Zitat von Olsen im Beitrag #132Das ist meine Meinung dazu. Tut mir leid, wenn sie nicht gefällt.
Ich finde ja nicht, dass man sich für legitime und legale Ansichten rechtfertigen muss. Ernsthaft zu behaupten, amerikanische Tech-Konzerne, Streaminganbieter oder gar Universitäten seien ideologisch auch nur ansatzweise neutral, finde ich im Gegenteil schon sehr absurd.
P.s.: Wenn man der "jetzt fang du nicht auch noch an"-Fraktion/Generation den Schlüssel zur Meinungsfreiheit überreicht, dann ist es eben vorbei mit der Meinungsfreiheit. Das ist aber leider der Prozess, der sich in der westlichen Welt bereits in vollem Gange befindet.
„Neutral“ habe ich nicht gesagt. „Beliebig“ oder „Flexibel“ würde es besser treffen. Oder willst du ernsthaft erzählen ein Konzern wie Amazon würde freiwillig auf Einnahmen verzichten, Konkurrenten womöglich einen Vorteil gewähren, um einem moralischen Anspruch zu genügen? Also bitte…
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Olsen im Beitrag #138Hat er denn einen wirtschaftlichen Vorteil, wenn er vor Drogen- und Alkoholkonsum in einem Film warnt? Ich weiß ja nicht.
Darüber habe ich keinen Einblick. Ein anderer Grund als ein erhoffter Image-Gewinn würde mir nicht einleuchten, da es einen gesetzlichen Druck nicht gibt, und ein moralischer Grund geradezu absurd wäre, gemessen an den Geschäftspraktiken, die Amazon insgesamt betreibt.
Zitat von Olsen im Beitrag #138Das höhlt dann legitime Triggerwarnungen wie beispielsweise "sexuelle Gewalt" aus.
Inwiefern? Wenn jemand suchtkrank ist, möchte er oder sie möglicherweise nicht noch häufiger an Rauschmittel denken als ohnehin schon. Hat jemand ein Trauma erlitten, sind möglicherweise andere Dinge relevant. Ist jemand allgemein empfindlich, kann alles mögliche hilfreich sein. Für alle anderen gilt: einfach ignorieren.
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und so geht es immer so weiter damit, dass bestimmte peer groups meinen, dass es sich bei der anwendung von trigger warnings um eine großangelegte strategie irgendeiner internationalen verschwörung handelt, fundamentale rechte abzuerkennen, anstatt:
1) menschen, die tatsächlich das anliegen haben, vulnerable gruppen davor zu schützen, dass sie sich ungewollt mit inhalten konfrontieren lassen müssen, die schlecht für ihre (meist) geistige gesundheit sind
und
2) kommerzielle anbieter, die denken, dass sie sich damit einen geschäftlichen vorteil verschaffen, dass sie im sinne derer unter 1) beschriebenen handeln
bestimmte (evtl. akademische und v.a. in den usa aktive) gruppen mögen damit tatsächlich eine agenda verfolgen, aber ich glaube nicht, dass die jemals einen common sense damit erreichen.
Es stimmt, dass der „culture war“ in den USA auf beiden Seiten auf eine Art geführt wird, die zensorische Ausmaße annehmen kann. Eine Triggerwarnung erwirkt für mich aber das Gegenteil: Es wird ja gerade NICHT gefordert, Bücher aus dem Lehrplan zu nehmen, die anstößiges enthalten könnten (wie es zB gewisse andere politische Strömungen dort tun), sondern es wird das Buch mit einer Warnung versehen, damit alle selbst entscheiden können, wie viel Leid/Gewalt/Trigger sie sich antun wollen.
Ich finde äußerst bedauerlich, dass wir in einer so gespaltenen Welt leben, dass manche Leute sich allein aus ideologischen Gründen getriggert fühlen. Teil dieses Bedauerns ist auch, dass jetzt schon keine Rücksicht auf Traumatisierte mehr genommen werden kann, ohne den Verdacht der zensorischen Weltverschwörung zu wecken.
Amazon produziert übrigens auch „The Boys“, das mit jeder Folge ca. 15 Triggerwarnungen bekommt. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Einführung von Warnungen hier im Entferntesten irgendwelche krassen Inhalte einschränkt. Man weiß dann halt nur vorher, was man sich antut. Ich finde das gut.
Schön, wenn man dermaßen in Watte gepackt wird. Gibt es für's Leben demnächst auch eine Triggerwarnung? Oder für die "Tagesschau"? Filme haben Inhaltsangaben. Bei einem Buch kann man jederzeit entscheiden, ob man weiterliest oder abbricht. Und wenn man es jahrelang vermeidet, sich mit seinen Traumata auseinanderzusetzen, kommt irgendwann sowieso der große Verdunkelungshammer, wenn man garnicht darauf vorbereitet ist. Ab unter die schützende Käseglocke, es zieht.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Ich sage es mal ganz provokativ: ich habe allmählich den Eindruck, hier wird eine Generation von Amöben herangezogen, die bald gar nicht mehr in der Lage sein wird, Entscheidungen zu treffen, wenn sie niemand an der Hand nimmt. Medizinische Indikationen (Stroboskop) ausdrücklich ausgenommen.
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King, Du schreibst doch immer was von "Leben und Leben lassen" und trotzdem kommen dann solche Aussagen reingepoltert, die traumatisierten Menschen eben das absprechen. Ich verstehe diese Attitüde nicht so richtig, also allgemein und bin da eher bei lumich. Wem muss man denn beweisen, dass man ein harter Hund ist?
Vielleicht liegt aber immer noch ein Verständnisproblem vor, was eine Content oder Triggerwarnung wirklich ist, aber es geht natürlich nicht darum, dass man z.B. "Hereditary" anwirft und sich dann wundert, es sei ein Horrorfilm. Allerdings passiert dort etwas ganz Bestimmtes, etwas das eine bestimmte Personengruppe absolut nicht sehen will (aus guten Gründen). Wenn diese Leute Lust auf einen guten Horrorfilm von Herrn Aster haben, sollten sie den natürlich sehen dürfen, aber an der Stelle eben selbst entscheiden können. Anhand einer kleinen, absolut nicht aufdringlichen Warnung, die oben und klein im Streamer eingeblendet wird und die nach wenigen Sekunden verschwindet. Und wenn einen all diese Dinge nicht beschäftigen (ich persönlich brauche keine CW oder TW), dann bleibt wieder die Frage, warum man das den Betroffenen nicht gönnen will.
@Quork Vor "Herogasm" habe ich auch eine wahrgenommen, die sind ja sogar in die Folge eingebaut und kein Service des Streamers. Wenn man sich diese aber durchliest, findet man da den gleichen edgelord-Humor wie in der Serie (nicht unbedingt negativ gemeint, ich schau es ja auch)
Ich lebe kein in Watte gepacktes Leben und würde mich tatsächlich allein berufsbedingt für vergleichsweise abgehärtet (wenn auch nicht King-abgehärtet) gegenüber schlimmen Schicksalen und Erzählungen von Gewalt und Leid halten. Aber gerade weil ich mir sowas oft geben muss, finde ich es ganz gut, wenn ich selbst entscheiden kann, wann ich das zulasse und wann nicht. Das ist Teil meiner Selbstfürsorge.
Als ich z.B. zum ersten Mal ein Interview mit Düzen Tekkal hörte, war ich absolut nicht darauf vorbereitet, von welchen Gräueln sie berichten würde. Heute weiß ich, worauf ich mich einlasse, wenn ich ihr zuhöre. Ich tu es trotzdem noch, hätte mich aber über eine Vorwarnung beim ersten Mal gefreut. Denn oft genug steht eben NICHT in der Inhaltsangabe „In diesem Podcast wird grausame sexualisierte Gewalt thematisiert.“ (das wäre ja dann auch schon eine Triggerwarnung)
Wenn es mir schon so geht, der mit diesen Themen nur aus zweiter oder dritter Hand in Berührung kommt und gar nicht selbst traumatisiert ist, kann ich mir gut ausmalen, wie schwer sowas für Menschen mit schlimmen Traumata ist.
Zitat von G. Freeman im Beitrag #146Wem muss man denn beweisen, dass man ein harter Hund ist?
Niemandem außer sich selbst. Und das lernt man in der Regel, wenn man sich seinen Problemen stellt. Es geht mir auch nicht um bestimmte Triggerwarnungen, sondern um den Komplex an sich. Ich sehe den als Anfang einer Entwicklung. Was Triggerwarnungen bei Rauchen und Alkohol angeht: damit erweist man Betroffenen einen Bärendienst. Wunderbar, Leute auf die Idee zu bringen, als Entschuldigung für ihre Rückfälle jetzt Filme angeben zu können. Das ist genauso hilfreich wie die Klassifizierung von Alkoholsucht als Krankheit. Mit dem Argument "aber ich bin doch krank" läßt sich genauso angenehm rückfällig werden wie mit "ich hab 'Barfly' angeschaut und brauchte einen Drink". Dann muß man sich nicht fragen, ob man nicht einfach nur einen Tag hatte, an dem man nicht willensstark genug war.
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