Ich finde die Liste von Freeman auch immer toll. Aber immerhin habe ich mir auch ein wenig Mühe gegeben. Ob das (von ein, zwei Leuten abgesehen) jemanden interessiert weiß ich zwar nicht, ist aber auch egal. Das Ganze für sich selbst am Jahresende Revue passieren lassen ist ja nicht verkehrt.

Zum ersten Mal seit langem habe ich wirklich alle Platten, die ich mir gekauft (eine) oder auf die Jahresplaylist gestellt habe (34) bewertet und einsortiert. Das ist also das Ranking meiner 35 Platten

5/10
35. Tom Liwa - Primzahlen aus dem Bardo

6/10
34. Kapelle Petra - Hamm
33. Lola Young - This Wasn't Meant for You Anyway

7/10
32. English Teacher - This Could be Texas
31. Idles - Tangk
30. Sprints - Letter to Self
29. The Libertines - All Quiet On the Eastern Esplanade
28. Nilüfer Yanya - My Method Actor
27. Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed
26. Slift - Ilion
25. Angélica Garcia - Gemelo
24. Laura Marling - Patterns In Repeat
23. Holly Macve - Time Is Forever
22. Wunderhorse - Midas
21. The Felice Brothers - Valley of Abandoned Songs
20. Klez.E - Erregung
19. Chime School - The Boy Who Ran the Paisley Hotel

8/10
18. Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon
17. The Last Dinner Party - Prelude to Ecstasy
16. Alcest - Les Chants de l'Aurore
15. Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise
14. Hannes Wittmer - Sag es allen Leuten
13. Marika Hackman - Big Sigh
12. Tom Odell - Black Friday
11. Honeyglaze - Real Deal



10. Ducks Ltd. - Harm's Way
Schöner Jangle-Pop-Rock aus Kanada, der früher als College Rock durchgegangen wäre und den ich mir auch wunderbar in 80er-Jahrer-Coming-of-Age-Filmen vorstellen könnte.

9. Kettcar - Gute Laune ungerecht verteilt
Das ist ja so eine Sache mit Kettcar und mir. Zwischendurch habe ich die Band komplett verloren. Aber das Album hat mich direkt bekommen. Vom Opener "Auch für mich 6. Stunde" über den Alltagsrassismus-Song "München" bis zum Schlusstitel "Ein Brief an mein 20-jähriges Ich" ist das einfach eine runde Sache.

8. Charli XCX - Brat
Ein Album, so drüber, wie kaum eines dieses Jahr. Eigentlich überhaupt nicht meine Musik. Aber ich habe mich darauf eingelassen und immer mehr Gefallen daran gefunden. Der Opener "360", der Spannung aufbaut, die erst im Closer "365" gelöst wird, weil da einfach alles drin ist, was dieses Album ausmacht. Vollkommene Eskalation. Dazwischen tolle Songs wie "Sympathy Is a Knife", "Rewind" und das unnachahmliche "Von Dutch". Ein Album für die Tanzfläche (auf die ich nie gehe).

7. St. Vincent - All Born Screaming
St. Vincent brennt - zumindest auf dem Cover. Dabei fängt die Platte betörend an. "Hell Is Near" ist Weltuntergangsstimmung, wunderschön vorgetragen. Das erinnert mich im Refrain immer ein wenig an "Moon Safari" von Air. Mit "Violent Times" bewirbt sie sich um den nächsten Bond-Song (geschrieben hat sie ihn ja schon). St. Vincent vereint hier Musikrichtungen, sodass "All Born Screaming" ein wenig wie eine Musicbox wirkt.

6. Haley Heynderickx - Seed of a Seed
Das letzte Album dieses Jahr hat sich fast sogar noch in die Top 5 geschlichen, mit ruhiger Folk-Musik. Ein Album, das zum einen der Natur huldigt, zum anderen auch immer wieder Selbstzweifel thematisiert - aber mit dem Hinweis, das alles gut wird. Ein schöneres Folk-Album gab es dieses Jahr nicht.



5. Billie Eilish - Hit Me Hard and Soft
Ein Déjà-Vu ist die Einordnung der nächsten beiden Platten. Vor fünf Jahren waren Miss Eilish und Fontaines D.C. auch hintereinander, damals aber auf den Plätzen zwei und eins. Dafür hat es diesmal nicht gereicht. Aber nach der Lana-Del-Reyisierung von Billie Eilish mit dem etwas öderen Zweitling ist sie wieder zurück. Ich liebe es, wie sich hier die Songs entwickeln, auch mal in andere Richtungen abbiegen. Dass ausgerechnet "Birds of a Feather" permanent im Radio gespielt wird, dafür aber viele andere ignoriert werden, liegt wohl an der Poppigkeit des Hits. Hier gitb es POP in Großbuchstaben: Von der Cunnilingus-Hymne "Lunch" über das flirrende "Chihiro" bis zu den Balladen "Wildflower" und "The Greatest", in dem Eilish auch mal belten darf. Und aus dem sonnigen "L'Amour de Ma Vie" wird am Ende ein Dancefloor-Hit. Toll!

4. Fontaines D.C. - Romance
Ein wenig verloren hatte ich sie schon. "Dogrel" war mitreißend, auf den Alben danach wurden sie weniger dringlich, das Repititive in den Songs war mir teils schon etwas viel. Aber "Romance" ist, bis auf das Cover, absolut gelungen und zeigt die Band wieder auf der Höhe. Die Iren können noch rocken, sogar so, dass Grian Chatten mit dem Luftholen kaum hinterherkommt ("Starburster"). "Here's the Thing" und "Death Kink" hätten gut auf's Debüt gepasst. Und ich habe noch gar nicht das majestätische "Desire" genannt, das schwelgerische "In the Modern World", das poprockige "Bug" und den Closer "Favourite". Ich freue mich jetzt schon auf das Konzert in Bonn im August.



3. The Fauns - How Lost
Zwei Alben, die thematisch ganz gut zusammenpassen, befinden sich auf den unteren Stufen des Treppchens. Sowohl The Fauns als auch Nick Cave kommen gar nicht über die Songs an sich, sondern über die Atmosphäre. Bei "How Lost" denke ich an David Lynch, an Dreamwave, an Autofahrten im Dunkeln, an ein Konzert, das wie in Zeitlupe stattzufinden scheint. Die Band schafft es sogar, einen Song mit dem blöden Namen "Doot Doot" zu etwas faszinierendem zu machen.

2. Nick Cave and the Bad Seeds - Wild God
Ich bin kein großer Nick-Cave-Fan. Die einzige Platte von ihm, die ich besitze, "Ghosteen", hat mich im Nachhinein wegen der billigen Synthesizer-Sounds abgeschreckt. Und hier? Kommt er über die Atmosphäre. Cave und die Bad Seeds übertreiben es fast schon wie Charli XCX, nur eben anders. Große Songs über Gott und die Welt, majestätisch vorgetragen. Bestes Beispiel ist das Finale: In "As the Water Covers the Sea" dominiert der Gesang eines Chors, Cave ist kaum zu hören. Ein Album, wie aus einem Guss.

9/10



1. Beth Gibbons - Lives Outgrown
Ein Album ohne einen einzigen mittelmäßigen Song. Aber auch ein Album, das sich nicht zum Nebenherhören eignet. Eines für den Herbst, das aber im späten Frühling veröffentlicht wurde. Ein Kopfhörer-Album, um es im Dunkeln zu hören. Eines, das sich nicht direkt, sondern erst beim x-ten Hördurchgang offenbart. Denn die Songs wirken oft ein wenig schroff, man höre "Floating", dessen Strophen gerade von ein wenig Rhythmusinstrumenten untermalt werden, doch dann kommen Streicher, eine Zither, Flöten. Das Schroffe verschwindet für einige Augenblicke und zum Vorschein kommt eine Harmonie, die betörend ist. Das fällt an diesem Album. Es ist bei aller Düsternis immer auch versöhnlich. Und über allem schwebt Beth Gibbons engelsgleiche Stimme.