Ich bin weiß Gott kein Freund von der BDS-Bewegung, aber die sind durchaus heterogen. Dass es ihnen an Abgrenzung zu eindeutigem Antisemitismus fehlt, ist eins der Dinge, die diese Bewegung für mich inakzeptabel macht.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Antisemitismus bedeutet NICHT, gegen Juden zu sein; also Judenfeindschaft oder Judenhass.
Die International Holocaust Remembrance Alliance definiert Antisemitismus als "eine bestimmte Wahrnehmung von Juden...“. Antisemitisch ist, sich eine Meinung zu jüdischen Menschen nicht aufgrund deren konkretem persönlichen Verhalten zu bilden, sondern seine Meinung über sie allein von ihrem Judentum abzuleiten.
Denn alle Juden und Jüdinnen haben außer dem Jüdischsein nichts gemeinsam. Sie sind ebenso unterschiedlich wie Angehörige anderer Religionen und Kulturen.
Antisemitismus beginnt, wenn man aus der Gruppenzugehörigkeit die Eigenschaften einzelner Personen ableitet - und umgekehrt. Werden Juden als Gruppe also Eigenschaften zugeschrieben, die über ihr Jüdischsein hinausgehen, ist dies antisemitisch.
Antisemitismus als Wort bezieht sich übrigens auf die semitische Sprachfamilie. Zu ihr gehört neben dem Hebräischen z.B. auch noch das Arabische.
Das Wort "Antisemitismus" wurde ab dem Jahr 1879 vor allem von Judenfeinden verwendet. Typische antisemitische Feststelllungen waren: "Aber Juden sind doch reich" oder "sie zahlen doch keine Steuern" oder sie seien "geldgierig und besonders mächtig, das weiß doch jeder".
Dies hatte historische Hintergründe, denn Juden waren im Mittelalter von Handwerksberufen ausgeschlossen. Sie durften keinen Zünften oder Gilden beitreten. Handel und Geldverleih gehörte zu den wenigen Tätigkeiten, die ihnen erlaubt waren. Daraus erwuchs das Klischee, Juden trieben "Wucher", sie seien alle reich oder geldgierig.
Antizionismus hingegen ist die Gegnerschaft zum Zionismus. Der Zionismus ist eine Bewegung mit dem Ziel der Errichtung eines jüdischen Staates im Nahen Osten. Der Antizionismus bekämpft nicht die Juden, sondern den Staat Israel und die Israelis.
Roger Waters sieht sich vor allem als Verfechter der Menschenrechte für die Palästinenser. Und er kritisiert diesbezügliche Handlungen des Staates Israel. Der Boykottaufruf gegen Israel zielt letztlich darauf ab, die israelische Politik zu beeinflussen.
Ob dies antisemitisch oder antizionistisch zu nennen ist, mag ein jeder für sich beurteilen.
Mir persönlich fehlt da bei Waters etwas das Motiv, sich gegen die Juden als Religionsgruppe zu wenden oder für die Abschaffung des Staates Israel einzutreten. Sicher ist Waters da verbal nicht immer zimperlich; er steht ja auch hinter dem Gedanken „religions divide“.
Eric Fletcher Waters, der Vater von Roger Waters, war Aktivist in der Labour Party. Zudem ein religiöser Christ und Pazifist. Er war zunächst Kriegsdienstverweigerer und wurde in den ersten Jahren des 2. Weltkriegs als Sanitätsfahrer eingesetzt.
Letztlich wandte er sich dem linken Flügel der Labour Party zu und wurde dann Mitglied der British Communist Party. Fletcher Waters war ein leidenschaftlicher Antifaschist und entschloss sich, letztlich doch als Soldat mit gegen das Nazi-Regime zu kämpfen. Er wurde Leutnant im „8th Battalion Royal Fusiliers“. Fletcher Waters wurde in Italien getötet und nur 31 Jahre alt. Roger Waters schrieb mehrere Songs, die durch seinen Vater inspiriert wurden.
Ich möchte nochmals aus „The Wall“ zitieren…
Im Track „Waiting for the worms“, der mit dem deutschen Text "Eins, zwei, drei, alle!" beginnt, wird mit Bezug auf die Nazi-KZ-Zeit vor einem Szenario gewarnt, bei dem erneut Duschen aufgedreht und Öfen angeheizt werden ….
Waiting for the Worms (Waters)
"Eins, zwei, drei, alle!"
Ooooh, you cannot reach me now Ooooh, no matter how you try Goodbye, cruel world, it's over Walk on by.
Sitting in a bunker here behind my wall Waiting for the worms to come. In perfect isolation here behind my wall Waiting for the worms to come.
We're {waiting to succeed} and going to convene outside Brixton Town Hall where we're going to be...
Waiting to cut out the deadwood. Waiting to clean up the city. Waiting to follow the worms. Waiting to put on a black shirt. Waiting to weed out the weaklings. Waiting to smash in their windows And kick in their doors. Waiting for the final solution To strengthen the strain. Waiting to follow the worms. Waiting to turn on the showers And fire the ovens. Waiting for the queers and the coons and the reds and the jews. Waiting to follow the worms.
Would you like to see Britannia Rule again, my friend? All you have to do is follow the worms.
Would you like to send our colored cousins Home again, my friend? All you need to do is follow the worms.
Stop (Waters)
Stop! I wanna go home Take off this uniform And leave the show.
But I'm waiting in this cell Because I have to know. Have I been guilty all this time?
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von akri im Beitrag #302Antisemitismus bedeutet NICHT, gegen Juden zu sein; also Judenfeindschaft oder Judenhass.
Die International Holocaust Remembrance Alliance definiert Antisemitismus als "eine bestimmte Wahrnehmung von Juden...“. Antisemitisch ist, sich eine Meinung zu jüdischen Menschen nicht aufgrund deren konkretem persönlichen Verhalten zu bilden, sondern seine Meinung über sie allein von ihrem Judentum abzuleiten.
Ach was… irgendeine Meinung, egal welche? Was hieß nochmal „anti“?
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Du wirst lachen (vielleicht auch nicht), aber die International Holocaust Remembrance Alliance sieht dies auch für positive Attribute so. Wenn etwa behauptet wird, Juden seien besonders klug oder es gäbe zumeist "schöne Jüdinnen", dann wird dies als Form von Antisemitismus gesehen. Weil man dann Menschen eben solche Eigenschaften allein aufgrund ihres Judentums zuspricht.
Mich stört zumeist, dass Kritik an Israel allzu schnell mit Antisemitismus gleichgesetzt wird.
Oder aber Kritik an Migrationsgruppen schnell einmal als Ausländerfeindlichkeit tituliert wird.
Damit stellt man die Kritiker zumeist mit voller Absicht in eine moralisch oder gar juristisch verwerfliche Ecke.
Es wird also nicht auf die Kritik eingegangen oder eine Gegenposition dargestellt, sondern die Kritiker selbst werden als Personen abgewiesen, beleidigt, belächelt oder herabgewürdigt.
Hinzu kommt oft eine zu starke Polarisierung. Es gibt nur noch ein Ja oder Nein, nur ein Dafür oder Dagegen, nur ein Freund oder Feind. Wer etwas kritisiert, muss es ja nicht gleich komplett ablehnen...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Israel ist ein Staat, dessen Politik man kritisieren kann, ohne damit notwendigerweise eine Aussage über das Judentum zu treffen. Das funktioniert aber nur, wenn eben wirklich der Staat und seine Politik kritisiert werden und der Kritiker hinter der Kritik an der Politik keine eigentlich antisemitischen Haltungen versteckt.
„Migrationsgruppen“ sind, sofern ich denn richtig verstehe, was du damit meinst, kein Staat mit einer Politik, die man kritisieren könnte, sondern eine von außen vorgenommene Zusammengruppierung von Einzelpersonen anhand einer persönlichen Eigenschaft, nämlich der Herkunft.
Man kann bestimmte Verhaltensweisen von spezifischen Personen kritisieren. Aber sobald diese Verhaltensweisen auf eine Gruppe von Leuten übertragen werden, die damit nicht unbedingt was zu tun haben, sobald überspitzt gesagt ein „Die Leute in dieser Gruppe sind immer…“ oder „Alle xyz machen immer…“ daraus wird, wird es halt undifferenziert und damit problematisch.
Zitat von akri im Beitrag #305Du wirst lachen (vielleicht auch nicht), aber die International Holocaust Remembrance Alliance sieht dies auch für positive Attribute so. Wenn etwa behauptet wird, Juden seien besonders klug oder es gäbe zumeist "schöne Jüdinnen", dann wird dies als Form von Antisemitismus gesehen. Weil man dann Menschen eben solche Eigenschaften allein aufgrund ihres Judentums zuspricht.
Mich stört zumeist, dass Kritik an Israel allzu schnell mit Antisemitismus gleichgesetzt wird.
Oder aber Kritik an Migrationsgruppen schnell einmal als Ausländerfeindlichkeit tituliert wird.
Damit stellt man die Kritiker zumeist mit voller Absicht in eine moralisch oder gar juristisch verwerfliche Ecke.
Es wird also nicht auf die Kritik eingegangen oder eine Gegenposition dargestellt, sondern die Kritiker selbst werden als Personen abgewiesen, beleidigt, belächelt oder herabgewürdigt.
Hinzu kommt oft eine zu starke Polarisierung. Es gibt nur noch ein Ja oder Nein, nur ein Dafür oder Dagegen, nur ein Freund oder Feind. Wer etwas kritisiert, muss es ja nicht gleich komplett ablehnen...
Die International Holocaust Remembrance Alliance mag dies so definieren, aber für meine Begriffe ergibt diese Definition wenig Sinn, und ich würde sie auch nicht als allgemeingültig betrachten.
Was die Kritik an Israel, bzw. Israelischer Politik angeht, gibt es die Tendenz einer grundsätzlichen Illegitimierung durch den Vorwurf, die Kritik wäre antisemitisch motiviert. Auf der anderen Seite gibt es durchaus Antisemitismus, der sich als Kritik an Israelischer Politik tarnt.
Wo man Waters genau einsortieren soll, darauf würde ich mich nicht festlegen. Was sich aber mit Sicherheit sagen lässt, ist dass er Symboliken verwandt hat, die man als Jude oder Jüdin berechtigterweise als beleidigend auffassen kann. Vor allem der Davidstern steht nicht nur für Israel oder die Israelische Politik, sondern eben für das gesamte Judentum und alle Jüdinnen und Juden. Für ein politisches Statement, das solidarisch mit den Palästinenserinnen und Palästinensern stehen soll, ist das einfach das falsche Symbol.
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Zitat von Lumich im Beitrag #307Vor allem der Davidstern steht nicht nur für Israel oder die Israelische Politik, sondern eben für das gesamte Judentum und alle Jüdinnen und Juden. Für ein politisches Statement, das solidarisch mit den Palästinenserinnen und Palästinensern stehen soll, ist das einfach das falsche Symbol.
Danke.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Zitat von Lumich im Beitrag #307Wo man Waters genau einsortieren soll, darauf würde ich mich nicht festlegen. Was sich aber mit Sicherheit sagen lässt, ist dass er Symboliken verwandt hat, die man als Jude oder Jüdin berechtigterweise als beleidigend auffassen kann. Vor allem der Davidstern steht nicht nur für Israel oder die Israelische Politik, sondern eben für das gesamte Judentum und alle Jüdinnen und Juden. Für ein politisches Statement, das solidarisch mit den Palästinenserinnen und Palästinensern stehen soll, ist das einfach das falsche Symbol.
Wenn du damit auf das berüchtigte fliegende Schwein anspielst: Da war der Davidstern auch nur ein Symbol von vielen, da waren auch ein Kreuz, ein Halbmond, das Shell-Logo, der Mercedesstern etc. Aber offenbar wird in dem Zusammenhang nur dem Davidstern eine tieferliegende Bedeutung zugemessen.
Das macht es in meinen Augen nicht besser. Man muss das im Zusammenhang sehen: Wenn man eine Organisation wie den BDS unterstützt, innerhalb derer sich Leute bewegen, die man mit Fug und Recht antisemitisch nennen darf, und man packt dann einen Davidstern auf (ausgerechnet) ein Schwein, dann nützen auch derlei Relativierungen nicht viel. Und spätestens beim Anne-Frank-Vergleich gehen nun wirklich alle Lichter aus. „Jana aus Kassel“ lässt grüßen.
Im Grunde genommen ist Waters in der Hinsicht Boris Palmer nicht ganz unähnlich. In seiner unerschütterlichen Überzeugung, sich voll im Recht zu befinden, trampelt er auf anderer Leute Befindlichkeiten herum, und wundert sich, warum er dafür so viel Gegenwind erhält.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Das „fliegende Schwein“ begleitet die Musik von Pink Floyd ja seit dem Album „Animals“. Das ursprünglich verwendete Schwein wurde übrigens von Roger Waters selbst designed. Er behielt auch nach seiner Trennung von Pink Floyd die Rechte daran.
Nachdem 1977 „Animals“ veröffentlicht wurde, begannen Pink Floyd ihre „In the Flesh“-Tour. Zumeist war das Schwein zu sehen, während "Pigs (Three Different Ones)" gespielt wurde.
Später (ab 1980) war das Schwein bei den „The Wall“-Konzerten zu sehen. Hier wurde das Schwein beim Song "In the Flesh" bzw. vor "Run Like Hell" gezeigt. In jeder Show wurde auch immer eine erklärende Kurzrede zum Schwein gegeben.
Fun-Fact: als Pink Floyd 1987–1989 auf Tour gingen (ohne Waters), versuchte man, die Rechte von Waters am Schwein zu umgehen, indem statt einer Sau ein Eber aus Plastik mit dicken Hoden verwendet wurde...
Für die Tour 1994 verwendete Pink Floyd dann alternativ ein Warzenschwein aus Plastik.
Die Band „The Orb“ zitierte „Animals“ übrigens gleich mehrfach:
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Was mich ärgert, ist, dass „The Wall“ einst als Werk gegen Rechts und gegen den Faschismus als Album, Konzert und Kinofilm veröffentlicht und auch so gesehen wurde. Weil eben aufgezeigt wurde, wie man sich dem Faschismus oder Ideologien annähern kann, weil im eigenen Leben nicht alles nach Plan verlaufen ist. Roger Waters hat in der Show einen Nazi dargestellt ( wie es Bob Geldof dann im Film tat).
Im Hier und Jetzt sieht man alles scheinbar so, als sei Waters ein Nazi, der sich frech in nazilike-Kostümierung auf die Bühnen stellt und alle im Verlauf der Show mit fragwürdigen rechten Parolen volltextet. Entweder fehlt einigen da der nötige Kontext oder sie sind schlicht strunzdumm... (bezieht sich jetzt nicht auf unser Forum)
Wer natürlich in einem Anti-Kriegsfilm auch nichts weiter als Militär-Verherrlichung sieht (wegen der vielen Uniformen und Panzer), dem ist wohl auch nicht mehr zu helfen.
Man kann Roger Waters für diverse Dinge kritisieren, aber sollte dies eben nicht unbedingt für seine Rolle in der Wall-Show tun.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)