Es mag paradox klingen: Heute halte ich Sgt. Pepper nicht mehr für das beste Album aller Zeiten. Nicht mal für das beste Beatles-Album. Aber damals, als das Werk genau zum richtigen Zeitpunkt ins Leben des noch sehr jungen, hier schreibenden Eleven geriet, wurde die musikalische Welt in ihren Grundfesten erschüttert. Es wies mir die Richtung, die ich musikalisch erkunden wollte. Das Album flüsterte mir: Versuch es doch mal mit Prog! Spuren des Albums (das nicht mal ein richtiges Konzept-Album ist) finden sich bei fast allen anderen hier genannten Bands. Jeff Lynne mit seinem Electric Light Orchestra hat sogar eine ganze Karriere darauf aufgebaut. Damals hörte ich Sgt. Pepper täglich mehrmals, studierte jeden Millimeter des Gatefold-Covers , der Collage und las die Texte mit. Ich hörte es, bis sich die letzte Note auf meiner Festplatte eingebrannt hatte. Bis sich die musikalischen Gene veränderten und mutierten. Auf einzelne Songs einzugehen ist müßig, aber „Getting Better“ ist vielleicht der meist unterschätzte. Jeder Song ist anders (bis auf die Sgt.-Pepper-Reprise natürlich) mit George Martin als kongenialen Unterstützer der wildesten Ideen. Meinen Einstieg ins Beatles-Universum vollzog ich mit dem roten und blauen Album, nach wie vor zu empfehlen für jeden Beatles-Novizen. Das Blaue begann mit „Strawberry Fields“, „Penny Lane“ und dann drei Sgt. Pepper Songs. So was hatte ich noch nie gehört, aber ich wusste, ich wollte viel mehr davon hören. Mein Name wäre heute nicht Squonk ohne das Album. Das war jetzt vielleicht keine fundierte Albumkritik sondern eher eine persönliche Analyse, aber hey, das Album hat tatsächlich mein Leben verändert, da bin ich mir ganz sicher, und dafür gebührt ihm der ewige Platz auf dem Olymp.
Genesis: Nursery Cryme (1971)
Es gibt eigentlich kein unlegendäres Album der Gabriel-Jahre, aber dies hier zog mich komplett ins Geneversum. Es ist das stimmungsmäßig dunkelste ihrer Werke. Kleine und große, laute und leise Gute-Nacht-Geschichten für Leute, die gerne Albträume haben. Kopfkino für die Ohren.
Gentle Giant: Gentle Giant (1970)
Art for arts sake, Virtuosität vor Songs, Musik für Mathematiker, ihr habt alle Recht. Doch bevor die Grenzen des guten Geschmacks getestet wurden (und später erfolglos Radiofutter liefern wollte), ließ man dieses unbändige Werk mit dem unfassbaren „Nothing At All“ von der Leine und war einmal unbefangen nur genial.
Klaatu: Klaatu (1976)
Starteten incognito und bald wurden Vermutungen laut, dass es sich um ein Comebackversuch der Beatles handelte. Musikalisch passt es wie die Faust auf den Pilzkopf und wer hören möchte, wie die „Magical Mystery Tour“ 1976 geklungen hätte, sollten sich das nicht entgehen lassen. Mehr Prog ist auf dem Nachfolger „Hope“.
Kate Bush: The Dreaming (1982)
Hier ist Kate Bush wahnsinnig geworden. Sie faucht und schreit sich durch dieses unkonventionell instrumentierte Album, dass ein einziges Abenteuer ist. Wer bereit ist, ihr auf diesem wilden Ritt bis zum Ende zu folgen, bekommt zum Finale „Get Out Of My House“, wo sie komplett eskaliert.
King Crimson: Islands (1971)
Lasst den „Crimson King“ nicht alleine im Regal. Dieses eine Mal erscheinen King Crimson in erhabener Schönheit bevor es endgültig frickelig wird. Eine Prise Jazz, eine Prise Asien, einfach mal eine „Formentera Lady“ besingen. Man sollte dazu die Sonne genießen, am besten natürlich auf einer *ähm* Insel.
Love: Forever Changes (1967)
Die dunkle Seite des „Summer of Love“ kam zum Vorschein und die Blumen verwelkten. Dieses Album ist traurig, melancholisch, fast schon verzweifelt. Und es ist wundervoll. „They’re locking them up today/They‘re throwing away the key/I wonder who it will be tomorrow/You or me?“ Rock wäre fast ein Schimpfwort dafür.
Pavlov’s Dog: At The Sound Of The Bell (1976)
Kann man sich Geddy Lee auf Helium vorstellen? So klingt David Surkamp. Die Band war bereits im Auflösungsstadium, es gibt viel Melancholie. „Bring back the good old days“ faucht der junge Surkamp in „Valkerie“ schon trotzig. For acquired taste, aber hier gibt’s haufenweise „Gold Nuggets“.
Pink Floyd: Animals (1977)
So bösartig waren nicht mal Waters verbitterte Spätwerke. Wer Pink Floyd sagt, denkt nicht an diesen Amoklauf, diese Fabel, die auch heute noch auf verhasste Personen anwendbar ist. Als das Album erschien, nannte man sie Punk Floyd. Animal Farm für Erwachsene. Musikalisch makellos.
Yes: The Yes Album (1971)
Hier wird den Einhörnern der Arsch vermöbelt. Psychedelic Prog statt versponnenener New Age Musik. Steve Howe haut magische Riffs raus und Tony Kaye verprügelt seine Hammond. So hart rockten Yes nie wieder und „Perpetual Change“ bleibt einer ihrer allerbesten Songs.
in den elitären "the dreaming club" würde ich auch noch mit eintreten. angesichts unserer sonstigen hörgewohnheiten wird die beschallung der stammtischabende dann mit rasierklingen ausgewürfelt.
wobei, beatles geht bei cobra ja auch, wenn ich das recht in erinnerung habe.
"Animals" hatte ich auch kurzzeitig auf der Shortlist. Schöne Liste! Und ein schöner, persönlicher Text zum Lieblingsalbum auch, das ich ebenfalls sehr mag. "Getting better" ist tatsächlich wohl mein Liebling des Albums.
Ich wusste, hier würde ich Namen finden, die ich überwiegend kenne. Das ist schön. "Sgt. Pepper" finde ich nach wie vor etwas überbewertet, was vor allem an George Harrisons nerviger Sitar-Nummer liegt. Die reißt mich jedes Mal raus.
An die "Love" hatte ich auch kurz gedacht. Ist das wirklich für dich Prog? Auf jeden Fall ein fantastisches Album.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #6An die "Love" hatte ich auch kurz gedacht. Ist das wirklich für dich Prog? Auf jeden Fall ein fantastisches Album.
Eigentlich nicht, aber ich wollte die unbedingt mit reinmogeln.
man muss das album ja als "großmutter des prog" werten, oder welcher urahnengrad auch immer da herrschen mag. ich wüsste nichts anderes, das dem genre derart definitiv vorausgegangen ist.
Das Beatles-Album habe ich nicht und auch nicht das Werk von Pavlov's Dog... den Rest kenne ich (sogar Gentle Giant ) Vielleicht lohnt es ja bei den Beatles mal reinzuhören; man hört ja öfter einmal positive Meinungen
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Ah, endlich mal eine Liste, bei der ich auch alles kenne und habe. Das spart Zeit in den nächsten Wochen. Pauschales Urteil: Alles sehr gut!
ME-Leser 1984 bis 2016 - ME-Forum seit 30.04.2003 - Erster Beitrag: "Wo kann ich mich hier wieder abmelden?" Heavy Rotation → ◉ Jake Bugg (2024) A Modern Day Distraction ◉ Julie (2024) The Ant-Aircraft Friend ◉ Towa Bird (2024) American Hero ◉ The Courettes (2024) The Soul Of... The Fabulous Courettes ◉ Noga Erez (2024) The Vandalist
Ansonsten: immerhin zwei Bestandteile meiner Sammlung ("She's Leaving Home" und "Lucy In The Sky With Diamonds" sag ich bzw. "Animals" war bei mir in der engeren Auswahl, aber ich dachte zurecht, das wird ja jemand nehmen), und Kate Bushwie auch Genesis gehen auch großteils. Insofern: gute Liste.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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