Fehlfarben – Monarchie und Alltag (1980, Welt-Rekord 1C 064-46 150)
Wenn man nur eine deutschsprachige Platte braucht, dann diese.
Das Cover deutet schon an, wohin die Reise geht: Auch wenn das Schwarzweißfoto (nur der Himmel ist roströtlich handkoloriert) mit der Farbfernseher-Werbung und dem Rekord C mit Wuppertaler Kennzeichen zum Veröffentlichungszeitpunkt wahrscheinlich schon ein knappes Jahrzehnt alt war: So sah es in den 80ern in den meisten Städten der BRD aus. So sind die Texte auch geprägt von der Tristesse und Weltuntergangsstimmung der damaligen Zeit: Geschichten aus dem täglichen Sterben. Auch innerhalb der nicht gerade fröhlichen ersten Phase der Neuen Deutschen Welle (bevor Schlagergören und Altrocker den Begriff zum Schimpfwort machten) dürfte das die düsterste Platte sein. Wahrscheinlich auch die einzige, auf der es auch Liebeslieder von Peter Hein zu hören gibt, allerdings nur im Sinne von nicht funktionierender oder gar nicht erst zustande kommender Liebe. Ansonsten: Paranoia, Dylan- und Sirk-Zitate, Insider-Anspielungen, die man vielleicht versteht, wenn man die Band persönlich kennt. Politische Äußerungen gibt es auch, aber nie hippieselig sondern punkrotzig. Aus dem Punk (Mittagspause, S.Y.P.H.) kamen ja die Mitglieder. Aber musikalisch war ihnen Punk bereits zu tot, weshalb sie Fehlfarben zunächst als Ska-Band gründeten und sich nach einer Single auch vom Ska ab- und der New Wave zuwandten. Auf „Monarchie und Alltag“ finden sich noch Punk-Anklänge (manche Songs stammen auch noch aus Mittagspause-Zeiten), geprägt wird die Platte aber von elektronischeren Sounds und Thomas Schwebels charakteristischem Gitarrensound, der vielleicht am ehesten mit Joy Division vergleichbar ist. Dass das untypische, funkige „Ein Jahr (Es geht voran)“ zum größten (und einzigen) Fehlfarben-Hit und noch Jahrzehnte später beliebten Klassiker wurde, ist angesichts seiner Disco- und Mitgröhltauglichkeit verständlich.
2. The Breeders – Last Splash (1993, 4AD CAD 3014) Hits, Hits, Hits.
3. Elastica – Elastica (1995, Deceptive BLUFF 014LP) Die richtige Band zur richtigen Zeit. Sie haben zwar bei Wire und den Stranglers geklaut, aber gut geklaut und gut eigene Ideen hinzugefügt.
4. Electrelane – The Power Out (2004, Too Pure PURE 142 LP) Englands beste Krautrockband. Alternativ könnte hier auch das Vorgänger- oder das Nachfolgealbum stehen.
5. Jacques Dutronc – Jacques Dutronc [Les Play-Boys] (1966, Vogue CLD 70130) Wenn man nur eine kontinentaleuropäische 60er-Jahre-Rockplatte braucht, dann diese.
6. The Beatles – Magical Mistery Tour (1967, Capitol MAL-2835) Ja, alle Beatles-Platten sind gut, insbesondere die aus der Spätphase. Aber hier waren sie auf dem kreativen Höhepunkt.
7. Veronica Falls – Veronica Falls (2011, Bella Union BELLAV301) Tolle Songs, schöner Gesang, alles perfekt. Die 10er-Jahre fingen gut an mit dieser Band.
8. The Velvet Underground – White Light/White Heat (1968, Verve V6-5046) Allgemein genießt das Debüt höheres Ansehen, aber ich ziehe den Lärm von „White Light/White Heat“ vor. Wobei auch die konventionelleren 2. und 3. Alben ihren Reiz haben.
9. Serge Gaisbourg – Gainsbourg Percussions (1964, Philips B 77.842 L) Die poppige "Initials B.B." wäre eine Alternative, aber auf alle Fälle sind die mitt-60er-Jahre, nach der Abkehr vom jazzigen Chanson, meine liebste Gainsbourg-Phase.
10. Lush – Lovelife (1996, 4AD CAD 6004) Die alten Fans nahmen ihnen die Abkehr von sphärischen Klängen übel, ich freute mich über die Pop-Hits.
(edit vom 19.11.: Fehlende Kurznachricht zu Velvet Underground nachgeliefert)
"Monarchie und Alltag" ist natürlich ein Monument. Vielleicht sollten wir ja mal eine Aktion mit den besten deutschsprachigen Albem machen, da hätte sie ziemlich gute Chancen. Und wenn ich da in Klammern "Welt-Rekord" lese, dann werden wieder Erinnerungen wach...
Die Breeders und Jaques Dutronc stehen nicht in meinem Regal... da höre ich mal rein. Von Lush habe ich die "Spooky" und von den Beatles andere Alben. Ansonsten sind es eben auch alles Alben nach meinem Geschmack...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Die Liste, mit der ich mich mit Abstand am meisten identifizieren kann.
Die Electrelane ist großartig, MMT meine liebste Beatles-Platte, Velvet Underground geht ja eh immer (meine Neutralisationsband, wenn ich überhaupt nichts mehr hören mag, fange ich zu 90% wieder mit Velvet Underground an), auch Breeders und Fehlfarben sind gern gesehene Gäste auf dem heimischen Turntable und von Gainsbourg und Dutroncq brauche ich sicher mehr als die zwei rundgenudelten Best-Ofs hier im Hause. Hätte ich für die Erstellung meiner Liste meine Sammlung randomisiert, wäre ich mit dieser Auswahl auch nicht unglücklich gewesen.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
ha! ein treffer (last splash) und magical mystery tour gehört auf alle fälle auch zu meinen favoriten, allerdings habe ich mich diesmal bewusst gegen den beatles/bowie/velvets-kanon entschieden. von dutronc wollte ich eh schon immer mal was auf tonträger haben. wenn "les cactus" drauf ist kann das nur ein gutes album sein. und auch sonst kann ich burnedcake nur beipflichten: super liste.
Auch mir gefällt der Großteil der Liste. Allerdings steige ich trotz aller Wundervolligkeit von „Monarchie und Alltag“ nicht in den Kanon mit ein, dass es DIE deutsche Platte wäre. Da gibt es doch zu viele großartige Deutschplatten für mich. Das soll die Qualität aber keinesfalls schmälern.
Zitat von Von Krolock im Beitrag #4Magical Mystery Tour hätte sonst vermutlich niemand auf der Liste. Außer mir natürlich. Das gefällt mir
Meine zweitliebste Beatlesplatte. Als LP natürlich.
"Auf deinem Shirt steh‘n die Dinge, Die du gerne wärst, nicht die du bist, Was im Grunde völlig in Ordnung ist. Nur: Wir können alle lesen Und du bist nie ein Dreckstück gewesen."
den solo-stuff der veronica-falls-frontfrau kann man sich schenken, die ersten beiden alben sind wirklich feinste schrammel-pop-ware. die muss ich mir auch mal wieder zuführen. schön geschrieben auch.
Erst dachte ich: "Oha, da kenn ich wieder mal eher wenig." Dann klickte ich auf gut Glück "Elastica" an, und siehe: Definitiv schon mal gehört. Mehr als einmal, wenn ich auch nicht mehr weiß, wo und warum. Also klicke ich mal weiter zufällig auf die Videos und warte ab, was sonst noch bekannt (und/ oder gut!) ist. (EDIT: Lush scheint mir recht gefällig.)
Die Beatles mag ich ja eher nicht und mit Gainsbourg konnte ich auch nie viel anfangen. Worüber ich mich sehr freue sind allerdings mal wieder die Fehlfarben - "Paul ist tot" ist eines meiner Lieblingslieder und DAS Jochen-Lied, denn mein Freund Jochen verkehrte wohl in identischen Städten und einer ähnlichen Welt. Ratinger Hof und so. Wenn irgendwo der gutealte Paul läuft, muss ich Jochen immer sofort eine Nachricht schicken. Vermutlich nerve ich ihn mittlerweile damit, aber er beschwert sich nicht.