Ausgehend von einer angestoßenen Diskussion im Vinyl - Neuerwerbungsthread will ich hier mal ein Thema anschneiden, das mich schon länger umtreibt, nämlich Musik mit problematischen Inhalten, und dies durchaus allgemein.
Wenn man die üblichen Diskussionen um Bands wie Frei.wild, die Böhsen Onkelz und eindeutige Rechtsrockbands betrachtet, entlockt einem das Thema vielleicht mittlerweile ein Gähnen, darum soll der Fokus nicht alleine hierauf liegen, sondern durchaus die Frage mit einbeziehen, wie man zu politisch fragwürdigen Inhalten von Bands steht, die nicht zu den üblichen Verdächtigen (weiß, Rechtsrock, Faschoskins) zählen. Das Thema Homophobie in Reggae bzw. Dancehall wurde ja an anderer Stelle schon diskutiert (gehört aber nichtsdestotrotz auch hier rein), für den Rest muß ich mal kurz persönlich werden: in meiner "Punk" - Zeit in den 90ern hörte ich ja auch viel HipHop, darunter auch eine Menge Bands, deren Platten ich auch heute noch auflege. Abgesehen von der Misogynie (die auch heute noch ein Problem ist) und Homophobie, die zumindest damals ein extremes Problem war, auch bei Bands und Künstlern, denen man eigentlich zutraute, noch alle Tassen im Schrank zu haben (ich kann da textliche Belegzitate liefern von Public Enemy, Cypress Hill, Boogie Down Productions, Jedi Mind Tricks, Chubb Rock, Ice Cube, Freddie Foxxx, Wu - Tang Clan etc.) gab es noch die sogenannten 5%er Bands wie die Brand Nubian oder die Poor Righteous Teachers. Diese waren nicht nur extrem religiös verbrämt, sondern legten neben der allgegenwärtigen Homophobie auch noch einen üblen antiweißen Rassismus und latenten Antisemitismus an den Tag. Daß zumindest die Brand Nubian später zusammen mit House Of Pain musizierten, lag eher daran, daß Everlast Moslem ist und aufgrund der Ummah, die ja laut Malcolm X Rassenunterschiede aufhebt, großzügig darüber hinweggesehen wurde, daß es sich um eine weiße Band handelte.
Um auf meinen persönlichen Umgang damit zurückzukommen: ich liebe diese Musik halt schon lange. Als "Punk" mochte ich das Provokationspotential daran. Später, als klar war, daß es einige dieser Typen durchaus ernst meinen, berief ich mich darauf, daß ich schließlich erwachsen sei und mich durchaus kritisch mit den Texten auseinandersetzen könne und somit bewußt entscheide, was ich höre. Davon abgesehen, daß es schon an Selbstkasteiung grenzt, sich als Weißer rassistische Ausfälle anzuhören, die indirekt gegen einen selbst gerichtet sind, kann man mit demselben Argument auch weiße Rassisten hören, wenn man sich kritisch mit den Inhalten auseinandersetzt, denn man muß die Ansichten ja nicht teilen. Dies nur als Beispiel angeführt, daß man in dem Fall durchaus bereit sein muß, sich dem Umkehrschluß der eigenen Argumentation zu stellen. Glücklicherweise ist weißer Rassistenrock derartig debiles Stumpfgegröle, daß sich diese Frage aus ästhetischen Gründen selten stellt.
Aber dafür gibt es ja auch Sachen wie Boyd Rice oder Death In June, ebenso wie diverse Black - Metal - und Hardcorebands, die auch von politisch unbedenklichen Menschen mit dem Hinweis auf "Spiel mit der Ästhetik" und "Provokation" verteidigt werden.
Man sieht, es ist ein weiteres Feld, als man es sich wünschen würde. Darum würde ich hier gerne einmal wissen, wie ihr mit problematischen Bands (egal welcher Hautfarbe und egal in welchem Zusammenhang) umgeht, denn ich bin mir sicher, daß da jeder von uns irgendwelche Leichen im Keller hat, seien es nun Burzum oder eben die Brand Nubian.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
mein grösster schwachpunkt innerhalb meiner musik-sammlung dürften public enemy sein. so sehr ich die musik liebe (inklusive dem viel geschmähten spätwerk), so häufig haben sie mir ordentlich zahnschmerzen bereitet. anti-weisse statement wurden ihnen in der vergangenheit oft nachgesagt - ich kenne da kein beispiel für. mit dem antisemitismus sieht es schon etwas anders aus, wenn auch weniger offensichtlich als gemeinhin angenommen. das grösste problem dürfte dabei der umgang mit dem on-and-off-mitglied professor griff sein, von dem sich chuck d zwischenzeitlich distanziert hatte, um es kurz danach dann doch nicht zu tun.
ich habe mir oft gewünscht, mal ein richtig kritisches interview mit chuck d zu lesen oder zu hören, wo er mal wirklich auf seine zahlreichen widersprüche angesprochen wird. leider kenne ich kein solches. ich habe z.b. nie verstanden, wie man gleichzeitig malcom x und louis farrakhan glorifizieren kann und dann auch noch den soundtrack zum biopic von malcom x zu liefern, der die gängige meinung vertritt, dass die ermordung von x von farrakhan beauftragt wurde.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Wie korrekt ist es, wenn man eine 16-jährige anschmachtet? Chuck Berry? Billy Idol? Das toppte Udo Lindenberg übrigens noch mit dem Song "Nina", in dem es ihm schwerfiel den Avancen einer 14-jährigen zu widerstehen.
ich muss zugeben, dass ich die problematischen texte bei brand nubian und poor righteous teachers anfangs gar nicht wahrgenommen habe, weil ich mich erstmal nicht mit den texten beschäftigt habe, bzw. sie teilweise einfach nicht richtig verstand. ehe ich darüber gelesen hatte, waren das schon lieblingsplatten und ich hab mich daher damit arrangiert und blende die texte weiterhin aus. ein blödes gefühl bleibt natürlich, wenn dir der interpret deiner lieblingsplatten quasi mitteilt, dass er dir am liebsten eine in schnauze hauen würde. na ja, es trennen uns immerhin ein paar tausend kilometer. und weitere platten habe ich mir dann auch nicht mehr gekauft (okay, eine grand puba ...).
von death in june besitze ich eine platte, die ich mir gekauft habe, obwohl mir bewusst war, dass douglas pearce gerne mit nazisymbolik flirtet. er hat sich aber auch immer wieder explizit davon distanziert entsprechendes gedankengut zu hegen und hat auch mal einen musiker aus der band geworfen, der es doch tat. in diesem falle halte ich es für unproblematisch.
eindeutig zu viel wird es mir bei dancehall. da sind die homophoben inhalte teilweise so extrem (da wird auch gerne mal zum mord an schwulen aufgerufen), das tu ich mir nicht an. ist aber auch nicht meine musik, also tut's mir nicht weh.
Zitat von Lumich im Beitrag #2mein grösster schwachpunkt innerhalb meiner musik-sammlung dürften public enemy sein. so sehr ich die musik liebe (inklusive dem viel geschmähten spätwerk), so häufig haben sie mir ordentlich zahnschmerzen bereitet. anti-weisse statement wurden ihnen in der vergangenheit oft nachgesagt - ich kenne da kein beispiel für. mit dem antisemitismus sieht es schon etwas anders aus, wenn auch weniger offensichtlich als gemeinhin angenommen. das grösste problem dürfte dabei der umgang mit dem on-and-off-mitglied professor griff sein, von dem sich chuck d zwischenzeitlich distanziert hatte, um es kurz danach dann doch nicht zu tun.
ich habe mir oft gewünscht, mal ein richtig kritisches interview mit chuck d zu lesen oder zu hören, wo er mal wirklich auf seine zahlreichen widersprüche angesprochen wird. leider kenne ich kein solches. ich habe z.b. nie verstanden, wie man gleichzeitig malcom x und louis farrakhan glorifizieren kann und dann auch noch den soundtrack zum biopic von malcom x zu liefern, der die gängige meinung vertritt, dass die ermordung von x von farrakhan beauftragt wurde.
ja, der schlingerkurs von PE hat mich auch immer genervt, wobei ich angesichts der real existierenden diskriminierung für rassismus gegenüber weißen noch ein gewisses verständnis aufbringen kann, aber den anti-semitismus und die homophobie fand ich ziemlich problematisch und eben - wie du erwähnt hast - dass sie griff nicht wirklich gefeuert haben.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #7den anti-semitismus und die homophobie fand ich ziemlich problematisch und eben - wie du erwähnt hast - dass sie griff nicht wirklich gefeuert haben.
es ist ja noch schlimmer: kurz nachdem griff (vorübergehend) gefeuert war, beteiligte sich chuck d an dessen projekt "confrontation camp". schmerzhafterweise klingen die nicht mal schlecht. der name ist allerdings schwer auszuhalten, vor allem wenn man weiss, dass der urheber antisemit ist.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Lumich im Beitrag #8es ist nicht besonders gut. was die bilanz seiner taten angeht, dürfte die musik wohl noch zu den besseren dingen gehören, die von ihm ausgingen.
ich kenne überhaupt nix. nur die cover-version "home is where you're happy" von den lemonheads. die finde ich sehr schön, aber das liegt vielleicht eher an der interpretation von evan dando.
Ich glaube, ich hatte die Diskussion hier schon kurz mit dem King und war eher der Meinung, dass z.B. die 5%ers als militante Street Education noch in mein Verständnis von "Widerstand" gehört (EDIT: ich intensiviere, Homophobie und Rassismus ist natürlich absolut zum kotzen). Ich bewerte "Black Supremacy" trotzdem anders, als "White Supremacy". Zumal ich diese Nähe zur Nation of Islam und Nation of Gods and Earth häufig eher als Etikett vermute, wie lässt sich sonst erklären, dass beispielsweise jüdische Rapper wie MC Serch, weiße, nichtmuslimische Rapper wie R.A. the Rugged Man oder Produzenten wie Rick Rubin den Sound mitgestalten konnten bzw. voll in der Szene integriert waren und allerhöchsten Respekt genießen. Ich denke, die damalige Militanz war oft nicht viel mehr als Mode (es gibt Ausnahmen, wie der vollends verblödete Lord Jamar).
Mit Burzum z.B. habe ich absolut kein Problem, da die Musik nichts an der faschistischen Scheiße transportiert, die Varg Vikernes im Kopf hat, da kann ich doch ganz gut zwischen Künstler und Kunstprodukt trennen.
Charles Manson hat übrigens auch ein paar durchaus anständige Songs geschrieben.
Zitat von gnathonemus im Beitrag #7den anti-semitismus und die homophobie fand ich ziemlich problematisch und eben - wie du erwähnt hast - dass sie griff nicht wirklich gefeuert haben.
es ist ja noch schlimmer: kurz nachdem griff (vorübergehend) gefeuert war, beteiligte sich chuck d an dessen projekt "confrontation camp". schmerzhafterweise klingen die nicht mal schlecht. der name ist allerdings schwer auszuhalten, vor allem wenn man weiss, dass der urheber antisemit ist.
jepp, ekelhaft. da war dann spätestens klar, was von den halbherzigen distanzierungen und ausflüchten zu halten war. zu dem zeitpunkt war ich allerdings schon raus. meine letzte PE platte ist "there's a poison going on".
Zitat von Ninja_Hagen im Beitrag #11Ich glaube, ich hatte die Diskussion hier schon kurz mit dem King und war eher der Meinung, dass z.B. die 5%ers als militante Street Education noch in mein Verständnis von "Widerstand" gehört (EDIT: ich intensiviere, Homophobie und Rassismus ist natürlich absolut zum kotzen). Ich bewerte "Black Supremacy" trotzdem anders, als "White Supremacy". Zumal ich diese Nähe zur Nation of Islam und Nation of Gods and Earth häufig eher als Etikett vermute, wie lässt sich sonst erklären, dass beispielsweise jüdische Rapper wie MC Serch, weiße, nichtmuslimische Rapper wie R.A. the Rugged Man oder Produzenten wie Rick Rubin den Sound mitgestalten konnten bzw. voll in der Szene integriert waren und allerhöchsten Respekt genießen. Ich denke, die damalige Militanz war oft nicht viel mehr als Mode (es gibt Ausnahmen, wie der vollends verblödete Lord Jamar).
ich würde das, im bezug auf pe auch gern so sehen, aber dass der bezug zu farrakhan durchaus ernst gemeint ist, haben pe, insbesondere chuck d, über die jahre immer wieder betont. auch halte ich chuck d für zu intelligent, um sich einfach oberflächlich mit etiketten zu schmücken. ebenso halte ich ihn aber für doppelzüngig.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
In den Linernotes seiner "Pawns In The Game" - Soloplatte entschuldigt sich Griff ja wortreich bei seinen "jüdischen Freunden" mit dem Zusatz "Don't believe the hype!", als wären seine Aussagen Ergebnis einer Verschwörung. Lächerlich. Aber immerhin hat er sich mittlerweile doch oft genug entschuldigt, auch in Interviews, um es gut sein zu lassen.
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(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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