"Platte des Monats in Rock Hard und Metal Hammer!" schreit mich ein ranziger Aufkleber auf der CD aus dem Second- Hand- Laden an. Warum, wissen die betreffenden Redaktionen wahrscheinlich nicht einmal selbst. Denn das ist ein recht merkwürdiges Album, das ziemlich unausgegoren klingt, wie eine Mischung aus ihrer Pop- und Industrialphase, ohne daß sich die Band über ihren weiteren Weg klar ist. Die schlechteste Kritik, die ich dazu las, war "Midnight Oil mit einem raspeligen Sänger oder James Hetfield, der bei U2 eingestiegen ist." Die Platte rockt melodisch, aber unspektakulär vor sich hin, unterlegt mit manchmal komischem Synthiegedüdel, das Mory und mich sogar einmal zum Telephon stürzen ließ, weil wir dachten, es ruft jemand an. ( Synthesised textures from keyboardist Nick Holywell-Walker added to the concoction, sagt Wikipedia. Nun denn.) 10 Songs, manchmal gitarrenlastig ("Absent Friends", "Another Bloody Election"), aber allesamt merkwürdig mitsingtauglich. Das führt gelegentlich zu einem Volltreffer ("Prozac People"), aber leider auch zu Totalausfällen wie dem eklig schunkelseligen "Lanterns". Allgemein wirkt die Platte von der Gesamtstimmung freundlicher als die beiden psychotischen Vorgänger (was wahrscheinlich daran lag, daß der mittlerweile in Neuseeland [die nukleare Apokalypse überleben, ya know] ansässige Jaz Coleman sich mittlerweile verstärkt seinen Orchesterprojekten widmete) und wurde wieder von Bassist Youth produziert. An den Drums sitzt wie bei "Pandemonium" Geoff Dugmore. Kleine Anekdote dazu: The album sessions culminated in a full moon drumming fire ceremony on a small island on the river Thames at Henley, with Youth reportedly braving the murky waters for a naked swim.
Überzeugend wirkt das Ganze trotzdem nicht auf mich. Ich lege "Democracy" zwar relativ oft auf, aber gerne als Hintergrundbeschallung. Zu packen vermag es mich nur in seltenen Momenten.
*** mit Tendenz nach oben.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Was Killing Joke betrifft, hab ich eine riesige Bildungslücke. Ich kenne eigentlich nur Eighties durch Poptrivialwissen, weil der Song anfängt wie Come as You Are bzw. anders herum. Höre mir gerade die Compilation "Laugh? I Nearly Bought One" an und muss sagen, das Frühwerk hätte ich so mit 16, 17 verschlungen, hätte ich die Band, abgesehen von diesem Cover Artwork gekannt. Das war genau mein Sound. Mittlerweile gefällt mir dieser bleiernde Industrialsound immernoch gut, aber so darin versinken wie damals kann ich nicht mehr. Werde mich trotzdem mal nach und nach durch die "wichtigsten" Alben hören.
Ich bin irritiert, wie frappierend der Rhythmus von "Love Like Blood" an Grace Jones' "Love Is The Drug" erinnert. (Gerade habe ich gelernt, dass Letzteres eine Cover-Version ist und eigentlich von Roxy Music stammt. Man lernt nie aus.)
Mit Nighttime, Democracy, Pandemonium, der Selbstbetitelten von 2003, Hosannas... sowie der verzichtbaren RMXD Compilation (Extented und Dub-Mixe der Jahre 1984 bis 1988. juhuu) ist die mittlere und späte Bandphase bei mir ganz gut abgedeckt. Die für mich aus heutiger Sicht wohl interessanteren Bandjahre deckt nur Laugh... ab und macht auch direkt Lust, mich mit jener Phase stärker zu befassen. "Turn to red" funktioniert als irrer Dub immer noch hervorragend, "Pssyche" ist und bleibt ein Brett und überhaupt, alle der Songs der ersten drei Alben funktionieren im Moment ganz prima. Gleich mal bei Amazon schauen...
Das zweite selbstbetitelte Album nach 1980 markierte das Ende einer siebenjährigen Pause ohne neue Veröffentlichung, und da der Band mittlerweile der Drummer abhanden gekommen war, übernahm Killing - Joke - Fan Dave Grohl für eine Platte den Job, auf eigenen Wunsch ohne Bezahlung. Auch Paul Raven war mittlerweile an den Baß zurückgekehrt. Das Ergebnis ist einmal mehr ein furioses Comeback, mit dem in der Form niemand mehr gerechnet hätte. Andy Gill (Ex- Gang Of Four), der diesmal die Produktion übernahm, verpaßte der Platte sägende Gitarren und einen wuchtigen Drumsound, so daß Dave Grohl schon bei seinem Einsatz nach den anfänglichen Gitarrenriffs im Opener "Death And Ressurection Show" rauchende Trümmer hinterläßt und auch ansonsten alles kurz und klein schlägt. Das Album ist sehr monoton und Industrial - Metal- lastig, was sich daran zeigt, daß schlechte Kritiken von einer "Verrammsteinung" der Band sprachen, was ich als einen ziemlich haltlosen Vorwurf betrachte. Triebfeder für dieses Album war laut Coleman die Wut auf den Irak- Krieg und der Haß auf die beteiligten westlichen Regierungen, welcher sich als roter Faden thematisch durch alle Songs zieht, und auch die Apokalypse ist mal wieder ein gerngenommenes Thema wie auf "Asteroids", dem härtesten KJ- Song bislang. Der Gesang variiert zwischen der Frühphase der Band und "Schaum vor dem Mund" und klingt phasenweise dermaßen irre und nach einem Eimer Kotze, daß es erstaunlich ist, daß das der Mensch sein soll, der auch "Love Like Blood" gesungen hat. Für mich hat das Album einen besonderen Stellenwert, da es ein Geburtstagsgeschenk war, zu einem Zeitpunkt, als ich wie viele hier mit der Band wenig verband. Also hörte ich es mir dem schenkenden Freund zuliebe an und wurde fast schlagartig Fan, was die Beschaffung des kompletten Backkatalogs in kürzester Zeit zur Folge hatte. Deswegen:
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We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Höre gerade den Nachfolger und bin mal wieder begeistert vom Zenit des absoluten Wahnsinns. Das Video des Titeltracks sollte man niemandem vorenthalten, vor allem, wenn er noch das bisweilen schwülstige Pathos der 80er in Erinnerung hat.
Komplette Tollwut:
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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The band recorded the album in "Hell", the darkest basement studio at Studio Faust Records run by Richard "Faust" Mader in Prague, Czech Republic. They made extensive use of Faust's vintage recording equipment from the late 1970s to achieve the atmosphere of the album.
Und genau so klingt es auch. Ein sehr räudiges, bösartiges Stück rostiges Blech, das sogar in opulenten, mit Gastmusikern aufgenommenen Stücken wie "Invocation (Of The Whore Bitch Godess Babylon)" rumpeligen Radioweckercharme verbreitet. Dieses Stück, welches sieben Minuten lang ein einziges Riff reitet, ist auch dasjenige, welches sich sofort ins Gehirn dübelt und es nie wieder verläßt. Ansonsten verlegt sich Jaz Coleman weitgehend auf's Schreien und Grölen, was den Normalhörer spätestens an dem Punkt die Flucht ergreifen läßt. Natürlich hat der Sound in Verbindung mit den monotonen Endlosriffs auch Nachteile: auf Dauer wird alles recht gleichförmig, und ich vermag dem Album nicht immer aufmerksam zu folgen. Etwas Abwechslung wie auf dem Vorgänger täte diesem recht ähnlich gearteten Album ganz gut, aber wo ebenda Dave Grohl bleibenden Eindruck hinterließ, klopft sein Nachfolger Ben Calvert halt einfach seinen Stiefel durch. Nichtsdestotrotz: ein sehr gutes Album ohne Ausfall, wenn es auch in kleineren Dosen immer noch am besten funktioniert.
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We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Davon abgesehen: habe meine Rezensionen erfolgreich dem OX angeboten, will heißen: demnächst erscheint die Rezension der Killing - Joke - Alben nach einer Überarbeitung meinerseits gedruckt. Wenn schon, dann richtig.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Ich bin von der Singles Collection übrigens recht angetan, die ich mir im Zuge der Aktion hier gekauft hatte. Möglicherweise nicht meine letzte Beschäftigung mit der Band.
King, du hast soeben, oder besser vor ein paar Tagen/Wochen jemanden, nämlich mich, dazu bewegt, mal alles hier nachzulesen und sich endlich mal intensiver mit dieser sehr guten Post-Punk-Band zu beschäftigen!
Bisher sind meine Kenntnisse bezogen auf ihren gesamten Output eher frugal.
The new album from Jaz Coleman sees the Killing Joke frontman collaborate with the St Petersburg State Symphony Orchestra on new versions of classic Killing Joke songs from throughout the band’s career. ‘Symphonic Killing Joke’ will be available on download and signed CD or LP, alongside a host of exclusives – from attending the recording of the album in Russia to signed music scores and artwork. There will also be a very exclusive one-off London ‘PledgeMusic Presents’ show, featuring Jaz and accompanying orchestra – to be added at a later date.