Gestern gab's natürlich auch jede Menge Highlights. Zum Beispiel Courting, ich durfte die Cowbell spielen und warte jetzt noch auf meine Gage. Und Porridge Radio, was eine Power.
Gerade stolpern wir aus dem Jugendheim. Erste Reihe "Bo Ningen". Ein seeliger Abriss zwischen Stricknetzhemd, groovendem J-Rock, Noise mit einem Drummer zum Niederknien. Geilo.
Heute wartet mit Famous dann eine Lieblingsband. Eine andere, Just Mustard, wollte ja nicht, die fehlten mir gestern sehr. More later.
Im etablierten, gut eingespielten Team (nur JOAT konnte nicht auflaufen und wurde natürlich vermisst) ging es zum inzwischen siebten Mal für mich auf das tollste Festival Europas (mindestens):
Donnerstag Los ging es mit einem Kirchenkonzert: Die irische Songwriterin Susan O'Neill sollte eigentlich zusammen mit dem ebenfalls irischen Sänger Mick Flannery (die beiden hatten zuletzt ein gemeinsames Album aufgenommen) auftreten, aber er machte kurzfristig den JOAT. Hat aber nicht gestört, mit einer zweiköpfigen Band präsentierte O'Neill schöne Folkpoplieder mit Message, Charme und Dynamik. Nicht ganz meine Baustelle sowas, aber kann man schon mal machen. Ein Lied war den Bäumen gewidmet, gut so. Dann ging es ab in die legendäre Popbar zu Butch Kassidy. Das juvenile Noise/Post/Lärm Rock Quintett aus London ist hauptberuflich vermutlich ein Abrissunternehmen, ein Glück dass die Statik der Popbar der Truppe gewachsen war. Gitarrenriffs wie ein landender Jet, mal zeitlupenhaft, mal schneller, dazu ein komplett irrer Berserker am Schlagzeug, das sich während des Auftritts zunehmend in seine Einzelteile zerlegte. Großartig! Weiter zum Matschfeld vor der Hauptbühne: Marina Herlop aus Katalonien ist klassisch geschulte Sängerin und verbindet klassischen, manchmal operettenhaften Gesang samt Background-Sängerinnen mit minimalistischen Klavier- und Electrotupfern sowie angedeuteten Beats. In etwa so anstrengend wie die letzten drei Alben von Björk zusammen, aber natürlich nicht ohne Charme und tolle Momente. Aber wer plant so einen Act auf die Hauptbühne? Das Haldern Pop- Tonstudio wäre dafür die perfecte Location gewesen. Trommelwirbel und maximale LFB-Vorfreude für Nation of Language im Spiegelzelt. Da ja die wunderbarn Just Mustard abgesagt hatten, war das meine letzte wirklich gesetzte Band in den drei Tagen. Vollkommen zu Recht. In der ersten Reihe, Mitte (offenbar ist das in diesem Thread eine ganz zentrale Information) ließ sich der Synthpop des Trios aus Brooklyn hervorragend genießen. Der schönste Song des Musikjahres 2023 ("Weak in your light") kam früh im Set schon prima zur Geltung, die anderen Songs waren aber nicht schlechter. Im September kommt die Band auf Deutschlandtour, da überlege ich noch drauf herum. Wir blieben im Zelt bei Wunderhorse aus Großbritannien. Die Band eröffnete u.a. schon für die Pixies, Foals und Fontaines D.C., auf diesem hohen Niveau bewegten sich auch die ersten drei Songs. Danach kippte mir das Set aber leider zur sehr in Richtung vorhersehbarer, kitschiger Grunge- und Emo-Balladen irgendwo zwischen Bush und Creed. Auf der Hauptbühne dann (das anzuschauen war nicht meine Idee) ein gewisser Tom Odell. "Kennt kein Mensch", dachte ich mir, allerdings ging das Haldern-Publikum komplett steil und sein bekanntester Song hat immerhin 1,8 Milliarden Streams bei Spotify. Nun gut, er sieht aus wie ein junger Howard Carpendale und macht so Klaviermusik im Stil von Ten Sharp. Da er ein begnadeter Entertainer ist (und ich die Alben von Ten Sharp als Jugendsünde im Regal stehen habe), ging das schon auch mal in Ordnung. Den Abschluss machten ebenfalls auf der Hauptbühne die Leoniden aus Kiel. Auch nie von gehört, aber wohl in der Generation Z eine recht große Sache. Electro Punk House Pop Hip Hop- mit teilweise arg übertriebenem Rumgehüpfe, das in jeder Sekunde nach einer Familienpackung Ritalin verlangte aber gut gemacht war da schon und der Sänger hat in der Tat eine tolle Stimme.
Freitag Aufgrund einer Verknüpfung unglücklicher Zufälle, die alle irgendetwas mit Pizza zu tun hatten, landeten wir ungeplant in der Kirche bei Lie Ning, Musiker, Model und Tänzer aus Berlin. Zwischen flammenden Reden für die LGTBQ- &POC-Community gab es okaye bis packende Songs zwischen Soul und House mit emotionaler Stimme. War ok, vielleicht insgesamt eine Spur zu offensichtlich auf den Spuren von Ahnoni und bei der Akustik der Kirche empfiehlt es sich, beim nächsten Mal nicht ganz so wuchtig auf die Drums einzudreschen. Danach wollten wir Post Punk von Courting im Spiegelzelt schauen, aber da sich wg. Just Mustard der Ablauf geändert hatte, spielte dort noch mal Susan O'Neill, die wir ja schon am Donnerstag in der Kirche gesehen hatten. Dann eben ein zweites Mal angeschaut (Front of stage natürlich, ihr wisst schon...), ohne das 15-sekündige Echo der Kirche kamen die Songs auch nochmal besser zur Geltung. Der Song über und für Bäume wurde auch wieder gespielt, die erzählerische Einleitung fiel aber schon deutlich kürzer aus als in der Kirche. Anschließend ging es über das Weinzelt direkt zur Matthis Pascaud & Hugh Coltman vor die Hauptbühne. Ziemlich kerniger und kurzweiliger Auftritt, ich musste stilistisch manchmal ein bisschen an Tom Waits denken, aufgrund des Weinzelt-Incidents habe ich aber auch nicht so ganz klare Erinnerungen an das Konzert. Weiter mit Schlagseite zu Gurriers ins Spiegelzelt. Die irische Indie/Post Punk Band sowie das große Gepoge vor der Bühne waren der perfekte Wachmacher nach der Sache mit dem Wein. Ich hatte wirklich sehr viel Spaß daran, auch wenn Musik und Auftritt mit nüchternem Kopf betrachtet vermutlich gar nicht so spektakulär waren. Dann zurück zur Hauptbühne für Porridge Radio, deren Schrammelpop mag ich immer ganz gerne, konnte aber den Rummel um die Band nie so ganz verstehen, für mich okaye Playlisten-Musik in einem mit weitgehend identisch klingenden Bands dicht besetzten Genre. Ich fand den Auftritt dann auch eher nur ok. Bei aller Sympathie, für so eine Band ist so eine Mainstage einfach eine Nummer zu groß, im Spiegelzelt hätte mir der Auftritt vermutlich deutlich besser gefallen. Im Niederrhein-Zelt wollten wir dann Mick Flannery anschauen, aber stimmt ja, der war ja ausgefallen. Stattdessen spielte kurzfristig eine gewisse Susan O'Neill aus Irland, die wir nun also zum dritten Mal sahen. Die Songs immer noch gut und der Gesangsvortrag charmant, nur die Anekdoten zwischen den Songs fielen inzwischen obskurerweise deutlich kürzer aus ("Yes, as you know, this next song is about trees...") Schnell zurück zur Hauptbühne für Bear's Den. Stylistisch zwar weitaus weniger meins als Porridge Radio und wie erwartet arg bieder, aber so eine typische Haldern Hauptbühnenband mit richtiger Hauptbühnenpräsenz eben, das hat schon gepasst. Das späte Highlight eines langen Tages war dann im Niederrheinzelt (das eigentlich gar kein Zelt war, sondern eine weitere kleine Freilichtbühne) das 45-minütige Set von Anusha Chkheidze aus dem schönen Georgien, wohnhaft in den Niederlanden. Spannende, sphärische, euphorisierende elektronische Musik zwischen House und Ambient. So neigt sich ein toller, erfreulich regenarmer Festivaltag zu Ende...
Samstag Tag drei, das Haar sitzt, die Motivation ist groß und die Taler-Kasse aufgefüllt. Ab in meine heimliche Haldern-Lieblingslocation, das vor wenigen Jahren durch gemeinschaftliches Engagement der Ortsjugend vorm Abriss gerettete Jugendheim. Wo ich 2019 mit dem lieben Squonk einen denkwürdigen Auftritt von Kikagaku Moyo erleben durfte, gab es nun erneut eine hervorragende japanische Band zu bewundern: Bo Ningen spielen großartig verqueren Noise rock mit ordentlichem Psychedelic-Anteil: Laut und toll war es, ja, der Squonk hätte daran ganz sicher auch seine Freude gehabt. Weiter zu Emilie Zoé aus der Schweiz auf der Hauptbühne. Erschreckend klischeehafter Folkrock von der Stange mit kalkuliert wirkenden Emotionsausbrüchen, leider ein ziemlicher Fehlgriff im Line-up. Im Anschluss Lanterns on the Lake ebendort, weil die der Thundebird sehen wollte. Mir war die Band aus Newcastle upon Tyne, die immerhin Radiohead-Phil Selway als Drummer für ihr aktuelles Album gewinnen konnte, bisher unbekannt, glücklicherweise konnte ich sie aber als echte Neuentdeckung verbuchen. Spannungs- und energiegeladene Songs mit erstklassiger Sängerin (Hazel Wilde), die ausgehend von sicherem Terrain (Alternative Folkrock ca. The Walkabouts) ihre Fühler in Richtung Shoegaze ausstreckt. Hier bleibe ich dran. Im direkten Anschluss durfte die polnische Pianistin Hania Rani auf der Hauptbühne an gleich zwei Klavieren und einem Synthesizer ihre sphärische Musik zum besten geben. Ich fand es durchaus interessant, aber sie saß da schon recht verloren auf der Bühne und dann auch noch die meiste Zeit mit dem Rücken zum Publikum. Ein weiterer Fehlgriff, sie auf die Hauptbühne vor ein bierseliges Publikum zu planen, das wäre im Jugendheim, der Kirche oder im Tonstudio ein tolles Konzerterlebnis geworden. Viel publikumswirksamer im Anschluss Glen Hansard. Der irische Troubadour legte mit drei Mitstreitern sehr hemdsärmelig mit seinem Folkrock los. Nicht weltbewegend innovativ, aber in den zahlreichen guten Momenten fühlte ich mich an Built to Spill oder Grant Lee Buffalo erinnert, das ist doch auch was. Der Thunderbird wollte zwar heim, ich konnte ihn aber anschließend noch zu The Comet is Coming um den Tausendsassa Shabaka Hutchings und anschließend Protomartyr überreden. Erstere waren mit ihrem brachialen Electro-Jazz so toll wie erwartet (und gefielen mir wie auch "auf Platte" besser als die Sons of Kemet, die ja letztes Jahr spielen durften). Abschließend Protomartyr, die bei mir trotz viel Zuspruch im Forum auch immer ein bisschen unter Radar geblieben sind: Erfreulich "tighte" Rhythmusgruppe, wie wir so zu sagen pflegen, die Songs humorlos brachial dahinstampfend, während Joe Casey als wütend keifender Poet mindestens einen Sixpack Bier verköstigte. Klasse Band, klasse Abschluss eines tollen Festivals.
The famous Fazit: Hach, dieses feine Festival bot trotz schwieriger Witterung wieder massenhaft tolle Musik und viele interessante Gespräche mit alten und neuen Freunden in dieser so speziellen freundlich-hippiesken Haldern-Atmosphäre. Prinzipiell merkt man schon, dass das Haldern-Team aufgrund begrenzten Möglichkeiten zur Einnahmesteigerung (das Gelände ist eben räumlich begrenzt und man möchte ja bewusst "klein und charmant" bleiben) bei stark gestiegenen Kosten (v.a. Security-Auflagen) in den letzten Jahren zunehmend beim Line-up spart, aber das halte ich im Vergleich zu den Alternativen für die richtige Entscheidung. Besser viele interessante, aber überwiegend unbekannte Namen als mit der finanziellen Brechstange drei große Headliner zu engagieren, auch beim Ticketpreis sehe ich keinen großen Spielraum nach oben. Einziger Kritikpunkt ist allerdings, dass die Stilsicherheit beim Erstellen des Line-Ups von Jahr zu Jahr weniger dem Selbst- und Sendungsbewusstsein des Organisationsteams gewachsen ist, v.a. die Aufteilung der Bands auf die Haupt- und die zahlreichen Nebenbühnen war für mich teilweise absurd, so entstand aufgrund viel zu eklatanter Stilbrüche auch nie ein wirklicher "Flow" ebendort.
Gerade nachgerechnet, dass das 22 komplette Konzerte in drei Tagen waren und dann gestern abend noch Tocotronic in Dinslaken, kein Wunder, dass ich so platt bin.
Danke für den ausführlichen Bericht. Ich bezweifle, dass ich die nächsten Jahre mitkomme. Es sei denn, ich gewinne im Lotto. Dafür müsste ich aber spielen.
Die letzten Sechs in der Playlist: Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed || Idles - Joy As an Act of Resistance || Wild Nothing - Indigo
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Ein bisschen etwas für die Statistiker:innen unter uns
Zahlen/Zahlen/Zahlen
Schritte: ca. 56.000 Bei Konzert mitgespielt: 1 Die Gefühle gefühlt: Oft genug Gegessene Handbrote: 1 Legendäre Dorfpizza verputzt: 1 Über das Wetter geflucht: 0 Beim Frisör im Ort gewesen: 1 Preis für spontan verpflichtete Gummistiefel: 20 € Gestreichelte Hunde auf dem Hinweg: 0 Gestreichelte Hunde auf dem Rückweg: 2 Dreckige Gummistiefelpaare im Hausflur des Gasthofes: 12 Halderns insgesamt: 8 Ranking: 2022, 2011, 2019, 2021, 2023, 2012, 2013, 2015*
*Das ist halt so, als würde man die Songs auf „Silent Alarm“ ranken. Ja, „Blue Light“, das hat leider nur für Platz 13 gereicht, aber vielleicht tröstet dich die entspannte Wertung von 10/10 darüber hinweg.
Intro
Es sollte wieder anfangen zu regnen, als ich Sonntag mit Otis an der Leine seine Hundepension verließ und die Landstraße entlanglief. Auf dem knapp zwanzigminütigen Fußweg zu unserem Bus erzählte ich ihm alles, was ich hier einmal für euch aufschreibe; ich ging ins Detail, sparte kein Erlebnis aus und keine Pommes, schließlich gab es von beidem doch so einige. Während er ab und an aufblickte, als ich meine Euphorie mit ihm teilte, schien mir sein Blick mitzuteilen, dass auch er eine Pommes möchte. Ich kann es ihm nicht verübeln. Wir haben alle Prioritäten. Das hier habe ich ihm erzählt:
Otis (oder jetzt, liebe Forum-Leser:innen), 2022 wird auf ewig das beste Haldern bleiben, da lohnt sich das Konkurrenzverhalten sowieso schon nicht. Black Country, New Road auf der Hauptbühne und natürlich mit 30 Leuten im Tonstudio beim Improvisieren, ein Ereignis, für das man so niemals ein Ticket kaufen können wird. Das muss einem passieren, und dass mir das passiert ist, das prägt, das macht etwas mit einem. Aber gut, das war dann eben die Kombination mit Squid, Black Midi und den zig Highlights und abenteuerlichen Brookings, aber davon habe ich dir letztes Jahr erzählt.
Donnerstag
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Abwechslungsreichtum. Das ist ja etwas, das man dem Haldern gerne unterstellt, was soweit in Ordnung ist, es stimmt ja auch. Das Wetter macht da gerne mit. Letztes Jahr ergossen sich die 35° über uns, dieses Mal der Regen. Meine alten Festival-Sneaker sollten mich noch auslachen, als ich sie in die Plastiktüte steckte. Jetzt habe ich den Witz verstanden, als es nach der Ankunft nicht aufhören wollte zu regnen und wir unseren Regenjacken so nah waren wie nie. Der smarte Schuhladen im Dorf verhökerte mir ein paar dringend benötigte Gummistiefel, bevor wir jelous getteten, weil Menschen es in die Pop Bar geschafft haben, um Get Jealous zu sehen. Get it? Klingt alles hervorragend, aber irgendwann wurde es dann doch Zeit einzuchecken.
Mein achtes Haldern bedeutet auch zum achten Mal die legendäre Dorfpizza zu verspeisen, die es innerhalb von 12 Jahren geschafft hat, gerade mal 2 € mehr zu kosten. Man speist hier in der Zeilupeninflation, and I like it. Da sich das Line-Up zu diesem Zeitpunkt eher im egal-eingestuften Bereich angesiedelt hat, wird Kraft getankt, und das erste Highlight auf dem Gelände anzusteuern.
Es wird Zeit für das Spiegelzelt. Zu dem habe ich eine innige Beziehung. Für mich ist es eine der besten Konzertlocations überhaupt. Völlig egal, wie das Wetter draußen ist, im Inneren dieses elegant verschmutzten Spiegeltempels ist Raum für großartigen Sound, viele schwitzende Körper und diese Energie, die sonst nur Clubkonzerte bieten können. Die beste Idee, die Reichmann & Co. je hatten.
Special Interest ist eine queer-feministische Electro-Punk-Band, die den sich nicht bewegenden Typen, die vor uns in Reihe 1 stehen, mächtig eingeheizt haben (sympathisch!). Sie stellten meinen Ohrenschutz auf die Probe. Wummernde High-Speed-Beats, quengelnde Gitarren und eine nicht jugendfreie Performance (die Sängerin wollte, dass der Kameramann ihren entblößten Schritt filmt, was er dann auch tat; call me spießig, aber muss nicht sein). Sie rannte (so gut das eben ging) durch das Publikum, powerte sich durch den Auftritt und war in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Nur ihre Spucke hätte sie bei sich behalten können (unsympathisch!).
Der große Gegenentwurf war dann Marina Herlop, eine Künstlerin, deren Album ich sehr schätze. Es erschien letztes Jahr auf dem Weird-Pop-Label PAN aus Berlin, das mir schon Künstler:innen wie Yves Tumor (als sier noch gute Musik gemacht hat), Upsammy, Eartheater oder Objekt gebracht hat. Tolle Platte, wie das live auf der Hauptbühne (!) passen soll und das um 18 Uhr, weiß ich nicht. Sie gehört entweder ins Zelt oder ins Tonstudio. Dachte ich. Stimmlich kann sie so viel. Ihre in Eleganz badende und dabei doch verschrobene Avantgarde-Pop-Musik mit elektronischen Elementen ist nichts, wofür das Haldern steht (oder stehen darf, mh), aber dieser digitale/analoge Parallelwelt-Pop für Fans von Arca und Co. ist einfach etwas für mich.
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Die Matschepampe, die sich wie ein sumpfiger Teppich über das Gelände erstreckt, das sie Campingplatz und Festivalplatz nennen, gönnt sich inmitten des ständig zurückkehrenden Regens ein paar Überstunden. Letztlich sollte es aber kaum der Rede wert sein, wenngleich der Kontrast zum Vorjahr immer auffälliger wird. Egal. Zurück zur Musik. Es ist seit Jahren kein Geheimnis, dass ich Nation of Language liebe, aber um hier einen anständigen Platz zu ergattern, sollte man noch ein bisschen bei NNAMDI reinschauen. Kein Problem, wird gemacht. Von draußen. Die übergroße Leinwand ist noch so eine geniale Erfindung, die es ermöglicht, Spiegelzelt-Konzerte auch vor dem Zelt zu erleben, wenn es mal nicht anders geht.
Also, Nation of Language. Frontrow, direkter Blick aufs Geschehen. Darunter geht es bei ihnen nicht. Nach fünf Jahren scheint die Band endlich auch flächendeckend andere Ohren in Deutschland zu erreichen, was mich wahnsinnig freut. Der zackige, zugegebenermaßen nicht besonders an Originalität interessierte Synth/Wave-Pop der New Yorker:innen überträgt sich mühelos auf die Bühne, welche zum Glück genügend Platz bietet, um die formschönen Tanzfiguren des Sängers aufnehmen zu können. Das an Deutschland gerichtete Dankeschön à la „Danke für die Musik, die ihr erfunden habt, damit wir sie spielen können“ wird mal nicht hinterfragt, die Laune bleibt golden. Absolutes Highlight. Seid so nett und checkt die Alben, Singles und auch die neue Platte im September ab. Wir hatten eine überbordend großartige Zeit und ich kann nur immer wieder betonen, wie toll das ist, diese Dinge mit dem Menschen zu erleben, den man am allertollsten findet.
Das alte „Zwischenzelt“ auf dem Hauptgelände gibt es nicht mehr. Stattdessen wurde ein kleineres Niederrheinzelt errichtet, das sich abseits der Hauptbühne im Epizentrum der Matsche befindet. Es ist eingerichtet wie eine Bar und hat eine Atmosphäre wie ein kleiner Club mit einer winzigen Bühne und etwa 5 cm Platz zwischen Musiker:innen und Publikum. Ein schönes Update für passende Bands, sollte hier auch das Highlight und der Geheimtipp Bingo Fury auftreten (seine erste und hier im Regal wohnende Single ist auch schon wieder zwei Jahre alt). Technische Probleme verzögerten jedoch den Auftritt, was bedeutete, dass ich mich zwischen ihm und Sorry entscheiden musste. So sehr ich Sorry liebe, ich habe sie noch im Februar in Berlin gesehen, und Bingo Fury war nach eigener Aussage noch niemals außerhalb des UK unterwegs.
Also: Bingo Fury im Niederrheinzelt. Sein rotzig-eleganter Barjazz-Post-Punk mit Gitarre, Glockenspiel und Trompete wollte nicht weniger als Gänsehaut provozieren. Sie wechselten sich an den Instrumenten ab, spielten all meine Hits, groovten und croonten durch das Set und ich so: Hach. Im Anschluss habe ich ein Shirt gekauft und im Smalltalk erkundet, wann das Album kommt (Februar!) und wie es in Sachen Tour aussieht. Er braucht und sucht Konzertvenues. Mal sehen, was ich tun kann. Münster würde ihm stehen.
Panic Shack WOLLTE ich sehen, es ging schlichtweg nicht mehr. Energie werde ich am Freitag/Samstag genug benötigen, aber ich ließ mir sagen, dass die Band das hält, was sie verspricht.
Die Konzerte, die mit weniger Enthusiasmus oder eher halb aufmerksam geschaut wurden, lasse ich mal aus.
Sehr schön! Es fehlt natürlich noch ein Bild des zuhörenden Otis.
Weitere Nachfrage: Was war denn eigentlich mit den Nerven?
Die letzten Sechs in der Playlist: Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed || Idles - Joy As an Act of Resistance || Wild Nothing - Indigo
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #401Sehr schön! Es fehlt natürlich noch ein Bild des zuhörenden Otis.
Weitere Nachfrage: Was war denn eigentlich mit den Nerven?
Haha, da hab' ich ein kleines Video, wie er im Bus auf dem Rückweg versucht nicht einzuschlafen, das würde ganz gut passen. Die Nerven haben am Freitag gespielt (aber nicht gesehen), nicht am Donnerstag, der Part kommt als Nächstes.
Danke @LFB und @G. Freeman (da freue ich mich noch auf die nächsten Teile) für die schönen Berichte. Klingt nach einem tollen Festival.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen