Donnerstag und Freitag konnten wie immer nur die Arbeitslosen und die Pensionisten live dabei sein, heute ab 10:00 dann die letzten Lesungen.
Was bisher geschah:
Ich war etwas überrascht, als ich erfuhr, dass Stefanie Sargnagel dieses Jahr liest. Letztes Jahr war sie noch Korrespondentin für den Zündfunk und verlor kein gutes Wort über die Veranstaltung. Diesmal eröffnete sie das ganze also mit ihrem wahrscheinlich bisher längstem Text, mit dem sie sich wieder als meisterhafte Alltags-Beobachterin aber weniger meisterhafte Geschichtenerzählerin zeigte. Wenn in 30 jemand wissen will, wie die 2010er-Jahre waren, wird er Stefanie Sargnagel lesen, aber als Meilenstein für die deutschsprachige Literatur wird dürfte das nicht in die Geschichte eingehen. Ihr Vortragsstil hat sich übrigens enorm geändert, in Richtung relativ langsam und deutlich, sogar mit Gestik und Mimik. Jury überraschenderweise mehrheitlich angetan. Überhaupt interessante Jurydiskussion. Ich hatte die Jury viel arschlochmäßiger in Erinnerung. Sind wohl doch einige Jahre, die ich ausgesetzt habe: Außer Meike Feßmann kommt mir niemand mehr bekannt vor.
Bei Sascha Macht bin ich eingeschlafen. Marko Dinić: Top-3-Kandidat. Julia Wolf: Top-3-Kandidatin.
Den Sargnagel-Text habe ich nachgelesen, weil ich sie sehr mag, und die Jury-Diskussion dazu zur Hälfte verfolgt, dann hatte ich genug. Von den anderen AutorInnen und Texten habe ich aus Zeitgründen aber leider gar nix mitbekommen. Schade, ich habe das früher ja wirklich sehr gerne eng verfolgt. Sandra Kegel finde ich gut, Meike Feßmann sehr unsympathisch. Aber Hubert Winkels' extrem eitles Geschwurbel ist für mich schon länger ein Minuspunkt, auch wenn er inhaltlich sehr oft richtig liegt.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
"...fühlt sich der Bachnannpreis an wie ein nie enden wollendes Sommerfest im Philologischen Institut: eigentlich doch angenehm, alle sind feinsinnig und nett und doch hat man irgendwann das Hefühl, schreiend wegrennen zu müssen, um eine Bar zu finden wie die aus Sargnagels Wettbewerbtext."
Sie kritisieren den fehlenden Zweck des Preises, die Jury, die Autoren als zu Weiß und zu männlich, etc pp.
Zum Glück kommt Sharon Otoo aus dem Schwarzenghetto und ist keine Intellektuelle und Aktivistin. Manche sagen dazu akademisches schwarzes Milieu. Aber Hauptsache nicht weiß und im Zeichen der Vielfalt.
Diversität bedeutet nicht, dass jemand in allen Kriterien "anders" sein muss. Hautfarbe und Geburt außerhalb des deutschsprachigen Raumes sind zwei mögliche. Sargnagel wäre diesmal dennoch sicher der gewagtere Schritt gewesen (und literarisch womöglich berechtigter). Aber wie gesagt ist Klagenfurt ja eine ziemlich konservative Veranstaltung.
Hier noch ein Leserkommentar bei Spiegel Online: 1. heinz.j.rogel gestern, 22:53 Uhr KRITIK DER KLAGENFURTER VERNUNFT Welchen Leser imaginiert ein Autor beim Verfertigen seiner Klagenfurter Geschichte? - Einen Juroren. Welcher Leser bleibt länger an dieser Geschichte dran als die wenigen Sekunden, die zur Lektüre der ersten Sätze nötig sind? - Ein Juror. Auf jeden Fall derjenige Juror, der beschlossen hat, den Text zum Klagenfurter Medienrummel mitzunehmen. Und außerdem eine Reihe von Lesern, die beschlossen haben, sich dem Rummel um den Text auszusetzen. Und es in der Regel bereuen. Denn der Text ist eine Klagenfurter Geschichte. Er ist also nach den Regeln der Klagenfurter und nicht nach denen der literarischen Vernunft entstanden. Die letztere lässt sich nicht so einfach definieren, die erstere dagegen schon: Der Klagenfurter Autor hat keinen lesbaren eigenen Stil entwickelt. Sein Text muss so langweilig wie möglich beginnen und ebenso weitergehen. Eine Handlung darf gar nicht oder nur bruchstückhaft erkennbar sein. Die Personen sollten rätselhafte Wesen sein, etwa dem Muster eines Kafka-Käfers gemäß. Die Erzählperspektive ist ohne Relevanz und wird unentwegt gewechselt. Ein Sinn, eine Absicht, gar ein Engagement des Textes ist bei Strafe seines Verrisses zu vermeiden. Wenn ein Autor diese Regeln als Rezeptur verstanden und seine Geschichte entsprechend zubereitet hat und wenn ein Juror sie zum Rummel mitbringt, ist das für die anderen Juroren ein gefundenes Fressen. Denn zum Lob werden die Regeln der Klagenfurter Vernunft ausschließlich für den Text eingesetzt, den der Juror mitgebracht hat. Absurderweise wird er eben diese Regeln zum Verriss aller anderen Texte verwenden. Kein Kunststück übrigens. Wer findet auch eine amateurhaft erzählte, langweilige Geschichte ohne erkennbare Handlung gut, in der dem Leser eine rätselhafte Figurenkonstellation beispielsweise von einem allwissend erzählenden Frühstücksei vorgestellt wird. Und das ohne jede tiefere Bedeutung, weder in noch zwischen den Zeilen. Fazit: Autor, schreibe nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass deine Geschichte keine Klagenfurter, sondern eine gut erzählte werde. Heinz Rogel
Als Event finde ich Klagenfurt ja immer sehr reizvoll. Ist doch schön, wenn mal über Literatur berichtet bzw das sogar live im Fernsehen übertragen wird. Man darf das halt einfach überhaupt nicht ernst nehmen - es genügt, wenn die Jury das tut. Die interessanten AutorInnen, die aus einem Wettlesen hervorgegangen sind, kann man nach meiner Erinnerung an einer Hand abzählen. Ich hab mir meistens auch nur die Jurydiskussion angehört, die Texte fand ich fast durchgehend öde (wie gesagt, dieses und letztes Jahr bis auf Sargnagel nichts gelesen).
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
eigentlich geht es inzwischen nur noch um die jurydiskussionen, die ja dem ganzen etwas leben einhauchen und die mit viel aufwand in den texten dinge freilegen, die wahrscheinlich nie dringesteckt haben. erschreckend in diesem jahr fand ich die offensichtlichkeiten in den texten: das frühstücksei als anspielung auf loriot und deutsche spießigkeit, der hase aus "mein freund harvey", sargnagels bukowskipose. hinzu kommt die unendlich dröge vorleseleistung der autoren (ausnahme in diesem jahr vielleicht dieter zwicky, könnte aber auch am schweizer akzent gelegen haben).
Zitat von Nilslofgren im Beitrag #13Geschichten werden seit Jahren (jahrzehnten?) nicht mehr erzählt in Klagenfurt.