Das Club- und Plattenladensterben hört ja nicht auf und sowieso geht alles vor die Hunde. Dabei liebe ich Hunde. Gerade solche, die auf den Plattentüten von Zardoz Records auftauchten.
Einen derartigen Thread wollte ich schon lange aufmachen, aber der aktuelle Anlass ist ein absoluter Jammer. Der so wundervolle Nerdtempel Zardoz muss im Sommer schließen. Und alles wird immer beschissener.
Ich möchte nicht mit meinen Kindern und Kindeskindern tauschen müsen, die in einer von Subkulturen befreiten Ödnis aufwachsen müssen. Wieder einmal trifft es die Falschen. Zardoz Records war nicht nur zu mir gut. Ein Tempel des anderen Hörens, der Platten, die kaum einer wollte, aber auch nur, weil sie kaum einer kennen durfte. Ja, bei mir steht noch immer vorne eine 2, aber wie kann man denn nicht wie der kulturpessimistische Grantler aus dem Plattenkeller klingen, wenn alles stirbt, was Spaß macht.
Wer die nächsten 5 Monate noch sein/ihr Stück Hamburg abbekommt, sagt gerne noch einmal "Moin". Und dann: "Tschüß".
Wir müssen im Podcast mal irgendwas dazu machen oder ein paar Leute einladen.
Hab da neulich das erste mal eingekauft und war begeistert. Gebrauchte Musikliteratur und neues Hörwerk. Und der Sticker mit dem Hund hatte es mir auch angetan.
Da geht es gerade wieder aufwärts mit dem Schallplattenverkauf und dann sowas - ich fürchte ja, das wird nicht der letzte Laden sein, der dicht machen muss. Steigende Mieten, Internetkauf, fehlender Widerstand - siehe auch den Musikclubsterbethread.
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
Ich finde es schon auch sehr bedauerlich, dass Plattenlãden so gar nicht mehr zu einem Stadtbild gehören. Wenn ich da so in meine Jugend zurück denke ...
allerdings. allein in meinem provinzkaff (45.000 einwohner) gab's ende der 80er/anfang der 90er 3 plattenläden mit einem ordentlichen indie/hip hop-sortiment, dazu noch drogenmüller und auch nicht allzuschlecht bestückte schallplatten-abteilungen in kaufhäusern und musikgeschäften. inzwischen gibt's nur noch einen (den schlechtesten) und den müller, mit maximal einem drittel der ursprünglichen verkaufsfläche.
Auch wenn aufrechte Ideologie und entsprechende Selbstvergewisserung hier ja immer groß geschrieben wird, sollte man diese Entwicklung doch weniger im Kontext der Gentrifizierung oder mangelnden Widerstandskraft der proletarischen Musikhörer als eher im Zusammenhang mit der allgemeinen Verdrängung des Einzelhandels insbesondere durch das Internet sehen, wobei der Tonträgerverkauf hierfür besonders anfällig war (online unbegrenzte Auswahl zu meist günstigeren Preisen, Reinhörmöglichkeit, Streaming, Zusammenbruch der ehemals lukrativen Mainstream Umsätze zur Querfinanzierung). Steigende Mieten dürften nur in Einzelfällen eine Rolle spielen (in ländlichen Regionen und Kleinstädten kein Thema, hier begann das Sterben der Plattenläden aber). ich würde dann schon eher den Mindestlohn als weiteren Faktor nennen, der ebenfalls dazu beigetragen hat, dass mit diesen Läden kein Geld mehr zu verdienen ist. Bei einer optimistischen Marge von 30% müsste so ein Laden pro Tag für mindestens 1.500 bis 2.000 € Tonträger verkaufen um zwei Angestellte sowie Miete und Nebenkosten zu finanzieren.
Dann kan man ja nur für die Hamburger die Daumen drücken, daß Zardoz den alternativen Laden ab Juni anmieten kann.
Den Ärger über den Tod einer solchen Kulturstätte kann ich absolut nachvollziehen. Hier hat in der Innenstadt im Sommer 2017 die letzte privat betriebene Videothek aus finanziellen Gründen geschlossen. Es war eine Frage der Zeit, weil der Inhaber von den geringen Einnahmen (wg. Streaming/Download) kaum noch die Unkosten decken konnte und irgendwann auch sein Leben verändern wollte. Da der Betreiber 17 Jahre lang fast alleine hinter der Tresen stand, hat er das mit viel Engagement betrieben, aber die Freizeit war i.d.R. nur auf Sonntage beschränkt. Wegen der Rückgabefrist kann man die Videothek nicht am Montag schließen. Der Betreiber fühlte sich am Ende daher auch etwas erlöst und sah eine zweite Lebenshälfte auf sich zukommen. Für mich als langjähriger Dauermieter ist das inzwischen schon sehr blöd, weil keine Videokette diese unkonventionellen Ausnahmefilme verleiht und der persönliche Draht nicht gegeben ist. Und wie lange sich eine klassische Videothek überhaupt noch halten kann, steht auf einem andere Blatt.
In München gibts doch noch den ein oder anderen Plattenladen. Ich hatte jüngst auch eine kurze Übersicht dazu geschrieben - einer von euch kannte den Text ja, was mich gefreut hat^^.
Ich persönlich bin nun gar nicht so sehr mit Plattenläden aufgewachsen. Da gab es einfach Amazon.de seit ich 13 oder 14 war (oder vorher noch Mailorder a la EMP). Und dann gab es eh erst mal die mp3 auch. Tatsächlich hat sich das bis heute kaum verändert: ich bin auch bei Platten eher ein "Internetkäufer", wobei es eben nie großartig anders war. Dazu sollte ich vielleicht erwähnen, dass ich erst mit ca. 22 Jahren in eine Großstadt gezogen bin (aus der ich kürzlich wieder geflohen bin). In kleineren Orten und Städten gibt es die Kultur des spezialisierten Plattenhändlers ja ohnehin nicht.
Für alteingesessene Kunden ist es aber sicher sehr ärgerlich und bitter, wenn eine Institution schließen muss, die man jahrelang aufgesucht hat. Und die Aura eines Plattenladens ist sicher eine andere, als jene von Discogs. Zum anderen fallen das Plattenregal und ein Algorithmus auch nicht in eins. Das Stöbern im Plattenladen hat sicher eine andere Qualität. Als "Neuankömmling" im Plattengame habe ich so gesehen noch keine großen emotionalen Bindungen zu bestimmten Läden, aber es bleibt sicher abzuwarten, ob auch der "Restbestand" an Plattenläden überleben kann oder ob es gar neu konzipierte Plattenläden geben wird.
Vielleicht wäre manchen Läden dadurch geholfen, wenn sie ihr Repertoire in irgend einer Weise erweitern und somit eine zusätzliche Funktion erfüllen. (zB Office+Laden+Location für etwaige Events/Workshops). Zum anderen kann sicher vom aktuellen Vinyltrend profitiert werden.
Was Gentrifizierungseffekte oder andere Mietvertragsgeschichten betrifft, steht natürlich nochmal auf einem anderen Blatt und - ja - betrifft wohl generell den Großteil des Einzelhandels://
Zitat von aalpaca im Beitrag #12Vielleicht wäre manchen Läden dadurch geholfen, wenn sie ihr Repertoire in irgend einer Weise erweitern und somit eine zusätzliche Funktion erfüllen. (zB Office+Laden+Location für etwaige Events/Workshops). Zum anderen kann sicher vom aktuellen Vinyltrend profitiert werden.
In Köln gibt es das as/if Plattenladen und Café. Schöne Idee, wie ich finde.
Zitat von victorward im Beitrag #14Auch wenn hier angeblich Werkswohnungen entstehen sollen, schade um den Club und die Location, gerade für die Jüngeren
Das ist sehr schade. Die einzige Location in München, in der so ein bisschen "Warehouse"-Feeling aufgekommen ist. In letzter Zeit war ich nicht so oft da, aber es wären sicher wieder Zeiten gekommen, in denen ich das MMA öfters frequentiert hätte.
Das Ding mit den Zwischennutzungen ist halt so eine Sache. Eigentlich war ja klar, dass sie rausmüssen, aber da der Laden gerade auf Hochtouren gekommen ist, ist das ein denkbar schlechter Zeitpunkt. So leicht wird diese Location nicht reproduzierbar sein. Und München verliert einen Ort, der über die Stadtgrenzen hinweg ein Aushängeschild war.