01. The Beatles - Love me do Grundschule, 2. oder 3. Klasse: Wir sollen in Gruppen Musiker-Handpuppen basteln und mit diesen beim Schulfest einen Popsong aufführen. Die AC/DC Neigungsgruppe aus 8 Jungs ist schnell gefunden. Für mich gestaltet sich die Sache schwieriger, mit etwas Glück gewinne ich aber die zwei apathischen Kerle aus der letzten Reihe für eine Aufführung von "Love me do". Der Umstand, dass ausser der Lehrerin und mir niemand die Beatles kannte, stimmte mich traurig. Dass John Lennon aufgrund Personalmangel nicht dabei war, fiel deshalb aber nicht weiter negativ auf. Ich gebe zu, dass AC/DC mehr Applaus bekamen, das lag wohl an den mindestens 6 Gitarristen.
02. The Stranglers - Always the Sun Ich erinnere mich noch vage daran, wie unsere Eltern meinem Bruder und mir behutsam erklärten, dass wir nun "vorübergehend" die einige Jahre ältere Cousine aufnehmen würden. Aus dem "vorübergehend" wurden dann zehn Jahre, aus der Cousine quasi eine große Schwester und aus der anfänglichen Skepsis die Freude, dass sie einen eigenen Radio mit eigener Musik besaß. "Always the sun" war ihr Lieblingssong und damit dann auch meiner. 03. Roxette - The Voice (1988 ) Per Håkan Gessle war in Schweden schon seit den späten 70ern ein Superstar (wer erinnert sich nicht an Hits wie "Skicka ett vykort, älskling"? seiner Band Gyllene Tider ), als ihn seine Plattenfirma einige seiner Songs auf englisch einsingen lässt, um mit einer EP für den Nordamerikanischen Markt ein paar zusätzliche Kronen zu verdienen. Drei Jahre später ist das aus dieser Session entstandene Duo Roxette der erfolgreichste schwedische Popexport seit ABBA und bleibt auch mit als zehnjährigem Knirps nicht verborgen. Ich bin bis heute der Meinung, dass es einen schlechteren Start für meine eigene Musiksammlung gegeben hätte als das "Look Sharp!"-Millionenselleralbum. Mein heimlicher Favorit der Band war aber gar nicht auf dem Album, sondern wurde von meinem besten Kumpel und mir in der Plattensammlung seines Vaters entdeckt und auf Tape kopiert. Mein erster richtiger, selbst entdeckter Lieblingssongs war also eine B-Seite (von "Dressed for Success"), yeah.
ZitatCobraBora: Den Song fand und finde ich schrecklich, aber ich habe einen Soft Spot für die Roxette-Balladen. "Queen Of Rain" finde ich immer noch toll.
04. Musical Youth - Pass the Dutchie (1982) Pünktlich zum Roxette Album gab's den ersten eigenen Kassettenrecorder. Gleich bei der ersten "Aufnahmesession" hatten meine flinken Finger bei diesem seltsamen Reggaesong die Recordtaste erwischt und ich hatte meinen Sommerhit. Im Nachhinein nicht so dramatisch, dass ich die Anmoderation (und damit Songtitel und Interpret) verpasst hatte und den Song erst in den 00er Jahren "wiederentdeckte". Aber als erster abgefeierter Offbeatsong meines Lebens dann doch auch wieder essentiell.
ZitatKing Bonkowitz: Sehr geil, ist bei mir auch noch in der engeren Auswahl. Lernte ich mit 9 bei Frank Zanders "Vorsicht Musik!" kennen, das er mit einer Hundehandpuppe namens "Herr Feldmann" moderierte. Ohne Witz.
ZitatVon Krolock: "Pass The Dutchie" ist super!
05. Technotronic - Megamix (1990) Schnell war schließlich die eigene Richtung gefunden, ich war ein Eurodancehörer und schockte damit das Etablissement und die Staatsgewalt. Bis heute geachtete Interpreten wie Technotronic, Snap, Nomad, C+C Music Factor füllten die noch kleine Musiksammlung. Wir waren jung und wild. Dass der DJ der Münchner Milchbar exakt zehn Jahre später gerne mit "ironischer Distanz" u.a. diesen Megamix auflegte, hat meine Selbstbeherrschung dann regelmäßig untergraben.
ZitatCobraBora: Yess! Was da noch an Maxi-CDs in meinem Besitz ist...
ZitatThunderbird78: An die Milchbar erinnere ich mich auch noch, ebenso an das nebenan gelegene Babylon. Das muss so 1999 bzw. 2000 gewesen sein, damals hatten die Fantas gerade ihr "MfG" veröffentlicht. Von der "ironischen Distanz", die du da beschreibst, habe ich dann aber oft nichts mitbekommen. Die spielten die unmöglichsten Klamotten rauf und runter. Tolle Zeit!
06. The KLF - 3 AM Eternal (Moody Boy Version) 1989 Es gab nur eine Richtung: Bergauf. Selbst der Spiegel widmete den beiden größten Punks der späten 80er, Jimmy Cauty und Bill Drummond, seitenlange Hintergrundartikel, vollkommen zu Recht, das Gesamtkonzept war großartig (Kurzfassung: Man wirft den zunächst belächelten Ratgeber "how to have a number one the easy way" auf den Markt, thront kurze Zeit später mit gleich vier Singles nacheinander in den britischen Charts und löst sich anschließend auf, wobei man noch öffentlich eine Million Pfund verbrennt.) Das ultimative Statement gegen die kommerzielle Popmusik, das nie mehr getoppt werden kann. Die Sex Pistols meiner Generation. Mein Taschengeld floß in das "White Room"-Album, aber dank Mailorder auch in diverse obskure Vinylmaxis mit heute beachtlichem Sammlerwert. Diese Version des späteren Nummer 1 - Hits "3 AM Eternal" kam bereits 1989 heraus und wurde von den Moody Boys geremixt, welche jahrelang als Alter Ego von Drummond und Cauty galten, bis sie später mit eigenen Releases starteten und bis heute (als Moody Boyz u.a. als Remixer von Bloc Party) aktiv sind.
07. LFO - LFO (1989) 2-3 Jahre bevor jeder Bauernlümmel um mich herum "TEKKNO" hörte (und mein Umfeld in dem kleinen Dorf auf der schwäbischen Alb, bestand ja nicht unwesentlich aus Bauernlümmeln) fuchste ich mich langsam aber sicher tiefer in die Sphären überwiegend britischer Electromusik. LFO (hinter dem gleichnamen Projekt stand im wesentlichen Marc Bell, der später u.a. Depeche Mode und Björk produzierte) war einer der ganz großen persönlichen Lieblingstracks. Wenn ich sehe, was mir youtube als weitere Empfehlungen anbietet (Tricky Disco - Tricky Disco, D-MOB - We call it acieed, T99 - Anastacia) möchte ich diese Liste am liebsten auf 300 Songs erweitern.
08. The Human League - Heart like a wheel (1990) Hmmm, ich war ja eigentlich musikalisch auf einem guten Weg, als dieser Ohrwurm meinen Weg kreuzte. "Soll ich dir was vom Einkaufen mitbringen, mein schwerkranker Sohn?" fragte mich meine Mutter als ich von schwerer Grippe geplagt das Bett hütete. Mit letzter Kraft schob ich ihr einen Zettel mit "Human League - das neue Album" zu und wurde wieder von den Wogen des Fiebertraums erfasst. Kurze Zeit später war ich Besitzer der "Greatest Hits" (hey, ich wollte das neue Album!) und war zunächst ob der im Booklet zu lesenden Jahreszahlen (1980! 1981! 1982!) skeptisch. Aber siehe da, die Liebe entflammte sich, ich hatte eine neue Lieblingsband gefunden, die mir wieder die Augen dafür öffnete, dass es auch vor 1990 schon tolle Musik gab. Türoffner war eben dieser Song, deshalb gehört er auch hierher. "You can't [...] make any friends with an M16, when you blast your way through here", wie oft habe ich das schon im passenden berufsbezogenen Moment gesummt.
09. The Inspiral Carpets - She comes in the fall (1990) & 10. The Farm - Stepping Stone (1990) Die späten 80er und frühen 90er waren eine Fundgrube für jeden Stöpsel, der seine Leidenschaft für Musik entdeckte. Hip Hop und alle Formen elektronischer Musik entwickelten sich rasend schnell weiter, die US-Indieszene sammelte schon neue Kräfte, der 80er Jahre Pop lag zwar im Sterben, warf aber noch feine Melodien ab und in Manchester und Liverpool fusionierten Kerle in lustigen Hosen eigentlich all diese Einflüsse zu einem kurzlebigen Stilmix, der mich damals ziemlich begeisterte und wohl auch die Grundlage dafür legte, dass ein paar Jahre später das Debüt von Oasis auch bei mir offene Türen einrannte. Stilbildlich für diese Phase: The Farm unterlegten bei "Stepping Stone" einen 60er Jahre Hit mit dem Rhythmus von "The Power" (Snap), darauf musste man auch erstmal kommen.
ZitatCobraBora: Inspiral Carpets mochte ich damals auch sehr, vor allem "Biggest Mountain".
ZitatJackOffAllTrades: The Farm! Was habe ich damals "All Together Now" geliebt!
Es ging ja alles so schnell: Gerade als mein musikalisches Terrain halbwegs abgesteckt war, erwische ich beim abendlichen Radioprogramm mitschneiden exakt 8 Sekunden von "U can't touch this" und habe einen neuen Lieblingssong. Die eiligst herbeigerufene Cousine aka große Schwester war geschockt, rückte aber widerwillig den Interpretennamen heraus. Glücklicherweise stieg ich schnell tiefer in die Materie ein und fand zu essentielleren Sachen: Die Public Enemy Caps zierten fortan mein Haupt und das meines Bruders (der eifrig mitzog, bei ihm hielt die HipHop Leidenschaft dann noch ein paar Jahre länger an als bei mir), meine Eltern wurden beim Autofahren fast wahnsinnig, meine Kumpels haben es auch gehasst. Aber hey, musikalische Sozialisation ist kein Wunschkonzert fürs Umfeld.
11. The Skinny Boys - Set the pace (1988 ) Hatte ich auf einem Sampler und finde es bis heute recht großartig, wenn auch sicher nicht essentiell
12. EPMD - So what cha sayin' (1989) Das "Unfinished Business" Album lief rauf und runter
13. Public Enemy - Fight the power (1989) "Elvis was a hero to most, but he never meant shit to me, you see. Straight up racist that sucker was. Simple and plain, mother fuck him and John Wayne. Cause I'm black and I'm proud, I'm ready and hyped plus I'm amped, most of my heros appear on no stamps" Public Enemy waren dermaßen groß.
14. Stetsasonic - Talkin' all that Jazz (1988 ) 15. Stetsasonic - It's in my song (1988 ) Das "In full gear"-Album von Stetsasonic ("The Hip Hop Band!") hat sich als einziges Rap-Album jener Phase bis heute im Kreise meiner Lieblingsalben gehalten und wird noch regelmäßig aufgelegt. Was für ein Feuerwerk an Stilen und Ideen. Und weil jeder nur "Talkin' all that Jazz" kennt gibt's noch "It's in my song", welches das ganze Crossover-Geraprocke der 90er um Jahre vorwegnahm. Zwei Songs eines Albums, das schaffen im weiteren Verlauf nicht mal the Cure.
16. The Human League - The black hit of space (1980) Lief ja alles irgendwie parallel, das Horten von Public Enemy Platten und das Zusammenkaufen der Human League Discographie, Mädchen waren sowieso noch doof. Auch wenn alle immer "Dare" kennen und loben, das ein Jahr zuvor veröffentlichte "Travelogue" fand ich direkt spannender. "I've heard the sound of the future" soll ja David Bowie damals über das Album gesagt haben.
Been out all night, I needed a bite, I thought I'd put a record on I reached for the one with the ultra modern label And wondered where the light had gone It had a futuristic cover, lifted straight from Buck Rogers The record was so black it had to be a con The auto changer switched as I filled my sandwich And futuristic sounds warbled off and on Jetzt muss ich an den Freeman denken
17. The Orb - Assassin (1992) Von the Orb gehört natürlich auch was in meine Liste hier, die waren über die Jahre immer ein treuer musikalischer Begleiter, daran konnte ich auch später hier im Forum anküpfen (der Cobra besitzt ALLE Versionen von "The Blue Room"!) "Assasin" war mein erster Kauf der Formation, ein blinder noch dazu. Nachts dann im Bett liegend über Kopfhörer die fast einstündige Maxi durchlaufen lassen (gleich drei Versionen des Titeltracks dauern über 13 Minuten) und die Bettdecke immer höher gezogen. Die Assassinen waren übrigens im 11. - 14. Jahrhundert eine radikale islamische Gruppierung, die mit Giftmorden und (Selbstmord-)Attentaten im heutigen Syrien und Iran ihr Unwesen trieb. History repeating.
ZitatCobraBora: Ich nehme wohl nicht zu viel vorweg, wenn ich feststelle, dass The Orb auch in meiner Liste noch auftauchen werden
.
18. Bob Marley - Iron Lion Zion (12'' Mix, 1992) Auch hier heiligt der Zweck wohl die Mittel. 1992 wurde dieser fragwürdig aufpolierte Archivfund des Reggaekönigs auf die Charts losgelassen und brachte auch mich - unterstützt vom örtlichen Quoten-Rasta drei Klassen über mir - zu einer kleinen Sammlung von Bob Marley Platten und tollen Samplern. Insgesamt eher eine kurze Phase, aber nach einer ca. 18-jährigen Verschnaufpause konnte ich ab 2012 wieder direkt anknüpfen. Die 12'' Version von Iron Lion Zion finde ich noch immer prima, ab 4:30 Gänsehaut pur, hoffentlich erfährt der Von Krolock das nicht.
Der große Umzugsausverkauf meines örtlichen Plattenhändlers bescherte mir zwei besondere Kleinode: Eine Albenbox von Madness sowie "Heaven up here" von Echo and the Bunnymen:
19. Madness - Bed and Breakfast Man (1979) Im Rückblick irgendwie konsistent, dass sich zwischen meine erste Reggaephase und das Entdecken von the Cure noch eben Madness schoben und mir mit "Bed and Breakfast Man" einen sehr hartnäckigen Ohrwurm bescherten. Hatte ich seither nicht mehr gehört, allein dafür hat sich der Thread also schon wieder gelohnt für mich.
ZitatVon Krolock: Bed & Breakfast Man ist auch einer meiner liebsten Songs von Madness, wie ich hier überhaupt das meiste mag. Von Marley wäre mir dieser Song aber so ungefähr als vorletzter eingefallen
ZitatCobraBora: Ui ja, Madness muss ich auch noch unterbringen.
Zitattenno: gott, madness muss ich auch noch unterbringen!
20. Echo and the Bunnymen - Show of strength (1980) Vermutlich bin ich der einzige Mensch auf dieser Welt, der die Liverpooler Band ausgerechnet über ihren superben Remix des KLF-Hits "What time is love?" kennengelernt hat (KLF Frontmann Bill Drummond war zuvor Manager dieser Band). Folglich erwartete ich für meine investierten 2 DM auch irgendwas elektronisch-sphärisches. Denkste, der Opener ließ mich ungläubig zurück und die Raumtemperatur sank um 20 Grad.
21. U2 - The Ocean (1980) U. war ein ruhiger Junge, der so schnell in unsere Klasse kam, wie er 2 Jahre später auch wieder verschwand um ein Internat zu besuchen, später hörten wir, er hätte psychische Probleme, aber genau wusste das niemand. Er trug Ökoklamotten und Locken, lebte offenbar nur von Bioäpfeln und Vollkornbrot. Eigentlich ein leichtes Ziel, aber da war auch seine ruhige, freundliche, intelligente Art, so wurden wir in dieser Zeit sehr gute Freunde. Auch musikalisch war er seltsam, ich kopierte ihm Public Enemy und KLF, doch er blieb stoisch dabei, dass "Boy" von U2 das beste Album aller Zeiten sei. Wir sitzen in seinem Zimmer am Waldrand, trinken (Bio?)Limonade und es läuft "The Ocean", eine Erinnerung wie ein Stilleben. Die Googlesuche nach seinem Namen ergibt keinen einzigen Treffer. Das passt zu ihm. Auf das Album lasse ich noch heute nichts kommen, mögen U2 danach gelegentlich noch so peinlich (und immer wieder auch toll, siehe "Achtung Baby") geworden sein. p.s.: "Washes my fee"? Ich verstehe da seit 20 Jahren immer "the Ocean's my friend"
22. The Doors - Light my fire (1967) Durch eine Doors-Phase geht ja eigentlich fast jeder mal (auch der faxe, z.B.) und "Light my fire" dürfte dabei zumeist nicht ganz unschuldig sein, soweit so unoriginell. Darum mal schnell mit einer vernünftigen Hintergrundstory aufgepeppt: Mein Vater kam als eigentlich totgeweihtes Frühchen einer 45-jährigen Mutter in einer Bombennacht des zweiten Weltkriegs zur Welt. Sein Gehör blieb schwach entwickelt, deshalb hat er die späten 60er ohne Musikbegeisterung auf den Barrikaden obskurer Weltanschauungen verbracht. Deshalb spielte, abgesehen von den wohl irgendwann pflichtbewusst gekauften blauen und roten Beatlesplatten, Rock- und Popmusik bei meiner kindlichen Musikprägung keine Rolle. Von den Doors und Led Zeppelin kannte ich deshalb bis ich 15 war keinen einzigen Song, dann blieb ich beim abendlichen Zappen bei einem Liveclip von "Light my fire" hängen und fand das doch sehr großartig. Eiligst bei einem der coolen Jungs in der Oberstufe eine Kopie von "The Doors" erbettelt. Mein Vater fand den Song in der entsprechenden Lautstärke dann auch cool: "Kenne ich nicht. The Doors sagst du? Nie gehört", er zog zufrieden an seiner Pfeife.
23. Richard Marx - Angelia (1989) Sie war das schönste Mädchen dieser Welt, daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel, ihr braunes Haar umwehte ihr umwerfendes Lächeln, ihr Gesicht war das letzte was ich vor dem Einschlafen sah und das erste nach dem Aufwachen. Es gab nur diesen einen Tanz auf einer Geburtstagsparty, ein kurzes Gespräch und dieses Lächeln zum Abschied. Jeder, der sie kannte erzählte mir danach, dass sie ständig noch nach mir frage und mich unbedingt kennenlernen wolle. Wie sollte das gehen, wie stellte sich das jeder vor? Mir zitterten ja schon die Knie, wenn ich nur ihren Namen hörte. Im Warten war sie nicht gut, ein paar Wochen später hatte sie einen neuen Freund, er war schon 18 und hatte ein bayrisches Motorrad, "zwei Wochen lang hab' ich nur geweint". Ich habe übrigens keine Ahnung, warum ich seither diesen schrecklichen Song mit ihr assoziiere, möglicherweise lief er auf der Party. A letter to my son: Suche dir für die ersten Techtelmechtel ein Mädchen aus dem hinteren Mittelfeld aus, entwickle dadurch Selbstbewusstsein und schmeiss dich erst dann an die Schulschönheit.
ZitatJackOffAllTrades: Und für "Right Here Waiting" von Richard Marx habe ich einen kleinen Soft Spot.
ZitatKing Bronkowitz: AAAAAAAAAAAAAAAAAAH
24. The Cure - Close to me (1985) Es muss um die Zeit der ersten - meinerseits zunächst erschreckend unbeholfenen - romantischen Episoden (und den daraus resultierenden musikalischen Irrwegen, siehe oben) gewesen sein, irgendwann nach 1993 und vor 1995, als ich verloren auf meinem Bett lag - sie hatte nicht angerufen! oder einen neuen Freund! - und meine Gefühlswelt für einen Moment gespannt verharrte. MTV, damals noch ein toller Musiksender mit fachkundigen Moderatoren sprach zu mir und präsentierte einen ganz und gar wunderbaren Clip (fünf Typen mit seltsamen Frisuren sind in einem Schrank gefangen, fallen von einer Klippe und versinken langsam im Meer) zu einem noch ganz wunderbareren Lied (I've waited hours for this, Handclaps! I've made myself so sick, Xylophon! I wish I'd stayed asleep today, die Orgel! I never thought this day would end, was für eine Bassmelodie!). Ein Lächeln auf dem verweinten Kopfkissen, Herzklopfen im Jugendzimmer, der schnelle Tod fürs angesparte Taschengeld. Booklets der eiligst gekauften Alben wurden nicht gelesen sondern auswendig gelernt, angehimmelte Mädchen bekamen das "Pornography"-Album überspielt (ok, wir haben nicht zueinander gepasst) und die Welt war voller (Plainsong-)Geigen. Ich schmachte immer noch, wenn ich daran denke.
ZitatQuork: Jetzt dachte ich kurz erschrocken, du bezeichnest "Close to me" als musikalischen Irrweg. Dann erinnerte ich mich, wer hier schreibt. Taucht in meiner Liste auch noch auf!
ZitatCobraBora: Einer der vielen großen Songs der Band, auch wenn bei mir wohl ganz knapp keiner auftauchen wird. Die Stone Roses mochte ich auch immer, aber da halte ich es eher mit den späteren Songs.
25. The Stone Roses - She bangs the drums (1989) Die wichtigsten Cure Alben lagen im Regal, Mädchen waren wiedermal doof, da konnte ich mich neuen Ufern zuwenden: The Farm waren zuvor die "for beginners"-Band, da kamen die Stone Roses mit der schwer behypten neuen Single "Love Spreads" gerade richtig. Nun, die Spatzen pfiffen es von den Dächern und die Redakteure aus der ME-Redaktion, das zugehörige Album "The Second Coming" durfte man auslassen (aus heutiger Sicht widerspreche ich da entschieden, selten wurde dem Größenwahn ein schöneres Denkmal gebaut), aber das Debüt musste man nachkaufen. Gesagt getan. Tolles Ding, der Weg war damit auch bei mir geebnet für die nächste britische Invasion. Ein unerwartetes Highlight übrigens, die Band 2012 live zu sehen.
26. The Smashing Pumpkins - The last song (1995) Als musikalisches Kind der 90er kam man ja eigentlich nicht an den Smashing Pumpkins vorbei, ich hatte mich allerdings auch gar nicht groß gewehrt: "Mellon Collie und the infinite Sadness" habe ich am gleichen Tag gekauft wie "Definitely Maybe", an einem verregneten Tag in Berlin 1995, dann spätabends über Kopfhörer auf der Luftmatratze staunend gehört. 28 Songs, dazu dann verteilt über die nächsten Monate noch 28 B-Seiten, eine davon ein Medley aus unveröffentlichten weiteren 50 Songs. Was für eine Gigantomie, was für eine Kreativität, was für eine Stilbreite. In meinen "Songs meines Lebens" - Fundus sind viele davon eingewandert. Wenn ich mich auf einen Song dieser Bandphase festlegen muss, ist es "The last song", B-Seite von "Thirty-Three", Billy Corgan's Vater gniedelt an der Leadgitarre, das finde ich dann auch schön, ab 02:20 schmilzt mein Herz regelmäßig.
ZitatDrosophila: she bangs the drums ist natürlich ein famoser song, der es bei mir nur knapp nicht in die top100 geschafft hat. die smashing pumpkins hingegen werden noch einen auftritt haben, man muss ja die fahne hochhalten.
27. The Verve - On your own (1995) "Das waren doch die mit..." JAA, Bittersweet Symphony So eine tolle Band und dann im Musikhistoriengedächtnis doch irgendwie auf den größten Hit reduziert. Klar, "Urban Hymns" war das richtige Album zur richtigen Zeit. Aber doch mindestens genauso relevant und eigentlich aus heutiger Sicht viel spannender finde ich die beiden ersten Alben: Eher Jams und Skizzen als fertige Songs. Singles, die sich auf über 9 Minuten auftürmen. Ich komme wirklich ins Schwärmen und würde hier am liebsten das ganze "A northern soul" Album posten. Oder doch "Gravity Grave"? Oder "She's a superstar"? Ach, Gefühle für alle, "On your own"!
28. Oasis - The Masterplan (1995) Ein kluger Mann hat mal folgendes geschrieben:
Zitatman könnte doktorarbeiten darüber schreiben, warum "what's the story (morning glory)?" besser ist als "definitely maybe" und man könnte selbiges für die gegendarstellung machen. oder man akzeptiert, dass die beiden ersten alben von oasis sowieso in einer anderen liga spielen. hit über hit über hit und ich darf ein teil davon sein, gebt mir zigaretten und alkohol und den lieblingsnöler (pun intended), prolls sind besser, wenn sie briten sind und oasis ist die grösste band der welt. das eigentlich schöne daran: die musik lässt einen das glauben, jedes mal wieder.
Ich ergänze mal eben darum, dass neben den beiden genannten Alben auch die ganzen B-Seiten dieser Epoche strahlen wie Sterne über der Heide (o.ä.). Zuerst gekauft hatte ich '94 das Debüt, dann kam '95 "Wonderwall" als Vorabsingle und ich war noch mehr hin und weg. Nee, nicht wegen des Gassenhauers, die B-Seite "The Masterplan" hatte mein Herz erobert. Bis heute mein liebster Oasissong, wobei die Konkurrenz ja wirklich zahlreich und prächtig ist.
29. Radiohead - Street Spirit (Fade out) (1995) "Creep" fand ich schon mies, bevor Thom Yorke es (schon wieder nervig demonstrativ) mies fand, ergo hatte ich mir Pablo Honey erst gar nicht geholt (ok, 20 Jahre später dann als Deluxe Box schon). Skeptisch schaute ich deshalb 1995 in den damals noch etwa zwei Meter tiefen Fernseher , als der Moderator das "fantastic new video" der Band ankündigte. Viereinhalb wundervolle Minuten und unzählige "Wow"s später verspürte ich große Lust, mir schleunigst das Album zu kaufen und schon kurze Zeit später war ich stolzer Besitzer von "the Bends", das im Zeitalter von Britpop natürlich auch bei mir offene Türen einrannte. Jenes Album mag - im Wissen um die späteren Werke - aus heutiger Sicht ein klein wenig an seinem Glanz verloren haben, bleibt für mich aber eines der essentiellsten und prägendsten Alben der 90er.
ZitatVon Krolock: Mir fällt gerade (erstmalig) auf, dass mich das Gitarrenintro an "Hells Bells" erinnert
30. Queen - You don't fool me (1995) Queen haben ja schon immer alle Menschen da draußen super gefunden. Ich nicht. Was für eine schreckliche Band, was für eine schreckliche Musik. Aber alleine schon, weil ich seit nunmehr beinahe 20 Jahren jeden Queensuperfinder genüßlich mit Lobhudeleien über "You don't fool me" provoziere, gehört der Song in diese Liste. Außerdem habe ich ihn damals wirklich geliebt und finde noch heute, dass das ein verdammt sexy Song ist. Ich hätte Freddy Mercury noch ein paar Jahre gegönnt, aber hier war es wohl ganz gut, dass er nicht mehr reinpfuschen konnte (Oh, diesen Satz muss ich zukünftig noch an meine Lobhudeleien ransetzen).
Zitattenno: mich kannst du nicht provozieren - ich finde queen UND diesen song gut.
ZitatThunderbird78: Lange nicht mehr gehört. Super.
31. The Bluetones - Time & Again (1996) So ein bisschen ist die Band um Sänger Mark Morriss in der hiesigen Wahrnehmung ja die "lost Britpop-Band" geworden, scheint mir. Liegt wohl daran, dass sie den immensen Erfolg ihres Debüts "Expecting to fly" (verdrängte in Großbritannien immerhin "What's the story (morning glory)" von Platz 1 der Albumcharts) nie wiederholen konnten. Ich habe das Album damals - Frühjahr 1996 - rauf und runter gehört, wobei es mir der Closer "Time & Again" besonders angetan hatte. Vielleicht lags ja auch am Wiedererkennungseffekt des Bassriffs, das zuvor schon bei KLFs "3 AM Eternal" Verwendung fand. Ich hoffe ja auf tenno oder von Krolock bezüglich weiterführender Hinweise auf den Urheber. Irgendwann Mitte des letzten Jahrzehnt hatte ich das Album mal wieder beiläufig aufgelegt und durfte alsbald auf freundlichen Hinweis meiner Frau "alles" von der Band nachkaufen und in ihr Autoradio legen, deshalb waren die Bluetones in den letzten Jahren wieder recht präsent für mich.
32. Sharon Stoned - Down (1996) Sharon Stoned gingen 1994 aus der westfälischen Band Speed Niggs hervor und hatten scheinbar niemanden, der ihnen einen besseren Bandnamen vorschlug. Egal, für eine kurze Phase Mitte der 90er war Detmold das Epizentrum des deutschen Indierocks und "Sample & Hold" bei mir ein Monolith auf Dauerrotation, entstanden unter Mitwirkung u.a. von Micha Acher, Dirk von Lowtzow, Tom Liwa und Hans Platzgumer. Kernstück und zentraler Song war "Down", ein siebenminütiges Fanal der Melancholie. p.s.: Der Mister hatte dem Song übrigens mal 1/10 gegeben. So etwas vergesse ich nicht
ZitatCobraBora: Hehe... das kommt beim Mister schon mal vor. Der Song plätschert ja auch ein bisschern vor sich hin. Ob das an dem stoischen Beat liegt, kann ich nicht so recht sagen, aber das klingt nach etwas, das vor fünf Jahren auf Bayern 3 auf Dauerrotation war.
33. Ocean Colour Scene - The Riverboat Song (1996) Es ist wohl in erster Linie Noel Gallagher zu verdanken, dass die Band aus Birmingham nicht schon nach ihrem verunglückten Debütalbum (1992) das Handtuch schmiss. Nachdem dieser 1995 ein Demo der Band in die Hände bekam, lud er sie ein, mit Oasis auf Tour zu gehen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, schon wenige Monate später stand das zweite Album "Moseley Shoals" auf Platz 2 der britischen Albumcharts, während die Singles "The riverboat song" und "The day we caught the train" in Dauerrotation bei MTV liefen. Damals zu Recht als etwas intellektuellere Ergänzung zu Oasis abgefeiert, ist meine Faszination für das Album noch heute ungebrochen. Nach einer sehr lohnenswerten B-Seiten Compilation und dem dritten Album "Marchin' already" ging's dann leider in die weitgehende musikalische Belanglosigkeit.
Zitattenno: ich möchte hier noch ergänzen, dass die herren auch verdienstvoll den herrn weller auf der "wild wood" unterstützten (was bei mir auch noch zu gegebener zeit zum tragen kommen wird).
ZitatDrosophila: beim riverboat song stelle ich nach wie vor eine gewisse ähnlichkeit zu pearl jam fest. zu welchen mein verhältnis ja gespalten ist, ich hatte in den mittleren/ausklingenden neunzigern eine phase recht intensiven pearl-jam-hörens, was mir nicht so richtig peinlich sein kann, die hatten schon einige richtig gute songs, es ist nur mal wieder das spätwerk, das einem die erinnerung zu vergällen versucht.
ZitatSquonk: Die haben ja nun auch wirklich NICHTS mit Oasis gemein! Aber für Freunde des ausgedehnten Songs wollte ich noch darauf hinweisen, dass "Get Away" von der "Moseley Shoals" einfach grandios ist!
34. The Secret Goldfish - Dandelion Milk Summer (1996) Nicht zu verwechseln mit einer gleichnamigen japanischen Band, dies hier waren junge und idealistische Briten, die Mitte der 90er zwei sehr tolle Alben voller hübscher kleiner Songperlen veröffentlichten und dann schon wieder getrennte Wege gingen. Ich möchte hierzu über die sommerlichen Felder der Heimat rennen, in einen glasklaren Bach eintauchen und anschließend auf einer Wiese liegend in den Himmel schauen und Mörike rezitieren. Der King möge mir v.a. letzteres verzeihen.
ZitatVon Krolock: The Secret Goldfish sind sehr nett. Mit nett ist hier keine kleine Schwester von irgendwem gemeint, nett in positivem Sinne
35. The Cure - Want (1996) Sommer 1995, eine Wahsinnshitze am Bodensee, tausende in schwarz gekleidete Menschen, oft mit weiß geschminkten Gesichtern und zerzausten Frisuren stehen seit nunmehr 10 Stunden irgendwo an und herum. Am Ende eines gefühlt endlosen Gigs von Sinnead O'Connor dann nochmals knapp eineinhalb Stunden Wartezeit, ein lebensgefährliches Gedränge, immer wieder versuchen die Organisatoren mit kühlem Nass aus Feuerwehrschläuchen die Gemüter der Menge zu beruhigen, während die Ordner alle Hände voll zu tun haben, die vielen Kollabierten aus der Menge zu fischen. Das Licht erschlicht, eine Unmenge von Kunstnebel ergießt sich über die Bühne und begleitet von ohrenbetäubendem Gekreische bewegen sich fünf Schatten langsam auf die Bühne. The Cure sind zurück! Finstere Akkorde türmen sich über Minuten auf, eine jaulende Gitarre dreht sich unheilvoll um sich selbst und schließlich ist sie da, diese Stimme wies es sie nur einmal gibt und zetert und klagt wie nur sie es kann: "I'm always wanting more, anything I haven't got, everything, I want it all, I just can't stop...". Definitiv DER Konzertmoment meines Lebens, mein erstes Cure Konzert. Dann Frühjahr 1996 endlich die Studioversion auf "Wild Mood Swings", dem ersten Album, dessen Veröffentlichung als Fan der Band erleben durfte, was für ein erinnerungswürdiger Moment, als die ersten Töne des Intros erklangen. Und schließlich habe ich den Song auch mal - als vermeintlich eigenes Demo - meiner Band untergejubelt. Ich glaube, die wissen bis heute nicht, was sie da als "Children of the endtime" (o.ä.) auf zig Konzerten gespielt haben. Eine schöne Zeit, ich müsste sogar noch irgendwo ein tape von dem Song haben.
ZitatCobraBora: Tatsächlich, gar kein schlechter Song, vor allem mit viel Spannung und Atmosphäre
36. Prince - The most beautiful girl in the world (1994) Frühjahr 1996: "Gleich kommt meine kleine Schwester heim, die müsstest du ja noch von früher kennen, ihr könnt ja ein bisschen quatschen während ich noch kurz dusche" sagt mein gar nicht mal so enger Kumpel A., als wir vor dem gemeinsamen Discoabend noch ein paar Minuten bei ihm herumsitzen. Klar kenne ich seine Schwester, dieses ca. dreijährige blonde Engelsgesicht, das mich im Kindergarten mal in die Hand gebissen hatte, schreckliche Göre das. "Hättest du mich nach all diesen Jahren wiedererkannt?", ich blicke in ihr wunderschönes, fragendes Lächeln, "ich bin kein kleines Mädchen mehr" flüstert sie mir zum Abschied noch zu, da ist es schon längst um mich geschehen. Und klar, Prince hatte hochwertigere Songs als diesen hier. Aber darum geht es in diesem Fall ja nicht...
37. Frank Black - Czar (1993) Noch bevor ich jemals einen Ton der Pixies bewußt gehört hatte ("Death to the Pixies" kam ja erst 1997) hatte ich mir im Frühling 1996 auf einer Welle der Euphorie alle drei bis dato erhältlichen Soloalben von Frank Black geholt und wochenlang nichts anderes gehört. Grund war der Song "Men in Black" auf einer Beilagen-CD vom ME oder RS, der hat mich schon ziemlich erwischt. Ging mir andererseits damals jeden Monat mit irgendeiner Heft-CD so, ich kannte ja nichts. "Places named after numbers", "Czar", "Can I get a witness?", "You ain't me", "Headache", "Pure Denizen...", alles Hits, noch heute. Der Mann gehört in diese Liste.
38. Echobelly - Great things (1995) Frühling 1996 wieder mal, ich gebe ja zu, das war eine sehr essentielle Zeit. Eine wunderbare Freundin, ein schönes Moped, dazu allerhand gute Musik. An letzterem nicht ganz unschuldig war ein gewisser Ray Cokes (nicht zu verwechseln mit dem Kasper oben im Video), der allabendlich bei MTV aufs frenetische Publikum losgelassen wurde und immer allerhand gute Liveacts präsentieren konnte. Inmitten der Britpop-Welle waren Echobelly dabei mit ihrer dezent an den rockigeren Morrissey-Sachen angelehnten Musik und der sehr charmanten Sonya Madan eine angenehme Ausnahmeerscheinung. Nach dem dritten Album "Lustra" (1997) habe ich die Musik der Londoner Truppe leider nicht weiter verfolgt.
39. Morrissey - Southpaw (1995) Als die erste große Liebe in Scherben lag und ich mir schwor, nie mehr glücklich sein zu wollen, kam Morrissey's wohl seltsamstes (und damals ziemlich verrissenes) Album gerade recht. In tiefer Trauer stellte ich mich diesen warmen Sommerferien 1996, verzichtete auf jeglichen Urlaub und malochte rund um die Uhr in einer Fabrik für Elektroteile. Abends saß ich dann über einer Dose Ravioli und verdrückte spätestens bei "and now there's something that you should know, the girl of your dreams is here all alone" eine Träne.
40. Slowdive - Catch the breeze (1991) Was solll man an der Schwelle zum Erwachsensein auch sinnvolleres machen als diese schwermütige Musik zu hören? Ganz großes Album, sehr tolle Band. Auch die Folgeprojekte (Mojave 3, Neil Halstead Solo, Black Hearted Brother) haben mich seither stetig begleitet, auch weil das dann zumeist eher selbstzufriedene und routinierte Musik für ebensolche Lebensphasen war.
ZitatCobraBora: Uiui, das ist schön! Von der Band kenne ich leider kaum einen Song...
41. The Cure - the 13th (1996) "The Cure have just announced the release of their first single in four years. According to singer Robert Smith the song is to be heavily influenced by" ... hilflos schaute die MTV-News Dame in die Kamera ... "Mariachi!?" Muahaha, Robert Smith, der alte Schelm. Wenige Wochen später dann die schreckliche Gewissheit: Er muss wirklich den Verstand verloren haben, mit diesem kruden Stilmix die Nachfolge von Hits wie "Just like heaven" oder "Friday I'm in love" antreten zu wollen. Dazu dann ein Video, in dem sich Transvestiten in einem Hotelzimmer prügeln, während der Text das Erwachen nach einer Mordnacht thematisiert ("The 13th" handelt von einem realen mexikanischen Serienmörder, der gerade sein dreizehntes Opfer dahingemeuchelt hat). Das konnte nicht ansatzweise gutgehen und ja, es ging mächtig schief. Die Single riss nicht nur das folgende Album "Wild Mood Swings" schon vor Veröffentlichung in den Abgrund (dabei wäre die folgende Single "Mint Car" ein durchaus würdiger Nachfolger oben genannter Welthits gewesen), sondern versetzte der kommerziellen Karriere der Band gleich komplett den Todesstoß. Ich weigerte mich in den nächsten Monaten, die Single auch überhaupt nur ein zweites Mal anzuhören. The song was played very few times during the Swing Tour and never again since the tour. Es gehörte dann zu den ungeahnten Wendungen des Lebens, dass ausgerechnet das bereits beklagte Ende meiner ersten vernünftigen Beziehung eine Phase ungeahnter amoröser Erfolge einläutete. Und während ich gut gelaunt diesbezüglich Abenteuer an Abenteuer reihte, war das krude "The 13th" längst mein heimlicher Hit geworden. "Oh I know that tomorrow I'll feel bad But I really couldn't care about that She's grinning singing spinning me round and round Smiling as I start to fall Her face gets big her face gets small It's like tonight I'm really not me at all And it feels good!" Fragt mich nach einer Cure Best of (macht das auf gar keinen Fall) und dieser wahnwitzige Song wäre immer dabei.
ZitatCobraBora: Den Song hatte ich irgendwie auch aus meinem Gedächtnis gestrichen, und das Video hatte ich überhaupt noch nicht gesehen. Aber... yeah!!
42. Dinosaur Jr - Feel the pain (1994) Es hat manchmal doch sein Gutes, wenn man eine Band erst Jahre nach ihren Weltruhm kennenlernt. Klar, die coolen "Ich habe damals als Küchenjunge auf einer Barke angeheuert um die Debüt-EP in einem Londoner Plattenladen unter der Hand erstehen zu können"- Stories fallen dann weg, aber man kann einfach unbefangen das Spätwerk genießen und mit einem mentalen Hüftschwung an der grimmigen "Alles nach dem ersten Album war nichts mehr"-Fraktion vorbeitänzeln. Siehe: Frank Black, siehe Morrissey, siehe David Bowie, siehe the Human League, siehe Phillip Boa, siehe the Cure, siehe auch Dinosaur Jr, eigentlich habe ich alle meine Lieblingsinterpreten weit nach deren Zenit kennengelernt. "Without a sound" ist deshalb sicher nicht das Album mit dem die Band um J Mascis in die Musikgeschichte eingehen wird, "Alterswerk" trifft es vielleicht sogar ganz gut, aber das Dargebotene ist schon sehr fluffig und liebenswert, gerade auch die Leadsingle "Feel the pain" und ihr Golfvideo.
ZitatQuork: Ich bin auch ein Fan des Dinosaur-Jr.-Alterswerks. Tatsächlich kenne ich aus der Zeit vor 2007 überhaupt nur ein Album ("Green Mind"), und da gefällt mir dann doch alles spätere besser. Besonders auf "Beyond" und "Farm"(!) sind tolle Sachen. Ich mag ja auch das Mascis-Soloalbum sehr gerne, wenn das die meisten anderen Menschen auch anders sehen.
ZitatDrosophila: "farm" ist ein grossartiges riffmonster, die platte sollte man haben. und live können sie es auch noch.
ZitatKing Bronkowitz: Dinosaur Jr. ist ein Spezialfall. Musikalisch top, aber bei dem Nöhlgesang bekomme ich genauso Pickel wie bei Neil Young und Bob Dylan.
ZitatSquonk: Das Album kauf ich mir jetzt! Warum packst du sowas nie auf deine MiBS?
43. The Lemonheads - Rick James Style (1993) Meine Lemonheads-Phase dauerte zwar nur ein paar Wochen, aber für drei Albenkäufe und ein ungeahntes Powerplay auf jeder Party hat's gereicht. "Aus dem Weg, ich lege jetzt Lemonheads auf...", da wussten die anderen dann, dass mir der Abend gefiel.
ZitatKrautathaus: Vor allem die "Car, Button & Clothe" habe ich damals recht regelmäßig gehört. If I Could Talk I'd Tell You fand ich toll. Ist glaub ich auf irgendeinem Farelly Soundtrack drauf. Ich mag Evan Dando's Stimme.
44. Samba - Bundeswehrschlafsack (1997) 45. Die Sterne - Die Interessanten (1997) 46. Tocotronic - Sie wollen uns erzählen (1997) Liebe Leser, es war an der Schwelle zur Volljährigkeit 1996/1997 für mich wirklich eine kleine Sensation, auf einmal clevere deutschsprachige Texte, verpackt in rumpelnden Gitarrenpop zu erhaschen. Klar, der Freundeskreis (welche Wahl hatte ich denn?) gröhlte schon Böhse Onkels und Tote Hosen Songs (die Ironie dabei fiel offenbar niemand auf) bevor er laufen konnte und meist auch danach dann wieder. Aber "Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die Interessanten", dazu musste man sein Gehirn nicht mit Bier niederkämpfen oder mit einer Dorfschönheit "ein bisschen an die frische Luft". Die beiden Auslöser meiner Begeisterung waren "Was hat dich bloß so ruiniert?" und bei Tocotronic "In der Überzahl", schnell fand ich aber eigentlich alles gut, was da aus Hamburg und Münster (Samba) in mein Leben schwappte. Außer Blumfeld natürlich! Da ich inzwischen auch mit einem pfeilschnellen Renault (45 PS) bewaffnet war, änderte sich dann auch die Zusammensetzung meines Freundeskreises in Richtung elitäres Gehabe. Fand ich gut. ps: Samba haben beim berüchtigten "test of time" am ehesten ein paar Schrammen abgekriegt. Aber mein Kleiner liebt die Band!
Zitattenno: es ist eine wahre wonne, deinen thread zu lesen. was die musikauswahl etwas ausgleicht.
ZitatCobraBora: Der Song von Samba war mir unbekannt, gar nicht schlecht, kann jedenfalls problemlos mit den Sternen mithalten.
ZitatSpaceballs: Bundeswehrschlafsack. Das glaube ich jetzt nicht, was man alles vertonen kann.
47. Supergrass - Richard III (1997) 1995 ging mir DER Sommerhit "Alright" dieser drei Kotelettenzwerge noch mächtig auf den Keks. Zwei Jahre, eine positive ME-Rezension und vier Minuten Musikvideo bei MTV später musste ich meine Meinung dann mächtig revidieren: Die Band aus Oxford und ihr tief in der britischen Musikgeschichte verwurzeltes Zweitwerk "In it for the money" gehörten zum besten was die Hochphase des Britpop je hervorbringen sollte. Refrains, die der Teufel nur gegen eine Seele herausrückt ("Cheapskate"), in Regen ertrinkende Sonntagnachmittage ("Late in the day"), dort ein Theremin ("Richard III") hier eine Human beat box ("Sometimes I make you sad"). Dies alles angeführt von einer Single, welche jegliche Erinnerung an "Alright" mit einem Fausthieb aus dem Weltgedächtnis bannen wollte.
ZitatThunderbird78: Ich bin ja nie der größte Britpop-Fan gewesen, aber ein paar Kleinode haben uns die diversen Bands von Insel ja schon berschert. 'Richard III' ist einer der Songs, die ich durchweg positiv in Erinnerung behalten habe. Auch, wenn ich Supergrass seit gefühlten 15 Jahren nicht mehr gehört habe.
ZitatCobraBora: "Alright" kannte ich natürlich, den Song nicht. Geht aber ordentlich ab!
ZitatKrautathaus: Sehr geile Nummer. "Alright" wurde doch für eine Eiscremewerbung verwurstet, oder? "In it for the money" find' ich durchweg klasse und hatte den fetteren Sound als das Debut. Vielleicht hätte ich "Sun hit's the sky" genommen. Aber "Richard III" käme gleich danach und dann "Tonight".
48. Phillip Boa - Kiss my soul (1997) Analog zu David Bowie, Frank Black, Depeche Mode oder Morrissey muss ich mich bei Diskussionen über Musik (also ausnahmslos hier im Forum oder auf Forentreffen) ja doch gelegentlich der Ratschläge erwehren, dieses und jene Werk aus einer früheren Schaffensphase sei doch um so viel interessanter und schlichtweg lohnenswerter als das von mir genannte. Deshalb, einfach weil es wahr ist und ich mich doch ertappt fühle: Ich besitze von Phillip Boa ALLE seit 1997 veröffentlichten Alben und KEINES von zuvor. (Update Juli 2015: Inzwischen logischerweise alle nachgekauft). Schuld ist "Kiss my soul", diese kleine Hymne der intellektuellen Selbstverliebtheit von einem großen Album der intellektuellen Selbstverliebtheit, "Lord Garbage".
ZitatCobraBora: Mit dem Wichtigtuer Philip Boa bin ich aber nie warm geworden, das wird sich wohl auch nicht mehr ändern.
49. Stone Temple Pilots - Big Bang Baby (1996) Ein schöner Effekt bei der Erstellung dieser Songliste ist, dass man gezwungen ist, in bestimme Alben zum ersten Mal seit Jahren oder gar Jahrzehnten reinzuhören. Das blaue Weezers-Album ist gerade mit wehenden Fahnen untergegangen, weiter geht's dann mit "Tiny music... Songs from the vatican gift shop" der Stone Temple Pilots, welches ich damals v.a. aufgrund seiner kruden Stilwechsel ziemlich faszinierend fand (wenn ich mich recht entsinne kam das Album bei der wohl noch auf Grunge gebürsteten Anhängerschaft der Band zunächst gar nicht so gut an). Damals und heute einer der stärksten Songs des Albums: "Big Bang Baby", das gemütlich anfängt um sich dann reichlich unerwartet (ab 1:40) in einen Refrain hochzuschrauben, den man sich wohl nur erdenken kann, wenn man so aus der Wäsche schaut wie Scott Weiland in diesem Video. Ein Wunder, dass der Kerl überhaupt noch lebt. In 1998 Weiland was caught in Manhattan buying heroin, dressed like a pimp
50. Grant Lee Buffalo - Lone Star Song (1994) Das wirklich sehr sehr tolle Debüt "Fuzzy" habe ich mir seltsamerweise erst viele Jahre später besorgt, aber "Mighty Joe Moon" (auf das ich dank der ME-Rezi aufmerksam wurde) hörte ich damals ständig. Aus heutiger Sicht: Zu Recht. Windschiefe Balladen, stürmischer Rock mit Countryeinschlag, das alles erfreulich bärtig und kompromisslos. Keinen Zentimeter Staub angesetzt hat vor allem der galoppierende Opener "Lone Star Song".
ZitatCobraBora: Eigentlich so gar nicht meine Musik, aber irgendwie gefällt mir das. Schön kraftvoll, und wenigstens der Sänger klingt absolut nicht bärtig.
51. Teenage Filmstars - Physical Graffiti (1997) "Buy our record, support our sickness", da braucht unsereiner ja nicht zweimal über den Albenkauf nachzudenken. Und siehe da, was die Szenegröße Edward "Ed" Ball (Ex-Television Personalities, Ex-Conspiracy of noise, Ex-The Times, Labelgründer (Artpop!) sowie Executive Director bei Creation Record) zwischen 1992 und 1999 mit zwei Mitstreitern unter dem wiederbelebten Namen Teenage Filmstars (existierten zuvor schon 1979-1980) veröffentlichte, machte tatsächlich keine Gefangenen: Größtenteils rückwärts geloppte Gitarrenwände und Drums, Sitarklänge und alllerlei verstörende Samples. Der ME nahm "Physical Graffiti" trotzdem gütig lächelnd auf seine Monats-CD und ich hatte meinen psychodelischen Sommerhit.
Zitattenno: das ist ja schon ziemlich großartig.
ZitatCobraBora: Uiui, sehr cool!
52. Built to Spill - Untrustable/ Part 2 (about somebody else) (1997) Es ist schon ein erfreulich kauziger und trendresistenter Indierock ganz eigener Prägung, den Doug Martsch und seine wechselnden Mitstreiter seit inzwischen 22 Jahren und sieben Alben aus dem heimischen Idaho in die große Welt schicken. In mir haben sie einen ungebrochen begeisterten Abnehmer hierfür gefunden, auch Doug Martsch's noch kauzigeres Soloalbum und das Livealbum ... trommelwirbel. ... "Live" mag ich in meiner Sammlung nicht mehr missen. Den Grundstein für mein Fantum legte damals 1997/1998 "Untrustable", das damit für mich natürlich einen besonderen Rang einnimmt, auch wenn "Broken Chairs" (sehr toll auch die 19-minütige Version auf "Live") oder das irre "Goin' against your mind" noch ein bisschen ungestümer daherkommen. Ich finde es einfach spannend, dass man bei keinem Song der Band wirklich weiß, wo einen die nächsten Minuten hinführen werden, die zweite Hälfte von "Untrustable" (="Part 2 (about somebody else)") belegt diese kompositorische Experimentierfreude recht anschaulich. Jetzt muss ich die Herren nur mal endlich noch live sehen, mit dem burnedcake natürlich.
ZitatCobraBora: Built To Spill ist auch nicht schlecht, spricht mich stilistisch vielleicht weniger an.
53. The Cure - To the sky (1987) Dezember 1997, es sind nur noch wenige Tage bis Weihnachten. Eine dicke Schneeschicht hat sich über das kleine Dorf gelegt, das sich schon in spätabendlicher Dunkelheit hüllt. Mit meinem Walkman mache ich mich zu Fuß auf den Weg zu meinem besten Freund, nur ein paar Straßen weiter. Ich hatte mir kurz zuvor einen Stapel Cure-Bootlegs auf einer Plattenbörse gekauft und sofort auf Kassette überspielt. "To the sky (Unreleased Kiss me Kiss me Kiss me - Outtake)" ist der nun sanft beginnende Song betitelt, den ich in diesem Moment zum ersten Mal bewusst höre: One perfect morning i was all alone listening to the blaze of summer Drifting I was falling I was floating in a golden haze Breathing in the sky blue sounds of memories of other days Wie oft ich diesen Weg in meinem Leben wohl schon gegangen sein mag? Was hatten dieser Freund und ich nicht schon alles gemeinsam unternommen und erlebt? Es gibt ein Bild von uns, da sitzen wir als zweijährige Lümmel gemeinsam am Meer und lächeln mit verschmierten Gesichtern über unseren Eiswaffeln. And in my dreams i was a child Flowers in my mouth and in my eyes and i was floating through the colours of a sky up to the stars and angels Noch wenige Monate bis zu meinem Abitur, wie würde sich das weitere Leben gestalten, was würde die Zukunft mit sich bringen? Ich habe noch keinen rechten Plan für das Leben danach. Der Sternenhimmel über mir läßt mich alleine mit diesem sich unweigerlich den Weg bahnenden Gedanken: "Dies ist das Ende deiner Jugend" Turning in my climb i looked down on a lake and traced upon the water there i saw your face and sang in recollection of the times we shared... then pushed on ever upward to the sky Ich bleibe für einem Moment vor dem alten Baum im Garten des Freundes stehen. So muss ich schon in frühesten Kindheitstagen an der Hand meiner Eltern vor ihm gestanden haben, fasziniert von seinen langen, gewundenen Ästen. Damals war dies hier noch eine versteckte Wiese, nahe am Waldrand, erst ein paar Jahre später wurde das Neubaugebiet errichtet. Für einen kurzen Moment scheint mir, ich würde wieder inmitten dieser endlos scheinenden Wiesen und Felder meiner Kindheit stehen. _ _ _ _ _ Mai 2014: Zusammen mit meiner Frau und unserem Kleinen mache ich mich - wie bei jedem Besuch bei meinen Eltern - auf diesen Weg zu meinem Kumpel, der seit ein paar Jahren mit seiner eigenen Familie das Haus seiner Eltern bewohnt. Drinnen sind schon seine beiden Jungs zu hören, der Ältere freut sich sicher schon auf sein Geburtstagsgeschenk, da lasse ich mich als Taufpate doch nicht lumpen. Unser Kleiner bleibt auf einmal stehen und zeigt mit einem staunenden Gesicht auf diesen alten Baum mit seinen weitverzweigten Ästen. Ich knie mich neben ihn und teile seine Bewunderung, da lächelt er zufrieden.
Zitatsisty: schön
ZitatVon Krolock: Wirklich schön. Habe ich noch nie gehört. Und schöne Geschichte
ZitatCobraBora: Die Geschichte ist sogar noch schöner als der Song.
ZitatJoseLopez: Mehr noch als die Würdigung des perfekten Einsatzes der Streicher interessieren mich die Geschichten dahinter. Von daher: Sehr schön.
54. Therapy? - Nowhere (1994) Das Leben hatte ursprünglich sicher einen anderen Plan für mich: Niemals würde ich ein Auto fahren, niemals eine Waffe in die Hand nehmen, niemals etwas anderes als die Grünen wählen. Aber ich würde Brunnen bohren in Afrika, zumindest in den Drehpausen meiner preisgekrönten Kalahari-Dokumentationen. Tierfilmer oder Umweltschützer oder eine Kombination aus beidem, das wollte ich werden. Heinz Sielmann war folglich das Idol meiner Kindheit und frühen Jugend, da konnten MacGyver und Konsorten noch so cool aus der Wäsche schauen. Jahr um Jahr mussten meine Eltern entnervt ein Fernglas mit in den Urlaub nehmen, damit ich stundenlang irgendwelche brütenden Wattvögel beobachten konnte. Die Entfremdung von diesem Weltbild muss sich schleichend vollzogen haben, kulminierte aber an einem Tag im Januar 1998: Mein vollbärtiger, stets in Sandalen wandelnder Sozialkundelehrer kam auf das Thema „Wehrpflicht“ zu sprechen: „Jeder von euch Jungs kann sich ja darauf berufen, dass er den Dienst an der Waffe nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Da sehe ich mich als euer Klassenlehrer natürlich in der Pflicht, falls nötig beratend zur Seite zu stehen“. Stolz blickte er auf die nickenden Haarschöpfe vor ihm. Ich hatte genug und beschloss, nicht zu nicken. Der Blick meines Lehrers wanderte durch das Klassenzimmer und traf meinen. Seine Augen verengten sich. Wenige Wochen später dann die Musterung, ein einschneidendes Erlebnis im Leben jedes jungen Mannes: „Sie machen also bald ihr Abitur? Ich nehme an, sie haben das obligatorische Schreiben dabei?“, genervt schaute mich der Herr in Uniform an. „Nein, ich würde gerne Wehrdienst machen“ entgegnete ich gut gelaunt. Damit hatte mein Gegenüber offenbar nicht gerechnet: „Echt jetzt? Äh ja, dann müssen sie jetzt im Nebenzimmer so einen Computertest machen“ entfuhr es ihm, bevor er wieder in seine sorgsam einstudierte Grimmigkeit zurückfiel: „Los, wir haben ja nicht den ganzen Tag Zeit“. Eine Stunde später hatte ich mich durch hunderte Fragen aller möglichen Lebensbereiche und Fachgebiete geklickt und wurde wieder zu dem Grimmigen gerufen, der auf einmal sein freundlichstes Lächeln aus der Versenkung holte: „Also ich habe jetzt hier ihr Ergebnis vorliegen…möchten Sie denn eigentlich einen Kaffee?...mit Milch und Zucker?...also was gar nicht so viele junge Menschen wissen: Wir haben ja zwei eigene Universitäten, da könnten sie dann studieren und nebenher ihr Gehalt beziehen. Ich habe hier zufällig gerade die entsprechende Gehaltstabelle herumliegen, sie müssten sich dann für 12 Jahre verpflichten…“ Oh, jetzt hatte er mich. „Und, wie lief das mit der Musterung, war das eigentlich nur so dahergesagt neulich, dass du tatsächlich den Wehrdienst machen möchtest?“ fragte meine Mutter am nächsten Morgen betont gutgelaunt, nachdem sie einen pädagogisch wertvollen Blick mit meinem Vater ausgetauscht hatte. "Sogar dein Klassenlehrer hat vor kurzem ja deshalb schon besorgt hier angerufen..." „Ich habe mich direkt für 12 Jahre beworben, dann lohnt sich das alles wenigstens“ entgegnete ich betont nebensächlich. Schweißperlen bildeten sich auf den Gesichtern meiner Eltern während ihre Kinnladen den Halt verloren. „Da…da…dafür haben wir dich nicht erzogen…warum…“ die zittrige Stimme meiner Mutter bahnte sich ihren Weg, während sie um Fassung rang. „Die zahlen dafür auch mein Studium, wenn das alles klappt mit der Bewerbung“, ich goss mir frivol noch einen Kaffee ein. „Waffen…du musst dann Waffen…“ meine Mutter sah sich um die Früchte ihrer Erziehungsleistung betrogen. Mein Vater war hingegen gedanklich schon weiter: „Nun lass doch mal! Also wenn er das unbedingt möchte, dann sollten wir das auch unterstützen.“, sein Blick schickte noch ein gedankliches ‚hast du nicht gehört, dass die sein Studium finanzieren? Sei ruhig, bevor er sich das wieder anders überlegt.‘ in Richtung meiner Mutter, die nun ebenfalls ihre Fassung erstaunlich schnell wiedergewann. Ein paar Wochen Tage später saß ich im Zug nach Köln um an dem 3-tägigen Auswahlverfahren teilzunehmen. Wir kamen aus allen Teilen des Landes, standen alle kurz vor dem Abitur und tauschten Lebenserfahrungen aus, die sich so allesamt erstaunlich glichen, bis spät in den Abend kicherten wir über unsere Sozialkundelehrer und unsere geschockten Eltern. Nur einer von sieben Bewerbern würde genommen, hatte man uns gleich zu Beginn ermahnt. Am dritten Tag waren folglich nicht mehr viele von uns übrig. Vor der Rückfahrt holte ich mir in Köln noch Human League - Reproduction, Therapy - Infernal Love und Troublegum, sowie the Cure - Galore (VHS), manche Einkäufe vergisst man nicht. "Going nowhere" in voller Lautstärke, während die grünen Hügel an dem Schnellzug vorbeiglitten, ich war stolz auf mich.
Zitattenno: gib's doch zu, dein vater hat mit verklärtem blick vom einmarsch in paris schwadroniert, während deine mutter zufrieden schon mal die uniform bügelte. "ich hab's doch gesagt, der bub wird mal was anständiges, nicht wie dieser ungewaschene sparkassenleiter aus wolpertingen!" aber sehr schöne geschichte. (de facto dürfte es bei meinem schwager genauso zugegangen sein, als er 4 jahre zur marine ging. und der war immerhin berliner und hätte überhaupt nicht gemußt. jeder prüft seine eltern, wie sie's verdienen. )
Zitathobbes: ich find´s ein wenig gruselig. aber zumindest passt der songtitel ja.
55. Eels - Last stop: This town (1998 ) Das Karottenvideo! Ha! Und wie diese selige Ballade unvermittelt in diesen eruptiven "get down"-Part kippt, ganz großartig, das ließ sich in so mancher trockener Theoriestunde prima summen um die Langeweile zu überbrücken. Auf die ersten drei Eels Alben lasse ich bis heute nichts kommen, danach war das alles nur noch so bedingt meins.
ZitatJoseLopez: Wieso hat mir 1998 niemand die Eels vorgestellt? Ich habe sie erst 2003 gezeigt bekommen und damit fünf Jahre gute Musik verpasst.
ZitatDrosophila: "last stop: this town" ist wie jeder andere song auf "electro-shock blues" ganz famos. und zu built to spill käme ich auch mit.
56. New Radicals - You get what you give (1998 ) Klar, one hit wonder und so, aber wir waren jung und hatten Geld, neue Autos und tolle Freundinnen, da musste ein gemeinsamer Lieblingssong für den Sommer 1999 her. Und die Alternative, Liquido mag ich hier nicht posten. Seltsam eigentlich, dass von der Band nichts mehr kam, das Album würde ich noch heute unter "durchaus vielversprechend" verbuchen, habe ich eben extra nachgehört. Edit: Gregg Alexander (der alle Songs schrieb) ist bis heute als Songwriter für andere Interpreten erfolgreich, sagt wikipedia. Das gönne ich ihm.
57. Last Crack – Mini Toboggan (1991 ) Da ich es nur 2 Stunden bis München hatte, düste ich nach den Wochenenden meist um halb vier in der Früh los. Rein ins Auto und immer erstmal diesen seltsamen Song von einem Vision-Sampler gespielt, das war einfach so ein Ritual von mir in dieser Zeit. Mehr zu der Band kann ich deshalb nicht schreiben, kenne auch keinen zweiten Song von denen, wikipedia meint aber, sie hätten sich nach dem zugehörigen Album - ihrem zweiten - aufgrund des Erfolgsdrucks aufgelöst. Ich habe ihn eben zum ersten Mal seit 15 Jahren gehört und konnte noch jede Textzeile mitsingen, da hat sich diese Liste also schon wieder gelohnt.
ZitatSquonk: Von "Last Crack" habe ich noch nie gehört, gefällt mir aber auch sehr gut!
58. R.E.M. - At my most beautiful (1998 ) Ich, in der Blüte meines Lebens, seit ein paar Wochen schon beruflich in München, wo ich auch die nächsten vier Jahre verbringen sollte. Nur alle paar Wochen oder gar Monate wollte ich zukünftig noch zu meinen Eltern und den Kumpels düsen, denn in München war in vielerlei Hinsicht mehr geboten als im 1.800 Einwohner Dorf auf der schwäbischen Alb, auch weil sich durch die besonderen Umstände meines Aufenthalts dort (man kann sich mein erstes Jahr dort vielleicht am ehesten wie ein Internat vorstellen) viele neue Freundschaften bildeten. Natürlich war ich Single und wollte das auch tunlichst noch ein paar Jahre bleiben. Was lag also näher an jenem Novemberabend 1998, als noch ein letztes Mal meine Freunde zusammenzurufen und einen gemütlichen Abschiedsabend in der Heimat zu feiern? Ich stellte mich sogar als Fahrer zu Verfügung, sollten doch die anderen ein bisschen was trinken können. Mein fester Vorsatz, den von uns besuchten Faschingsball ein paar Orte entfernt ohne größere Zwischenfälle und romantische Irrungen zu überstehen, wurde dann allerdings auf eine harte Probe gestellt: Wer war denn dieses gutaussehende Mädchen auf der Tanzfläche? Hatte sie mich eben etwa für den Bruchteil einer Sekunde angelächelt? Da, schon wieder! Wo kam denn dieses flaue Gefühl im Magen her? 'Jetzt werde mal nicht albern, du wirst dich heute abend auf gar keinen Fall verlieben, das ist dein Abschiedsabend und die hübsche Blondine wird sicher nicht in München wohnen' trichterte mir mein Gewissen ein, so nippte ich betont selbstbeherrscht an meiner Cola und blickte woanders hin. 'Wenn das so ist, kannst du dich auch ein bisschen mit ihr unterhalten, was ist schon dabei?', tönte es von meiner anderen Schulter. Ich fasste mich also ein Herz und ging zu ihr, wir unterhielten uns und scherzten und kicherten den ganzen Abend. Wir hatten sogar gemeinsame Bekannte, gingen - wie sich herausstellte - jahrelang in die gleiche Disco und doch waren wir uns zuvor noch nie begegnet. Später dann kritzelten wir unsere Telefonnummern auf kleine Zettelchen. "Alles Gute in München, kannst dich ja mal melden, falls du wieder hier in der Gegend bist" sagte sie zum Abschied noch und verbarg den traurigen Ton ihrer Stimme hinter einem Abschiedslächeln. Sie ging mir nicht mehr aus dem Kopf, so sehr ich mich auch bemühte. Drei Tage später griff ich zum Telefon... ... und fuhr die nächsten vier Jahre beinahe jedes Wochenende in die alte Heimat. Zu ihr. Danach zogen wir zusammen.
ZitatCobraBora: Yeah! Wie das Leben so spielt.
59. The Cure - Out of this world (2000) Eine recht unerfreuliche Episode, die ich aber eigentlich ganz gut verdrängt habe: Im Frühjahr 2000 rettete mir nur eine mehrstündige Notoperation das Leben, nachdem es zuvor bei einer Routine-OP zu schweren Komplikationen kam. Zwischenzeitlich sah es dabei so schlecht aus, dass meine Eltern und meine heutige Frau bereits von den Ärzten auf das Schlimmste vorbereitet wurden. Doch ich erwachte und nach einigen weiteren Wochen im Krankenhaus und Zuhause konnte ich in das Leben zurückkehren (und mich ans Vordiplom machen). Nur einen Monat später saßen wir zu zweit in Dänemark vor einem winzigen Ferienhaus, blickten aufs stürmische Meer hinaus und ich spürte eine sehr große Dankbarkeit. Der Opener von "Bloodflowers" hat mich während der ganzen Zeit begleitet und ist noch heute mein "Juhuu, ich lebe noch"-Lied. When we look back at it all as I know we will you and me, wide eyed I wonder... will we really remember how it feels to be this alive?
ZitatCobraBora: Huch! Was man hier so alles erfährt... Den Song kannte ich noch nicht, er zeigt aber mal wieder auf, zu welch tollen Songs The Cure imstande waren.
ZitatSquonk: Schlimme Geschichte, aber ein toller Song fürs Happy End!
Zitattenno: da fällt mir ja im nachhinein noch ein stein vom herzen! selten war mehr "song des lebens".
60. Richard Ashcroft - Brave new world (2000) Eine sehr tolle Zeit waren die gut drei Jahre Studium in München. Der Makel, dass es an der Uni bis 2002 keine Studentinnen gab wurde durch die prima Unterkunft (ein sehr geräumiger Wohnblock für 20 Studenten in einem weitläufigen Wohngebiet) und das Gehalt ausgeglichen. Da ich ja am Wochenende häufig in meine alte Heimat düste, musste das Nachtleben eben zwischen Montag und Freitag stattfinden, was mit viel diesbezüglichem Ehrgeiz auch machbar war. Entsprechend kurz kam gelegentlich das Studium, da musste ich dann regelmäßig vor den Prüfungen etwas sehr geballt lernen. Solche Dauersessions begannen meistens mit dem Kauf einer CD im nahen Saturn und einer frischen Kanne Kaffee und erstreckten sich dann auch gerne mal bis 5 in der Früh. Was erzähle ich, ihr kennt das ja alle. Ein Album, das ich sehr mit dieser Zeit besonders assoziiere ist das Solodebüt von Richard Ashcroft, das mich dann auch durch das ganze Studium hindurch begleitet hat. Weniger Britpop als auf "Urban Hymns" und kaum mehr Anleihen bei den sphärischen ersten zwei the Verve Alben, stattdessen bot "Alone with everybody" über weite Strecken Breitwandpop der gehobene Sorte mit großen Melodien und nochmehr Pathos. Leider konnte er das Niveau auf den beiden weiteren Soloalben nicht mehr halten.
61. Slut - No flowers, please (2002) Als ich neulich mit dem thunderbird beim Slut Konzert in Köln war, musste ich mir schweren Herzens eingestehen, dass meine Liebe zu der Band in den letzten 10 Jahren doch ein bisschen abgekühlt ist, wozu sicher auch die eher "nur" ordentlichen letzten beiden Alben beigetragen haben.Trotzdem hätte die Band im Laufe ihrer 20-jährigen Karriere den internationen Durchbruch mehr als nur verdient gehabt, z.B. wenn man sich anschaut, wie die deutlich unspannenderen Snow Patrol phasenweise abgeräumt haben. Ganz anders ging es mir noch zu Beginn der 2000er Jahre: Da waren die sympathischen Jungs aus Ingolstadt noch ganz dicht Robert Smith auf den Fersen, was mein Fantum anbelangte. Begeistert besorgte ich mir alle Veröffentlichungen und tingelte bei jeder Gelegenheit auf ein Konzert (München war ja sowieso immer ein frenetisches Heimspiel). "No flowers, please", der Closer vom Album "Nothing will go wrong" war für mich immer ein wenig auch ein würdiges Gegenstück zu "Sinking", diesem finalen Abgesang auf "The head on the door", so wie man ja im Werk von Slut so manchen Verweis auf the Cure findet.
62. Ani DiFranco - Heartbreak even (2001) Eine besondere Ironie, dass ausgerechnet ich hier im Forum immer wieder die wunderbare Musik der radikalökologischen, lesbischen Feministin Ani DiFranco ins Gedächtnis rufen muss. Dabei schwebt sie so elegant zwischen zerbrechlichen Balladen und kreativer Wut ohne wirkliche Stilgrenzen, dass es auf jedem Album eine kurzweilige Freude ist und ich ihre Musik auch entsprechend oft auflege. Vielleicht liegt es daran, dass sie sich in den richtigen Momenten immer angenehm zurücknimmt und auch auf stimmliche Effekthascherei verzichtet, dass ich aus dem weiten Fundus an Songwriterinnen ausgerechnet ihre Musik so mag. Die Reihe meiner Lieblingssongs ist lang (Bitte alle anhören: Buildings and brigdes, You had time, Untouchable Face, Educated Guess, Deep Dish, Swan Dive, Pulse, In the margins!) aber den Zugang hatte ich 2001 über das Doppelalbum "Revelling: Reckoning" gefunden, deshalb gibt es hiervon "Heartbreak even", welches die angesprochene Vielseitigkeit gut demonstriert.
63. Edwyn Collins - Should've done that (2002) An dem unzerstörbaren "A girl like you" führte 1995 ja kein Weg dran vorbei, aber so richtig kreuzte der ehemalige Frontmann von Orange Juice dann erst um 2002 meine Wege, als sich mein neuer Studiennachbar als großer Edwyn Collins-Fan entpuppte und ich folglich endlich das zugehörige (und wirklich sehr gute Album) "Georgeous George" in den Händen hielt. Wie es der Zufall wollte erschien just zu jener Zeit das neue Album "Doctor Syntax", das ich mir natürlich sofort holte. Zu meiner Enttäuschung gab es darauf aber keinen gefälligen Gitarrenpop sondern überwiegend einen etwas kruden Stilmix aus wuchtigen Beats, Samples und seltsamem Sprechgesang, "Should've done that" klingt gar ein wenig nach Funk, wozu sicherlich auch der an Prince gemahnende Gesang beiträgt. Erst Jahre später habe ich das Album dann wieder mal aufgelegt und war hin und weg von diesen ganzen subtilen Melodien und kleinen Einfällen. Inzwischen habe ich die komplette Discographie von Collins im Regal stehen und möchte nichts davon missen. Schön auch, wie er sich nach seinem Schlaganfall 2005 wieder zurückgekämpft hat.
ZitatCobraBora: Klingt recht interessant, aber ich mag den Gesang nicht so.
64. Orange Juice - Felicity (1982) Hier vernachlässige ich mal eben den chronologischen Pfad meiner Aufzählung, aber dieses Kleinod gehört natürlich einfach neben den Edwyn Collins Song. Ich hatte tatsächlich noch nie einen Song von Orange Juice bewusst gehört, als ich vor ein paar Jahren über das Soloalbum "You can make it if you Boogie" von James Kirk (auch ein Ex-Mitglied von Orange Juice) stolperte und auch hiervon begeistert war, insbesondere von seiner Neuaufnahme des Orange Juice-Klassikers "Felicity". Da erkannte ich endlich den wiederholten Wink des Schicksals und hörte endlich mal in den Output von ebenjener Band rein: Müßig zu erwähnen, dass dieser wunderbare, zeitlose Schrammelpop bei mir offene Türen einrannte und sowieso in jede Songliste gehört.
ZitatVon Krolock: Man muss erwähnen, dass das ein wundervolles Lied auf einer insgesamt wundervollen Platte eines wundervollen Jahrgangs ist
65. And One - Get you closer (1999) Zwischendurch wird's mal wieder Zeit für eine musikalische Sollbruchstelle samt biografischem Eingeständnis: Ja, für einen kurzen Moment meines Studentendaseins kam ich vom Weg der Tugend ab und wie schon bei Richard Marx oben spielten da Gründe rein, die außerhalb meiner bewussten Einflußnahme standen. Kurzum: Für eine Zeit fand ich die Musik der hiesigen EBM-Bands And One und Project Pitchfork recht ansprechend und sah beide auch live, trug schwarze Klamotten und lernte so manchen finsteren Club in München kennen. Geblieben von dieser Zeit ist eine Telefonfreundschaft und die trotzige Behauptung, dass "Get you closer" auch im Rückblick noch ein romantischer Ohrwurm ist, der auf dem nächsten Depeche Mode Album unbekümmert abgefeiert werden würde.
ZitatCobraBora: Gefällt mir auch gut (klingt für mich aber eher wie Camouflage als wie Depeche Mode)
66. Lali Puna - Together in Electric dreams (2001) Es war ausgerechnet eine sehr liebenswerte junge Dame aus Rom, die ich in einem Cureforum kennengelernt hatte, welche mir die Weilheimer Band Lali Puna ans Herz legte. Der minimalistische Electropop der Band um die Sängerin Valerie Trebeljahr hatte offenbar schon damals international mehr Aufmerksamkeit bekommen als hierzulande, Thom Yorke hatte sie ja angeblich mal als seine aktuelle Lieblingsband geadelt. An dieser Diskrepanz dürfte sich seither trotz inzwischen vier hörenswerter Alben leider nicht viel geändert haben. Als großer Human League Fan hat mir natürlich das Cover von "Together in electric dreams" (streng genommen ja eine Zusammenarbeit von Human League Sänger Phil Oakey mit Giorgio Moroder) auch besonders gut gefallen, Human League kommen in meiner Liste sowieso zu kurz, da entschädigt das hier ein bisschen.
ZitatVon Krolock: Mir gefällt es
ZitatCobraBora: bezaubernde Coverversion
67. PJ Harvey - Memphis (2001) Gar nicht so leicht, PJ Harvey in dieser biographisch chronologischen Liste unterzubringen, weil an ihren Songs und Alben doch allerhand Erinnerungen hängen. Beispielsweise und zuallererst zu nennen, ein ganz und gar schöner Morgen beim thunderbird in Hamburg, als wir zum "Let England shake"-Album (ihr stärkstes, finde ich) auf seinem Balkon in der Sonne saßen und alle Tagespläne einfach mal ordentlich nach hinten schoben. Mein liebster Einzelsong von ihr bleibt aber die nur als B-Seite veröffentlichte Huldigung an den in Memphis tragisch ertrunkenen Jeff Buckley. Ein wunderschöner und rührender Song, mehr mag ich dazu gar nicht schreiben.
ZitatKrautathaus: Klasse, den kannte ich noch nicht! Jeff Buckley selbst ist wohl auch noch nicht in den Listen aufgetaucht, oder ich hab' ihn übersehen.
68. Badly Drawn Boy - Above you below me (2002) Ein großer Fan von Filmsoundtracks bin ich eigentlich nie gewesen, vor allem wenn es sich um reine Songzusammenstellungen verschiedenster Bands handelt (wobei, den Soundtrack von "The Crow" lasse ich mir gerade noch so gefallen, immerhin gibt es mit "Burn" einen der schönsten Cure Songs überhaupt nur dort) . Noch schlimmer sind diese bombastischen Orchesterscores z.B. eines Hans Zimmer, da verspüre ich keinerlei Reiz, mir sowas losgelöst vom Film anzuhören. Interessanter wird es hingegen gelegentlich, wenn nur ein Interpret als Auftragsarbeit einen kompletten Soundtrack einspielt. Folglich gibt es für mich v.a. drei Filme, die ihren Reiz ganz wesentlich aus der musikalischen Untermalung ziehen: Zum einen "Dead Man", das erst durch Neil Youngs finstere Gitarrren- und Klavierimprovisationen zu einem Meisterwerk wird, dann "Die Ermordung des Jesse James...", das maßgeblich vom Soundtrack Nick Cave's und Warren Ellis profitiert, sowie schließlich "About a boy" (aka "Tag der toten Ente") für das Badly Drawn Boy den kompletten Soundtrack beisteuerte. Durch seine unkonventionellen, hierfür fast ausnahmslos im klassischen Folk-Instrumentarium aufgenommenen Songs, gewinnt die ansonsten eher durchschnittliche Nick Hornby Adaption ungemein an Charme. Für einen Frauenfilm mit Nick Grant also durchaus sehenswert.
69. Blur - Ambulance (2003) Die Liste guter und sehr guter Blur Song und -Alben ist bekanntermaßen lang, entsprechend kreuzte die Band auch meinen musikalischen Lebensweg häufig und nachhaltig, wobei eine jede neue Begegnung wieder musikalische Überraschungen und Wendungen zu bieten hatte. Eines stand für mich aber fest: Einen besseren Opener als "For tomorrow" würde die Band nicht mehr hinbekommen. Dann kam das Jahr 2003 und das neue (und bis heute letzte Album) "Think Tank" begann mit diesem seltsamen Song namens "Ambulance", ein einziges Aufbegehren gegen klassische Songstrukturen und Erwartungshaltungen, der die seltsame Gospelhaftigkeit von Songs wie "Tender" noch konsequenter weiterführte und gleichzeit konterkarierte und schon vieles von dem vorwegnahm, was Damon Albarn in den folgenden Jahren v.a. mit den Gorillaz veröffentlichen sollte. Ach, ihr wisst schon was ich meine. Im Albumkontext steht der Song ja etwas im Schatten des hübschen "Out of time", deshalb lasse ich ihm hier mal den verdienten Vortritt.
ZitatDrosophila: think tank ist so ein gutes album! schön, dass jemand da auch einen song daraus wählt (meiner wäre caravan gewesen. oder battery in your leg.).
ZitatCobraBora: Gefällt mir auch ziemlich gut. Ich sollte mal wieder Blur hören.
70. The KLF - Madrugada Eterna (303 Version) (1990) Wie sehr das Internet eine quasi unbegrenzte Verfügbarkeit von Musik und anderen Kulturgütern schafft, hierdurch selbige aber auch zu entwerten droht, wurde mir besonders bezüglich meiner alten Helden KLF bewusst. So war ich Anfang/Mitte der 90er noch sehr stolz über Kataloge ein paar Vinylplatten zu ergattern sowie bruchstückhafte Informationen über mysterlöse, nie veröffentlichte Filme des Duos, welche ich wohl nie zu Gesicht bekommen sollte. Anfang der 2000er war dann plötzlich die kompletten Discographie und Filmographie online verfügbar, zwei Mausklicks und eine Überweisung später besaß ich jeden jemals veröffentlichten Ton von Bill Drummond und James Cauty sowie die besagten obskuren Filme (eher lange Musikvideos, wie sich dann herausstellte). Stellvertretend für diese Phase steht die "303 Version" des verträumten "Madrugada Eterna", welches in seiner Originalversion 1990 auf dem stilbildenden Ambient-Album "Chill out" veröffentlicht wurde und in diesem kurzen Remix einige Ausschnitte des Films "The White Room" untermalt.
ZitatCobraBora: Ich habe ja auch ziemlich viel von KLF, aber die Version kannte ich noch nicht. Wo ist denn die her?"
71. Nick Drake - Hazey Jane II (1970) Wie vermutlich fast jeder Musikhörer meiner Generation verdanke ich die persönliche Entdeckung der Musik des früh verstorbenen Nick Drake einem schnöden aber doch auch rührenden Werbespot von VW, bei dem eine verträumte Autofahrt mit dem schwermütigen Abgesang "Pink Moon" untermalt wurde. Auch wenn das zugehörige, sehr beklemmende Album (sein drittes) ja meist als sein Meisterwerk gilt, ist das vielseitiger instrumentierte und lebhaftere "Bryter Layter" bis heute mein Lieblingsalbum von ihm. Die beinahe schon leichtfüßige, fröhliche Umsetzung dieser eigentlich sehr zerbrechlichen Songs schafft eine eigentümliche, faszinierende Atmosphäre, der ich mich nie zu entziehen vermag.
72. The Sound - I can't escape myself (1980) Nachdem ich mich viele glückliche Jahre in diversen Cure Foren u.a. um liebevollen Fantumaustausch (internationale Foren) und um offensiv geführte Polititkdiskussionen mit aufrechten Jungpionieren (deutsche Foren) bemüht hatte, schien es mir 2004 angebracht, irgendwelche Hintergrundinfos zum damals aktuellen Cure Album (das selbstbetitelte) im soeben entdeckten ME-Forum zu posten (Leser des zugehörigen Hefts war ich da schon zehn zufriedene Jahre). Die fachkundigen und freundlichen Reaktionen erfreuten mich, so bin ich mal eben geblieben und in den folgenden Jahren bei so mancher Gelegenheit auch bei diversen geselligen Runden vorbeigeschaut. An dieser Stelle ein Gruß an euch alle (auch an die Ehemaligen) und danke für zehn schöne Jahre. Einer der vielen User, die mich freundlich aufgenommen haben, war in den ersten Jahren ein gewisser Billy^Hunt, der mir bei nächstbester Gelegenheit eine Unmenge an fachkundigen Musikempfehlungen zukommen ließ. Besonders spannend fand (und finde) ich davon zwei Alben der weitgehend in Vergessenheit geratenen Londoner Band The Sound ("Jeopardy" & "From the lion's mouth"). Sehr beklemmende, düstere Post-Punk Songs, aus deren DNA sich noch heute durchaus brauchbares basteln lässt, wie The Horrors alle zwei Jahre belegen. Mein Highlight und einer meiner unangefochtenen Lieblingssongs, der Opener von "Jeopardy", "I can't escape myself". Many have said that The Sound were not given the recognition they deserved.
ZitatCobraBora: Kannte ich noch gar nicht, finde ich aber nicht schlecht, zumindest besser als ähnlich gelagerte Musik aus der Zeit. Lese gerade, dass sich der Sänger später vor einen Zug geworfen hat.
73. Stars - Your Ex-Lover is dead (2005) Nach 72 Songs Vorspiel von nun an also Lieblingssongs aus den letzten 10 Jahren, die musikalisch natürlich wesentlich durchs Forum mitgeprägt bzw. von mir umgehend lobpreisend dem Forum vorgestellt wurden. Folglich kann ich mir zumeist große Hintergrundstories ersparen. Schön war es allerdings, mich in den letzten Tagen zwecks Vervollständigung der Liste mal wieder durch die Tracklists meiner MIBs seit 2005 zu wühlen. Teilweise echt Murks, aber das meiste (außer meine Chaos-MIB) würde ich auch heute noch durchwinken. "Your Ex-Lover is dead" der kanadischen Band Stars war damals auf einer ME-CD und kurze Zeit später weitgehender Forenkonsens. Ich glaube, das ist das einzige Duett unter meinen Lieblingssongs, selbst wenn ich die Liste von 100 auf 1000 erhöhen würde. Die Band konnte da aus meiner Sicht nicht mehr so recht anknüpfen, auch wenn immer wieder ein guter Song dazwischen war.
74. Beach House - Master of none (2006) Das Durchstöbern von diversen Blogs nach neuer Musik befriedigt möglicherweise die gleichen Triebe, die einen früher zum Angler oder Freizeitjäger werden ließen. Und ist dann der stolze Zwölfender erlegt entspricht nach dieser Logik das Forum dem örtlichen Gasthaus (früher) oder dem Lagerfeuer (ganz früher). Entsprechend aufgeregt präsentierte ich im Jahr 2006 einen verträumten Song einer noch weitgehend unbekannten Band aus Baltimore/Maryland (Danke, wikipedia), den ich in den Weiten des Internets gefunden hatte und deren Debüt-CD ich mir umgehend schicken ließ. Stolz auf diese Errungenschaft rechnete ich mit zustimmendem Kopfnicken und lobendem Schulterklopfen unter meinesgleichen. Doch: Keiner nickte, keiner lobte, keine kaufte sich offenbar ebenfalls dieses schöne Album. Dann also rauf auf die Jahres-MIB, der gute Zweck heiligt ja immer das Mittel der erzwungenen Konfrontation. Zitat Zitat von Herr K B aus K Was ist das? Eine 80er- Frauenballade à la Humpe und Humpe mit Spukhaussounds und Thereminsprengseln? Zitat Zitat von Ein User noch ohne Zwillinge die dumpfe Rhythmusmaschine sollte schnellstens durch einen Schlagzeuger ersetzt werden Zitat Zitat von Der immer auf der 10er Skala geizt Ein Geheimtipp? Nimm mal gedanklich den Hall raus und du wirst hören wie erbärmlich die Dame singt. Der Rest ist auch kleinkariertes Amateurbastelwerk. 1/10 Zitat Zitat von Der Lokus Die werden mal ganz groß? Das bezweifle ich mal ... wer sollte denn sowas kaufen? Nagut, vielleicht Leute die auch Oliver North High Choir oder Radio Dpt. mögen ... :wink:. Bewertung: *
ZitatCobraBora: Beach House waren nie auf meiner Agenda, und mit dem Gesang hat der Mister nicht so ganz unrecht, aber das ist schon ein wirklich schöner Song!
Zitatambi: Schon interessant was man damals so zusammengeschrieben hat. Reingehört hab ich wohl, Beach House sind längst eine Lieblingsband, allerdings im wesentlichen aufgrund der letzten beiden Alben. Das Mehr an Produktion steht ihnen ausgesprochen gut. Ein kleiner Cobra-Moment, diesen Satz zu schreiben
ZitatMrMister7: Einen Punkt zuviel gegeben. Okay. Passiert.
75. The Longcut - A tried and tested method (2006) The Longcut aus Manchester waren für mich eine der Newcomer 2006 und die bessere Alternative zu den etwa zeitgleich behypten Forward Russia! (da hat man auch nichts mehr von gehört, oder?). Inmitten der monotonen Stampfdrums und Gitarrenwände (sehr toll: der Opener "A last act of desperate men") des Albums "A call and response" fällt das fast schon balladenhafte "A tried and tested method" etwas aus dem Rahmen. Der Nachfolger "Open Hearts" fiel 2009 leider etwas ab und seither gab es nur eine Remix-EP und zuletzt im Dezember 2013 den Hinweis, man sei wieder im Studio.
76. Human Television - In front of the house (2006) New Yorker Band, die auf einer EP und einem Album sehr kurzweiligen und liebenswürdigen Indiepop zwischen Orange Juice, the Smiths und "Just like heaven"-Cure präsentierte und dabei doch so schön amerikanisch klang. Mitten in mein Herz. The band has not released any new music since 2006.
77. GoodBooks - Passchendaele (2007) Von den ganzen neuen britischen Bands die ab ca. 2005 zum großen Sprung ansetzten, waren die GoodBooks für mich eine der interessantesten. Nach einem sehr guten Debütalbum ("Control") war dann aber auch schon wieder Schluss, offenbar hatte man sich bei den Aufnahmen fürs zweite Album verkracht, das angeblich fertige "Cry of the hunters" bleibt bis heute unveröffentlicht. "Passchendaele" erzählt die Geschichte eines 25-Jährigen, der im ersten Weltkrieg in Belgien fiel. GoodBooks disbanded after their last gig on 28 June 2009.
ZitatSquonk: Die Plätze 75-77 kannte ich alle nicht! Ich vote nach Telefonabstimmung wie folgt: 1. Human Television (61,3 %) 2. GoodBooks (27,8 %) (die letzte halbe Minute hat noch deutlich was rausgerissen) 3. The Longcut (10,9 %)
ZitatCobraBora: GoodBooks gefallen mir hier deutlich am besten, gefolgt von The Longcut. Bei Human Television ist mir der Gesang zu fad.
78. The National - Fake Empire (2007) Es gab schlechtere Zeiten in meinem Leben als den 6-wöchigen beruflichen Aufenthalt in San Antonio/Texas (warum ist diese großartige Stadt so unbekannt?) im Frühsommer 2007. Strahlender Sonnenschein, Palmen vor dem Fenster, einen eigenen Mietwagen, einen relaxten Zeitplan und zu Füßen diese pulsierende Metropole mit zahllosen Bars mit Livemusik, Clubs, Restaurants und Shopping Malls. Umso schöner, dass ich auch schnell die richtigen ortskundigen Leute kennengelernt hatte. Beinahe die einzige Verbindung nach Deutschland stellte dieses Forum dar, in welchem das neue Album einer Band namens "the National" eifrig beworben wurde. Ich habe natürlich nur reingehört um den Hype anschließend altklug zu enttarnen. Doch bereits nach dem Opener war es um mich geschehen und in den verbleibenden Wochen untermalten fast nur noch "Boxer" und "Alligator" den Trip.
ZitatThunderbird78: Ganz, ganz großartig! Nächste Woche live, hier in Köln am Tanzbrunnen. Und du bist nicht da! Du hast mich damals, im Frühjahr 2010, mit dieser fantastischen Band bekannt gemacht. Seitdem liebe ich die Jungs aus Brooklyn. Fake Empire.
Zitatdrosophila: ach, the national waren mal so grossartig. "alligator", "boxer", von mir aus auch noch "high violet".
ZitatBerthold Heisterkamp: Bei "High Violet" bin ich schon raus. Was zugegebenermaßen auch an den hohen Erwartungen im Vorfeld lag. Aber eben nicht nur.
79. The Movies - Creation Lake (2002) Band aus Boston um den Sänger Timothy James, die aus der Asche einer Punkband erstieg und auch in der USA nie über einen Geheimtipp-Status hinauskam, von Europa und dem Rest der Welt ganz zu schweigen. Dabei ist "In one era out the other" eines meiner ewigen Lieblingsalben. Zehn kurze Songskizzen, manchmal seltsam überdreht, manchmal zu Tode betrübt.
ZitatCobraBora: Der Song erinnert mich unangenem an "Imagine".
80. Xiu Xiu - I luv the valley, oh (2004) Die kalifornische Band um Jamie Stewart hat viele komplexere und packendere Songs als dieses obskure Kleinod eingespielt. Für mich ist "I luv the valley, oh" in seiner ganzen seltsamen Pracht aber ein persönlicher Lieblingshit für die Parties, die man alleine feiert.
ZitatCobraBora: Bei Xiu Xiu komme ich normalerweise nicht so ran, aber der Song ist toll.
81. Parenthetical Girls – A song for Ellie Greenwich (2008 ) Die Band aus dem tiefen Nordwesten der USA wird gerne mit Xiu Xiu verglichen, gehen aber songorientierter vor, außerdem ist der croonerhafte Gesang so schön schaurig.
ZitatCobraBora: Ziemlich schräg, aber sympathisch, auch wegen dem Video.
82. Yeasayer - Wait for the wintertime (2007) Klar, die späteren Alben und vor allem Singles waren hintersinniger Indiepop für Anfänger und Fortgeschrittene mit beträchtlichem Ohrwurmpotential. An die ungestüme Kreativität des Debüt "All hour cymbals" kam die Band aus Brooklyn aber bis heute nicht mehr heran. Höhepunkt für mich ist diese Ode an die kalte Jahreszeit, raffiniert dargebracht im Soundgewand einer Saharadurchquerung.
83. The Walkmen - On the water (2008 ) The Walkmen haben zweifelsfrei eine Menge hörenswerter Songs in ihrem Fundus, aber für mich ragt "On the water" dann doch deutlich hervor. Ein wunderbarer, unheilvoller Abgesang auf die Gleichförmigkeit und Einsamkeit der Existenz, beschwörend in Szene gesetzt vor heraufziehenden Naturgewalten.
84. Midnight Masses – Preacher’s son (2009) Ein leider nur kurzlebiges Nebenprojekt der Austiner Band ...And you will know us by the trail of dead, welches es nur auf 2 EPs brachte. Stilistisch gar nicht so weit weg von the Walkmen, aber mit stärkerem Soulbezug. Leider wurde mein sehnsüchtiges Warten auf ein Album nicht belohnt. "Preacher's son" sowie das Sonic Youth Cover "Do you believe in rapture" sind aber geblieben und gehören für mich auf jedes weihnachtliche Mixtape, entsprechend konsequent habe ich beide Songs in den letzten Jahren auch bei den Wichtel-CDs eingesetzt. Update: Album kam 2014. War nicht gut.
85. Curtis Mayfield – Power to the people (Demo) (1970) Ich habe es bisher nie in Frage gestellt, dass ich mich nie ausgiebig mit Jazz und Klassik beschäftigt habe. Bei Soul reut mich das hingegen schon mehr. Gut, ein paar Compilations, Marvin Gaye, Curtis Mayfield, Al Green, es kam über die vielen Jahre dann doch eine halbwegs stimmige Sammlung zusammen, aber die wirklichen Insidertipps habe ich noch nicht beisammen. Da ich mich im Rahmen dieser Liste auf einen klassischen Soulsong beschränken möchte, fällt die Wahl auf diese Demoversion von "Power to the people", die ich dem später erschienenden, üppiger instrumentierten Original deutlich vorziehe.
86. Terence Trent D’Arby – Read my lips (1993) Das elegante Duett "Delicate" (mit Des'ree) war zum Zeitpunkt seines Erscheinens (1993) auch an mir nicht folgenlos vorübergegangen, doch es sollte noch etwa zwei Dekaden dauern, bis ich mich darüber hinaus näher mit der Musik von Terence Trent D'Arby (seit 1995 Sananda Maitreya) befassen würde. Schade, dass ihn die Musikhistorie ihn heutzutage wohl als gefallenes Talent mit zwei veritablen Hits führt und nicht als das vielseitige musikalische Genie, welches er zumindest in den ersten 8 Jahren seiner Karriere war. Am eindrucksvollsten aus heutiger Sicht finde ich das dritte Album "Symphony or damn", eine bunte Sammlung aus treibendem Funk, himmlischen Balladen ("Let her down easy") und beinahe schon Schweinerock ("She kissed me"), damit hatte er sich eigentlich ausgerechnet kurz vor seinem Fall in die Bedeutungslosigkeit als legitimer Nachfolger von Prince etabliert.
ZitatSenator Axl Rose: völlige zustimmung, symphony or damn gehört defenitiv in meine album top 50 der 90er. nur: das von dir gepostete "read my lips" stammt vom zwei jahre später erschienenen, kaum zu ertragenen vibrator.
ZitatLFB: Ja und nein. Das war eine B-Seite zum "Symphony or damn"-Album (von "Do you love me like you say?" um genau zu sein) und wurde dann zwei Jahre später - leicht überarbeitet - nochmals als Albumtrack veröffentlicht (folglich der vielleicht einzige brauchbare Song auf "Vibrator").
Zitattenno: das hätte ich aus deiner ecke nicht erwartet, aber ich kann dir da nur in allen punkten recht geben! ein hammeralbum, und dann auch noch "let her down easy" als referenz! ich hab es gerade vor ein paar tagen wieder mal prominent aufgelegt, und mir kamen fast die tränen.
ZitatCobraBora: Ui, der Song von Terence Trent d'Arby ist ja großartig! Den kannte ich noch gar nicht, aber schon bei 0:15 musste ich aufhorchen, weil er da das gleiche Sample verwendet, das auch Jam & Spoon gerne einsetzten. Ich habe von ihm nur die ersten beiden Alben und die zugehörigen Maxi-CDs, danach habe ich ihn leider aus den Augen verloren.
87. Kid Loco – The graffiti artist (2004) Alleine schon wegen der kürzeren Verweildauer (2 Wochen) steht mein Texasaufenthalt 2009 im Rückblick etwas im Schatten der sechs Wochen 2007. Da diesmal aber einige alte Bekannte dabei waren, ließ sich dafür immerhin eine sehr ehrgeizige Abendgestaltung umsetzen, von daher wären mehr als zwei Wochen sowieso konditionell fragwürdig gewesen. Doch zunächst brauchten wir ortsübliche Klamotten um uns unerkannt unter die Einheimischen zu mischen (nur in einem HipHop-Club sind wir daran gescheitert), deshalb stürzten wir uns nach der Ankunft zunächst in einen riesigen Klamottenladen. Da meine Shoppingkonzentration etwas unter dem in ohrenbetäubender Lautstärke erschallenden faszinierenden Bastard aus TripHop-Beats und Sitarklängen litt, erlaubte ich mir beim Bezahlen beiläufig ein gemurmeltes "great tune, by the way". Die eben noch finstere Miene des Kassierers wich einem überschwänglichen, stolzen Grinsen: "That's Kid Loco!". Und weg war er. Die zunehmend länger werdende Schlange Zahlungswilliger hinter mir konnte ihre Freude kaum verbergen. Ja, das hatte ich gut gemacht. Nein, ich hatte seine Mutter nicht beleidigt. Ja, er würde bestimmt wieder kommen. In die Soundkulisse des Songs mischten sich nun seltsame Windows-Sounds und schließlich die erlösende "CD entnehmen"-Fanfare. Immer noch freudestrahlend kam der Verkäufer mit einem Silberling zurückgerannt und legte ihn mir vorsichtigst zwischen die Klamotten. "That's Kid Loco!" sagte er zum Abschied nochmals und lächelte mir bis zum Ausgang hinterher, bevor er sich - nun wieder mißmutig - an sein Werk machte. Fein, wir hatten nun also unseren offiziellen Soundtrack für die folgenden 2 Wochen, der uns - auch mangels Alternativen - von nun an täglich begleiteten sollte: Ein durchgehender 70 Minuten-Soundwall, für den Kid Loco (bürgerlich: Jean-Yves Prieur) eigentlich einen Soundtrack-Oscar verdient gehabt hätte.
88. Cass Elliot - Make your own kind of music (1969) Ich habe diese eine erste Folge "Lost" nur eingelegt um meine Vorurteile gegen die Serie ("Kommerzmist", "gute Models als schlechte Schauspieler, man kennt das ja") bestätigt zu sehen. Der Plan ging nicht auf, vier Wochen später waren die Augenringe so dick wie Autoreifen, aber es waren tolle vier Wochen. Eine Schlüsselszene war sicher das Intro der zweiten Staffel, untermalt von diesem sehnsuchtsvollen Song der früh verstorbenen Cass Elliot (of Mamas & Papas fame).
89. Hercules & Love Affair - Blind (Frankie Knuckles Remix) (2008 ) Minus und Minus ergibt in seltenen Fällen eben doch Plus. Weder halte ich den Output der New Yorker Housetruppe um Andy Butler für sonderlich spannend, noch kann ich den Gesang von Antony Hegarty normalerweise länger als zwei Minuten ertragen. Zusammen harmonieren beide Seiten aber prächtig, wobei der typische Remix des vor kurzem verstorbene Frankie Knuckles dem Song die Krone aufsetzt. Einer meiner Lieblingstanzflächenfeger der letzten 10 Jahre.
90. Michael Jackson - Price of fame (1987) Meine Generation wuchs in dem Bewusstsein auf, dass Michael Jackson der größte und wichtigste Popsänger aller Zeiten ist und immer sein wird. Längst losgelöst von seiner eigentlichen menschlichen Existenz hatte er sich in ein überlebensgroßes, in seltsame Fantasieuniformen gewandeltes Kunstwesen verwandelt, welches irgendwo über der Erde schwebte und der ehrfürchtig erstarrten Menschheit immer wieder Songs schenkte, welche diese dann dankbar mitsummte und millionenfach kaufte. 1987 war es wieder so weit. Nach einer endlosen Produktionsdauer erschien endlich "Bad", das erste Michael Jackson Album, dessen Veröffentlichung ich bewusst miterlebte: Stundenlange Specials auf allen TV-Kanälen, sich überschlagende Lobpreisungen, größenwahnsinnig choreographierte Musikvideos. Ich war ein Knirps und ich erlebte Weltgeschichte. Aufgrund dieser immensen Präsenz der Musik kam ich in den ersten Jahren meiner musikalischen Selbstfindung erst gar nicht auf die Idee, mir einen Tonträger von ihm zuzulegen. Man hängt sich ja schließlich auch nicht eine Kopie der Mona Lisa ins Wohnzimmer oder stellt ein Modell des Eiffelturms in die Küche. Dann kam 1995 HIStory mitsamt seinen (eigentlich ziemlich schrecklichen) Singles. Klar, heimlich kaufte die jeder und legte sie auf, wenn die Freundin zu Besuch kam, doch zugegeben haben wir das alle nicht. Danach dann der freie künstlerische Fall geboren aus musikalischer Unsicherheit, hässliche Prozesse, seltsame Interviews, der König des Pops war eine Witzfigur geworden, dem sein Reich längst entglitten war, nur folgerichtig und unabwendbar: Sein trauriger, einsamer Tod im Jahr 2009. Seltsamerweise entstand für mich erst als Folge dieser nachgelassenen Präsenz etwa ab der Jahrtausendwende die Chance, mich wirklich bewusst mit der Musik auseinanderzusetzen. Und ja, ich fand und finde den Großteil davon tatsächlich recht großartig und staune noch immer über diesen immensen Perfektionismus, der auch in einer sehr restriktiven Veröffentlichungspolitik gipfelte: Weder gab es jemals B-Seiten zu seinen Erfolgsalben, noch veröffentlichte er seit 2001 Material, obwohl er ja immer noch ständig Songs aufgenommen hat. Mein Lieblingssong aus der Kategorie "ungehörter Nachlass" und inzwischen einer meiner Lieblingssongs von Jackson überhaupt, ist "Price of fame", ein "Bad"-Outtake von 1987, so typisch und scheinbar bekannt und dann eben doch neu und niemals dagewesen.
ZitatSquonk: Uh! Das klingt aber wie ein Crossmix aus "Billy Jean" (nur "Father always told me" statt "People always told me") und "Liberian Girl". Das "neu und niemals dagewesen" finde ich gerade nicht.
ZitatCobraBora: Das stimmt genau... und trotzdem finde ich den Song, den ich bisher nicht kannte, absolut großartig!
ZitatLFB: Das "nie dagewesen" war falsch formuliert und bezog sich darauf, dass der song eben noch nie zu hören war. Die Überschneidungen mit existierenden Songs sprechen meines Erachtens dafür, dass der Song noch nicht fertig komponiert war. Bei solchen "guide vocal"- demos wird ja gerne auf andere songs und phrasen zurückgegriffen.
91. Arcade Fire feat. David Byrne – Speaking in tongues (2011) Sollte irgendwo irgendjemand gemütlich herumstehen, z.B. am heimischen Grill und behaupten, Arcade Fire seien überbewertet, ich würde nur zaghaft widersprechen. Ein Debüt mit immerhin drei tollen Songs, ein mauer Zweitling, ein ABBA-Tributalbum als drittes Werk und dann eben dieser recht substanzlose Größenwahn namens "Reflektor", alles recht durchschaubar als nur vordergründig beeindruckender Soundwall produziert. Ach, es wäre eben so leicht, diese Band nicht zu mögen. Wären da nur nicht diese Handvoll Songs, die umso schöner Funkeln: "Rebellion (Lies)", "Haiti", "Ocean of noise", "Modern Man", "We used to wait", "Reflektor" und eben "Speaking in tongues". Ich sollte wirklich mehr Arcade Fire hören, nicht nur, aber auch mit dem thunderbird zusammen.
92. Kisses - Bermuda (2011) Keine Frage, das Duo aus Los Angeles dringt konsequent in Sphären vor, die selbst Bryan Ferry und Don Henley ca. 1984 zu kitschig und klischeehaft gewesen wären. Und doch möchte ich vor allem das Debüt"The heart of the nightlife" nicht mehr missen. Zu den Klängen dieses Albums saßen meine Frau und ich 2011 gemeinsam hoch über dem Gardasee, blickten auf das Funkeln der letzten Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche und beobachteten die Lichter am entfernten Ufer. Hierbei fassten wir den Entschluss, dass wir bei unserem nächsten Urlaub kleine Trippelschritte und ein Kinderlachen um uns vernehmen wollten.
93. GusGus - Selfoss (2011) Anfang 2012 meinte es mein Job ein weiteres Mal gut mit mir und ich durfte für volle vier Wochen nach Island. In aller Kürze: War natürlich super. Diese karge und wilde Natur, die verwunschenen kleinen Orte, die sehr interessanten (und überwiegend erschreckend stilsicheren) Menschen und als Kontrast die Metropole Reykjavik mit ihren hippen Tanzschuppen und kulturellen Highlights. Einer von vielen Höhepunkten: Eine mehrstündige Wanderung durch eine wilde Berglandschaft im Süden der Insel bei Sturm und Regen, permanent in Sorge, sich unwiderruflich zu verlaufen. Wir erklimmen schließlich die letzte Anhöhe und erblicken zu unseren Füßen das Städtchen Selfoss. Ein paar Minuten später stehen wir inmitten dieser lebensfeindlichen Umwelt in einem Supermarkt und auf einmal erscheint dieses ganze Warenangebot, das man sein ganzes Leben um sich hat, beinahe schon absurd überwältigend. Ja, ich war gerührt davon und grübelte darüber, wie selbstverständlich uns all das geworden ist. Meine politische Biographie erlaubt ebendas.
94. Björk - Hyperballad - (The Hyperballad Fluke Mix) 1995 Hach, Island 2012, da musste ich natürlich ständig an Björk und ihre Musik denken (und kam mir dabei so wahnsinnig individuell vor, wie vermutlich auch die anderen unzähligen Björk-Fans, die wohl jeden Tag irgendwo auf der Insel weilen), man läuft ja quasi ständig an Schauplätzen mit Assoziationspotential vorbei (der schwarze Sand und die Klippen des Joga-Videos, die Straße aus einem Sugarcubes-Clip). Deshalb chronologisch erst an dieser Stelle ein Song von Björk, deren Musik seit nunmehr über 20 Jahren eine feste Konstante in meinem Leben darstellt, auch wenn ich die letzten Alben nicht mehr so recht kapiert habe. Auf "Debut" war ich 1993 dank der wohlwollenden ME-Kritik (müsste so ziemlich mein erstes Heft gewesen sein) sowie des massiven Airplays der tollen Videos bei MTV aufmerksam geworden. Umgehend wurde das Album bei diesem Krokodil-Musikversand (die Älteren kennen ihn bestimmt noch) bestellt, in der Hoffnung, es pünktlich zum anstehenden Italienurlaub in den Händen zu halten. Doch jene schwand am Abreisetag mit jeder Minute, die sich der Postmann nicht blicken ließ und mein Vater zufrieden vor dem vollgestopften Kofferraum stand. Ich musste handeln und konnte meinen Eltern noch zehn Minuten Wartezeit abtrotzen, die ich sofort nutzte um mich auf mein Fahrrad zu schwingen. Und tatsächlich, im Ortszentrum erblickte ich den gelben Kleinbus mit meiner Björk-CD und schilderte meine Lage. "Na, ohne diese CD kannst du aber unmöglich in den Urlaub fahren" sprach der freundliche Postbote und griff zielsicher in seinen großen Sack mit Geschenken, Postwurfsendungen, Versandkatalogen und Urlaubspostkarten. Das war also gerade nochmal gutgegangen und so sang sie mir in den folgenden zwei Wochen tagein, tagaus ihre lieblichen Weisen ins Ohr. "Post" konnte diese Geschlossenheit zwei Jahre darauf nicht ganz halten, allerdings übertrafen "Army of me", "Isobel" und eben "Hyperballad" selbst die besten Songs des Vorgängeralbums. Dann "Homogenic", vielleicht ja sogar der Höhepunkt der Diskographie, da es großartige Einzelsongs auf einem buchstäblich homogenen Meistwerk versammelt. Dazu dann diese Clips, da darf ich gar nicht erst mit Schwärmen anfangen, sonst finde ich kein Ende. Umso schwerer, sich hier für einen Einzelsong zu entscheiden. So lande ich - wie schon bei meiner inzwischen vergriffenen Tränen-MIB - wieder bei diesem schwerelosen Fluke-Remix von "Hyperballad", dieser wuchtigen und tieftraurigen Ballade, die eigentlich keine sein möchte.
ZitatCobraBora: Als Björk-Fan freut mich die Erwähnung von "Hyperballad" natürlich besonders. Normalerweise bin ich kein großer Freund von Fluke-Remixes, da die immer recht gleichförmig klingen, aber hier haben sie wirklich ein tolles Stück Remixarbeit hingelegt. Und für mich ist das der Anstoß, mal wieder die "Post" aufzulegen.
_________
Vielleicht war es ja die Zufriedenheit der mittleren Lebensphase, die mich ab ca. 2011 wieder zum ausdauernden Reggaehörer werden ließ. So manchem Kommentar hier im Forum und so manchem Augenrollen meiner Frau bei der morgendlichen Musikbeschallung habe ich darüber eine gewisse Verwunderung vernommen. Dabei mochte ich diese Musik doch eigentlich schon seit Ewigkeiten. Neben den musikalischen Aspekten bewundere ich vor allem, wie leicht dem Genre die Verknüpfung von kämpferischer Haltung einerseits und Spiritualität andererseits gelingt, beides aus einer zutiefst christlichen Geisteshaltung heraus, auch wenn der diesbezügliche Erlösungsgedanke ja - und damit tut man sich als Europäer vermutlich am schwersten - auf einen afrikanischen Alleinherrscher projiziert wurde. Andererseits finde ich Äthiopien mit seiner uralten, geografisch seit Jahrhunderten isolierten christlichen Hochkultur und seinem Stolz als niemals kolonialisertes Land faszinierend genug, um mich hiervon nicht stören zu lassen, sondern durchaus Verständnis für die Verklärung dieses Landes zum Sehnsuchtsort aufzubringen. Schade, dass in der europäischen Adaption und Wahrnehmung aus dem kämpferischen Stolz leider oft plumpe Politslogans wurden (für mich ganz schlimm: The Clash und ihr Cover von "Police and thieves"), aus der mystischen Spiritualität blieben kiffende Gymnasiasten und der oftmals positive, hoffnungsvolle Grundton der Musik führte zur Kategorisierung als seichte Strandbarmusik. Auf meiner Abneigungsliste auch ganz weit oben: Funpunk mit Offbeat aka "Ska". Argh.
95. Bunny Wailer - The Oppressed Song (1976) Die (originalen) Wailers (Bob Marley, Peter Tosh, Bunny Wailer) funktionierten schon auf dem (trotzdem noch grandiosen) "Burnin'"-Album 1973 nur noch leidlich als Kollektiv, zu sehr lastete wohl schon der beginnende Weltruhm des "white boy" (Peter Tosh über Bob Marley) auf der Band. Der Split der Gruppe führte immerhin dazu, dass alle drei Protagonisten fortan die Welt mit Soloalben beglücken konnten. Besonders gelungen finde ich Bunny Wailer's Solodebüt "Blackheart Man", das gleich mehrere von ihm ursprünglich noch für "Burnin'" geschriebene Songs enthielt, darunter auch "The oppressed Song".
96. Bob Marley & The Wailers - The Heathen (1977) Auch wenn es sicher so manches Zugeständnis an die europäische und nordamerikanische Zuhörerschaft enthielt, ist für mich "Exodus" das gelungenste Album von Bob Marleys. Nicht ganz unschuldig an dieser Einschätzung ist "The Heathen", das (v.a. in der nur zweieinhalb-minütigen Albumversion, Video leider nicht verfügbar) ein beinahe schon psychodelisches Kleinod fernab der bekannteren Songs jener Phase ("Jamming", "Waiting in Vain") ist.
97. Keith Hudson - Felt the strain (1978 ) Bewegender Song des früh verstorbenen "Dark Prince of Reggae" Keith Hudson (1946-1984), dem der ganz große Ruhm leider verwehrt blieb.
98. Lee Perry - I am a madman (1986) Düsterer, eher untypischer Track des "Upsetters", dessen Rolle als wegweisender Innovator der jamaikanischen Musik schon ab den späten 1950er Jahren legendär ist und der häufig als Miterfinder des Samplings und des Remixens genannt wird.
99. Finley Quaye - Even after all (Dub Version) (1997) Es ist leider etwas still geworden um den Sohn des Jazzmusikers Cab Keye, Neffen von Caleb Quaye und Onkel von Tricky (obwohl selbiger sechs Jahre älter ist), vermutlich erinnert man sich heute noch am ehesten an sein Marley-infiziertes "Sunday shining", zugleich sein größter Hit. Schade, denn fehlendes Talent oder mangelnde Vielfältigkeit kann man dem Schotten wirklich nicht vorwerfen. Vielleicht eher schon, dass er sich bei seinen Alben zu oft auf radiotaugliche Kompromissfähigkeit trimmen ließ und die authentischeren, verspielteren Songs und Versionen auf 12''-Vinyl versteckte. Repräsentativ hierfür steht diese düstere, verschleppte Dubversion von "Even after all", die dem eher seichten Pop der offiziellen Version diametral gegenübersteht.
ZitatCobraBora: Ein Reggae-Hörer wird aus mir wohl nie mehr werden, da gehöre ich zur Light-Fraktion, die den charismatischen Bob Marley bevorzugt, oder auch den Söllner Hans. Von Bob Marley kommt übrigens am 1. Juli eine 30th Anniversary Edition von "Legend". Entweder als Pure Audio Blu-Ray + CD (mit neuem Surround-Mix) oder als Doppel-Vinyl, in wunderschöner Aufmachung.
100. The Cure - Burn (1993) Natürlich noch ein letztes Mal die größte Band der Welt, doch selbst diese Festlegung macht die Sache nicht leichter. Welchen Song könnte ich hier denn als würdigen Abschluss nehmen? Das melancholisch-jubilierende "2 Late", eigentlich doch immer schon mein Lieblingslied? Oder "A chain of flowers", diese wunderschöne, aus Einsamkeit geborene Beschwörung der jugendlichen Unschuld? Vielleicht auch das fast schon kitschige "This twilight garden", das mich noch jedes Mal in ebenselbigen entführt? Oder aus dem Spätwerk das rare "Without you", gesanglich schon ein ziemliches Brett? Und dann erst die frühen Alben und Songs: "Charlotte Sometimes", "The Figurehead", "Play for today", "A forest" (alleine beim Sortieren der wichtigsten 100 Liveversionen hiervon wäre der erste Tag auf der einsamen Insel bereits ein guter), hach, hach, hach, Fanboy, du hast es nicht leicht, diese Band hat zu viele Songs, die dir etwas bedeuten. Was folgt, ist deshalb auch ein wenig ein Kompromiss: "Burn", 1994 exklusiv auf dem Soundtrack zu "The Crow" erschienen und extra hierfür eingespielt. Ein düsterer Brocken, der auch deshalb für mich so gut funktioniert und sich als Abschluss der Liste eignet, weil er die ganze düstere Seite des Bandkatalogs in sich vereint: Etwas "The Figurhead" (der Gesang), ein Prise "The Snakepit" (die Flöte), viel "The Hangig Garden" (der Bass, die Drums), "Disintegration"-Gitarren und ein wenig auch der Rock-Habitus von "Wish". Vor kurzem übrigens das erste Mal live gespielt, passenderweise in New Orleans.
ZitatCobraBora: Ist der (ziemlich coole) Cure-Song wirklich aus The Crow? Ich habe den Film einige Male gesehen, kann mich an ihn aber nicht recht erinnern.
Übersicht: 1. The Beatles – Love me do (1962) 2. The Stranglers - Always the sun (1986) 3. Roxette – The Voice (1988 ) 4. Musical Youth – Pass the Dutchie (1982) 5. Technotronic – Megamix (1990) 6. The KLF – 3 A.M. Eternal (Moody Boy) (1989) 7. LFO – LFO (1989) 8. Human League – Heart like a wheel (1990) 9. Inspiral Carpets – She comes in the fall (1990) 10. The Farm – Stepping stone (1990) 11. The Skinny Boys – Set the pace (say yeah) (1988 ) 12. EPMD – So what cha sayin’ (1989) 13. Public Enemy – Fight the power (1989) 14. Stetsasonic – Talking all that Jazz (1988 ) 15. Stetsasonic – It’s in my song (1988 ) 16. Human League – The black hit of space (1980) 17. The Orb – Assassin (1992) 18. Bob Marley – Iron Lion Zion (12’’ Mix) (1992) 19. Madness – Bed and breakfast man (1979) 20. Echo and the Bunnymen – Show of strength (1980) 21. U2 – The Ocean (1980) 22. The Doors – Light my fire (1967) 23. Richard Marx – Angelia (1989) 24. The Cure – Close to me (1985) 25. The Stone Roses – She bangs the drums (1989) 26. The Smashing Pumpkins – The last song (1995) 27. The Verve – On your own (1995) 28. Oasis – The Masterplan (1995) 29. Radiohead – Street Spirit (1995) 30. Queen – You don’t fool me (1995) 31. The Bluetones – Time & Again (1996) 32. Sharon Stoned – Down (1996) 33. Ocean Colour Scene – The Riverboat song (1996) 34. Secret Goldfish – Dandelion Milk Summer (1996) 35. The Cure – Want (1996) 36. Prince – The most beautiful girl in the world (1994) 37. Frank Black – Czar (1993) 38. Echobelly – Great things (1995) 39. Morrissey –Southpaw (1995) 40. Slowdive – Catch the breeze (1991) 41. The Cure – The 13th (1996) 42. Dinosaur Jr – Feel the pain (1994) 43. The Lemonheads – Rick James Style (1993) 44. Samba – Bundeswehrschlafsack (1997) 45. Die Sterne – Die Interessanten (1997) 46. Tocotronic – Sie wollen uns erzählen (1997) 47. Supergrass – Richard III (1997) 48. Philip Boa – Kiss my soul (1997) 49. Stone Temple Pilots – Big Bang Baby (1996) 50. Grant Lee Buffalo - Lone star song (1994) 51. Teenage Filmstars – Physical graffiti (1997) 52. Built to Spill – Untrustable/Part 2 (about someone else) (1997) 53. The Cure – To the sky (1987) 54. Therapy? – Nowhere (1994) 55. Eels- Last stop: This town (1998 ) 56. New Radicals – You get what you give (1998 ) 57. Last Crack – Mini Toboggan (1991) 58. R.E.M. – At my most beautiful (1998 ) 59. The Cure – Out of this world (2000) 60. Richard Ashcroft – Brave new world (2000) 61. Slut – No flowers, please (2002) 62. Ani DiFranco – Heartbreak even (2001) 63. Edwyn Collins – Should’ve done that (2002) 64. Orange Juice – Felicity (1982) 65. And One – Get you closer (1999) 66. Lali Puna - Together in electric dreams (2001) 67. PJ Harvey – Memphis (2001) 68. Badly Drawn Boy – Above you, below me (2002) 69. Blur – Ambulance (2003) 70. The KLF – Madrugada Eterna (303 Version) (1990) 71. Nick Drake – At the chime of a city clock 72. The Sound – I can’t escape myself (1980) 73. Stars – Your ex-lover is dead (2005) 74. Beach House – Master of none (2006) 75. The Longcut – A tried and tested method (2006) 76. Human Television – In front of the house (2006) 77. GoodBooks –Passchendaele (2007) 78. The National – Fake Empire (2007) 79. The Movies – Creation Lake (2002) 80. Xiu Xiu – I luv the valley, uh (2004) 81. Parenthetical Girls – A song for Ellie Greenwich (2008 ) 82. Yeasayer – Wait for the wintertime (2007) 83. The Walkmen – On the water (2008 ) 84. Midnight Masses – Preacher’s son (2009) 85. Curtis Mayfield – Power to the people (Demo) (1970) 86. Terence Trend D’Arby – Read my lips (1993) 87. Kid Loco – The graffiti artist (2004) 88. Mama Cass Elliot - Make your own kind of music (1969) 89. Hercules & Love affair – Blind (Frankie Knuckles Remix) (2008 ) 90. Michael Jackson – Price of fame (1987) 91. Arcade Fire feat. David Byrne – Speaking in tongues (2011) 92. Kisses – Bermuda (2011) 93. GusGus – Selfoss (2011) 94. Björk - Hyperballad - (The Hyperballad Fluke Mix) (1995) 95. Bunny Wailer – The Oppressed Song (1976) 96. Bob Marley – The Heathen (1977) 97. Keith Hudson – Felt we felt the strain (1978 ) 98. Lee Perry – I am a madman (1986) 99. Finley Quaye – Even after all (Dub Version) (1997) 100. The Cure – Burn (1994)
ZitatKing Bronkowitz: Wie ich erwartete, kann ich mit den meisten Titeln gut leben, auch wenn ich hier auf den ersten Gesamtüberblick hin nicht in Jubel ausbreche. Musikalisch haben wir ja wenige Schnittmengen, aber zumindest wohnst du im Nachbarhaus und nicht in einer komplett anderen Stadt.
ZitatThunderbird78: Eigentlich dachte ich ja bislang immer, deinen Musikgeschmack recht gut zu kennen. Die Gesamtschau offenbart aber, dass dem gar nicht so ist. Nur wenige Überschneidungen und viele, viele Bands bzw. Songs, die ich entweder nicht kenne oder denen ich andere Songs vorgezogen hätte. Die müsste man mal alle am Stück durchhören. Klingt nach Arbeit oder aber einem sehr langen Abend mit vielen Getränken...
ZitatDucdeRichelieu: Erstmal danke für deine tolle Liste und die eingestreuten persönlichen Anmerkungen. Die Liste ist wirklich komplett Heavy (Speed, Trash, Black, Death, Doom, Noise, Gothic, Melodic) Metal frei! Auch keine romantischen Verklärungen (o.k., den Bundeswehrschlafsack lasse ich mal außen vor) zum Schlager, Folk, Country und Jazz sind zu finden. Rap und Reggae ja und eine Prise Soul. Ansonsten in der Grundtendenz straight ahead Alternative Indie-Pop-Rock. Sechs Nennungen in der selbst geschaffenen eigenen Liga "The Cure" sind da wirklich nur konsequent. Positiv überrascht hat mich die hohe Dichte der deutschen Acts mit And One, The Slut, Die Sterne, Tocotronic, Phillip Boa und Lali Puna. Resümee: Spiele jetzt mal den Propheten das es wahrscheinlich gar keine Überschneidungen bei Bands, Interpreten und Songs zu meiner Liste geben wird. Aber das ist ja nun auch nicht Aufgabe und Ziel dieses threads. Ansonsten, was uns vereint, das die Musik unser Lebenselixier ist.
So, nach der Liste von King Bronkowitz (mit der er mich sicherlich verführt hätte, wäre ich zu dem Zeitpunkt nicht sowieso schon hin und weg von ihm gewesen), hab ich mir nun als zweite mal deine vorgenommen - nicht ganz so intensiv, aber du sitzt ja auch nicht neben mir und zwingst mich, jeden Titel anzuhören ;-) Mir gefällt wahrlich nicht alles, aber doch einiges, insbesondere mit den doch sehr persönlichen Geschichten dazu - sicherlich werde ich mir den einen oder anderen Titel mal vornehmen und bestimmt auch Dinge entdecken, die mich berühren und vielleicht sogar begleiten. Daher: Vielen Dank für Liste & Geschichten!
huch, hier hat ja schier ein jeder so einen thread. sehr schön. mal sehen, vielleicht bekomme ich so was auch mal hin. vielleicht in den weihnachtsferien ...
Zitat von gnathonemus im Beitrag #12huch, hier hat ja schier ein jeder so einen thread. sehr schön. mal sehen, vielleicht bekomme ich so was auch mal hin. vielleicht in den weihnachtsferien ...
Ich mache vielleicht auch mit. Bin auch schon am vorbereiten. Das geht aber wohl nur in 10er Schritten und wird stellenweise echt grausam...
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)