Vor dem Konzert in Bonn in zwei Wochen will ich ja noch mal alle Alben und EPs hören. Und das mache ich chronologisch. Und will hier - so Olsen-mäßig - zu jedem Album etwas schreiben inklusive Wertung.

The National (2001)
Die Band sucht noch ihren Stil, weshalb das Album doch ganz anders klingt als alles, was sie danach gemacht haben. Ein wenig spärlicher, schwächer produziert, noch ohne die großen Einfälle. Und wenn sie Einfälle haben, sind die nicht immer gut (etwa die seltsamen Synthesizer auf "Cold Girl Fever" oder die seltsamen Drums auf "Son"). Es scheppert hier. Und man hat immer wieder dein Eindruck: Wirklich zu Ende gedacht haben sie hier nicht viel. Proberaumcharakter. Selbst in Perlen wie "The Perfect Song" hat man das Gefühl, das was fehlt. Hinzu kommt ein wenig Country-Sound ("Pay for Me", "Watching You Well"). Wäre das das einzige The-National-Album geblieben, niemand hätte sich für die Band interessiert. 5/10

Sad Songs for Dirty Lovers (2003)
Ein neuer Produzent, der vorerst auch bleiben sollte (Peter Katis, der ein Jahr zuvor "Turn On the Bright Lights" von Interpol produziert hatte). Und mit Bryce Dessner ein neus Bandmitglied. Aber trotzdem eröffnet das Album mit dem "Cardinal Song", der noch stark an das Debüt erinnert. Und auch den Slide-Gitarren bleiben sie treu ("90-Mile Water Wall", "It Never Happened"). Aber schon dazwischen, an zweiter Stelle, kommt mit "Slipping Husband" ein Sound hinzu, den sie später ausarbeiten werden. Und bei "Murder Me Rachael" werden sie auch mal etwas wilder - auch etwas, das sie später noch ausbauen sollten. Und bei "Available" darf Matt Berninger auch mal so richtig schreien. 7/10

Cherry Tree (2004)
Auf dieser EP haben The National so langsam ihren Sound gefunden und Matt Berninger seine Stimme, wie man im Opener "Wasp Nest" hört. Mit "All the Wine" ist einer meiner All-Time-Favourites schon enthalten. "Murder Me Rachael" vom zweiten Album ist in einer Live-Version dabei und zeigt, dass die Band auch rocken kann. "About Today" ist auch recht schön. Die Band ist so langsam auf dem richtigen Weg. 7/10

Alligator (2005)
Das Durchbruch-Album. So gut, so forsch, so wild, so großartig waren The National danach nie wieder (auch wenn sie mit "Boxer" verdammt nah rankamen und einzelne Songs wie "Bloodbuzz Ohio" auch noch mal aus dem späteren Midtempo-Schema ausbrachen). Spätestens mit "Lit Up" ist man im Album drin. Und was da am Ende passiert, mit "All the Wine", "Abel", "The Geese of Beverly Road" und ganz zum Schluss das großartige "Mr. November", ist schon einmalig. Schade, dass sie diese Ausbrüche danach kaum noch hatten. "Baby, We'll Be Fine" erinnert sogar ein wenig an Radioheads "In Limbo". Auffallend in der Rückschau, dass sie ein wenig den typischen Soundpfad der späteren Alben ein wenig verlassen haben. 9/10

Boxer (2007)
Das Album nach dem Durchbruch - und bis heute streiten sich die Geister (siehe diesen Thread), ob "Alligator" oder "Boxer" besser sind. Einigen wir uns doch einfach darauf: Sie sind beide von gleich hohem Niveau. Schon der Einstieg "Fake Empire", dieses sich langsam hochschaukelnde, am Ende mit verrückten Bläsern garnierte Stück Musik, macht Spaß. Und der hört auch nicht auf. "Mistaken by Strangers" ist ein Hit. Und es wird nicht schlechter. "Brainy" und "Squalor Victoria" sind von ebenso hohem Niveau. Auch "Slow Show" oder "Start a War" sind einfach so wunderschöne Songs, dass man sich in sie hineinlegen will. "Apartment Story" entwickelt sich schön. Man könnte bemängeln, dass auch hier alles ähnlich, wenn nicht sogar gleich klang. Aber eben auf andere Art und Weise als heute. Anders gesagt: Vielleicht fehlt der alles überstrahlende Übersong, aber es gibt eben auch keine schlechten auf diesem Album, das am Ende aber auch etwas schwächer wird. 8/10

High Violet (2010)
Mit "Bloodbuzz Ohio" ist für mich einer der besten Songs, den die Band je geschrieben hat, drauf. Aber ansonsten merke ich, dass ich die Platte seit Jahren nicht mehr gehört habe - und auch die Erinnerung nachgelassen hat. Ist dann auch spannend. "Terrible Love" als Einstieg ist zwar kein Terrible Opener, aber eben auch nicht überragend. Und es geht so weiter. Schnell bin ich bei Track 4 und die Nationalisierung schreitet fort. Vieles klingt gleich. Erst "Afraid of Everyone" gefällt mir wieder. Nach dem eingangs erwähnten "Bloodbuzz Ohio" wird die Platte tatsächlich besser. Egal ob "Lemonword", "Conversation 16", "England" oder das bei den Fans beliebte "Vanderlyle Crybaby Geeks". In seiner Gesamtheit immer noch eine sehr gute Platte. 8/10

An dem Album hat mich diese dumpfe, dynamikarme Loudness War -Produktion wirklich gestört.

Trouble Will Find Me (2013)
Nun beginnt also die Phase der Cover-Frauen, nachdem beim Debüt noch eines der Bandmitglieder abgebildet war. Der Opener lässt Schlimmes erahnen, doch er täuscht. Mit "Demons" und "Don't Swallow the Cap" folgen gute Songs auf den schwachen Einstieg. "Fireproof" mit seinem "Synthie-Bass", der ab und zu eingespielt wird, macht die Ballade zu etwas Besonderem". Auch "Sea of Love" ist verdammt gut. Ich bin tatsächlich überrascht. Das Album ist bei mir komplett in Vergessenheit geraten - aber absolut zu unrecht, zumindest nach fast der Hälfte der Songs. Ich sehe gerade, dass das aus der Zeit ist, als der Große ein Kleinkind war und ich kaum noch zum Hören gekommen bin. Das ist so eine Zeit, die ich irgendwann mal komplett musikalisch aufarbeiten müsste, wie ich hier merke.
Auf "This Is the Last Time" singt dann Sharon Van Etten mit (ja, Frauenstimmen gab es auch schon vor "I Am Easy to Find"), spannender ist aber, dass der Song auch klingt, als hätten die Dessners einen Van-Etten-Song produziert. Was auffällt: Es gibt hier noch die gesunde Mischung zwischen Balladen, Uptempo und allem dazwischen. Das, was ich später ja (vor allen Dingen auf dem 2019er-Werk) vermisse. Aber schauen wir mal, ob ich noch bis dahin komme. Einer der späten Höhepunkte ist "I Need My Girl", eine wunderschöne Ballade, der Owen Pallett seine Streicher leiht. Schade, dass sie nicht wirklich aufgelistet haben, wo denn St. Vincent, Sufjan Stevens und Arcade-Fire-Mitglied Richard Reed Parry mitgewirkt haben. 8/10

Sleep Well Beast (2017)
Vier Jahre Pause sind eine lange Zeit. Aber in einem ist sich die Band dann treu geblieben: Der Opener ist ein langweiliger Song. "Day I Die" wirkt dann wie ein Wecker - mit seinen schneidenden Gitarren kommen kurz Gedanken an Interpol bei mir auf. Das macht Spaß. Aber dann: "Walk it Back". Ein paar Synthies, zwischendurch Passagen aus einem Interview - aber alles bleibt sechs Minuten gleichförmig. Einer der schwächsten The-National-Songs überhaupt. Die erste Single "The System Only Dreams in Total Darkness" bietet erneut ein paar Synthies, aber auch vollkommen nervige Gitarren. Es entsteht der Eindruck: The National wollten mit diesem Album mal einen Nebenweg gehen. Die Richtung war zwar immer noch gleich, aber es geht auch mal durch den Matsch. Der zweite Eindruck: The National denken: Hey cool, wir probieren was Neues aus, das zunächst vielleicht spannend klingt. Nur machen wir dann für fünf Minuten nichts mehr anderes ("Born to Beg").
Und dann kommt "Turtleneck". Für National-Verhältnisse Heavy Metal. Eine Reaktion auf die Wahl Donald Trumps, entstanden aus einem Gitarren-Duell der Dessner-Brüder. Schon allein deshalb gut, weil hier mal was anderes passiert. Einen solchen Song hat die Band bis dato nicht veröffentlicht. Aber dann wieder Langeweile. "Empire Line". Und das Gefrickel und Marimba-Geklimper auf "I'll Still Destroy You" ist furchtbar, bevor er dann nach fast zwei Minuten doch noch irgendwie die Kurve bekommt und dann zum Schluss hin im Crescendo aus selbiger fliegt. Mich deucht: Ich muss zurücknehmen, dass "I Am Easy to Find" das schlechteste National-Album ist. Zwar versöhnen mich die beiden Balladen kurz vor Schluss, aber das Titelstück als längster Track zum Rauswerfen ist ebenso düster wie das Cover. Wieso habe ich mir die Platte eigentlich geholt??? 5/10