ist "Speak Now" kein gutes Album. Oft noch nicht mal mittelmäßig. Die Lieder sind meist beliebig, aber eher auf die klebrige Art. 08/15-Pop-Songs, auch gerne mal mit Orchesterbegleitung. Zu lang, zu wenig aufregend, zu gleichförmig. Textlich bleibt alles beim Alten. Taylor verarbeitet weiterhin ihre Ex-Beziehungen, ab und zu gibt's dann auch mal einen Diss gegen einen Kritiker ("Mean"), außerdem verzeiht sie Kanye West sein Verhalten bei den VMAs. Schön ist allerdings die Akustik-Ballade "Never Grow Up", die sie ihrem Patenkind gewidmet hat. 4/10
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Ich habe mir jetzt mal das neue Album angehört, das lief durchaus gut und angenehm rein. Nett anzuhörender Electropop, bei dem sich einige Songs vielleicht ein bisschen zu sehr ähneln. Auffallend ist, dass die besten Songs (So Long London, Florida!!!) mit anderer Produktion auch von Lana del Rey sein könnten.
Red (2012) 16 Songs, 64 Minuten. Swift kommt also diesmal etwas schneller zum Punkt. Das Album war das erste, das auch in England auf die 1 kletterte und in Deutschland hatte sie erstmals einen Top-5-Longplayer. So viel zu den Fakten. Aber auf die Musik kommt es an. Und die ist endlich mal frischer. Von Beginn an, wie das Duo "State of Grace" und "Red" zeigen. Es gibt nicht nur die Balladen bis maximal Midtempo-Songs. Natürlich sind auch die wieder enthalten, "I Almost Do" beispielsweise - aber die sind zum einen endlich etwas reifer und besser (gut, "Sad Beautiful Tragic" ist dann doch ein Füller). Am Ende sind die 16 Songs dann auch ein paar zu viel, darunter auch das Duett mit Ed Sheeran. Aber: Swift wendet sich diesmal größtenteils dem Pop zu, schneidet die Country-Zöpfe, die eh schon ordentlich Spliss hatten, fast alle ab. Ja, es gibt eine Steel Guitar in "Begin Again" und eine Ukulele in "Sad Beautiful Tragic". Swift liefert aber endlich mal Hits, die nicht direkt nach fünf Minuten wieder aus dem Ohr gerauscht sind. "I Knew You Were Trouble." beispielsweise (der natürlich auch durch das Ziegen-Meme sehr berühmt geworden ist). Der Ich-feiere-das-Leben-Song "22", die Jake-Gyllenhaal-Abrechnung "We Are Never Ever Getting Back Together" und auch "Holy Ground". Die Ballade "The Last Time" mit Snow-Patrol-Sänger Gary Lightbody trägt dick auf und würde zu beiden passen. Die Teenager-Jahre sind vorbei. Endlich. 7/10
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1989 (2014) So gesehen war das meine erste bewusste Begegnung mit Taylor Swift - allerdings in der Ryan-Adams-Version des Albums, die im Schrank steht. In 1989 geht Swift noch einen Schritt weiter in Richtung Elektro-Pop. Country ist komplett eliminiert, Swift ist nun ein Popstar. Und auch wenn ich Neil Tennant von den Pet Shop Boys zunächst zustimmen wollte, dass Taylor Swift kein "Billie Jean" geschrieben hat: Das haben andere auch nicht. Aber viele andere haben auch kein "Shake It Off". Wenn man vermutlich einen Swift-Song kennen muss, dann ist es diese Uptempo-Nummer, die tatsächlich Spaß macht. Insgesamt habe ich aber ein wenig das Gefühl, dass sie sich in ihrem Willen, diesmal alles etwas anders zu machen, auch ein wenig vergaloppiert hat. Ein paar Songs sind recht belanglos ("How You Get the Girl", "This Lore"), ein paar Mal zeigt sie großartige Ansätze, schwenkt dann aber doch wieder zum Standard-Pop-Refrain ab (siehe "I Know Places" mit einem vielversprechenden Pre-Chorus und einem leider nicht ganz so tollen Chorus). Aber ein paar Songs sind dann doch wirklich gut. "Blank Space" beispielsweise, "Style" hat coole Vibes, ähnlich wie auch "I Wish You Would" - und in "Wildest Dreams" klingt sie ein wenig wie Lana Del Rey. "1989" ist gleichzeitig Fortschritt und Rückschritt. 6/10
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Reputation (2017) Ich bin überrascht. Schon auf "1989" hat Taylor Swift auch mal andere Sounds ausprobiert. Hier wird sie deutlich elektronischer. Der Sound steht oft über den Songs. Swift selbst spricht davon, dass die alte Taylor Geschichte sei und das nun die neue Taylor. Nun ja. Insgesamt ist das alles deutlich frischer. Aber nicht alles ist unbedingt besser. Man muss den Ansatz aber loben. Auch den Mut. Denn während Swift bisher klar Strophe-Refrain-Strophe-Refrain-Bridge-Refrain-Schemata verfolgte, ist das diesmal bei einigen Songs nicht so einfach zu erkennen. Ja, sie singt noch nicht mal auf allen Songs, sondern - nun ja - rappt, besser gesagt spricht, etwa auf "...Ready for It?" oder "End Game", auf dem auch Ed Sheeran spricht. Sie lässt sich auf Soundspielereien ein, etwa leiht sie sich - in Schlagzeug-Variante - die Schüsse von M.I.A.s "Paper Planes" ("I Did Something Bad"). In "Don't Blame Me" wabern Synthesizer und geben dem Song eine maschinenhafte Düsternis. "So It Goes..." klingt manchmal sogar ein wenig wie ein Vorläufer von Billie Eilishs "You Should See Me In a Crown". Eine Schande ist, das Swift weder "Getaway Car" noch "Dancing With Our Hands Tied" als Single veröffentlicht hat. Beide sind sehr gute Stücke. Und zum Abschluss gibt es "New Year's Day", der schon mal ihre Phase mit "Folklore" und "Evermore" vorhersagt. Eben weil es so anders ist, ist das bis hierher Swifts bestes und vor allen Dingen interessantestes Album. Die höhere Wertung gibt es nur deshalb nicht, weil es an memorablen Songs mangelt. 7/10
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