Bei Radiohead habe ich wirklich Glück gehabt. Der Erstkontakt hieß vielleicht viel zu früh "Kid A", auch wenn ich damals nicht im geringsten verstanden habe, was ich da höre, aber das Ding hat mich von Beginn an überwältigt, inkl. der bizarren B-Seiten hatte mich diese Band, und ich habe mit Freude und Verwirrung versucht das Spektakel für mich aufzudröseln. "How To Disappear Completely" ist womöglich der Song, der mein Leben am besten wiedergibt. Wie ich das finde, das weiß ich nicht, der Song aber ist überragend, der Rest ebenso. "Amnesiac" haftet nur geringfügig der Duft des Nachklapps an, das Album ist nicht großartig weniger sensationell. "In Rainbows" hat sich über die Jahre ebenso einen Ehrenplatz ergattert, "The King Of Limbs" war ein eher uninspirierter Nachfolger.
Ein Fehler wäre es mMn, die Band nur auf ihre Alben zu bechränken (gut, das gilt fast für alle Künstler, die eher Alben machen), dafür gibt's viel zu viele EPs, viel zu viele feine B-Seiten und Remixe. Und zwischendurch fällt immer mal was ab. Ach, Remixe. Thom Yorkes ohnehin tolles "The Eraser" wurde mit übergroßen Remixen bestückt (Four Tet, Burial...). "Ok Computer" mag ich wirklich sehr, die ersten beiden Alben interessieren mich nicht besonders, nicht meine Musik. Ich hoffe mal, das neue Zeug ruht sich nicht mehr so sehr auf den eigenen Großtaten auf.
Mein persönliches Band-Highligt ist jetzt gut drei Jahre her. Ich schnappte mir den tenno und fuhr zu einem SENSATIONELLEN Konzert zur Wuhlheide. Wenn ich mir gerade den Post aus dem anderen Forum anschaue, dann fällt mir auch auf, dass wir manche Songs noch überhaupt nicht aus dem Studio kennen (gut, das passiert ja öfters, hier werden Songs nicht einfach aufgegeben, etwas, das ich mir bei den Foals wünschen würde, meine Liste da ist lang genug...)
Die Version von "Like Spinning Plates" auf der Live-EP "I Might Be Wrong" ist auch großartig - und macht den Song um so viel besser als auf der "Amnesiac".
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Meine Besternung (Maximum 5 Sterne, da ich das so aus dem RS Forum gewöhnt bin):
Pablo Honey *** The Bends ***** (3) OK Computer ***** (1) Kid A ***** (2) Amnesiac **** Hail to the Thief ***1/2 In Rainbows ****1/2 The King of Limbs ****
I might be wrong ****1/2
Thom Yorke The Eraser ****1/2 Thom Yorke Tomorrow's Modern Boxes ****
Johnny Greenwood Norwegian Wood (Soundtrack) ****1/2
Phil Selway Familial ***1/2
Look out of any window, any morning, any evening, any day Maybe the sun is shining, birds are winging No rain is falling from a heavy sky
mit Sternchen habe ich es normalerweise auch nicht so: The Bends: *** OK Computer **** (2) Kid A **** 1/2 (1) Amnesiac: **** (müsste ich mal wieder hören, bin mir unsicher) In Rainbows: **** (3) (ebenfalls 5 Sterne System) Sehr gute Band.
Oh oh oh, da habe ich HailtotheThief einfach vergessen.
Irgendwie als Album ein wenig zerfahren, es gibt ein paar Lieblinge, ThereThere aber noch mehr der Closer Wolfatthedoor, aber auf Länge ist mir das zu schwurbelig und passt nicht aufeinander. Daher 3von6 für Hail to the Thief
Die Soloalben von Thom muss ich ebenfalls differenziert einschätzen. The Eraser 5von6 ganz weit vorn, es klickt im Herzen und ist etwas fürs Leben Tomorrows modern boxes mit 3von6 ganz nett, zwei Songs richtig gut, aber hab ich mich noch nicht genug mit befasst
Live sind sie so toll, weil sie etwas versuchen (und das erfolgreich), was ich so heutzutage bis auf jazz nicht mehr kenne. Sie bearbeiten ihre Songs auf der Bühne, sie variieren, sie lassen sie atmen und leben und reproduzieren nicht bloß das einst Geschriebene. Das gefiel mir neben der Intensität damals, 2012 in der Wuhlheide, am besten. Live sind sie spannend und intensiv und werden es bleiben, da kein Abend dem vorherigen gleicht.
das ist nun wirklich "die eine band", die mich mehr beeinflusst hat als die anderen. deswegen wird es auch etwas länger, dafür ohne sterne.
1998 Von gar nicht mal so guten Bekannten vehementeste Empfehlungen, bzw Befehle, bekommen, sich auf jeden Fall und um Gottes Willen „Ok Computer“ zu kaufen. Dieses machen und sich nach dem ungefähr dritten Durchgang unsterblich in das Album verlieben. Fortan nichts anderes mehr hören wollen, „Airbag“ essen, „Paranoid Android“ trinken, „Exit Music (For a Film)“ schlafen, „No Surprises“ atmen, das komplette Album verinnerlichen. Jeder Song ist der neue Liebling, in wechselndem Rhythmus und immer wieder. Mit dem Bus durch die Stadt fahren und „Ok Computer“ hören, mit dem Fahrrad zur Schule fahren und „Ok Computer“ hören, in der Mittagspause von den Freunden unter fadenscheinigen Vorwänden abhauen und „Ok Computer“ hören. Es gibt nur noch ein Album, dieses Album.
1999 Nach und nach die früheren Alben entdecken, „Pablo Honey“ schnell als verzichtbar abtun, „Anyone Can Play Guitar“ allerdings nicht mehr aus dem Kopf kriegen. „The Bends“ mögen, sehr mögen sogar, jedoch nie dieses unbedingte „angekommen sein“ empfi nden, das „Ok Computer“ erzeugt hatte. „Itch“ eigentlich nur wegen „Faithless, the Wonder Boy“ unbedingt haben wollen, irgendwann in ferner Zukunft viel Geld für einen Import aus Japan hinblättern. „My Iron Lung“ auf Minidisc immer dabei haben, sich von allen unverstanden fühlen und das Gefühl aber mögen. Die Musik auf den Ohren als Bestätigung begreifen, anders zu sein. Alleine gegen die Welt antreten wollen, oder doch zumindest alleine mit Radiohead im Rücken. Schwer pubertär, aber grossartig. Dennoch immer wissen; „The Bends“, „My Iron Lung“, „Itch“, das sind die Alben fürs Gemüt, „Ok Computer“ ist der Schlag in die Fresse, das Album, welches die reale Welt in Trümmer haut und eine bessere erstehen lässt.
2000 Sich so unfassbar auf dieses neue Album freuen, das da „Kid A“ heissen soll, sich mehr freuen, als man sich je zuvor auf eine kommende Erscheinung gefreut hat. Das Album kaufen, mit zitternden Händen auflegen und sachte verstört vor der Anlage sitzen. Weglegen, neu auflegen, wieder weglegen, wieder neu auflegen. Keine so explosive Begeisterung entwickeln wie ein paar Jahre zuvor, dafür eine hinterrücks zuschlagende und beinahe kitschig tiefe Liebe. Sich fragen, wie man je hatte zweifeln können. Gleichzeitig immer noch mit „Karma Police“ durch den Raum schweben. Sich bei zweifelhaften Leuten die Videos zu den Songs von „Ok Computer“ laden. Tagelang Yorkes Gesicht in einem Aquarium vor dem geistigen Auge herumtragen.
2001 Sommerurlaub mit Freunden, schönes Wetter, Fussball, Schwimmen, dennoch eine Woche lang nur die neue Single hören. Sie heisst „Pyramid Song“ und ist ein verdammtes Monster. „Amnesiac“ sehr schnell ins Herz schliessen. Lernen, dass man „Packt Like Sardines In A Crushd Tin Box“ super mit blossen Händen auf einem Laternenmast spielen kann, das Album zum Soundtrack fürs kommende Abitur deklarieren. Radiohead spätestens jetzt zur Band fürs kommende Leben deklarieren. „Life In A Glasshouse“ hören und heulen.
2002 Abitur vorbei, Militärdienst, Zeit absitzen, Jacken millimetergenau schliessen, weil man sonst nicht zum Bier darf, was weniger wichtig ist, als die in kasernennahen Spelunken rumlungernden Mädchen, dennoch zuviel trinken und dann kotzen die Leute neben einem ins Bett. Alles in allem eine Scheisszeit. Die Single zu „No Surprises“ von einem mitfühlenden Zeitgenossen geschenkt bekommen, der wenig später mit leicht suizidaler Tendenz aus dem Militär entlassen wird. „I Might Be Wrong“ hören und den Rest ausblenden, die ganzen Idioten verstehen eh nichts, „Like Spinning Plates“ in dieser unfassbaren Liveversion auf Repeat und sich selbst dumm stellen, bis der Zirkus vorbei ist. Den Sommer mit „Bishop’s Robes“ verbringen.
2003 „Hail To The Thief“ ist da. Mal wieder begeistert sein, dennoch kleine Stiche der Enttäuschung verspüren, weil “Go To Sleep” der erste Radioheadsong ist, der nicht unbedingt auf die Insel mitkommen müsste. Tränen vergiessen bei mindestens „Sail To The Moon“, „Where I End And You Begin“, „Scatterbrain“ und „Wolf At The Door“. Endlich, endlich, endlich Tickets haben. Radiohead beim Southside sehen und sich danach für ein kleines Vermögen gleich noch einmal Tickets für Montreux kaufen. Weil es sein muss. Radiohead in Montreux sehen und darauf scheissen, dass am nächsten Tag noch Prüfungen anstehen, was ist denn die Uni gegen Radiohead. Nicht wissen, wie man nach Hause kommen soll. Stunden, vielleicht Tage nach dem Konzert noch mit grenzdebil glücklichem Gesicht durch die Welt schweben.
2004 „Com Lag“ kaufen, als Methadon. Urlaub mit Freunden machen, unglücklich verliebt sein, „The Bends“ wiederentdecken. „Fake Plastic Trees“ vor sich hin summen. Sich obskure Live- und Coverversionen von Radioheadsongs zusammensuchen, Features, all den Kram.
2005 Nach dem Radioheadalbum ist vor dem Radioheadalbum. Sich in regelmässigen Abständen quer durch die Diskographie hören, immer mal wieder Singles nachkaufen. Immer mal wieder flach auf dem Rücken liegen, weil die Musik einen von den Beinen gehauen hat.
2006 „Eraser“ kaufen, als Methadon. Als Methadon? Falsch. „Eraser“ als viel mehr als nur die Radiohead-Ersatzdroge schätzen lernen, nach London fahren und das Plattencover abwandern, „Harrowdown Hill“ komplett verfallen. Beim Four Tet Remix von „Atoms For Peace“ Käse auf der eigenen Gänsehaut reiben können. Mal wieder Tickets für ein Radioheadkonzert erstehen, sich wundern, wer zur Hölle die Magic Numbers vor ihnen auf derselben Bühne spielen lässt. Von einem launisch mit „new song!“ angekündigten „Down Is The New Up“ weggeblasen werden, von „Pyramid Song“ sowieso, immer wieder.
2007 Vor dem Radioheadalbum ist während dem Radioheadalbum. Plötzlich und unvermittelt ist es da, Preis für den Download selbst festzulegen. Einige Stunden schüchtern vor dem Monitor hyperventilieren, für eine horrende Summe die Vinylbox kaufen. Mal wieder wochenlang nur ein Album kennen. „You’ll go to hell for what your dirty mind is thinking.“, daraus prophetisches für den eigenen Lebenslauf ablesen, sich darüber wundern, dass es diese verdammte Band immer wieder schafft, einen so zu treffen, als hätte man noch nie Musik gehört. Obwohl man den Gerüchten um ein lange geplantes Konzept-Doppelalbum nicht glaubt, natürlich trotzdem eine gemixte „Ok Computer/ In Rainbows“-Playlist zusammenstellen.
2008-2010 Gesetztes „mit der Band älter werden“, das soll hier schliesslich etwas fürs Leben sein, da kann nicht jedes Jahr Trara und Explosionen und so. Immer wieder Songs zu Favoriten erklären, die entweder vorher schon irgendwie Lieblinge waren („The Gloaming“, „The National Anthem“, „You and Whose Army?“, „Polyethylene“) oder sich klammheimlich im Gehirn festgekrallt haben und nun nicht mehr weggehen wollen („Gagging Order“, „I Will“, tausend andere). Fast jeder Song ein persönlicher Lieblingssong, gerne auch mit biografischem Bezug.
2011 Mal wieder ein neues Album, mal wieder kurz vor knapp angekündigt und auf seltsamem Vertriebsweg. Ein Newspaper-Album, auch, was immer das heissen soll. Aufgeregt wie ein Medizinstudent vor dem ersten Zugang das Album in die Anlage schieben und sich darauf einstellen, die nächsten Tage nicht mehr aus dem Zimmer kommen zu wollen. Bittere Tränen der Enttäuschung vergiessen, als das nicht passiert. „The King of Limbs“ weckt das Verlangen, „Ok Computer Kid A Amnesiac“ zu hören, ist aber nicht zwingend genug, um selbst gleich wieder gehört werden zu wollen. Muss ein Fehler sein, natürlich wird das Album dennoch wieder und wieder gehört. Die Sogwirkung bleibt aus. Immerhin, „Codex“ ist der pure Wahnsinn und „Supercollider/ The Butcher“ entschädigen für einiges. Später im Jahr die Band live sehen wollen, was einem Unfall mit Terminverschiebung ihrerseits zum Opfer fällt. Trübsal blasen und sich mit dem Kauf der Remix-Platten trösten. Immer mal wieder den Soloprojekten fröhnen, „Bodysong“ für den Kopf, „Familial“ fürs Herz, „Eraser“ für beides.
2012-2015 Von Atoms for Peace nur semibegeistert sein, natürlich dennoch zum Amokkauf (harrharr) verleitet werden. Immer wieder versuchen, sich mit dem King of Limbs anzufreunden, immer wieder lieber mit den alten und liebgewonnenen Alben nach Hause gehen. „Tomorrow’s Modern Boxes“ kaufen, sich fragen, ob Yorke beim nächsten Mal Samen in ganz Europa pflanzt, deren Pflanzen Früchte tragen, die den Downloadcode beinhalten. Die Musik weniger spannend finden als den Gedanken an den Vertriebsweg. Sich dennoch weiterhin darüber freuen, eine Band zu haben, die einen schon seit Ewigkeiten begleitet. Da darf man auch mal motzen. Wird schon wieder besser werden und falls nicht, gibt es immer noch die Monolithen der Vergangenheit, die eigentlich auch schon für ein Leben reichen.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Klar. Ich habe im übrigen ein Radiohead-Intensiv-Wochenende hinter mir. Nichts hat genervt (was mich en wenig wundert) und es gab einen Verlierer und zwei Gewinner:
Ich habe "In Rainbows" noch nie so toll empfunden, dafür hat "Hail To The Thief" sehr verloren. Und nach wie vor verstehe ich noch nicht ganz, warum "OK Computer" ein Jahrhundert-Album sein soll. An dem Stellenwert von "Kid A" und "Amnesiac" hat sich für mich nichts geändert. Zweiter Gewinner? "King Of Limbs". Allerdings bleibe ich dabei, dass nach "Amnesiac" nichts Bahnbrechendes mehr kam.