Aus dem großen Fundus an Lieblingsalben vorrangig die (vielleicht) etwas unbekannteren oder jene mit einer besonderen persönlichen Assoziation ausgewählt. Die Nummer 1 ist gesetzt, den Rest habe ich chronologisch platziert.
The Movies - In one era out the other (2002)
Nein, wahrscheinlich ist „In one era out the other“ nicht das eine große, vergessene Album der 2000er Jahre, als das ich es gerne sehen möchte, sondern nur das gelungene Debüt einer jungen, ruhelosen Band, die unbedingt zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein wollte. Die vielleicht sogar alles richtig machte und doch nur eine Fußnote der Musikgeschichte blieb.
The Movies were a band formed […] in early 1999 in Boston. Soon afterwards, the band got four days of studio time […] in Washington DC. Here they recorded their first album “In One Era Out The Other”. Shortly after recording, the band moved to Los Angeles.
Es sollte lange zwei Jahre dauern, bis sich 2002 ein kleines Label für die Veröffentlichung in den USA fand für dieses nur 26 Minuten kurze Album, das sich vor allem aus dem Fundus der späten 70er und frühen 80er bedient und dabei Klavierballaden und monotonen Jangle Pop unter dem Banner des Post Punk ohne Brüche nebeneinander stellt. Musik für den einsamen Nachhauseweg und den Wintermorgen danach, kein Ton zu viel, kein Lied auch nur eine Sekunde zu lang.
„It’s snowing outside again, you think more when you’re sleeping“(Secretariat)
Die Stimme von Sänger Timothy James erinnert mich ein wenig an Hugh Cornwell (the Stranglers), Nick Cave und David Byrne gleichermaßen und klingt doch erstaunlich eigenständig und unverwechselbar, vor allem aber passt sie so wunderbar zu jedem der zehn Stücke des Albums.
„There are 24 parts in a day that divide me from you” (Creation Lake)
Die Texte so minimalistisch und kryptisch wie die Musik, funktionieren durch ihre Unbestimmtheit aber als Projektionsflächen für eigene Assoziationen und Gedanken, die für mich längst eins mit diesem Album geworden sind.
Die Band nahm danach noch zwei ebenfalls hörenswerte Alben auf, aber an das Debüt kamen sie nicht mehr heran.
The Movies broke up in 2008.
There are no user reviews for this album.
IMPORTANT: This band should not be confused with the UK based band called THE MOVIES who released an LP in 1977.
"Secretariat"
"Scary Footsteps"
Nick Drake – Bryter Layter (1970)
Die stilistische Breite der drei von Nick Drake in seinem viel zu kurzen Leben aufgenommenen Alben ist schon enorm beeindruckend. Mein Lieblingsalbum bleibt das im warmen Bandsound aufgenommene mittlere, ein Album wie ein knisterndes Kaminfeuer, man möge mir jetzt einfach das überstrapazierte Wort „wunderbar“ verzeihen. So tragisch sein früher Tod war, was hätte denn musikalisch noch kommen können?
"One of these things first"
Echo & The Bunnymen – Heaven up here (1981)
Bei aller Begeisterung über das vielschichtige Gesamtwerk der immer noch aktiven britischen Dinosaurier sowie des Soloschaffens von Sänger Ian McCulloch, „Heaven up here“ bleibt für mich das Maß aller Dinge. Düster, minimalistisch und kryptisch, der Hörer als Gestrandeter in einer Eiswüste.
"Show of strength"
Phillip Boa & The Voodooclub – Copperfield (1988)
Seit fast 35 Jahren veröffentlicht der bedeutendste und kreativste Kopf im kargen deutschen Indiekosmos nun schon Alben. Jedes einzelne eine individuelle Wundertüte an tollen Ideen und Melodien. Bei „Copperfield“ wurden die wilden Einfälle des Voodooclubs vom britischen Erfolgsproduzenten John Leckie mit dem kräftigen Sound versehen, der den vorherigen Alben Boas noch fehlte.
"Crash Crack"
The Verve – A storm in heaven (1993)
Die eher obskuren, zielloseren Songs von the Verve finde ich um einiges spannender als die Millionenhits von „Urban Hymns“, entsprechend gehört mein Herz eher dem Frühwerk der Band. Passend zum Namen umhüllt einen das Debütalbum konsequent mit sphärischen Shoegazesounds, die sich immer wieder zu wahren Sturmböen hochschrauben. Kein sonderlich innovativer Ansatz, trotzdem ein immer wieder faszinierendes Album.
"Virtual world"
Morrissey - Southpaw Grammer (1995)
Ausgerechnet das schwierigste Morrissey Soloalbum hatte ich mir damals zum Einstieg gewählt: Zwei Songs über der 10 Minuten-Marke, hier eine gesampelte Symphonie, dort ein zweieinhalbminütiges Drumsolo als Intro, entsprechend verhalten reagierten die meisten Fans und Kritiker auf dieses ambitionierte Album. Schade, ein ernstes, ungewohnt rockiges Werk mit durchweg starken Kompositionen, das es sogar verschmerzen konnte, dass mit "You should have been nice to me" und "Nobody loves us" zwei der imho besten Morrissey-Songs nur als B-Seiten (zur Single "Dagenham Dave") Verwendung fanden (was die 2010er Wiederauflage korrigiert hat).
"Southpaw"
Built to Spill – Keep it like a secret (1999)
Die Band aus Boise, Idaho veröffentlicht seit auch schon fast 30 Jahren zuverlässig und regelmäßig sehr gute Alben, die eigentlich alle mit auf die einsame Insel gehören. Trotzdem, dieses ist für mich ohne Zweifel ihr bestes Werk, weil ihnen jede Idee geglückt ist und jeder Song eine unkaputtbare Hymne ist. Zum Glück werden diese aber so kauzig und verschroben präsentiert, dass alle Klischeefallen über "handgemachte Musik" souverän umschifft werden.
"Carry the zero"
Edwyn Collins – Doctor Syntax (2002)
Der Sänger der unvergessenen Orange Juice bringt es als ewiges Stehaufmännchen auf inzwischen acht allesamt hörenswerte Soloalben, einen Welthit und eine knapp überlebte Hirnblutung, nach der er sich ins private und künstlerische Leben zurückkämpfte. „Doctor Syntax“ stellt für mich hiervon aber den Höhepunkt dar, weil er konsequent an allen Erwartungshaltung vorbei Fans und Kritiker mit einem recht kruden und doch selbstbewusst in sich ruhenden LoFi-Funk und Disco-Album samt gelegentlichem Falsettgesang verwirrte, das dann auch noch seine Stärken als Songwriter voll zur Geltung brachte.
"Should've done that"
Horrid Red – Nightly Wreaths (2011)
Willkommen im musikalischen Kosmos des Kaliforniers Edmund Xavier, der unter dem Pseudonym FWY! rührende Ambienttracks in der thematischen Tradition von Kraftwerks „Autobahn“ veröffentlicht. Für das Bandprojekt Horrid Red flüstert, spricht und singt der Aachner Altpunk Karsten Scholl deutsche Texte über diese weiten, teilweise stark im Postpunk verhafteten Soundflächen. Eine obskure, manchmal kitschige Musik, die sich aber zu entdecken lohnt.
"A thin membrane"
The Touré-Raichel Collective - The Paris Session (2014)
Spannende Kollaboration zwischen dem malischen Sänger und Gitarristen Vieux Farka Touré und dem israelischen Pianisten Idan Raichel, die zwei Jahre zuvor bereits die Tel Aviv Sessions aufgenommen hatten. Trotz der Virtuosität der beiden klingt das überwiegend instrumentale Album für mich nicht verkopft oder gewollt exotisch, sondern faszinierend, musikalisch zwingend und überraschend zugänglich.
Bisschen schade, dass Reggae und Jazz fehlen, fällt mir gerade auf. Aber sobald man mit so einer Liste fertig ist, könnte man direkt die nächste aufsetzen, ist eben doch immer eine Momentaufnahme.
Zitat von LFB im Beitrag #2Bisschen schade, dass Reggae und Jazz fehlen, fällt mir gerade auf. Aber sobald man mit so einer Liste fertig ist, möchte man ja häufig sofort alles anders machen, ist eben doch immer eine Momentaufnahme.
Der zweite Teil ist ja quasi schon geplant... zunächst mal unverbindlich für den 05.05.19
Die "The Movies" sagten mir hier ebenso wie "Horrid Red" oder "The Touré-Raichel Collective" gar nichts... Da werde ich dann auch mal reinhören. Mit Edwyn Collins und mir wird es wohl schwierig, aber es besteht noch etwas Hoffnung...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von LFB im Beitrag #2sobald man mit so einer Liste fertig ist, könnte man direkt die nächste aufsetzen, ist eben doch immer eine Momentaufnahme.
Yep.
Für Built To Spill gibt's High Five. Und diese Movies, sind das die Movies von "when i was in nam" von einer deiner MIBs? Das fand ich damals ziemlich cool, hatte es aber irgendwie funkyer in Erinnerung.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Zitat von LFB im Beitrag #2Bisschen schade, dass Reggae und Jazz fehlen, fällt mir gerade auf. Aber sobald man mit so einer Liste fertig ist, könnte man direkt die nächste aufsetzen, ist eben doch immer eine Momentaufnahme.
Ich habe eigentlich keine Jazz-Alben, das ich dauerhaft öfter hören würde, als dutzende von diversen Pop oder Rockalben. Es kommt in jenem Genre bei mir eher in Wellen. Wir können ja 2018 so eine Aktion auch speziell für Jazz machen (einfach dort im Thread, muß ja kein Post-War sein)
ME-Leser 1984 bis 2016 - ME-Forum seit 30.04.2003 - Erster Beitrag: "Wo kann ich mich hier wieder abmelden?" Heavy Rotation → ◉ Jake Bugg (2024) A Modern Day Distraction ◉ Julie (2024) The Ant-Aircraft Friend ◉ Towa Bird (2024) American Hero ◉ The Courettes (2024) The Soul Of... The Fabulous Courettes ◉ Noga Erez (2024) The Vandalist
Ich dachte mir das auch mit den Jazzalben. Zumal ich Jazz die letzten Jahre mehr höre als Rock/Pop international/national. Vielleicht liegt es daran, dass ich nur Musik gewählt habe, zu deren Veröffentlichung ich auch einen Zeitbezug habe, was es dann mehr sein lässt als „nur“ tolle Musik
Zitat von burnedcake im Beitrag #8 Für Built To Spill gibt's High Five. Und diese Movies, sind das die Movies von "when i was in nam" von einer deiner MIBs? Das fand ich damals ziemlich cool, hatte es aber irgendwie funkyer in Erinnerung.
Ja, wobei ich ziemlich sicher bin, dass ich "Tired of being superstitious" auf einer MIB hatte und nicht "When I was in Nam", müsste die 2007er MIB gewesen sein. Hatte ich aber sicher auch so mal gepostet inkl. des Hochwertclips dazu.
Bezüglich Robert Smith und seines Tanzorchesters gibt es für mich eben auch nicht das eine große Album, sondern eigentlich sitzen die (mit Abstrichen bei den letzten beiden) alle gleichberechtigt zu Füßen meines musikliebenden Egos. Noch dazu käme eine Unwucht rein, wenn ich nur eines in eine Liste aufnehmen würde und dadurch eine Schaffensphase über die andere stellte: "Pornography" funktioniert für mich in so einer Auswahl nur, wenn "The head on the door" als Ausgleich auch noch auftaucht, warum dann aber nicht auch noch "Disintegration"? Und schon hat man den Schlamassel.