Ich bin kein Kenner der USA- aber das Problem der kulturellen Aneignung scheint mir eine lange Tradition zu haben. Man denke an die enorm populären Minstrel Shows im 19. Jhr.. Sie haben sicherlich bis heute eine gewisse Nachwirkung was die Stereotypen und das Showbusiness betrifft.
„Magazine klingen progressiv, wenn sie ‚A Seat At The Table‘ abfeiern. Aber allein dass sie es rezensieren, steht ironischerweise genau mit der kulturellen Aneignung im Einklang, über die sich Solange auf dem Album auslässt. Viele Weiße lieben diese Songs, aber sie haben die zweite Ebene nicht verstanden, andernfalls würden die Texte in ihnen eine gewisse Demut und Zurückhaltung befördern“, sagt Kelela. ... „Man konnte das während Solanges Festivalauftritten sehr gut auf Twitter verfolgen. Da schrieben schwarze Frauen unter anderem: ‚Vor der Bühne nehmen uns die Weißen den Platz weg. Wissen sie nicht, dass es hier um uns und unsere Sache geht?‘ Viele Weiße sagen Dinge wie: Ich habe Malcolm X gelesen, ich habe ‚A Seat At The Table‘ gehört, ich habe es kapiert! Und dann haken sie es ab.“
„Ich glaube nicht, dass Weiße meine Kunst wirklich begreifen. Versteh mich nicht falsch, ich möchte, dass alle Menschen meine Musik genießen, ich will aber auch, dass sie wissen, dass ich diese Lieder nicht für sie gemacht habe, sondern in erster Linie für schwarze Frauen wie mich.“
„Man muss sich ständig solcher Dinge wie Rassismus und Sexismus bewusst sein – nicht nur behaupten, etwas verstanden zu haben, und es dann ad acta legen. Die Demut, dass man etwas eben nicht versteht, führt zu viel besseren Ergebnissen als dieses Gefühl von ‚Yes, I got it‘. Man kann als Weißer meine Songs aufmerksam hören und sie lieben. Es zählt jedoch, was danach kommt. Welche Entscheidungen triffst du jetzt, hat sich in dir eine Sensibilität geregt? Das sind die großen Fragen. Und das ist auch der Ausgangspunkt meiner Musik.”
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
Wie kann Solange Knowles als reiche Musikerin für sich in Anspruch nehmen, für ökonomisch unterprivilegierte schwarze Frauen zu sprechen? Das ist soziale Aneignung. Pfui, sage ich!
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Man muss sich des Rassismus bewusst sein und deshalb dürfen Weiße bei Konzerten nicht vorne stehen? Inzwischen bleibt ja wirklich jeder Mist unwidersprochen.
Zitat von Mirabello im Beitrag #77Interessante Statements von Kelela:
„Ich glaube nicht, dass Weiße meine Kunst wirklich begreifen. Versteh mich nicht falsch, ich möchte, dass alle Menschen meine Musik genießen, ich will aber auch, dass sie wissen, dass ich diese Lieder nicht für sie gemacht habe, sondern in erster Linie für schwarze Frauen wie mich.“
Das klingt nach ganz schönen Schranken und Schubladen im eigenen Kopf
mit der gleichen logik, wie sie kelela anwendet, lässt sich auch argumentieren, dass sie als schwarze frau nicht wissen kann, wie ihre musik bei nicht-schwarzen männern und frauen ankommt.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
"Der Nationalsozialismus hat sich vorsichtig, in kleinen Dosen, durchgesetzt – man hat immer ein bisschen gewartet, bis das Gewissen der Welt die nächste Dosis vertrug." Stefan Zweig
Ich glaube, man muss diese ganze Debatte immer mit dem Hintergedanken betrachten, dass sie aus den vereinigten Staaten kommt, wo sowohl kulturelle Ausbeutung als auch rassistisches Schubladendenken viel weiter verbreitet sind, als hier. Hinzu kommt, dass man die grundsätzlichen Ideen dieser Kritik nicht deshalb über den Haufen werfen sollte, weil manche laute Stimme in der Diskussion über das Ziel weit hinaus schießt oder sich in eigenen Rassismen ergeht, die wiederum oft nicht reflektiert werden.
Zitat von Mirabello im Beitrag #84Hugh! Die weißen Männer haben gesprochen!
Entweder bist du ein weißer Mann, dann ist deine Meinung genau so „der weiße Mann hat gesprochen“, oder du bist kein weißer Mann, dann hast du überhaupt kein Recht, uns und unsere Aussagen zu kritisieren, weil du sie nie verstehen wirst.
Wie schnell diese blöde Diskussionskultur ins Nichts führt...
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Mich stört die Aussage nicht. Im übrigen glaube ich, dass das Schubladendenken hier ähnlich weit verbreitet ist, wie in den USA, und dass es gar nicht so einfach ist, das zu überwinden. Mir gelingt das auch nicht, aber ich arbeite daran.
Ansonsten ist es doch jenseits des Mainstreams (da ist er wieder) doch fast zwangsläufig so, dass Musik für bestimmte Zielgruppen gemacht wird. Und die hat doch tatsächlich meistens den gleichen Erfahrungshorizont wie die Künstler. Bei Kelela sind das hält junge schwarze Frauen, die sie am besten verstehen. Ich würde fast behaupten, dass sie da gar nicht so falsch liegt.
Nur, weil wir uns das wünschen, dass Rassismus nicht mehr existiert, heißt das nicht, dass er nicht immer noch Realität ist. Und das Denken der betroffenen prägt und zu Schränken und Schubladen führt.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Ok, noch mal anders ausgedrückt: Ich glaube schon, dass rassistisches Schubladendenken, auch wenn es meinetwegen ähnlich weit verbreitet sein mag, wie in Deutschland, in den USA doch mehr vom kulturellen und gesellschaftlichen Leben strukturiert und noch eine Stufe schärfer als hier die Wahrnehmung von Individuen und Erwartungen an Verhalten einfärbt.
Was ich mit meinem Hinweis meinte, war auch nicht, dass man verdrehte Positionen wie die oben zitierte einfach "hinnehmen" muss. Gleichzeitig finde ich es aber schon auch auffällig, dass diese Diskussion hierzulande eben in ganz großen teilen eine importierte Debatte ist, die sich zumeist auf Quellen bezieht, die eben auf unsere Gesellschaft aus oben genannten Gründen nur zum Teil anwendbar sind. Und ich finde es schon interessant, zu beobachten, dass in Diskussionen zu kultureller Aneignung hier (und damit meine ich nicht nur hier im Forum) eben oft radikale, überdrehte Stimmen herangezogen werden, die den Kern der eigentlich sinnvollen Debatte meiner Meinung nach verzerren. Dass andere Vorkämpfer für mehr Bewusstsein für kulturelle Aneignung eben nicht so hysterische Töne anschlagen, wird dabei oft nicht so recht gesehen. Das hat den Effekt, dass die Unterhaltung über dieses Thema oft abdriftet in Tonalitäten wie "Jetzt wollen sie mir aber alles verbieten, was Spaß macht" und "Jetzt wird aus politischer Korrektheit aber Kulturessenzialismus". Ich kann diese ablehnenden Gefühle über so radikale Positionen völlig teilen, bin aber doch erstaunt, dass es eben immer wieder diese Stimmen sind, die in der Diskussion des ganzen gestreut werden.
Zitat von Johnny Ryall im Beitrag #88 Ansonsten ist es doch jenseits des Mainstreams (da ist er wieder) doch fast zwangsläufig so, dass Musik für bestimmte Zielgruppen gemacht wird. Und die hat doch tatsächlich meistens den gleichen Erfahrungshorizont wie die Künstler. Bei Kelela sind das hält junge schwarze Frauen, die sie am besten verstehen. Ich würde fast behaupten, dass sie da gar nicht so falsch liegt.
Dass die Texte von Kelela junge schwarze Frauen vielleicht am besten verstehen, mag vermutlich so sein. Ich fände es aber schade, wenn sie selbst ihre Kunst darauf reduzieren würde. So eine Platte hat ja auch mehrere Ebenen. Es gibt ja nicht nur die eine Art Musik zu erleben und es sind ja eben nicht nur die Texte. Zudem haben auch andere Leute mitgearbeitet. Ein Arca z. B. hat sich gewiss ebenso künstlerisch und emotional eingebracht. Ein Mann, der sicher auch etwas zu sagen hat und dem Themen wie Ausgrenzung und Minderheiten sicher nicht ganz fremd sind. Aber wer weiß, wie sie das alles wirklich gemeint hat.