In den 70er Jahren bewegte sich noch recht viel innerhalb der deutschen Musikszene. Die Berliner Band Ash Ra Tempel wurde 1970 von Manuel Göttsching (Gitarre), Hartmut Enke (Bass) und Klaus Schulze (Schlagzeug, Tasteninstrumente ) gegründet. Vom Musikstil her war sie dem Krautrock bzw. der frühen Berliner Schule zuzurechnen.
Der Name ASH (= das Körperliche, Vergängliche, Begrenzte) RA (=noch nicht realisierbare Einsicht und Erkenntnis) TEMPEL (Symbol für die Festigkeit des Seins) versinnbildlichte die Suche der Band nach neuen musikalischen Strukturen ... vergleichbar den frühen Tangerine Dream und frühen(!) Kraftwerk!
Nach einem ersten, von Conny Plank produzierten Album verließ Klaus Schulze die Band, um seine Solo-Karriere zu starten. Zugleich gab es diverse Produktionen von Rolf-Ulrich Kaiser auf seinem Label „Kosmische Musik“; u.a. Alben der Cosmic Jokers, einem Musikprojekt, bei dem diverse Musiker der Krautrockszene mit aktiv waren. Es kam dabei auch zu Treffs mit dem LSD-Drogenpabst Timothy Leary, der dann auf dem Album „Seven up“ von Ash Ra Tempel singt. Wer da bzw. zu dieser Zeit mehr wissen möchte, dem sei hier einmal das Buch „Krautrocksampler“ – On Head’s Guide To The GROSSE KOSMISCHE MUSIK von Julian Cope (Teardrop Explodes) empfohlen ...
Doch zurück zum Dezember 1972: da war das Team um Rolf-Ulrich Kaiser mit den Aufnahmen zum Album „Tarot“ von Walter Wegmüller beschäftigt. Im Studio Dierks werkelte man damals also gemeinsam mit Musikern der „Krautszene“ an der Musik. Da neben Göttsching und Enke auch erneut Schulze dort war, hockte somit auch die komplette Urbesetzung der Band Ash Ra Tempel dort im Studio herum.
Fotomodell Rosi Müller, damals Freundin von Göttsching, war auch dort und man kam spontan auf die Idee, mal schnell ein weiteres Ash Ra Tempel- Album aufzunehmen. Also ging es frisch ans Werk und noch in der Nacht nahm man nebenbei das dann etwas später als “Join Inn“ vorliegende Album auf. Alles ist also „mal eben so entstanden“, ohne jede Vorbereitung wurde es komplett improvisiert und beinhaltet zwei Longtracks.
Bei einer Vinylpressung würde man nun sagen: Seite 1 beinhaltet den Track „Freak’N’Roll“ (19:15), ein zumeist von der Gitarre getragenes Improvisationsstück
Seite 2 den Track „Jenseits“ (24:18), ein wunderschönes Meditationsstück mit der Stimme von Rosi.
Hier einmal die - nicht ganz vollständigen - „Lyrics“ zu Jenseits ...
Weißt du noch, der Garten, am Ende der Strasse? Es ist Vollmond, der Rasen ist ganz grün ... Schau nur die Blumen! Blumen sind so schön Hörst du die Musik?
Lass dich fallen, fallend uns liebkosen Ha, ich dachte wir sind im Paradies Wir waren wie Kinder, wir sind wie Kinder ...
Wir fassen uns an und tanzen auf dem feuchten Rasen Sieh mich an!
Manchmal - ist es so unglaublich schön Nimm mich mit! Ganz weit weg Hörst du!
Der Weg ist so lang Kennst du den Weg - ein bisschen? Lass uns gehen!
Gibt so viele Wegweiser Wir können ihn gar nicht verfehlen Verstehst du mich?
Mutter...
Ich drehe durch ...
Die Musik und Band beschreibt Julian Cope so: „Ash Ra Tempel waren die aufregendste, inspirierteste und durchgeknallteste kosmische Rock’n’Roll-Band ganz Deutschlands.
Wie abgedreht das war, mag man daran erkennen, das Bassist Enke bei einem Konzert mit ausgebreiteten Armen glückselig auf der Bühne stand und aufgehört hatte seinen Gibson-Bass zu spielen. Später meinte er zu den Bandkollegen, die Musik sei für ihn so wundervoll gewesen, dass er kein Bedürfnis mehr verspürt habe, weiter zu spielen.
Jeanette. Spillsbury. Warum nun steht aber gerade dieses Album hier? Was hebt es so aus allem heraus? Hier könnte ich jetzt noch viel zur damaligen „Kreativität“ schreiben, die fast alles möglich machte. Im Ausland gilt diese alte Krautmusik vielen als großer Beitrag deutscher Künstler zur internationalen Musikszene. „Late night jam session by a bunch of avantgardists.“ Bezeichnend auch, dass die Alben-Rereleases in Frankreich erschienen. Zugleich ist das Album nahezu das, was man später ambient music nennen sollte.
Dennoch: die persönliche Bedeutung des Albums geht darüber hinaus. Nur am Rande sei zunächst erwähnt, dass ich das Album schon auf Vinyl vorliegen hatte, als es mir dann an anderer Stelle erneut begegnen sollte.
Mein damaliger Kunstlehrer, Herr Gritzner, war einst ein Schüler von Joseph Beuys und – nun weitaus wichtiger – er hatte das Plattencover für eben jenes 1973 erschienene Album „Join Inn“ von Ash Ra Tempel gestaltet. Konsequenterweise stand dieses Album also auch in seinem Plattenregal und eines schönen Tages erschien er damit und mit einem Plattenspieler bei uns im Kunstunterricht.
Die Dinge nahmen ihren Lauf, als wir alle aufgefordert wurden, zur alsbald im Kunstraum ertönenden Musik von Ash Ra Tempel zu malen – bei völlig freier Wahl von Form und Farbe. Natürlich war damit die erste Unterrichtsstunde schon einmal komplett ausgefüllt, die beiden Longtracks des Albums liefen ja auch ihre 43:33 Minuten ... zu Zeiten der damals angesagten Wave-Musik eine für nicht wenige Schüler recht wilde Erfahrung ...
Um es jetzt doch besser kurz zu machen – im Anschluß daran wurden unsere derart entstandenen „Kunstwerke“ an den dortigen Wänden aufgehängt. Es zeigte sich, dass mein „Bild“ im Kontrast zu vielen anderen völlig frei von Form war und insgesamt von orange-rot-violetten Farben dominiert wurde.
Ich staunte nicht schlecht, als beim gemeinsamen Vergleich der Bilder noch ein weiteres „Werk“ in exakt diesem Stil ausgemacht wurde. Ebenfalls formfrei und mit der gleichen Farbpalette. Es stammte von einer Mitschülerin (Beatrice) und wir sprachen danach nicht nur über unsere sich ähnelnden Bilder, sondern waren gut zwei Wochen später auch miteinander befreundet.
So kann ich für mein hier vorgestelltes Album von Ash Ra Tempel zumindest etwas mit Bestimmtheit sagen: es hat zwei Menschen zusammengeführt. Und dies gerade einmal nicht über die gemeinsame Liebe zur Band oder Musik, sondern über „das“, was diese Musik damals wohl in uns beiden ausgelöst und dann innerhalb von 45 Minuten zu einem farbigen „gemeinsamen“ Bild hat werden lassen.
Die Konstellation, dass ein/mein Lehrer, der das Coverbild für ein spontan entstandenes Musikalbum gestaltet hat, durch das Abspielen genau dieses Albums weitere spontane Bilder gestalten lässt, die letztlich zwei Personen über eine optische Gemeinsamkeit zueinander finden läßt ... die wird sich so in meinem Leben sicher nicht wiederholen.
„Join Inn“ aber hat für immer seinen Platz bei mir gefunden ...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Auch beim zweiten hier „nicht wirklich“ vorgestellten Album spielen persönliche Bindungen und Erinnerungen eine große Rolle...
COSA ROSA – Kein Zufall (1985)
Ein Zufall – Teil 1 Es war 1984, als ich im Kölner Saturn am Hansaring durch die Reihen streifte, entlang der noch völlig mit Vinyl gefüllten Plattenfächer. War es nun Zufall oder nicht – jedenfalls kam dort das Album „Traumstation“ von Cosa Rosa in mein Blickfeld ...
„Zufällig“ war genau dieses Album dann auch mit in jenem Stapel Platten, den ich zu Hause als Sammler- und Jägerbeute vom Kölnbesuch mitgebracht hatte. Das Anhören von der „Traumstation“ ergab einen bizarren Mix aus deutschem Pop, Keyboardsounds und Songs eines gewissen Reinhold Heil ( damals bei „Spliff“ mit aktiv ).
Irgendwie erschien mir der ganze Mix doch etwas unausgegoren, doch immerhin wurde eine viel gespielte Single, "Rosa auf Hawaii" ausgekoppelt. Da auf dem Album auch eine Kontaktadresse in Berlin angegeben war, schrieb ich schon bald einen etwas längeren Brief an „Cosa Rosa“; das Spektrum reichte von wildem Lob über herbe Kritik bis zu Seitenhieben vom Typ: „du wirkst auf dem Cover wie eine BWL-Tussi, die sich ihr Studium mit Werbung für Keyboards verdient“. Und ab damit in die Post und dann ... schlichtweg nichts weiter mehr gehört.
Dennoch: auch das zweite Cosa Rosa-Album landete dann schnell bei mir im Regal! Diesmal war es wirklich kein Zufall mehr, denn ich kaufte es ganz gezielt und es nannte sich ja auch „Kein Zufall“. Doch der nächste Zufall ließ dann nicht lange auf sich warten ...
Kein Zufall – Teil 2 Ich hörte derweil oft das zweite Album von Cosa Rosa. Derweil wußte ich auch, dass sie bürgerlich Rosemarie Precht hieß, genannt Rosa, und eben keine BWL-Tussi war, sondern gelernte Architektin. Sie wurde zunächst Keyboarderin bei der NDW-Band „Insisters“ und verließ diese Band dann, weil sie vom Spliff-Schlagzeuger Herwig Mitteregger, der damals Ulla Meinecke produzierte, als neue Keyboarderin für die anstehende Tour von Ulla vorgeschlagen wurde. Rosa war schon seit 1976 mit Reinhold Heil von Spliff befreundet. In der Folge sah ich Rosa dann auch ab und an im Fernsehen und live mit Ulla Meinecke, wobei ihr damaliges Keyboardspiel bei „Die Tänzerin“ mich sehr beeindruckte ... Zudem war Rosa mit der Hitsingle „Millionenmal“ im TV zu sehen und ich war schon etwas happy, dass die alten Fehler der „Traumstation“ nun quasi alle weggefallen waren.
Dann war sie plötzlich auf dem Titelbild der Zeitschrift KEYBOARDS zu sehen.
Das allein war schon Grund genug, sich auf das Heft zu freuen. Doch – ob Zufall oder nicht – im exakt gleichen Heft 9/85 stand dann auf s. 37 auch etwas von mir: ein Sound zum Korg Mono/Poly, den ich „Lost souls“ genannt hatte und Monate zuvor eingeschickt hatte. Die Seelenverwandtschaft beschränkte sich da aber doch eher auf das gemeinsame Sternzeichen und ich hatte auch wie durch Zufall plötzlich jene Ulla Meinecke Alben neben mir stehen, an denen Rosa mit beteiligt war.
Im Jahr 1986 folgte dann das dritte Album der hübschen Rosa mit dem schlichten Titel "Cosa Rosa". Zu diesem Zeitpunkt war ich schon Fan, zumindest jemand, der zusätzlich auch die ganzen Vinylmaxis von ihr bei sich stehen hatte ...
Kein Zufall – Teil 3 Am 15. April 1987, es war eine Woche vor meinem Geburtstag, lag dann Post für mich im Briefkasten. Absender war Cosa Rosa c/o Zampano Berlin ... Darin dann u.a. ein handgeschriebener Brief von Rosa vom 25.3.87. Tatsächlich schrieb Rosa mir zweieinhalb Jahre nach meinem „Traumstation“-Brief einige Zeilen.
Als „Entschädigung für die späte Post“ hatte Rosa mir Blöcke mit ihrem Briefpapier beigelegt. Ich dürfte fortan zu den wenigen gezählt haben, von denen Rosa dann Briefe erhielt, die auf ihrem eigenen Papier geschrieben waren.
Kein Zufall ... Wie gerne würde ich nun auf weitere Alben von ihr eingehen! Doch leider gab es keine Möglichkeit mehr, sich über ein viertes Album von ihr miteinander austauschen zu können. Rosa erkrankte schwer, zog sich aus der Öffentlichtkeit zurück. Ich wartete erneut zweieinhalb Jahre, bevor ich dann erfuhr, dass Rosa an den Folgen ihrer Krebs-Erkrankung gestorben war.
Kein Zufall Von Reinhold Heil war dann im September 2006 zu erfahren, dass Rosa schon 1984 auf ihrer Tournee mit Ulla schwer erkrankte und diese Tour deshalb auch abbrechen musste. Seitdem verließ sie quasi nur für TV-Aufnahmen die Wohnung. Es gab auch nie eine Tour von Cosa Rosa. Rosa war so krank, dass die Arbeit an neuer Musik für sie nur sporadisch möglich war. Es gibt noch ein paar schöne, unveröffentlichte Songs, die nie produziert wurden. So erklärte sich dann für mich auch im Nachhinein die „Verzögerung“ bei der Beantwortung meines Briefes – Rosa war damals schon schwer krank, erwähnte dies aber nicht.
Reinhold über Rosa: Rosa war eine eher stille, introvertierte Frau. Allerdings hatte sie einen unglaublich schlagfertigen und trockenen Humor und eine ansteckende Lache, wie niemand sonst in meinem Freundeskreis. Sie war eine unglaublich gute und kreative Köchin, nach ihrer Erkrankung mehr und mehr in Richtung Vollwertkost, ohne dass es je langweilig oder geschmacksarm zuging. Sie hatte ein wunderbares Gefühl für Design und Harmonie im Wohnraum, war romantisch, ohne in Kitsch abzudriften und voller menschlicher Wärme.
Rosa hat nicht nur mir drei Alben hinterlassen, und viele ihrer Songs begleiten mich seitdem. „In meinen Armen“ oder „Millionenmal“ vom Album „Kein Zufall“wird ja vielleicht jemand kennen ... da es nicht so die Musik ist, die in unserem Forum „geduldet“ wird, halte ich mich damit auch besser etwas zurück. Meine emotionale Bindung an die Songs von Rosa ist da natürlich weitaus größer als etwa bei Jeanette ...
Kein Zufall ... Heute ist erneut der 31. Januar, ihr Todestag, denn sie starb am 31.01.1991. Und es fällt mir doch schwer, überhaupt etwas über ihre Musik zu schreiben. Vielleicht sollte man sie auch besser hören.
Hoffentlich habe ich auch so verdeutlichen können, warum dieses Cosa Rosa-Album eines meiner 15 Alben sein MUSS ...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Gesang, Bass – Roger Waters Gesang, Gitarre – David Gilmour Keyboards – Rick Wright Schlagzeug – Nick Mason Gastmusiker: Gitarre – Snowy White
Anno 1977 hörte ich auch schon andere Alben von Pink Floyd. Darunter natürlich „The dark side of the moon“ und „Wish you were here“. Als dann „Animals“ erschien, war es mein erstes als „Neuheit“ gekauftes Floyd-Album. Damals natürlich noch auf Vinyl ...
Nun, werfen wir zunächst kurz einen Blick auf dieses Platte! Das „Animals“-Cover zeigt das britische Kohlekraftwerk Battersea Power Station mit einem fliegenden Schwein zwischen den Schornsteinen. ... „Fliegendes Schwein“? Ja, denn es geht beim Anhören von Animals gleich im ersten Track um „Pigs on the wing“. Also quasi um „beflügelte Schweine“. Dies wiederum basiert auf der britischen Redewendung „...and pigs will fly“. Was bedeutet, dass irgend eine Sache an sich so wahrscheinlich wie ein fliegendes Schwein ist. Also doch recht unwahrscheinlich! Wie ein Märchen ... eine Tierfabel ...
Nun, bei Pink Floyd fliegt das Schwein eben doch!! Nachdem man 1973 auf „Dark side of the moon“ bereits Sozialkritik übte und sich auf „Wish you were here“ eher mit den Problemen innerhalb der Band beschäftigt hatte, gab es dann mit „Animals“ die volle Packung! Von der Chronologie her ist „Animals“ eigentlich direkt nach „Dark Side of The Moon“ entstanden; zumindest stammen zwei der Longtracks schon aus der Zeit ab 1974. Doch zugunsten von „Wish you were here“ stellte man die Tracks zurück und „Animals“ ist 1977 der letzte große gemeinsame Akt von Pink Floyd gewesen.
Dominiert bereits von Roger Waters, der die Musik und Lyrics beisteuerte – allein den Track „Dogs“ hat David Gilmour mit komponiert. Das Album suhlt sich also schon sehr stark in der Gesellschaftskritik eines Roger Waters und ist so das wohl sozialkritischste Album von Pink Floyd geworden. Wie das? Nun, Roger Waters teilt auf dem Album die Menschen in drei Klassen ein, die jeweils mit Tieren verglichen werden!
Die Hunde – das sind die an der Karriere orientierten Menschen, die nur an Geld interessiert sind, sich nicht um ihre Mitmenschen kümmern und für den Profit sogar über Leichen gehen. Aber auch diejenigen, die an ihrem eigenen Elend zugrunde gehen. Die Schweine hingegen sind die ständigen „Moralapostel“, die den Menschen jeden Tag predigen, wie sie sich richtig zu verhalten hätten. Dabei würden gerade diese „Pig-Menschen“ die meisten Fehler machen und sich besonders unmoralisch verhalten. Zu den Schafen schließlich gehört die sonstige breitere Masse, die sich oft von den Hunden übel ausnutzen lässt, Dinge nicht hinterfragt, sich von anderen leiten lässt. Die Schafe haben daher auch keine eigene Meinung und wollen einfach nur ihre Ruhe haben.
Jedem dieser drei „Gattungen“ ist auf dem Album Animals ein eigener Longtrack gewidmet. Im zum Album veröffentlichten Notenbuch lautet die finale Textzeile: „All animals are equal – but some are more equal than others“. Schulunterricht, oder? Es hätte gar nicht erst dieser Zeile bedurft, um hier große Parallelen zu Georg Orwells „Animal Farm“ zu finden. Denn Animals ist ein sehr boshaftes Album, ein Album, dass erkennbar im Umfeld der losgetretenen Punkwelle entstand. Zum besseren Verständnis hören wir einmal – vom Text her - in das Album rein! Alles beginnt mit dem Intro
„Pigs on the Wing“ part 1 If you didn't care what happened to me And I didn't care for you We would zig-zag our way through the boredom and pain Occasionally glancing up through the rain Wondering which of the buggers to blame And watching for pigs on the wing
Schweine mit Flügeln (Teil 1) Würdest du dich nicht darum sorgen, was mir passiert Und ich würde mich nicht um dich sorgen, würden wir durch Langeweile und Schmerz herumirren Gelegentlich durch den Regen hochschauend Uns fragend, welche Drecksau eigentlich schuld ist, und Ausschau haltend nach Schweinen mit Flügeln.
Der erste Track wird noch spärlich von der Akkustikgitarre begleitet und macht vom Text her deutlich, wie wichtig der zwischenmenschliche Zusammenhalt ist und wie sehr das Leben geprägt wird von Langeweile, Schmerz und dem schlechten Gewissen, das einem die überall herumfliegenden Schweine = Moralapostel so einreden wollen. Dann setzt der erste Haupttrack ein ...
Dogs You've got to be crazy, you gotta have a real need You gotta sleep on your toes when you're on the street You've got to be able to pick out the easy meat with your eyes closed Then moving in silently, down wind and out of sight You've got to strike when the moment is right without thinking
Du mußt verrückt sein, Du mußt es wirklich brauchen Du mußt im Stehen schlafen können wenn du draußen auf der Straße bist, Du mußt Dir die leichte Beute mit geschlossenen Augen heraussuchen können. Und dann mußt du leise ranschleichen, gegen den Wind und in Deckung, Du mußt im richtigen Moment zuschlagen, ohne nachzudenken.
After a while you can work on points for style Like the club tie, and the firm handshake A sudden look in the eye, and an easy smile You have to be trusted by the people that you lie to So that when they turn their backs on you You'll get the chance to put the knife in
Und nach einiger Zeit kannst du an deinem Stil feilen. Zum Beispiel an der passenden Krawatte, und dem sicheren Handschlag, Ein fester Blick ins Auge und ein lockeres Lächeln. Die Menschen, die Du anlügst, müssen Dir vertrauen. So daß Du, sobald sie Dir den Rücken zudrehen Die Chance bekommst, mit dem Messer zuzustoßen.
Das „Hundeleben“ ist geprägt vom ständigen Überlebenskampf und dem Beutemachen. Dazu muss man sich anpassen können, gut lügen können und auf die Chance hoffen, anderen das Messer in den Rücken stoßen zu können.
You gotta keep one eye looking over your shoulder You know it's gonna get harder, harder and harder as you get older Yeah and in the end you'll pack up, fly down south Hide your head in the sand Just another sad old man, all alone and dying of cancer
Du mußt Dir immer den Rücken freihalten. Du weißt, es wird schwerer und schwerer und schwerer, je älter Du wirst. Und dann am Ende wirst du deinen Kram packen und in den Süden fliegen. Den Kopf in den Sand stecken. Nur ein trauriger alter Mann mehr, ganz allein und an Krebs sterbend.
Der Track wird von der Stimmung her immer depressiver ... und auch so ein „Hundeleben“ endet zumeist damit, dass man sich in eine Oase flüchtet und dort vereinsamt auf seinen Tod wartet.
And when you loose control, you'll reap the harvest you have sown. And as the fear grows, the bad blood slows and turns to stone. And it's too late to lose the weight you used to need to throw around. So have a good drown, as you go down, all alone, Dragged down by the stone.
Und wenn Du die Kontrolle verlierst, wirst du ernten, was du gesät hast. Und so wie die Angst wächst, fließt das böse Blut immer langsamer, bis es versteinert. Und es ist zu spät, das Gewicht abzunehmen, das Du damals zum Eindruck schinden brauchtest. Also viel Spaß beim Ertrinken, wenn Du untergehst, ganz alleine. Vom Stein herabgezogen.
Das Finale eines Hundelebens ist das Ersäufen - mit der Last des eigenen verpfuschten Daseins um den Hals ...
Gotta admit that I'm a little bit confused Sometimes it seems to me as if I'm just being used Gotta stay awake, gotta try and shake off this creeping malaise If I don't stand my own ground, how can I find my way out of this place
Ich muß zugeben, daß ich ein wenig verwirrt bin. Manchmal erscheint es mir, als ob man mich nur ausnutzt. Ich muß wach bleiben, ich muß versuchen, diese kriechende Krankheit loszuwerden. Wenn ich hier nicht daheim bin, wie soll ich dann aus diesem Irrgarten herausfinden?
Den „Hund“ befallen denn auch starke Selbstzweifel ... er fühlt sich benutzt, bedroht und sucht nach einem Zuhause ...
Deaf, dumb, and blind--you just keep on pretending That everyone's expendable, and no one has a real friend And it sems to you the thing to do would be to isolate the winner Everything's done under the sun And you believe at heart everyone's a killer
Taub, stumm und blind, Du machst Dir doch nur was vor Dass jeder entbehrlich ist, und keiner einen echten Freund hat. Und du glaubst, daß die Lösung wäre, den Sieger zu zu finden Und alle Probleme wären gelöst, Und tief in Dir drin glaubst Du, daß jeder ein Killer ist.
Ja, der Hund ist taub, stumm und blind in seinem Leben. Weil er anderen die Schuld an seinen Problemen zuweisen will ...
Who was born in a house full of pain Who was trained not to spit in the fan Who was told what to do by the man Who was broken by trained personnel Who was fitted with collar and chain Who was given a pat on the back Who was breaking away from the pack Who was only a stranger at home Who was ground down in the end Who was found dead on the phone Who was dragged down by the stone Der in einem Haus voller Schmerz geboren wurde Dem beigebracht wurde, nicht aufzufallen, keinen Stress zu machen Der vom großen Mann gesagt wurde, was zu tun sei Der von „ausgebildetem Personal“ gebrochen wurde Der mit Halsband und Ketten ausgestattet wurde Einen Klaps auf den Rücken bekam Und von dem Pack davonlief Der am Ende am Boden zertört war Tot am Telefon aufgefunden Herabgezogen vom Stein.
So endet denn das Hundeleben nach Anpassung und Schule irgendwann mit dem Tod am Telefon; von der Last des Lebens hingerichtet.
Wen es interessiert, hier die Urversion von „Dogs“ anno 1974: Gotta Be Crazy You gotta be crazy, you gotta be mean You gotta keep your kids and your car clean you gotta keep climbing, you gotta keep fit You gotta keep smiling, you gotta eat shit You gotta be small to be a big shot You gotta eat meat to stay at the top You gotta be trusted, gotta tell lies You gotta be able to narrow your eyes You gotta believe the've gotta believe you You gotta appear easy to see through Gotta be sure you look good on T.V. Gotta resemble a human being You gotta one eye over your shoulder Gonna get harder as you get older Gotta fly south and hide in the sand Gotta forget your gonna get cancer And when you loose control, you'll reap the harvest you have sown And as the fear grows, the bad blood slows and turns to stone And it's too late too lose the weight you used to need to throw around So have a good drown as you go down alone Dragged down the by the stone Gotta be sure, you gotta be quick Gotta divide the tame from the sick Gotta keep some of us docile and fit You gotta keep everyone burying this shit I gotta admit to a lot of confusion Pain in the head is the child of collusion Gotta resist the creeping malaise You gotta believe in the way you out of the maze But you, you just keep on pretending You can tell a sucker from a friend But you still raise the knife to Stranger, lover, friend and foe alike Who was born in a house full of pain Who was sent out to play on his own Who was raised on a diet of shame Who was trained not to spit in the fan Who was told what to by the man Who was broken by trained personnel Who was fitted with bridle and bit Who was given a seat in the stand Who was forcing his way to the rails Who was offered a place on the board Who was only a stranger at home Who was ground down in the end Who was found dead on the phone Who was dragged down by the stone
Nach dem depressiven Dogs-Track, der ja auch Unterdrückung und Angst mit beinhaltet, geht es zunächst beschaulich weiter ... bis dann der Gesang einsetzt ...
Pigs (Three Different Ones) Big man, pig man, ha-ha, charade you are You well heeled big wheel, ha-ha, charade you are And when your hand is on your heart You're nearly a good laugh, almost a joker With your head down in the pig bin saying "keep on digging" Pig stain on your fat chin What do you hope to find, down in the pig mine? You're nearly a laugh You're nearly a laugh, but you're really a cry
Schweine (drei verschiedene) Großer Mann, Schweinehirt, ha ha was bist du für eine Farce. Du reicher Pinkel, große Nummer, ha ha was bist du für eine Farce. Und wenn du die Hand auf dem Herz hast, (und die Nationalhymne singst) Bist du fast schon einen Lacher wert, fast ein Witzbold Mit deinem Kopf tief im Trog sagst Du "grabt weiter" Schweinedreck auf deinem fetten Kinn. Was hoffst du überhaupt zu finden wenn du unten in der Schweinegrube bist? Du bist fast ein guter Lacher, Du bist fast ein guter Lacher, aber in Wirklichkeit bist du zum Heulen.
Bus stop rat bag, ha-ha, charade you are You fucked up old hag, ha-ha, charade you are You radiate cold shafts of broken glass You're nearly a good laugh, almost worth a quick grin You like the feel of steel You're hot stuff with a hat pin, and good fun with a hand gun You're nearly a laugh You're nearly a laugh, but you're really a cry
Du Penner an der Haltestelle, ha ha was bist du für eine Farce. Du abgewrackte alte Hexe, ha ha was bist du für eine Farce. Du strahlst kalte Speere aus zerbrochenem Glas ab. Du bist fast ein guter Lacher, beinahe ein kurzes Grinsen wert Du magst das Gefühl von Stahl, Du bist ein heißes Gerät mit einer Hutnadel und der Brüller mit einer Knarre. Du bist fast ein guter Lacher, Du bist fast ein guter Lacher, aber in Wirklichkeit bist du zum Heulen.
Hey you, Whitehouse, ha-ha, charade you are You house proud town mouse, ha-ha, charade you are You're trying to keep our feelings off the streets You're nearly a real treat, all tight lips and cold feet And do you feel abused? ! ! ! ! ! ! ! You've got to stem the evil tide and keep it all on the inside Mary, you're nearly a treat Mary, you're nearly a treat, but you're really a cry
He du, Whitehouse, ha ha was bist du für eine Farce. Du Stadtmaus aus gutem Haus, ha ha was bist du für eine Farce. Du versuchst, unsere Gefühle von der Straße fernzuhalten. Du bist fast ein herrliches Vergnügen, verkniffene Lippen und kalte Füße Und fühlst du dich mißbraucht? ! ! ! ! ! ! Du musst gegen üble Wogen ankämpfen, und alles im Inneren bewahren. Mary, du bist beinahe ein Vergnügen, Mary, du bist beinahe ein Vergnügen, aber in Wirklichkeit bist du zum Heulen
Hier wird direkt Mary Whitehouse recht angesprochen – eine Politikerin der Konservativen Partei, die sich damals gegen die sexuelle Befreiung und für ein "moralisches Verhalten" einsetzte. Und auch sonst ist der Song eine Breitseite gegen des britische Establishment und seine „moralisierenden“ Vertreter inkl. der Politiker ...
Es sind ja eben die Schweine, unter deren Augen die Hunde ihre Schafe unter Kontrolle halten. Jenen Schafen ist der letzte Hauptrack des Albums gewidmet.
Sheep Harmlessly passing your time in the grassland away Only dimly aware of a certain unease in the air You'd better watch out--there may be dogs about I have looked over Jordan and I have seen--things are not what they seem
Harmlos vertreibt ihr euch die Zeit auf der grünen Wiese Nur ganz schwach gewahr einer gewissen Unruhe in der Luft Seid lieber vorsichtig - es könnten Hunde in der Gegend sein Ich schaute über den Jordan und ich sah: Die Dinge sind nicht immer, was sie zu sein scheinen
What do you get for pretending the danger's not real Meek and obedient, you follow the leader Down well trodden corridors, into the valley of steel What a surprise! A look of terminal shock in your eyes Now things are really what they seem, no this is not a bad dream
Was habt ihr davon, so zu tun, als ob die Gefahr nicht ernstzunehmen sei? Lammfromm und folgsam folgt ihr dem Anführer über ausgetrampelte Wege hinunter ins Tal aus Stahl. Welche Überraschung! In euren Augen der Blick des endgültigen Schocks! Nun sind die Dinge wirklich, wie sie scheinen, nein, das ist kein böser Traum.
Die friedlich grasenden Schafe haben in ihrem Leben nur die Hunde zu fürchten, die sie ins „Tal des Stahls“ führen und dort über die Klinge springen lassen ...
The Lord is my shepherd, I shall not want, he makes me down to lie Through pastures green he leadeth me the silent waters by With bright knives he releaseth my soul He maketh me to hang on hooks in high places He converteth me to lamb cutlets For lo, he hath great power and great hunger When cometh the day we lowly ones Through quiet reflection and great dedication Master the art of karate, lo, we shall rise up And then we'll make the bugger's eyes water
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln, Er weide mich auf einer grünen Aue und führe mich an ruhigen Wässern vorbei. Mit blinkenden Messern erlöse er meine Seele, Er hänge mich empor an Haken hohen Ortes, Er wandele mich um zu Lammkoteletts. Denn Gott, er hat grosse Macht und grossen Bedarf. Wenn kommet der Tag, wo wir Niederen Durch stille Besinnung und grosse Hingabe, Die Kunst von Karate meistern werden? Siehe - Herr, werden wir uns erheben, Und dann treiben wir den Drecksäuen die Tränen in die Augen.
Roger Waters bezieht sich hier – in diesem Gebet der Schafe – ganz konkret auf die Bibel; Man vergleiche einmal selbst - es wird eindeutig aus dem Psalm 23, David zitiert, der so lautet: Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele. Er führet mich auf rechter Straße um seines Namens willen. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feinde. Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein. Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang, und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.
Doch dann enden im Song jäh alle Gebete ... und es kommt zum Aufstand gegen die Hunde. Die „wahnsinnigen Rächer“ marschieren jubelnd aus der Finsternis in ... den Traum!
Bleating and babbling we fell on his neck with a scream Wave upon wave of demented avengers march Cheerfully out of obscurity into the dream
Blökend und lallend fielen wir ihm mit lautem Schrei in den Nacken. Eine Welle nach der anderen von wahnsinnigen Rächern marschiert jubelnd aus der Finsternis hinein in den Traum.
Have you heard the news? The dogs are dead
Habt ihr die Nachricht gehört? Die Hunde sind tot!
Und es klingt so am Ende wie im Märchen: ... die Hunde sind tot! Ja ja ... natürlich, „and pigs will fly“! Get real!
You'd better stay home and do as you're told Get out of the road if you wanna grow old!
Ihr bleibt besser zu Hause, und tut was euch gesagt wird. Verschwindet von der Strasse, wenn ihr alt werden wollt!
Auch hier noch der Verweis auf die ältere Version ... „Raving And Drooling“ (1974): Raving and drooling I fell on his neck with a scream He had a whole lotta terminal shock in his eyes Thats what you get for pretending the rest are not real Bubbling and snapping at far away flies He will zig zag his way back through Memories of boredom and pain How does it feel to be empty and angry and spaced Split up the middle between the illusion of Safety in numbers and the fist in your face
Die Märchenstunde ist vorbei; die Tierfabel beendet ... erneut erklingt die Akkustikgitarre und es folgt Teil 2 jenes Songs, der das Album einrahmt ...
Pigs On The Wing (part two) You know that I care what happens to you And I know that you care for me too So I don't feel alone, or the weight of the stone Now that I've found somewhere safe to bury my bone And any fool knows a dog needs a home A shelter from pigs on the wing
Du weißt doch, daß ich mich um Dich sorge. Und ich weiß auch, daß Du Dich um mich sorgst. Darum fühle ich mich weder einsam noch spüre ich das Gewicht des Steines. Jetzt, wo ich ein sicheres Plätzchen gefunden habe um meinen Knochen zu vergraben. Und jeder Idiot weiß, daß ein Hund ein Heim braucht. Einen Schutz vor geflügelten Schweinen.
Man sorgt am besten füreinander und beseitigt so die Einsamkeit. Die Last des Lebens wird dann nicht mehr so empfunden und jeder „herumstreunende Hund“ sucht letztlich auch nur sein Zuhause ... als Schutz vor den „Pigs on the wing“ ...
Anmerkung: den Track „Pigs on the wing“ als kompletten Song inkl. Gitarrensolo kann man auf dem Album „Snowy White – Goldtop“ hören (RPM 154 )
Ähm, ja ... die Musik? Ja, es gibt sie. Und sie ist außergewöhnlich gut! Dies liegt sicher auch daran, dass man einige Tracks ja schon seit Jahren live spielte und David Gilmour an der Gitarre frei agieren konnte. Seine „Scheiß-auf-die-Kunst-und-lass-uns-jetzt-mal-losrocken-Einstellung“ verleiht „Animals“ reichlich Ecken und Kanten. Diverse Naturlaute wie Hundegebell, Schweinegrunzen und Schafblöken sorgen zudem so richtig schön für die passende Atmosphäre. Von daher hat Animals auch immerzu sehr viel „Hörspielcharakter“ und das Album packt einen recht schnell ...
Ja, „Animals“ ist – für mich - eindeutig ein Meisterwerk und ein auch wirklich einmal recht gut geglücktes Konzeptalbum! Für nicht wenige Fans von Pink Floyd ist es daher auch sicher das beste Floyd-Album überhaupt. Deutlich merkt man dem Album die damals schon sehr bittere Weltanschauung von Roger Waters an. „Animals“ ist somit das wohl düsterste und gesellschaftskritischte Pink Floyd Album überhaupt, ein Album, das die doch recht zeitnah entstandenen Debutalben der Sex Pistols oder von The Clash eher wie einen bunt-trotzigen Kindergeburtstag wirken läßt ...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Tracklist: The Grand Wazoo For Calvin ( & his next two hitch hikers ) Cletus Awreetus – Awrightus Eat that Question Blessed Relief ( dies ist die spätere CD-Tracklist von F. Zappa; auf Vinylplatten sind die Tracks 1 und 2 vertauscht )
Frank Zappa – guitar, percusion, vocals Mike Altschul – woodwind Billy Byers – trombone Chunky (Lauren Wood)– vocals Lee Clement – percussion George Duke - – keyboards, vocals Earl Dumler – woodwind Aynsley Dunbar - drums Tony Duran – guitar, bottleneck guitar Erroneous (Alex Dmochowski) – bass Alan Estes – percussion Janet Neville-Ferguson – vocals Fred Jackson, Jr. – woodwind Sal Marquez – bass, trumpet, vocals, brass Joanne Caldwell McNabb – vocals, brass, woodwind Malcolm McNabb – trombone, horn Janet Neville-Ferguson – vocals Tony Ortega – woodwind Joel Peskin – saxophone, woodwind Don Preston – Mini Moog Johnny Rotella – woodwind Ken Shroyer – trombone, brass, contractor and spiritual guidance Ernie Tack – brass Ernie Watts – saxophone, woodwind Robert Zimmitti – percussion
Natürlich darf in dieser Reihe nach Pink Floyd ( und dem etwas textlastigen „Animals“ ) auch Frank Zappa nicht fehlen! Die Qual der Wahl hatte ich bei seinen Alben ja schon! Wobei der typische Zappa-Humor eben öfter dafür sorgt, dass kaum ein Album in eine halbwegs einheitliche Richtung geht. Dies ist bei „The Grand Wazoo“ etwas anders, da Zappa hier mit einem doch recht jazzigen „Bigband-Sound“ aufwartet, der dieses Fusion-Album von der Musik her recht kompakt wirken läßt. Und – es ist zudem ein nahezu reines Instrumental-Album! Ebenso aber auch ein Konzeptalbum! Es war durch Zufall nach „Zoot Allures“ man zweites Album von ihm. Als Schüler kauft man ja ab und an mal, was gerade so da und zudem preiswert ist...
Auch hier hilft zunächst der Blick auf das Cover: da bekämpfen sich scheinbar zwei doch etwas antike Armeen mit Musik. Wobei die linke Truppe, angeführt vom Spieler mit dem „Mystery Horn“ erkennbar gewinnt ...Wie eine Armee wirkt übrigens auch das am Album beteiligte Team: 24 Musiker spannte Zappa damals für das Album mit ein, davon allein 12 mit Blasinstrumenten ...
Doch gleich zurück zum Album, zur Musik, oder so ... Auf dem Backcover hört sich ein älterer Automechaniker ( es ist natürlich unser aller „Uncle Meat“ ) das Album gerade an; er wirkt aber eher wie ein durchgeknallter Wissenschaftler in einem bizarren Laborraum. Und Uncle Meat, den wir hier jetzt kurz Stu nennen, ist auch schon dabei, sich dort ein neues Meisterwerk zu schaffen. Er streift dazu noch flott seine Gartenhandschuhe und ein Kondom über – und dann ist es auch so weit: Stu legt den großen Schalter um und alles blitzt und funkt grell auf und das Licht im Raum beginnt zu flackern. Leise melancholisch spielt nun ein Cello los, aber der völlig chaotische Lärm im Raum von Uncle Meat ist viel zu groß, man hört also leider gar nichts ...
Uncle Meat schmeisst den Schalter sogleich wieder zurück und der Spuk endet – keine Funken fliegen mehr, kein schriller Lärm ist mehr zu hören. Es ist aber jetzt auch kein Labor mehr zu sehen, denn vor Schreck haben wir ja die Platte fallen lassen und blicken so gerade wieder auf das Frontcover. Oder seht ihr vorn auf dem Cover etwa immer noch ein Labor? Nicht wahr, da ist doch jetzt eher so etwas wie das Antike Rom zu sehen! Und weil zudem Musiker zu sehen sind, passt das hier auch gut zum Thema ...
Wer dort Chef im Ring ist, dürfte klar sein: es ist Cletus Awreetus Awrightus, der über alles herrscht. Woher ich dies weiß? Ich kenne mich eben aus mit Geschichte. Vor allem über seine bizarre Armee aus arbeitslosen Musikern herrscht dieser Cletus. Die lungern da allesamt natürlich schmarotzend herum, wenn sie nicht gerade mit ihrem Gegner, dem Mediokrates of Pedestrium, kämpfen, der ja auch eine tolle Armee hat. Alle hängen also eigentlich nur dumm herum und für sie gilt eindeutig: I don’t like mondays.
Warum? Weil an Montagen immer ein Musikbattle stattfindet. Und wenn dann uns Dieter Bohlen sagt: „Ey, du spielst so scheisse, geh besser kacken Alter“, dann sinkt eben schell die Stimmung im Team. Das Ergebnis der montäglichen Musikkämpfe wird immer auf Plakaten, auf besprühten Aquädukten und auf Steintafeln namens Charts veröffentlicht. Damit hat aber dort keiner seine Probleme; auch Cletus nicht. Ein Problem sind hingegen jene Teile der Bevölkerung, die einem grotesken Masochistenkult anhängen: asketische Fanatiker, die einfach keine Musik mögen! Keine! Sie nennen sich selbst Questions ...
Der Herrscher Cletus regelt diese Situation auf seine Weise und läßt die ganze Horde Questions gefangen nehmen und einsperren. Für die Bevölkerung ruft er zugleich ein wildes Musikfestival aus. Dabei werden dann die Questions in die Arena getrieben und Cletus greift zu einem riesigen Megaphon, das sich „The Grand Wazoo“ nennt ... Und irgendwie hat Jahrhunderte später auch Zappa ein Album so genannt ...
„Hallo, ihr Katzen und Miezen!“ schallt es extrem laut durch das Rund und die begeisterte Masse antwortet: „Awreetus! Awrightus! Awreetus, Cletus!“. Und der lächelnde Cletus fragt in die Runde der Gefangenen: „Ist hier einer, der singen kann, oder tanzen, oder der ein Instrument spielt?“ Hier und da erheben einige der Questions aus den Reihen der Anti-Musik-Fanatiker ganz zaghaft ihre Hände und bekunden so doch ein ganz klein wenig Interesse an Musik im Basaltgesteinschlitz ( MIB genannt ).
Diese somit flott reformierten Questions dürfen die Arena sogleich verlassen und fortan der Armee von Cletus betreten ( pssst, die ist in Wahrheit ja eine für Zappa spielende Bigband! ). Wie es sich für angehende Musik-Soldaten gehört, landen sie nicht etwa im Dschungelcamp, sondern sie arbeiten unter der Anleitung sehr einfühlsamer und extrem verständnisvoller Clubbesitzer in ganz üblen Nachtlokalen, um bei sehr warmem Bier und wirklich sehr großen Titten für das ganz ganz große Ding geschult zu werden!
Doch zurück in die Arena! Jene musikhassenden Questions, die sich zunächst nicht zum Musizieren meldeten, erhalten eine weitere Chance. Jeanette im Iron Maiden-Shirt, nein, eine Maiden mit Irons, oder doch mit Spoons, eilt nun herum. Die Questions können aus einem lesbisch-schwul angemalten Pappkarton also pinkfarbene Plastikgabeln greifen und wenn sie die dann richtig und geil im natürlichen Rhythmus gegeneinander einsetzen, dürfen so dafür frei sein und werden nach Nashville geschickt.
Cletus ist also fair zu seinen Gefangenen! Er hat sich nun natürlich um jene Questions zu kümmern, die sich bislang schlicht weigern, ihre unmusikalischen Pfade zu verlassen. Mit traurigem Blick gibt Cletus dem Spieler des E-Pianos nun das Einsatzzeichen und der legt dann munter funky los. Hinzu gesellen sich die Drums und die E-Gitarren und eine lange Prozession wirklich hochrangiger DSDS- und Labelvertreter zieht einen Werbewagen in die Arena. Dann legen Plakatkleber los. Bleiben sie dran, wir sind in wenigen Minuten wieder für sie da ...
(Bild vom Originalposting leider nicht mehr verfügbar)
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich der mitgeführte Werbewagen als ein riesiges Aquarium! Innen schwimmen lauter Statistikfehler und andere mißlungene Experimente der scheinbar wissenschaftlich-illusionären Abteilung der antiken Gesellschaft herum und nun kommen auch noch randvoll diese ganzen Questions hinzu. Ach ja, die DSDS- und Labelvertreter gehen dann schnell weg, erhalten an der Areanaseite noch Glückwünsche, Musikpreise, man tauscht Visitenkarten aus und gönnt sich Gehaltserhöhungen. Zudem setzt man sich zusammen, um an einer Endlösung für die Questions zu arbeiten.
Die Endlösung nähert sich dann aber in Form eines Gitarrenriffs, das die Scheiben des Aquariums zum Vibrieren und Bersten bringt. Rauch steigt auf – kennen wir ja schon aus Stus Labor - und nachdem er sich verzogen hat, geht ein Raunen durch die Menge und die Zirkusband stimmt einen triumphierenden Tusch an. Eisbar Knut hockt dort und verspeist gerade die Reste von Heidi Klum. Wer hätte das gedacht! Der arme Bär ...
Nach so viel Freude und Spaß in der Arena, muss Cletus sich auch wieder der normalen Arbeit widmen. Er speist mit seinem Team: an der rechten Seite der Bassist Erroneous, der Drummer Gregarious, sein Roadie Per Diem und MIB-Organisator Hobbes. Links dann die übrige Gefolgschaft: Trivia, ein heisses Girl mit dem geilsten Arsch der Welt, der Biograph Cretinos, der bärtige Nefarious, Apotheker Equilibrium, Dysmenhorrea und Photon, der Lichtdirektor, etc. etc. Und wie immer bei diesem Promi-Dinner, gerade bevor es die Schlangen im Teigmantel gibt, stürmt ein Bote erschöpft in den Raum und keucht auf Knien vor dem Herrscher: „Sie kommen! Schnell! Man wird uns umzingeln!“ Der Bote fällt dann ins Koma und wird mit Musik von Jeanette reanimiert. Als er wieder bei Sinnen ist, führt man ihn zum Guano-Apestanamo-Raum und prügelt und wachst ihn so lange, bis man endlich weitere Informationen zu Lost erhält.
Cletus aber gibt sofort Instruktionen an Benhur Barrett weiter, um die gesamte Armee einzuziehen. Wenn Motown es zulässt, wird dies für ihn der wohl wildeste Job ever! Die Streitkräfte von Awreetus beinhalten 5000 Blechbläser als Luftwaffe, 5000 Schlagzeuger als Artillerie, 5000 Spieler elektrisch verstärkte Saiteninstrumente als chemisch-biologisch-psychologische Kriegsabteilung und als Kavallerie 5000 Männer mit umgehängten Schiefertafeln, die sie mit halben Kokosnußschalen beklopfen. Cletus führt sie alle mit seinem Mystic Horn in die wilde Musikschlacht und nicht wenigen erscheint das Horn ab und an ein gewöhnliches Saxophon zu sein ...
Der Gegner, Mediokrates of Pedestrium ( man nennt ihn auch kurz M.O.P. ), ist ganz ähnlich bewaffnet, verfügt aber über eine weitere Waffe, die sich String-Sektion nennt bzw. im Fall der Elitetruppe auch „Klangversüsser“. Der Hauptunterschied beider Armeen ist aber wohl, das M.O.P. viel viel viel stimmgewaltiger ist ...
M.O.P. hat 5000 Sänger mit gelockertem Gürtel und Scorpions-Tattoo, dazu 5000 Sänger im Fliegerseidendress und 5000 heulende Sänger in knappen Levi-Jeans und noch weitere 5000 Sänger, die nicht singen können, aber anzügliche Bewegungen mit dem Mikrofonkabel machen. Sie werden unterstützt von 100000 herumhoppelnden haltnackten back-up Sängerinnen und 5000 empfindlich-gefühlvollen Leadsängerinnen, die entweder gleich unsichtbar sind oder einem mit ihrem extravaganten Aussehen ganz kräftige Augenscherzen verursachen ...
Also, jeden Montag marschiert nun also M.O.P. in das Land von Cletus Awreetus ein und stellt sich in der Nähe der Großstadt auf. Mit Hilfe eines kleinen tragbaren RTL-Senders beschallen seine Mediokrates dann die gesamte Stadt in der ständigen Hoffnung, die Bevölkerung musikalisch quasi einschläfern zu können. Cletus mit seiner hochmotivierten Awreetus-Armee verteidigt alles aber, indem sie schnell ein flottes Lied von äh, Spillsbury spielen. Ja, und genau damit endet dieses grandiose und mich immer wieder erfreuende Zappa-Album auch schon. Thx folks, good night.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Rückblick in das ex-Forum anno 2008... hier ein einst nicht geposteter Beitrag
ELLEN ALLIEN & APPARAT - Orchestra of Bubbles (2006)
Turbo dreams / Way out / Retina / Rotary / Jet / Sleepless / Metric Floating points / Under / Do not break / Leave me alone / Edison / Bubbles
“Orchestra of Bubbles” ist 2006 erschienen und dürfte damit zu den eher jungen Werken der 15 Platten-Reihe zählen. Das Album kam vergleichsweise unromantisch über Amazon zu mir, nachdem ich in ... keine-Ahnung-wo ... etwas Positives dazu gelesen hatte. Ich höre zwar seit über 30 Jahren elektronische Musik der Berliner Schule, aber diese hier vorliegende „moderne“ Berliner Elektronik hat mich doch unerwartet erfreut ...
Ellen Allien kooperiert auf diesem Album mit Sascha Ring (aka Apparat). Um es schon vorweg zu nehmen: das Ergebnis dieser Zusammenarbeit ist hörbar deutlich mehr als die Summe der Teile. Entstanden ist ein Kunstwerk voll mit Elektrosound-Tracks, das mich immer noch bei jedem Anhören stark beeindruckt.
Das oft zu hörende trashige Nonstop-Elektrogefrickel findet hier erst gar nicht statt. Bei diversen Tracks fangen die Beine auch automatisch etwas zu zappeln an. Ich kenne (leider) kein anderes Album dieses Genres, welches eine derartige Mixtur aus Break-Beats, Sounds, Gesang, Techno, Streichern, Bass, melancholischen Klangflächen, Drive, Retrostyle, Trance, Sampling, etc. bietet. Leider klingt auch kein anderes Album der Beteiligten nur näherungsweise so gut. Der immerzu gelungene Mix aus Groove, Experiment und Stimmungen ist ein schönes Meisterwerk der Berliner Elektronik!
Es ist ein Album, das süchtig macht. Nicht gleich beim ersten Hören, man kennt das ja, aber so nach dem dritten Durchlauf, wenn man die tollen Tracks schon im Kopf ein wenig mitspielen kann. Ein Album, das einfach Spaß macht beim Anhören und irgendwie auch sehr viel Mut. Zumindest all jenen, die sich um die Zukunft der elektronischen Musik Sorgen machen. Denn dies hier ist sie, die Zukunft der elektronischen Musik. Weil dieses Album bestens gelungener Elektropop ist. Keine Elektronik im ernst-kühlen Elfenbeinturm der Frickelkunst, sondern eine gefühlvolle, warmherzige Elektronik.
Mit „Turbo Beat“ taucht das Album gleich hart ein in einen stark per Filter gesteuerten Groove, der noch an Dynamik zulegt und auch mit Melodien ergänzt wird, die wie eine Hommage an die Erfindung des Hüllkurven-Filters daherkommt. Bei „Way out“ glaubt man zunächst an eine groovige Fortsetzung, dann setzt aber auch schon die Stimme von Ellen ein, die dem gesamten Track den Stimmungsstempel aufdrückt. Der Track wirkt wie ein Hitsong aus einer Raumschiff-Disco: Spooting trains at home – shrinking world, dry lakes – storm is blowing dark – way out is hard.
“Retina” reißt einen voll raus aus der Disco: mit Cello-artigem Sound aka Apocalyptica wird ein Groove mitgestaltet, der wie der Soundtrack zu einem Aufbruch, einem „way out“ aus alle dem Elend wirkt. Bei „Rotary“ merkt man überdeutlich, dass hier keine Anfänger an einem Sequenzer rumprogrammiert haben. der Wechsel vom Groovebeat weg zur Leadstimme prägt den Song. „Jet“ bringt uns in die Raumschiffdisco zurück, hier ist Sascha Ring mal voll in seinem Element. Distortion, Shifting und eine Songstruktur, die alle Kraftwerk-Tracks wie Steinzeitelektrik wirken lässt. „Sleepless“ bietet dann die Beats für Ellens zweiten Gesangstrack: „Tomorrow is not here“ ... erneut sind wir auf einem „Way out“-Trip und Sprachfetzen werden eingeblendet ( ein weibliches „Halt mal, ich glaub’ du hast dich verfahren“ gehört mit dazu ).
„Metric“ bedient sich erneut das celloartigen Sounds von „Retina“. Der gesamte Groove wird davon getragen und wie so oft bei Elektrik-Tracks verschmelzen Groove und Melodie. „Floating points“ wirkt mit seinen kaputten Sounds zunächst wie aus der dunklen Giftküche der Elektrofrickler. Ein einfacher Beat ordnet aber alles und nach zweieinhalb Minuten setzt sich der Song selbst auf Reset und startet nochmals durch. Die Fortsetzung mit „Under“ schleudert uns wieder in jene Raumschiffdisco zurück, in der nun recht sphärische Sounds den Beatteppich überlagern. „Do not break“ legt nun mit Sampling-Sounds los und wer Aliens beim Breakdance sehen möchte, der hat mit solch einem Track gute Chancen ( falls gerade ein paar Aliens zur Stelle sind ). Der Beat weiß, was er den Außerirdischen schuldig ist und so wird muntergetanzt ... bis es mit „Leave me alone“ in den dritten Gesangstrack des Albums geht. Diesmal mit Sascha am Micro: “Leaving a valley of ice, so hard to decide, if your light burns bright” ist eine weitere Phase der “Way out”-Thematik des gesamten Albums.
“Edison” wirkt wie ein flackerndes Irrlicht. Ein Soundtrack aus einer anderen Welt. Und doch so nah wie kaum etwas anderes. Licht kommt in das futuristische Treiben. „Leaves twisting around – fall and die - Wind guides you home – but where? Where will it be –here or there – one day you’ll find it - here or there” singt Ellen im finalen Track “Bubbles”. Die Reise endet hier … und wenn ich nicht wunschlos glücklich bin, dann deshalb, weil ich mir wünsche, dass Ellen Allien nochmals so eine Zusammenarbeit startet! Natürlich wünsche ich mir auch, dass man das 2030 hört ...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Rückblick in das ex-Forum anno 2008...hier die Rohversion eines einst nicht geposteten Beitrags
Machen wir es kurz ...
Eines der wenigen Alben, die ich hier vorstellen MUSS, ist ja geradezu „Raus!“ von Spillsbury. Warum? Alles ging im Jahr 2002 mit ihrer EP los. Dann erschien 2003 das Debutalbum „Raus!“ und es wurde ( nicht nur ) in der INTRO empfohlen. Dazu passend waren Spillsbury sogar auf dem Titelbild der INTRO: zusammen mit „Wir Sind Helden!“
Ich habe das Album dann in der Mittagspause im Saturn/Kaufhof unweit meiner damaligen Arbeitsstelle probeweise angehört, für gut befunden und gekauft. So einfach war das. Doch im Musikexpress, den ich seit 1979 eher regelmäßig lese, wurde damals rein gar nichts über Spillsbury und deren Album berichtet. In den Medien ist es für Spillsbury eh nicht leicht, denn Sängerin Zoe ist zwar eine richtig kleine Rampensau, ansonsten aber recht schüchtern. Eben nicht gerade das, was sich als Frontfrau allzu gut vermarkten läßt. Zugleich sind Tobi und Zoe aber derart von ihrer Sache überzeugt, dass mir da gar nicht Bange wird. Wo findet man auch sonst schon eine Band, die im Kern nur aus einem Bassisten/Programmierer plus Sängerin besteht?
Das völlige Ignorieren von Spillsbury im Musikexpress war dann auch tatsächlich der Grund für mich, hier am 17.07.03. im Forum aktiv zu werden! Zumal Albert Koch sie in der Intro (als Gastkritiker) mit 2/10 Punkten abstrafte und u.a. mit der Spider Murphy Gang verglich. Das war „zu viel“ für mich ... und fortan war im Forum eben Spillsbury angesagt ... wenn auch nur meinerseits!
Schon an dieser Stelle knüpfe ich an die ersten beiden hier erwähnten Alben an und sage: „Raus!“ von Spillsbury ist das Album, dass mich zum Forumsmitglied gemacht hat.
Da es um das Album an sich geht, komme ich nun einmal zu den Songs ... gleich der erste Track stellt die Weichen für das ganze Album ...
2 sekunden welcher ton kann hier noch richtig sein, wenn die harmonie am ende ist, pause, rücklauf, stop nochmal von vorn. textblatt vor den augen, alles einmal durchgehört, und kreuzchen machen, endlosschleife, lieblingsstelle rot markiert. was bleibt am ende übrig, wenn das lied der stille weicht? - 2 sekunden ewigkeit
jona es ist still geworden, seit der antrieb weg ist, der motorraum nur noch abstellkammer, über risse in den wänden müssen wir nicht reden, schenk doch noch mal kaffee nach. natürlich könnt ich dir sagen wie's weitergeht, denn immerhin hab ich das ganze schon mal erlebt, dein gesicht spricht bände, langsam halt ichs nicht mehr aus. kreuzverhör um viertel nach sieben zwischen sofatisch und abendwind, fängt die stimmung an sich zu verschieben, in richtungen, die schon bekannt sind. denn ich habe keine küche und ich weiß nicht ob ich eine brauch, wozu? meine meinung sagen kann ich dir auch hier und das geht so: nimm jetzt bitte meine hand und sprich mir nach "ich bleibe hier", auch wenns vielleicht ein fehler ist, ich will kein kaffee nur noch bier. sonnenaufgang in der stadt irgendwo fängt der tag an wie immer zu früh, soviel muss noch gesagt werden wenn der tag weitergehn soll, doch ich schlaf ein, wie immer zu früh.
raus kurzer blick und schon verstanden, ohne worte alles klar, keine zeit um pläne zu schmieden, jetzt muss es klappen, damit die mühe nicht umsonst war. alles auf die dreizehn, komm schon gib dein letztes geld her, hey was solls. wenn wir es jetzt nicht wagen schaffen wir es nie mehr raus. raus aus dieser stadt, sie frisst euch alle auf, ihr werdet schon sehn, ein paar steine im weg, die halten uns nicht, abends um halb zehn. bäume, häuser, menschen fliegen vorbei, durch dunkelheit und einheitsbrei, stillstand braucht bewegung wie huhn ei. schnapp dir das auto ich hab geld und einen rucksack voll ideen. mit hundertachtzig richtung weiß noch nicht, lass uns einfach gehn.
ruhestörung er kann die ruhe nicht mehr hörn und möchte endlich einmal schrein, die ganze stille einfach stören und nur noch so wie früher sein, wie war das noch einmal mit leben und veränderung, warum passierte damals nichts so einfach ohne grund. viel zu wenig zeit, viel zu früh gefreut, viel zu groß der traum. sowas kommt nie zurück, auch wenn du kämpfst oder schreist, wie schnell ging es vorbei, ... die alten fotos sind nur noch der hauch von einem beweis, wie schnell ging es vorbei, ... und keiner da, dem man sie zeigen kann. er packt den ganzen kram in eine kiste auf dem schrank und setzt sich hin und weint. das macht er jeden tag, schon fünfunddreissig jahre lang, wie schnell ging es vorbei, .. wie schnell ging es vorbei, ...
was wir machen was wir machen, was wir sollen, was wir müssen, was wir tun. wohin wir fahren, mit wem wir reden, wo wir wohn, wie wir sind, weshalb wir lachen, was wir sagen, wielang wir schlafen, wer uns aufregt, wobei wir weinen, warum wir trinken, wieviel wir rauchen, wie wir euch finden, was wir denken, wofür wir kämpfen, wen wir hassen, wie wir feiern, woher wir kommen, wieso wir wählen, was wir machen, was wir sollen, was wir müssen, was wir tun. alles, was wir tun und lassen, geht euch überhaupt nichts an, wir wollen nicht mehr für euch da sein, kein stück näher an euch ran. (also lasst uns in ruhe, lasst uns gehn, und unseren weg alleine machen, wir bleiben lieber einsam als mit euch über eure schlechten witze zu lachen.) wohin wir fahrn, wie wir sind, wie wir leben, wie wir uns halten, wann wir wach sind, wonach wir uns sehnen, was wir träumen, was wir erreichten, wann wir gehn, was wir singen, wonach wir suchen, worauf wir hoffen, was wir machen, was wir sollen, was wir müssen, was wir tun.
das spiel ist aus an diesem blick erkenn ich schon, jetzt kommt die längere version, und du redest, ich hör zu, wir beide lügen, schlechter du. den rücken an der wand, den blick zum boden und dazu "ich dachte, du weißt, ich musste, es ist das beste, was meinst du?" doch deine taktik ist schon klar, denn diese schuld lastet wie blei, das spiel ist aus, der spaß vorbei, das spiel ist aus, der spaß vorbei. kann man denn nicht mal kritisch schreien, ohne gleich der lauteste zu sein, an diesem tag, an diesem ort, bleibt meine angst mal wieder nur ein wort. und wollt ihr alles hören, ich red nicht mehr mit euch, ihr seid jetzt frei, das spiel ist aus, der spaß vorbei, das spiel ist aus, der spaß vorbei.
wenn du die augen morgens zulässt es wird schon weniger und nicht mehr schlimmer, das beben lässt nach, die wunde heilt. dein körper sagt jetzt lass das gewimmer, zuwenig anspruch in letzter zeit. wenn du die augen morgens zulässt, verschwindet dann der tag, als besucher in der nacht, den nun wirklich keiner mag. du bist nur einer, da kommen viele, eine entscheidung ist jetzt gefragt. doch aus dem mangel an perspektive wird deine lösung einmal wieder vertagt. die zeit macht dich nicht weise, sie macht dich nur noch älter, wünscht dir ne gute reise, und wenn sie schreit dann fällt er. wenn du die augen morgens zulässt, verschwindet dann der tag, als besucher in der nacht, den nun wirklich keiner mag. soll das dein leben sein?
bahnsteig nur das klatschen der zeitung auf dem bahnsteig, kein applaus. aufgeweicht, halb auf der kante sitzen wir und warten darauf, dass die bahn kommt. und die bahn kommt. wir sehn ihr immer wieder im tunnel hinterher, wir steigen niemals ein, wir steigen niemals ein. die türen weit geöffnet, das licht bleibt manchmal aus. wir steigen niemals ein, es kommt auch keiner raus. kühler luftzug, vorwarnung, ein fünftel bpm. lass sie tanzen, für uns, wir bleiben bis zum ende. und die zeitung, zertreten, ich heb sie auf und les ein stück. nicht alles, keine zeit mehr, denn da kommt der augenblick zurück.
freier fall in drei sekunden von null auf hundertausend. ungebremst im freien fall. nicht selbst gesprungen, doch das ist mittlerweile egal, überall nur gegenwind. letztendlich bleibt alles wie es war. die realität so furchtbar klar. die flügel verloren.
kurz vor vier gestern nacht vor meiner tür, dieses poltern macht mich wach. kein mensch auf der strasse, sturm und regen legen langsam nach. zurück im bett, was läuft da falsch, irgendetwas fehlt mir hier. es ist viel zu still, da fällt es auf: der wecker sagt nichts mehr, stehengeblieben um kurz vor vier. so erwarte ich den morgen und den lärm in dieser stadt. kommt die sonne, wenn die uhr nicht geht und platz für sie macht. ich muß wohl eingeschlafen sein, doch jetzt bin ich wieder wach. es ist immer noch so dunkel und so still vor allen dingen nacht. stehen geblieben um kurz vor vier, und wir sind noch immer hier.
die wahrheit kein plan, ob das wirklich etwas bringt, so oft hab ich dir das schon erklärt. vielleicht hörst du mir garnicht zu, oder was weiß ich. vielleicht verstehst du es auch nicht, es wär schade für dich. also nochmal, die angelegenheit und du, ihr seid euch feind, darum rennst du immerzu gegen die die wand als hättest du nie blut gesehen, und dieser schmerz im kopf, du wirst ihn nie verstehn. schon gut, ja ich weiß jetzt was du meinst. na klar, war doch alles trotzdem gut. hau rein und ich kenn ja dein gesicht und find dich immer wieder. und langsam wird klar, was passiert. es dämmert nicht nur in den straßen. unverständnis und das recht, aus dem weg zu gehen. schon gut, ja ich weiß jetzt was du meinst. na klar, war doch alles trotzdem gut. hau rein und ich kenn ja dein gesicht und find dich immer wieder. sei still, dass mein ich ehrlich. geh weg es wird zu schwer ich dreh durch ich mag dich wirklich, so sehr nun auch wieder nicht...
schlagziele auf dem papier sah es noch gut aus, jeder schritt genau geplant. das konnte ja nun keiner wissen, daß die zeit der fehler war. zwanziguhrsechsunddreissig, steht auf dem protokoll und drei zentimeter hoch die schlagzeile weiß auf schwarz und schreit dich an. fotos auf der titelseite, daß man nicht allein sein kann. der freundliche mann unterschreibt zuerst und schiebt den kuli langsam rüber. und dann stempeln, abgehakt. der abend gibt uns schutz vor dem was wir nicht sehn, aber vor uns liegt. nur noch tasten nach dem zeitplan, vor der letzten runde und drei zentimeter hoch die schlagzeile weiß auf schwarz und schreit dich an. fotos auf der titelseite, daß man nicht allein sein kann. immernoch und immer mehr bin ich nmir sicher und im recht und immernoch und immer mehr bin ich nmir sicher und im recht und drei zentimeter hoch die schlagzeile weiß auf schwarz und schreit dich an. fotos auf der titelseite, daß man nicht allein sein kann.
dritter showdown an der sofafront, die batterien sind aufgebraucht, und da kommt der nächste kandidat vorbei. sinnentleert zur primetime aber lustig war es schon, gibt einen punkt auf der guten seite, nein lieber zwei. die entscheidung war schon klar, als sie das ergebnis sah, nicht mal dritter oder so. wie lang kann sie das noch ertragen, wenn die anderen dauernd fragen, warum hast du es nicht geschafft. was denken diese menschen, wenn die ein paar tage später an der kasse merken, daß das alles war? jeder kriegt den scheiß den er verdient, aber bitte nicht beleidigt sein, das war doch vorher klar.
Es gab natürlich Rückschläge. So haben sich Spillsbury geweigert, auf der VIVA-Bams-Bühne in Berlin zu spielen und sind dort abgereist. Zudem haben sie das 1-Live-Festival in Bochum abgesagt. Dies war für den "Durchbruch" nicht förderlich. Mehr als hiesige Chartplatzierungen hat mich gefreut, dass Spillsbury in der BBC-Sendung von John Peel sechsmal gespielt wurden. Eine deutsche Band mit deutschen Texten in der Sendung des inzwischen verstorbenen John Peel: diese - ich nenne es einmal durchaus musikalische Ehre - wurde nur sehr wenigen deutschen Bands zuteil.
Sängerin Zoe: „ich will meine Sachen selbst machen und nicht etwas singen, was Dieter Bohlen geschrieben hat. ... wenn man viel Geld in die Werbung reinsteckt, dann kriegt man auch viel raus. Aber die Lieder an sich finde ich total scheiße. Dann arbeite ich lieber noch ein paar Jahre an dem, was wir machen, und bin lieber noch so bekannt wie jetzt und hoffe, dass wir später noch erfolgreicher werden. Ich werde gern noch ein paar Jahre da rein investieren. Dann kann ich später wenigstens darauf zurückblicken und weiß, dass ich mir das alles selbst erarbeitet und jede Sekunde genossen habe.
P.S.: nicht nur, das Albert Koch letztlich gar den Promotext für das zweite Spillsbury-Album verfasste... mein Username war dann auch in den Credits von Album Nr. 3 zu lesen:
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von akri im Beitrag #2Rückblick in das ex-Forum anno 2008...
Auch beim zweiten hier „nicht wirklich“ vorgestellten Album spielen persönliche Bindungen und Erinnerungen eine große Rolle...
COSA ROSA – Kein Zufall (1985)
Ich mag Kein Zufall auch sehr sehr gerne... viiiel zu lange nicht mehr gehört... LP wird sofort aus dem Regal geholt und die nächsten Tage gehört ;-)
Danke akri.
Ein Zufall war es auch bei mir, dass ich Ende 1985 die LP in die Hände bekam. Kein Zufall war, dass mich die Platte begeisterte und ich "in den Westen" schrieb, um ein Autogramm zu bekommen. Ich bekam dann nach einiger Zeit eine Autogramm-Karte mit dem Cover-Foto und war sehr traurig, als ich später von ihrem Tod erfuhr.
Rosa hat nicht nur mir drei Alben hinterlassen, und viele ihrer Songs begleiten mich seitdem. „In meinen Armen“ oder „Millionenmal“ vom Album „Kein Zufall“wird ja vielleicht jemand kennen ... da es nicht so die Musik ist, die in unserem Forum „geduldet“ wird, halte ich mich damit auch besser etwas zurück. Meine emotionale Bindung an die Songs von Rosa ist da natürlich weitaus größer als etwa bei Jeanette ...
Für uns Steinzeitnostalgiker salzte Dave Colman hier häufig mit Cosa Rosa nach. Heute undenkbar und mein all time Favorit die siebenminütige Maxiversion von Riesenrad.
Sehr schöne und interessante Geschichte über Cosa Rosa! Die bekannten Songs bekam ich damals natürlich mit, auch die Beziehung zu Spliff, aber ich verlor sie relativ schnell aus den Augen. Dass sie längst nicht mehr am Leben ist, höre ich zum ersten Mal. :-(