Es ist schon absurd: Ausgerechnet ein Album einer Band, deren wichtigste Mitglieder sich alles andere als erwachsen aufführten (und immer noch nicht aufführen, hallo Liam!), hat zu meinem Erwachsenwerden beigetragen – sowohl adoleszent, als auch musikalisch. „(What’s the Story) Morning Glory?“ von Oasis ist nicht nur ein Meisterwerk, eine der besten Platten aller Zeiten, mindestens aber der 90er-Jahre – es wurde von mir regelrecht totgespielt.
Damals, als ich noch mit einem Opel Corsa zur Schule fuhr, wechselten zwar die CDs im Wechsler, aber es gab nur ein Tape, das mein ständiger Begleiter war – und auf dem war eben das zweite Album von Oasis enthalten. Später sollte es auch das einzige Tape werden, das mich im Nachfolge-Auto permanent begleitete. Die sommerliche Hitze und die Frostperioden überstand es nicht schadlos. Die Gitarrentürme bei „Roll With It“ verschmolzen immer mehr und ganz am Ende leierte das Band auch ein wenig. Aber lieber ein leierndes Meisterwerk als gar kein Meisterwerk.
Natürlich bildeten die üblichen Verdächtigen, also „Wonderwall“ und „Don’t Look Back in Anger“, meinen ersten Kontakt mit der Platte. Zwei Songs, so totgespielt wie das Tape, aber immer noch fantastisch. Man höre nur die Streicher in „Wonderwall“ oder den coolen Bassgroove, den Noel selbst eingespielt hat.
Nach und nach war es dann aber „Champagne Supernova“, der für mich zum Übersong wurde – allein schon wegen seiner Länge von siebeneinhalb Minuten war er das Epos der Platte, das absolut schwachsinnige Songzeilen beinhaltet (die aber immerhin cool klingen und sich reimen). Mittlerweile steht nicht nur die „normale“ CD im Schrank: (WTS)MG? ist eines der wenigen Alben, das sich den Kauf der Super Deluxe Edition verdient hat.
Leonard Cohen – Songs of Leonard Cohen (1967) Ein Poet. Ein Nichtsänger. Aber einer, der wundervolle Songs schreiben konnte. Einer, der mit 33 sein erstes Album veröffentlicht – das sein bestes bleiben sollte (keine Widerrede!). Und einer, der offenbar viel Humor besaß, anders ist das Sing-Sang-Gegröle am Ende nicht zu Erklären.
Nick Drake – Pink Moon (1972) Es ist der Minimalismus, der dieses Album so intensiv macht. Da ist Drakes Stimme, da ist die Gitarre, ab und zu auch ein wenig Klavier. Ein Album, bei dessen Hören man Drakes Depression förmlich greifen kann. Ein eindrucksvoller Beweis, dass traurige Künstler am Kreativsten sind.
Bruce Springsteen – Born to Run (1975) Der Boss am Scheideweg. Wenn dieses Album floppt, ist er weg vom Fenster. Und dann haut er dieses Album raus, die Blaupause für seinen Heartland-Rock. Songs, die so viele Facetten haben, dass man immer noch Neues entdeckt. Und Songs! „Jungleland“, „Thunder Road“ und „Born to Run“.
R.E.M. – Automatic for the People (1992) Wenn es das perfekte R.E.M.-Album gibt, dann ist es dieses. Diese Abkehr vom „Radio Song“, also vom Superseller „Out of Time“ hin zum Folk-Pop hat der Band gutgetan. „Nightswimming“ bleibt als unfassbares Meisterwerk und thront über allem, selbst „Man on the Moon“ – hey Elvis!
Radiohead – Kid A (2000) Definitiv nicht mein liebstes Radiohead-Album. Aber tatsächlich mein erstes. Und eines, das Pop-Musik auf ein neues Level hievte. Eines, das dem Hörer voll in die Fresse gehauen hat. Und Radiohead-Fans sowieso. Großartig, wie hier Elektronik und Pop, Kunst und Kommerz, einhergehen.
Ben Folds – Rockin’ the Suburbs (2001) Nach wie vor gilt: Keine Forums-Liste von mir ohne Ben Folds. Ich hätte auch „Reinhold Messner“ nehmen können, doch das erste Solo-Album ist bis heute mein Liebstes. Und dann haben meine Frau und ich auch noch kitschigerweise „The Luckiest“ als Song für die kirchliche Hochzeit gewählt.
Tomte – Hinter all diesen Fenstern (2003) Fast meine Nr. 1. Ein Album, das zum richtigen Zeitpunkt in mein Leben trat. Die Frage, ob das alles so noch Sinn macht, konnte mir Thees Uhlmann am Ende auch nicht beantworten, das musste ich schon selbst tun. Aber es war der perfekte Soundtrack für den End-Studium-Blues.
Fleet Foxes – Fleet Foxes (2008) Jaja, so Folkmusik mit Chören. Dachte ich lange. Und dann, eines samstagmorgens, noch in der alten Wohnung, als ich das Treppenhaus putzte, kam die Erkenntnis, wie genial das ist. „White Winter Hymnal“, „Your Protector“, „Blue Ridge Mountains“ und „Oliver James“ sind Songs für die Ewigkeit.
Wanda – Amore (2014) Proll-Rock aus Österreich? Irgendwie schon. Und doch mitreißend. Zum Mitgröhlen, zum Mitausflippen. Oder um es mit Wanda selbst zu sagen: Auseinandergehen ist schwer! Das letzte Album, das mich wirklich mitgerissen hat. Das muss Amore sein!
Ein paar abschließende Worte: Allein das Durchforsten meiner Sammlung (dank Foobar ging das sehr einfach) hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und mir gezeigt, dass so ein "Durchlauf", wie ihn der King gerade macht, gar nicht nur schmerzvolle, sondern auch wunderbare Dinge zutage fördert. Ich müsste das vielleicht doch mal irgendwann angehen - und dann auch so furchtbaren Mist wie einige Sampler überstehen. Ich werde dann auch mit einigen großartigen Alben belohnt.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Okay, bei der Nr. 1 hast du danebengelangt, aber ich verstehe natürlich die Verknüpfung zur Biografie. Des einen Oasis ist des anderen Sweet. Eigentlich wollte ich aber sagen, dass die Auswahl der meisten anderen Alben sehr geschmackvoll ist und freue mich besonders über die Erwähnung von "Pink Moon", das zwar karg instrumentiert ist, aber auf irgendeine wundervolle Weise Pfeile ins Herz schießt. Dieses Album und evtl. auch "Born to Run" ("Automatic" hat ja leider "Everybody Hurts") wären auch Kandidaten für meine Liste gewesen, wenn ich mich nicht entschieden hättte, mich auf Prog zu konzentrieren.
Ich freue mich über Leonard Cohen und natürlich Nick Drake, den ich ja mit seinem besten Album (*hust*) auch auf meiner Liste habe. "Pink Moon" habe ich einst zeitgleich für mich entdeckt und liebe es fast ebenso sehr wie "Five Leaves Left". Es ist vermutlich noch ein bisschen intimer und trauriger. Anders schön.
Oh mein Gott, ich besitze fünf dieser Alben hier. Tränen der Rührung und so.
Bei R.E.M. kann ich mich nie entscheiden, die haben einfach eine große Menge fantastischer Alben gemacht. Ich glaube, "Document" würde ich noch vorziehen, aber "Automatic" ist auch eine tolle Platte. Hauptsache, nicht "Out Of Time", die zähle ich ganz klar zum hinteren Drittel der Diskographie.
bis auf nick drake war zwar keins der alben in meiner shortlist, aber im großen und ganzen kann ich da gut mitziehen. die liste könnte an einem gemütlichen abend gut durchlaufen; nach dem ersten springsteen-song gehen wir mal rüber in die küche, lecker was schnabulieren. und vor wanda würde ich dann die letzte ubahn kriegen müssen. passt.
Das was tenno sagt plus ein thumbs up für die Auswahl und den Text zur Nummer 1, wobei ich im direkten Vergleich immer um Haaresbreite bei "Definitely Maybe" landen würde.
Das ist tatsächlich dann so ein autobiografisches Ding. Natürlich kannte ich einige Songs der "Definitely Maybe" (ich habe sogar mal einen Song selbst geschrieben, der sich von den Akkorden exakt wie "Live Forever" anhörte, ohne zu wissen, dass ich ihn unterbewusst als Vorbild hatte), aber die "Morning Glory" hörte ich dann als Album komplett. Ist wie bei "Kid A" - das war mein erstes Radiohead-Album, obwohl ich natürlich "Creep" und die meisten Songs von "The Bends" und "OK Computer" kannte.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Interessante Mischung. Und auch mutig, es traut sich ja heute kaum mehr jemand, "Morning Glory" auf eine #1 zu setzen. Bei Tomte gehe ich nicht mit, mit denen konnte ich nie was anfangen.
Zitat von CobraBora im Beitrag #9Interessante Mischung. Und auch mutig, es traut sich ja heute kaum mehr jemand, "Morning Glory" auf eine #1 zu setzen.
... wenn man mal von der hälfte der bevölkerung des königreichs absieht.
Endlich etwas zum lästern... wer mit Oasis anfängt und mit Wanda aufhört, kann kein schlechter Mensch sein, wohl aber einer mit schlechtem Musikgeschmack
Nein, so schlimm ist es ja nicht. Bis auf die beiden letzten Alben habe ich das ja auch im Regal stehen (vom Boss aber nur eine Greatest Hits). Aufgrund der Konsens-Begeisterung höre ich wohl doch nochmals in die Fleet Foxes rein...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von CobraBora im Beitrag #9Interessante Mischung. Und auch mutig, es traut sich ja heute kaum mehr jemand, "Morning Glory" auf eine #1 zu setzen. Bei Tomte gehe ich nicht mit, mit denen konnte ich nie was anfangen.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Die einzige Liste (außer meiner, duh!), aus der ich alle Alben habe. Das sagt schon viel, Radiohead waren bei mir eine schmerzhafte Entscheidung, "Rockin' the Suburbs" war unter den letzten ca. 30, bei Cohen sind wir nicht weit aneinander vorbei, und mit den Fleet Foxes haben wir sogar eine Komplettüberschneidung. Schöne Liste!
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #1 Ein paar abschließende Worte: Allein das Durchforsten meiner Sammlung (dank Foobar ging das sehr einfach) hat mir unglaublich viel Spaß gemacht und mir gezeigt, dass so ein "Durchlauf", wie ihn der King gerade macht, gar nicht nur schmerzvolle, sondern auch wunderbare Dinge zutage fördert. Ich müsste das vielleicht doch mal irgendwann angehen - und dann auch so furchtbaren Mist wie einige Sampler überstehen. Ich werde dann auch mit einigen großartigen Alben belohnt.
Ja, das Durchforsten und Hin- und herüberlegen hat mir auch sehr großen Spaß gemacht, das ruft förmlich nach einer Fortsetzung, auch weil die "Top 10" ja fast zwangsläufig doch noch viele Konsensalben beinhalten, ein bisschen weiter hinten würde es dann ja doch auch noch exotischer und spannender. Aber frühestens Mitte 2019 würde ich sagen.
Zur Liste: Die Alben bis Radiohead habe ich auch alle und würde sie sicherlich auch irgendwo in meinen Top 50 platzieren. Bei Nick Drake würde ich sowieso für alle drei Alben die Höchstwertung geben (und mag auch die beiden Outtakesammlungen sehr), aber am häufigsten und freudigsten höre ich dann doch "Bryter Layter". Bei Oasis und Radiohead würde ich vermutlich knapp bei anderen Alben landen. Im hinteren Teil (=der jüngeren Vergangenheit) bin ich dann eher raus, Ben Folds rauschte bei den wenigen kurzen Begegnungen klanglos an mir vorüber (ich weiß eigentlich, dass er mehr Aufmerksamkeit verdient hätte), an Tomte hatte ich mich damals leider sehr schnell sattgehört und bei Wanda und den Fleet Foxes ist es eine tiefsitzende Abneigung, der es aber prächtig geht. Spricht dafür, dass wir uns vom gleichen musikalischen Startpunkt aus und trotz beinahe identischer sonstiger Biographien ()musikalisch für doch recht unterschiedliche Pfade entschieden haben.