Ich verstehe dieses Konzept "guilty pleasure" bis heute nicht. Wenn einem etwas gefällt, warum sollte einem das peinlich sein?
RIP
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Auch wenn es eh schon jeder im Forum so sehen mag: Ja, es gibt „guilty pleasures“.
Im Kern geht es darum, dass man etwas genießt, obwohl man durchaus versteht, dass es im Allgemeinen nicht hoch geschätzt wird oder als ungewöhnlich oder gar ungesund gilt, etc.
Man kann etwa eine Tafel Schokolade mampfen, obwohl man weiß, dass dies ungesund ist. Man macht es aber trotzdem und durchaus liebend gern…
Andere schauen sich gern Trash-Sendungen im TV an. Oder hören gerne auch einmal die Musik xy...
Oft ist einem die Sache etwas peinlich, weil man alles als Zeitverschwendung empfindet, als eher sinnlos. Und weil alles dem Anspruch an uns selbst nicht gerecht wird. Man fürchtet zudem die Wertung anderer und fühlt sich eben schuldig. Auch deshalb, weil man eben Zeit mit der Sache verplempert hat. Zumeist macht die eigene Bewertung das „guilty pleasure“ zu etwas Peinlichem oder Sinnlosem.
„Guilty pleasures“ sind teils kleine Alltagsfluchten. In einer schnelllebigen und komplexen Welt möchte man eben entspannen können. Nicht alles, was man tut, muss sinnvoll oder effizient sein!
Dies alles steht auch im Kontrast zu einem Phänomen der Neuzeit: FOMO.
FOMO? Nun, Fear Of Missing Out. Die Angst, etwas zu verpassen!
Nimmt man an einer gesellschaftlichen Aktivität nicht teil oder läßt Erfahrungen aus, die andere machen, fühlt man sich ausgeschlossen und bekommt den Eindruck, irgendwie falsch zu leben und etwas zu verpassen.
FOMO ist als Angst gesund, wenn sie verhindert, dass man sich zu sehr isoliert oder zurückzieht. Mit steigendem Alter hat man mehr Selbstsicherheit und auch Vertrauen in Beziehungen und die soziale Einbindung. Man kann sich dann eher abgrenzen und blendet auch die Angst, etwas zu verpassen, aus. Die "Fear of missing out" wird also immer erträglicher.
Insbesondere die Social Media forcieren aber die FOMO. Im realen Leben ist alles begrenzt und wenn Kollegen vom Urlaub erzählen, dann bleibt alles überschaubar und man erinnert sich an positive Momente. In den sozialen Medien gibt es solche Begrenzungen nicht mehr. Man kann sich quasi nonstop reinziehen, was andere Menschen alles tun und machen und erleben! Es gibt dann die disziplinierte Sportlerin, den tollen Hobby-Koch, die Weltreisende, den Musikfan mit all den neuen Releases, etc.
Man selbst aber schleppt sich jeden Tag zur Arbeit. Trifft oft mit denselben Personen zusammen. Etc. Und man hat ständig vor Augen, wie Abertausende Menschen so ihre Zeit verbringen. Dies lässt das eigene Leben im Vergleich unspektakulär und fehlerhaft erscheinen.
Zumal man in sozialen Medien oft nur die Highlights und schönsten Seiten anderer Leute sieht und eben nicht deren sonstigen Alltag. Social Media ist nicht die Realität! Es ist eine kleine, oft recht unterhaltsame und positiv zugespitzte Facette des Lebens. Es wird Unterhaltung und Inspiration geboten – aber alles ist keinesfalls ein Maßstab!
Dies führt dann mit zu FOMO. Man fühlt sich traurig, wenn Freunde etwas unternehmen und man nicht mit dabei bist. Man fürchtet, die anderen machen "bessere" Erfahrungen. Auch hat man den Drang, sich upzudaten und nachzuschauen, ob andere etwas erlebt und gepostet haben. Teils fällt es dann schwer, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Man denkt darüber nach, was andere wohl gerade machen. Und ob man selbst nicht etwas anderes tun sollte.
Kurz: man hat Angst, das eigene Leben zu verpassen. FOMO kann also zur Folge haben, dass man sich gestresst und unzufrieden fühlt! Man verlernt, Entscheidungen zu treffen und Bedürfnisse wahrzunehmen! Und somit bewusst zu leben und das Leben zu schätzen.
Wichtig: herausfinden, was einem im Leben wichtig ist. Was man für sich erreichen möchte und was wirklich glücklich macht. Man kann dabei auch vieles ausprobieren und herumexperimentieren. Um den Blick dafür zu schärfen, was das Leben wertvoll macht, sollte man Danke sagen! Sich täglich Dinge vor Augen führen, für die man dankbar ist.
Hinzu kommt: das eigene Selbstbewusstsein stärken! Selbstliebe lernen und authentisch sein! Und sich mit anderen austauschen!
Und ja, man genießt dann eben auch all seine guilty pleasures. Weil man sie durchaus sehr mag. Weil sie einem so ganz und gar nicht peinlich sind. Weil man sie nicht als Zeitverschwendung empfindet. Weil sie mit zum eigenem Leben gehören!! Weil im eigenen Leben auch nicht alles sinnvoll oder effizient sein muss! Weil man die Sichtweisen anderer nicht einfach so zum Maßstab für das eigene Leben macht! Weil man sein eigenes Leben lebt und liebt.
In diesem Sinne: Never Mind the Smiths, Here’s Тату… ..und es ist spät, ich bin müde und habe zu viel getrunken.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)