es bedarf wohl keiner erklärung das lothar mit putin nicht dasselbe ist wie özil mit erdogan. dass özil zum sündenbock gemacht wird ( zb von bild und dfb) ist unfair und natürlich auch falsch. aber dieses foto ist zurecht hochbrisant, und es zu ignorieren wäre - das wohl am öftesten in dieser sache verwendete wort: naiv. marketing ist heutzutage einfach alles. özil, der die hymne nicht singt, der sonst keinen gefühlsausdruck hinbekommt, lässt sich kurz vor der wm, im türkischen wahlkampf, strahlend mit erdogan, der in deutschland mitmischt, spaltet, destabilisiert, ablichten. hätte er das foto nicht gemacht, wäre er nicht in dieser situation, so einfach ist das. der dfb (und die politik) hat verständlicherweise angst vor so einem signal: özil ist für deutschtürken ein vorbild. wie cool soll man da mit einem bekenntnis (so etwas ist dieses foto nunmal) zu erdogan umgehen ? diese sache unter den tisch zu kehren macht die von burnedcake angesprochenen teenagerprobleme auch nicht einfacher.
Zitat von Sugate im Beitrag #857 hätte er das foto nicht gemacht, wäre er nicht in dieser situation, so einfach ist das.
Hätte er das Foto nicht gemacht, wäre er dafür in einer anderen Situation, die für ihn möglicherweise nicht weniger unangenehm gewesen wäre. Das ist zumindest das, was man seinem Statement entnehmen kann. Mir fehlt an dieser Stelle von Seiten der Kritiker der ernsthafte Versuch, sich einmal auf Özils Perspektive einzulassen, die eben - das macht es für ihn ja so kompliziert - zwei Seiten umfasst.
Das ergäbe für mich allenfalls Sinn, wenn es darauf abzielt, dass sonst seine Familie in der Türkei Schwierigkeiten bekommen hätte. Was ich nicht glaube.
Ansonsten kann man so ein Foto mit einem Halbdiktator einfach kritisieren. Was für eine Situation meinst Du, die ohne Foto nicht weniger angenehm gewesen wäre.
Er schreibt, dass er zu bestimmten Werten erzogen wurde, die er hätte verraten müssen, wenn er den Wunsch abgeschlagen hätte. Das kannst Du jetzt wahlweise als inneren Konflikt oder als Konflikt mit seiner Familie oder als beides ausbuchstabieren.
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #829Andererseits wurde es hier auch schon geschrieben: In meiner Brust schlagen keine zwei Herzen, ich weiß nicht, wie das ist. Es weiß auch keiner von uns, was es für Özils Familie in der Türkei bedeutet, wenn er sagt: Nöö Reccep, lass mal, mit dir mache ich kein Foto.
Ich zitiere mich mal selbst und stimme damit Trondheim zu.
Von uns weiß niemand, wie Erdogan reagiert, wenn Özil ein Foto mit ihm ausschlägt.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Ich wollte ja sogar mögliche Repressionen außen vor lassen und darauf hinweisen, dass es eben auch schon ein innerer Konflikt sein kann. Das ist zumindest das, was in Özils Statement im Zentrum steht:
"Wie schon erläutert, hat meine Mutter immer darauf geachtet, dass ich meine Herkunft, mein Erbe und meine Familien-Tradition im Blick behalte. Für mich hatte das Bild mit Präsident Erdogan nichts mit Politik oder Wahlen zu tun - es bedeutete für mich eine Frage des Respektes vor dem höchsten Amt im Land meiner Familie."
Das mag uns etwas fremd erscheinen, aber wie schon burnedcake ausführlich dargelegt hat, ist Respekt in dieser Kultur eben ein sehr hoher Wert. In gewisser Weise ist in Deutschland geradezu das Gegenteil der Fall, Stichwort Aufarbeitung der Nazi-Zeit und Folgen von '68. Da sitzt man als Deutscher mit türkischem Familienhintergrund wahrscheinlich sein Leben lang zwischen den Stühlen. Macht man sich glaube ich nicht häufig genug klar, dass es schwierig ist, aus diesen Teilen eine Identität zusammenzubasteln.
Ja mei, da gäbe es eben imho viel diskussionswürdigeres rund um die WM - Russland, Putin, die FIFA und das Schweinesystem, es ist ja nicht so, als ob es nicht an allen Ecken und Enden brennen würde. Sind wir nicht alle Teil eines demokratischen Systems, das es ermöglicht hat, durch Deals mit der Türkei den unheilbringenden Flüchtlingsstrom enorm zu verkleinern? Mit einem Land, mit dem unsere Republik jedes Jahr in zweistelliger Milliardenhöhe Handel betreibt, durch den wir letztlich alle profitieren? Aber ein Foto mit dem Staatsoberhaupt - ist ja klar - darf man sich da nicht erlauben. Das ist doch alles absolut bis ins bizarrste bescheuert.
Wie es dazu kommen konnte, das solch ein Foto überhaupt "passiert" - dazu hat der einzige, der es wissen kann, seine Meinung abgegeben, er hat seine Beweggründe erläutert. Da darf man anderer Meinung sein - ich bin es auch. Aber da sollte man es tunlichst vermeiden, so selbstherrlich und gnadenlos mit dem Finger draufzuzeigen, wie es vor allem (!) die deutsche Öffentlichkeit getan hat.
Nur hat WM, Rußland Putin, Fifa etc etc etc. erstmal nichts bei einer nüchternen Betrachtung von Özil/Erdogan's PR Nummer zu suchen. Wäre ja nicht so, als ob nur Erdogan davon profitieren würde. Der Vergleich mit Politikern, Sportfuktionären und politischen Deals ist nicht haltbar, weil Özil als Privatperson und auch als Fußballer keine weitreichenden diplomatischen Entscheidungen zu treffen hat. Mich erinnert dieses Relativieren an die Diskussion vor ein paar Jahren als Putin's Politik nach der Krimannektion und dem Abschuß der MH17 unter medialem Dauerfeuer war. Wenn man sich auf Diskussionsboards kritisch zu Putin äußerte, waren die Relativierer mit "aber die USA haben doch hier und dort auch gewaltsam eingegriffen" schnell zur Hand. Tat und tut aber nichts zur Sache, denn ich kann das eine nicht mit dem anderen aufwiegen. Zumal wir in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern immer noch gewisse demokratische Grundsätze pflegen, im Gegensatz zu Erdogan.
Und sorry, selbst wir sind hier Einzelpersonen und nicht die deutsche Öffentlichkeit". Daß die sich nun drauf stürzt, ist Özil's Bekanntheitsgrad geschuldet. Die rassistischen Ausfälle und vollkommen unhaltbaren Anschuldigungen, dass Özil aufgrund seiner "zwei Herzen" nicht genug Leistung für die Nationalmannschaft bringen würde, sind eine Sauerei. Dafür muß man auch klar Bierhoff und Grindl verantwortlich machen.
Zitat von Krautathaus im Beitrag #864Zumal wir in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern immer noch gewisse demokratische Grundsätze pflegen, im Gegensatz zu Erdogan.
Wenn es um Waffengeschäfte geht, spielt das aber auch keine sonderliche Rolle. Vielleicht wollte Özil Erdogan ja nur zu seinen neuen Panzern gratulieren?
Zitat von Krautathaus im Beitrag #864Zumal wir in Deutschland und in vielen anderen europäischen Ländern immer noch gewisse demokratische Grundsätze pflegen, im Gegensatz zu Erdogan.
Wenn es um Waffengeschäfte geht, spielt das aber auch keine sonderliche Rolle. Vielleicht wollte Özil Erdogan ja nur zu seinen neuen Panzern gratulieren?
Darfst du aufgrund der Waffenindurstrie nicht zum wählen gehen? Wird die Opposition unterdrückt und eingesperrt? Werden die Medien staatlich gelenkt? Werden Minderheiten verfolgt? Ich sehe nicht, daß ich deshalb meine Aussage oben einschränken muß.
Btw. die Türkei ist immer noch Natopartner, trotz Erdogan.
Wir können aber natürlich bei allen demokratisch gewählten Staaten mal nachschauen, was dort so im Argen liegt...
Um das gehts mir ja gar nicht. Sondern darum, dass von bestimmten Leuten ein Riesenfass aufgemacht wird, wenn sich ein Fußballer mit Erdogan fotografieren lässt, während sie die Lieferungen von Waffen, die ja durchaus auch der Underdrückung der Opposition dienen, doch ziemlich kalt lässt.
Warum also das Fass? Weil für diese Leute Özil kein "Deutscher" ist, da wäre das unverfänglich. Sondern weil er "Deutschtürke" ist, und "Deutschtürken" haben sich gefälligst mit Haut und Haaren Deutschland zu verschreiben. Sonst sind sie ja ein Beispiel für fehlgeschlagene Integration. Behaupten sie jedenfalls, ich unterstelle ihnen aber, jedes winzige Detail aus der hintersten Ecke herauszupulen um irgendwie zu belegen, dass Integration nicht funktioniert. Und warum? Weil sie die Integration gar nicht haben wollen.
Mir sind deine Vorwürfe zu diffus. Zwischen den rassistischen Anfeindungen und der berechtigten Kritik an dem PR Auftritt git's halt ne Menge Leute die den ganzen Tag nix anderes zu tun haben, als Kommentare zu verfassen. Das ist ncht zu vermeiden.
Es ist halt schade, daß Özil ncht einen Millimeter zugegeben hat, daß das eine unglückliche Aktion war. Hätte mir schon gereicht. Dafür der hirnrissige Vergleich mit Queen und May. Seinen Wutausbruch gg.über Grindel kann ich absolut nachvollzehen. Warum er aber Bierhoff nicht in die Pflicht genommen hat, verstehe wer will.
Ich frage nochmal: wo bleibt eigentlich der Respekt von Özil und seiner Famillie gegenüber den eigesperrten Journalisten, Regierungsbeamten und Ördogans Kritikern? Das ist für mich eine elementare Frage.
Da sieht halt sein PR Foto und auch das von Gündogan ganz schön blöd aus.
Um Rassismus geht es dann, wenn Özil aufgrund seiner türkischen Wurzeln verurteilt und beleidigt wird. Auch das ist natürlich passiert und nicht hinzunehmen.
Zitat von Krautathaus im Beitrag #868Da sieht halt sein PR Foto und auch das von Gündogan ganz schön blöd aus.
Das ist ganz klar so, das hätte er auch ein bisschen einsehen können. Wir reden hier offenbar aneinander vorbei, ohne unterschiedlicher Meinung zu sein. Nur die Gewichtung ist halt etwas anders.
Der Fall Özil steht für mich stellvertretend für das Begehren gewisser Leute, nur "Biodeutsche" in der dt. NM spielen sehen zu wollen. Aussagen in diese Richtung gibt es ja auch aus der AfD schon seit einiger Zeit, und das WM-Aus im Zusammenhang mit diesem Foto wird als Aufhänger genommen, um über "fehlgeschlagene Integration" oder "mangelndes Engagement der Muslime für D" zu schwadronieren.
Unter diesem Gesichtspunkt finde ich Özils Paukenschlag nicht nur konsequent, sondern auch wichtig und richtig. Dass mit Grindel ein Mann an der DFB-Spitze steht, der rechter Umtriebe nicht gerade unverdächtig ist, ist da nur das i-Tüpfelchen.
cobra spricht wahre punkte an, auch wenn man in beide richtungen übertreiben kann: deutschtürken müssen sich nicht mit haut und haaren deutschland verschreiben. sich nicht zum propagandatool erdogans zu machen wäre aber schon wünschenswert. den letzten beitrag von trondheim finde ich haarsträubend. die erziehung verbietet özil ( und seinem berater-tross, btw) so was abzulehnen ? ich weiss, für manche mag erdogan einfach der türkische präsident sein, aber ich habe bei strongmen wie ihm, die der demokratie langsam den hals zudrücken wollen einfach keine toleranz mehr.