Spoiler-Warnung. Hier wird offen über alle Filme Asters gesprochen. Wer die noch sehen will, sollte das erst tun und dann lesen.
Die tl;dr-Version vorab (ohne Spoiler): Hereditary ist fantastisch, Midsommar immerhin sehr gut.
Hereditary hat mich im letzten Jahr komplett umgewemst. Mich schockiert, überrascht, unterhalten (darf ja auch sein) und das Thema Trauer in einen Horror-Film gesteckt, den wir so selten bekommen.
Da hier davon ausgegangen wird, die Filme gesehen zu haben, muss man nicht groß den Plot erklären. Meine Erwartungen an den "Nachfolger" waren hoch und jetzt bin ich froh, nur den allerersten Trailer gesehen zu haben. Das ist ja geradezu ekelerregend, wie viel alle folgenden in Sachen Bilder verraten und Überraschungen im Keim ersticken. Gut, davon gibt es an sich durchaus weniger. Ziemlich straight erzählt, weiß man natürlich ungefähr woraus es hinausläuft, die interne Logik des Kultes aber erschloss sich mir zu selten. Das Ritual-Mash-Up war scary, unheimlich und bizarr, wirkte manchmal aber eher lose zusammengeflickt.
Hinterher erfuhr ich aber, dass auch hier der Horror, wie schon bei Hereditary, eher Mittel zum Zweck ist, um eine ganz andere Geschichte zu erzählen. Laut Aster geht es um einen verspäteten Break Up, um eine am Leben gehaltene Beziehung, die schon längst beendet ist und den Ausbruch der jungen Frau, das Finden der neuen Familie.
Genau deshalb würde ich den Gedanken auch verwerfen, die ersten 30 Minuten vor der Reise nach Schweden einfach zu cutten und die Exposition in ein paar Nebensätze bei der Ankunft zu stopfen. Gerade der Selbstmord am Anfang ist so schrecklich und Aster mag es wohl, seine Hauptdarstellerin weinen und schreien zu sehen. So ergibt das alles durchaus mehr Sinn und die Länge des Films funktioniert, weil es einfach keinerlei Ablenkung, keinen Ortswechsel, keine normalen Menschen gibt. Alles ist im grellen Sonnenlicht so weit entfernt von normal. Schaut man solche Filme, wartet man ja immer auf die Momente, in denen alles kippt, wenn die Schlinge so fest sitzt, dass es kein Entkommen mehr gibt. Das schafft Aster hervorragend, denn das Todesurteil haben die meisten Figuren schon mit der Ankunft unterschrieben, man merkt es aber erst später.
Der hat durchaus seine Macken, es bleiben Fragen, es fehlen vielleicht ein paar Überraschungen, aber als Überlänge, komplett weirde Allegorie auf das Ende einer Beziehung gelesen, macht es den Film definitiv besser und neben Tarantino (völlig egal, was man von ihm hält), der ja ohnehin der letzte große Regisseur mit der erlaubten Umsetzung einer komplett eigenen Vision ist, muss man es mMn feiern, dass solche Filme von solchen Leuten einen größeren Release bekommen. A24 rules.
Ich hab dermaßen Bock gehabt auf den Film, dass ich zum ersten Mal überhaupt alleine ins Kino gegangen bin (ich konnte sonst niemanden überzeugen bzw. es hat sich niemand getraut mitzukommen). Würde sagen, dass ich schon so einige verstörende Filme gesehen habe, aber das Ding ist echt noch mal eine ganz andere Nummer. Kein "Ich-hau-dir-fies-in-die-Magengrube-und-dann-quetschen-wir-den-Rest-Wohlbehagen-auch-noch-aus-dir-raus" wie "Hereditary". Sowieso sollte man beide Filme finde ich überhaupt nicht miteinander vergleichen. "Midsommar" ist eigentlich wirklich überhaupt kein Horrorfilm, sondern einfach nur ein einziger Trip und Mindfuck. Es gibt zwar einige sehr harte Szenen drin, aber die sind gar nicht so erschütternd, weil man die ganze Zeit damit beschäftigt ist drei Buchstaben vor sich herzusagen: WTF. Keine Ahnung, was ich von dem Film unterm Strich halten soll. Denke, der braucht einige Zeit zum nachwirken und verarbeiten. Zwei Sachen kann ich unabhängig davon aber schon mal Höchstwertungen bescheinigen: Kamera (unglaubliche Kamerafahrten und Bilder) und Musik ("stimmungsvoll" ist da noch gar kein Ausdruck - vor allen Dingen das Ende ist grandios untermalt).
Den Beitrag von Regular John hab ich mal mit rübergeholt. Habe Midsommar jetzt auch gesehen und bin total weggeblasen davon. Die Bilder vor allem, diese langanhaltende Mischung aus Staunen und Verstörtsein, das alles macht den Film äusserst faszinierend. Da stört es auch überhaupt nicht, dass einiges doch sehr vorhersehbar ist. Die Assoziation mit The Wicker Man hatte ich praktisch von Anfang an - nicht zu Unrecht, wie sich herausstellte, wobei das nochmal auf ein ganz anderes Level gehoben wurde. Da sehe ich auch die Parallele zu Hereditary: Beide Filme haben sehr klassische Horror-Elemente, bewegen sich insgesamt aber in eine jeweils sehr ungewöhnliche Richtung. Herrausragend in beiden Fällen der Cast. Bei Midsommar mag man zwar einige Charaktere als überzeichnet empfinden, sie sind aber dennoch glaubhaft dargestellt. Sehen in gewöhnlichen Teenie-Horrorstreifen alle Darsteller wie auch dem Model-Katalog aus, hat man es hier mit sehr natürlich aussehenden und natürlich agierenden Schauspielern zu tun.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Hmm, vielleicht sollte ich mir den auch mal geben. Der Soundtrack stammt übrigens von The Haxan Cloak, habe ich mir sagen lassen, und soll wirklich sehr gut sein.
Zitat von Lumich im Beitrag #2Bei Midsommar mag man zwar einige Charaktere als überzeichnet empfinden, sie sind aber dennoch glaubhaft dargestellt. Sehen in gewöhnlichen Teenie-Horrorstreifen alle Darsteller wie auch dem Model-Katalog aus, hat man es hier mit sehr natürlich aussehenden und natürlich agierenden Schauspielern zu tun.
Mit einer Ausnahme: Mark. Der Charakter war mir dann tatsächlich viel zu seicht und er fällt deutlich gegenüber den anderen ab.
Lustigerweise sagt Ari Aster, dass er Mark Eigenschaften von sich gegeben haben, da er wohl selbst ein phobischer Typ ist. Eine Sache, die man vielleicht unschlüssig finden kann ist, dass man eigentlich kaum nachvollziehen kann, warum die Charaktere überhaupt befreundet sind, da zumindest Mark und Christian ziemlich offensichtliche Arschlöcher sind. Schauspielerisch finde ich dennoch beide überzeugend. Ich bin mir nicht sicher, ob es dem Film mehr gegeben hätte, wären diese Charaktere mit mehr Tiefe ausgestattet gewesen, da deren Empfinden eher nebensächlich ist. Es geht doch in der Hauptsache um Dani und der Ablösung von ihrer Beziehung zu Christian.
Man darf übrigens gespannt sein auf den Director‘s Cut, der auf DVD/ BluRay erscheinen soll. Der soll sogar ein anderes Ende haben. So oder so lohnt sich mehrmaliges Schauen, da viele subtile Hinweise versteckt sind.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Okay, hab den Director‘s Cut soeben gesehen, aber das Ende ist dasselbe. Die BluRay ist wunderschön aufgemacht, aber ansonsten bietet die Extra-Halbestunde nicht viel Mehrwert. Trotzdem phantastisch, auch wenn das Heimkino mit der großen Leinwand nicht mithalten kann.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Hmmm.... ich bin ja schon viele Jahre Prime-Mitglied, weil ich dann alles portofrei bekomme. Vielleicht sollte ich jetzt doch mal die Prime-App auf meinem TV aktivieren. Ich habe ja noch nicht mal den Picard angesehen.
Zitat von G. Freeman im Beitrag #1So ergibt das alles durchaus mehr Sinn und die Länge des Films funktioniert, weil es einfach keinerlei Ablenkung, keinen Ortswechsel, keine normalen Menschen gibt.
Was meinst du mit "es gibt keine normalen Menschen"?
Beau Is Afraid würde man am besten mit dem Wort "überambitioniert" beschreiben. Der Beginn mit dieser fast GTA-artigen Parallelwelt, in der Beau lebt und klarkommen muss, war sensationell und genau meine Art von dunkelfinsterem Humor.
Aber mit dem "Unfall" ging dann das Schrecken los. Spätestens im viel zu langen Waldabschnitt wollte ich nur noch raus aus dem Kino, so miserabel und mit dem dicksten Holzhammer gestrickt kam mir das alles vor. Da wird wirklich für die allerletzte Reihe in der letzten Ecke alles ausformuliert und das gleich 5x.
Das letzte Drittel im Haus hat mich dann wieder etwas versöhnt. Ich muss darüber aber noch ein bisschen nachdenken. Schön aber, dass wir danach noch ewig diskutiert haben. Für mich immer erst einmal ein Gewinn, wenn ein Film das schafft.
Mh, der Trailer sah so spannend aus. Das ist jetzt aber die hundertste Rezension, die dem Film ziemliche Holprigkeit und Unbeständigkeit in der Qualität bescheinigt. Vielleicht dann doch lieber irgendwann im streaming…
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30.09.2019 22:17 (zuletzt bearbeitet: 30.09.2019 22:18)
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