Wir haben ja im Dorf einen Kulturverein gegründet und machen Veranstsltungen. Es ist wahnsinnig schwierig, da mit plusminusnull rauszukommen, wenn die Künstler was verdienen sollen. Das liegt natürlich da dran, dass wir nicht an der Gastronomie verdienen. Aber selbst dann. Werbung, GEMA und Technik sind dann schon immer happig. Wir haben dann halt ein chronisches Defizit, das wir mit Mitgliedsbeiträgen ausgleichen. Aber geht nur mit viel Einsatz.
Konzerte haben wir immer so 100 Besucher, Lesungen und Theater vielleicht 70. Da lass mal was bei einer Fünfmannband für jeden übrig bleiben.... Insofern verstehe ich, dass sowas immer schnell ein Geknapse ist.
Neulich hatte bei einem Konzert die Bar in der Muffathalle geschlossen. Der Wirt sagt: lohnt sich nicht. Ist da jetzt immer zu?
100/70 Besucher ist ja wirklich mehr als ordentlich! Dass ihr dann trotzdem noch was dazuschießen müsst, ist wirklich schade. Aber umso lobenswerter!
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
Zitat von faxefaxe im Beitrag #16Neulich hatte bei einem Konzert die Bar in der Muffathalle geschlossen. Der Wirt sagt: lohnt sich nicht. Ist da jetzt immer zu?
Das geht ja auch nur noch, wenn da sauviel Ehrenamt dabei ist - das kann dann aber auch schnell in selbstausbeuterischen Arbeitsverhätnissen enden.
Ein Musikclub lebt idR auch nicht nur von Konzerten, sondern hat an zwei, drei Tagen pro Woche ganz normales DJ-Programm, Parties uÄ, wenn da halt auch keine Leute mehr kommen, wird so eine Querschnittskalkulation eben schwierig. Viele Clubs reagieren dann damit, behämmerte 90s-Parties oder irgendwas anderes zu veranstalten, nur um soviele Menschen wie möglich anzulocken. Das schreckt dann wieder das (sofern überhaupt noch vorhandene) Stammpublikum ab. Dieses wiederum macht ja auch viel aus in einem Club, bzw war früher die Maßgabe, dass es sovielen Leuten wie möglich so gut gefällt, dass sie immer wieder kommen. Das wurde im Laufe der Zeit aber auch zugunsten einer gesichtsloseren Publikumsmasse aufgeweicht. Ist halt ein Teufelskreis - die Ursache ist aber imho ganz klar im veränderten "Verbraucherbewusstsein" zu sehen, und das änderte sich massiv ab etwa Mitte der Nuller Jahre mit dem Siegeszug der Internettechnik.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Da fällt mir auch die Eventisierung dazu ein - überall gibt es tolle, besondere Events, dann gehe ich halt nur noch auf Events, wenn nichts besonderes stattfindet, gehe ich woanders hin, oder bleibe daheim, da kann ich auch Bier trinken und mir die Spotifyliste von Callum Schmallum anhören. So kann man aber keinen Garten pflegen oder Club halten, wenn die Leute immer nur zu besonderen Anlässen kommen, aber nie mal unter der Woche den Rasen mähen. Äh, ja. Das Thema ist komplex und die Ursachen durchaus vielschichtig, die Entwicklung ist aber denke ich nicht mehr umkehrbar. Wenn schon in den großen Städten die Clubs dichtmachen, wo es ja noch genügend interessierte Leute auf einem Haufen gibt, spricht das ja auch Bände.
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wie gesagt, hier sind eher andere ursachen zu suchen. das sind alles clubs, die immer rappelvoll waren (zumindest, wenn ich da hin gegangen bin):
atomic café: mietvertrag nicht verlängert 59:1: rausschmiss wegen luxussanierung registratur: ärger mit den nachbarn (mitten in DEM ausgehviertel der stadt) café king: rausschmiss wegen luxussanierung café am hochhaus: rausschmiss wegen luxussanierung
und schließlich wird gerade fast das gesamte club-areal am ostbahnhof platt gemacht (genauer gesagt sind es zwei: die kultfabrik und die optimol-werke) - zugunsten eines neuen stadtviertels mit einem "Mix aus Entertainment, Kultur, Wohn- und Arbeitsraum" (und alle so: yeah!). nicht, dass ich den clubs dort dicke tränen nachweine. die waren größtenteils überhaupt nicht nach meinem geschmack, aber es führt dazu, dass das angebot weiter ausgedünnt wird. ähnliche attacken auf den kulturbetrieb (ohne, dass clubs betroffen sind) laufen gerade am viehhof und (in kleinerem maßstab) am schwere-reiter-areal. akut bedroht ist auch das backstage: das aktuell genutzte gelände wird definitiv neu bebaut, die zugesicherte ersatzlocation steht auf einmal wieder auf der kippe (wegen der luxuswohnanlagen, die in unmittelbarer nachbarschaft entstehen sollen).
abgesehen vom babalu, das wirklich schlecht lief, habe ich von keinem club gehört, der wegen mangelndem publikumsinteresse dicht gemacht hat. und das war noch vor der ära spotify.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #16Neulich hatte bei einem Konzert die Bar in der Muffathalle geschlossen. Der Wirt sagt: lohnt sich nicht. Ist da jetzt immer zu?
meinst du das muffatcafé?
Also, die kleine Bar am Eingang rechts, gegenüber von der Garderobe.
ja, das ist das muffatcafé. und nö, immer ist das nicht zu. das letzte mal als ich dort war (war on drugs, ende november), hab ich, nachdem das konzert in der halle vorbei war, dort noch ein bier getrunken.
Hatte den Wirt getroffen (bei Mount Kimbie glaube ich), als er zugesperrt hat. Sagte, an Konzerttagen lohne sich das Personal nicht. Hatte mich gewundert, da vorher, hinterher und auch währenddessen zumindest bei gut besuchten Konzerten da schon immer wer dein war.
ja, komisch. oft holen leute dort die getränke, wenn an den hallen-bars zu viel los ist und nach dem war on drugs-konzert war's eigentlich auch ziemlich gut besucht.
also, dass wegen dem internet jetzt alle zu hause bleiben, halte ich jetzt für äusserst gewagt. die ca. 30 konzerte, die ich über das jahr verteilt sehe, sind nur sehr selten schlecht besucht, oftmals sogar ausverkauft, und mein musikgeschmack liegt wirklich ausserhalb des mainstreams. mir wäre zumindest in berlin kein club (zumindest was die konzertstätten betrifft) bekannt, der wegen ausbleibenden publikums geschlossen hätte.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
(Ich meinte ja eigentlich eher die nicht reinen Konzertstätten, sondern die gemischten, wie den o.g. BASSY, oder sogar die Musikclubs, die fast nur DJ Programm bieten.)
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aber gerade das bassy scheint ja eben nicht wegen publikumsschwund einzugehen, sondern weil investoren sie aus dem gebäude raushaben wollen.
die münchner clubs die ich als beispiel genannt habe, waren übrigens auch keine reinen konzertstätten. sowohl atomic café als auch 59:1 hatten reguläre parties, in der registratur fanden nur gelegentlich konzerte statt und in den anderen gar keine.
Das Statistische Bundesamt hat ermittelt, dass seit 2009 rund 15 % der Clubs geschlossen haben. Im gleichen Zeitraum haben allerdings 30 % mehr Bars und Szenekneipen neu eröffnet.
Gründe werden auch genannt. Zum einen sind es veränderte Freizeitgewohnheiten. Zum anderen sinkende Gästezahlen – auch durch den steigenden Altersdurchschnitt der Bevölkerung. Hinzu kommen Probleme mit der Finanzierung und die Benachteiligung von Clubs bei städtischen Bauprojekten.
Johnnie Stieler, Chef des geschlossenen Berliner Clubs „Horst Krzbrg“ sagte dazu in einem Interview mit der taz, dass es zu Beginn des Clubs in Berlin zum Wochenende hin ca. 30 bis 40 Partys gegeben hätte. Dies hätte sich verdoppelt – ohne ausreichendes Publikum. Im Vergleich etwa zu London würde es in Berlin wohl zehn Mal so viele Locations geben – zu viele. All die neuen Galerien mit Stehausschank bzw. Party als Dauervernissage würden den Clubs das Publikum entziehen. Leute, die nur feiern und sich betrinken wollen, sei die Musik letztlich eher egal.
Johnnie Stieler sagt auch, dass früher die Musik an Orte gebunden war. Etwa Techno im Tresor oder House im Planet. Derweil sei Musik aber immer und überall verfügbar. Man hätte Musik auf dem Handy dabei oder per Computer. Heute müsse niemand mehr an bestimmte Orte gehen, um seine spezielle Musik zu hören. Man würde sich heute mit Mixen von Soundcloud oder Boilerroom einen schönen Abend mit Freunden machen. Alles ginge in Richtung Cocooning in der eigenen Wohnung, wo man sich daneben benehmen könne, der Alkohol billig sei und keiner damit rechnen muss, vom Türsteher abgewiesen zu werden.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)