Zitat von Johnny Ryall im Beitrag #72 Warum sollten die sich jetzt mit dem Entstehungsprozess beschäftigen? Falls Sie in unserer schnelllebigen Zeit überhaupt Zeit dafür haben.
Zitat von Johnny Ryall im Beitrag #72Und die Hörer haben diese Songs genauso schätzen und lieben gelernt. Warum sollten die sich jetzt mit dem Entstehungsprozess beschäftigen? Falls Sie in unserer schnelllebigen Zeit überhaupt Zeit dafür haben.
Die Dylanologen sind schon speziell. Wenn man sieht mit was die sich alles beschäftigen (Tausende von Liveaufnahmen), dann ist so eine 18 CD-Box schon ein Klacks.
das stimmt, ich kenne selbst welche. ich finde ja zum beispiel die Beatles-Bootleg-CDs mit Outtakes und Alterantivversionen, die Ende der 80er/Anfang der 90er aufgekommen sind, "interessant". aber wie oft habe ich die angehört? ich verspüre selten das Bedürfnis, sieben (unvollständige) Versionen von "Strawberry Fields Forever" am Stück anzuhören
Zitat von Johnny Ryall im Beitrag #72Ich frage mich immer, inwieweit der Musiker wirklich der Treiber hinter solchen Projekten ist. Dylan wird sich doch bereits 1965 Gedanken darüber gemacht haben, welche Songs er in welchen Versionen veröffentlicht. Und die Hörer haben diese Songs genauso schätzen und lieben gelernt. Warum sollten die sich jetzt mit dem Entstehungsprozess beschäftigen?
Die Arbeit am Mythos. An der Arbeit an ihm sind Großeltern, die ihren Enkeln Geschichten erzählen, ebenso beteiligt wie hochgelehrte Wissenschaftler, die mit den Mitteln komparativer Exegetik Varianten vergleichen und nach dem Ur- oder Ursprungsmythos suchen.
Und Dylan? Der setzt auf bloße Selbstfeier hinauslaufenden Klassikerkult und verlangt, dass die Lehren der Klassiker (von Frank Sinatra bis Muddy Waters) zu praktischen Problemlösungen genutzt werden.
Bob Dylan hat letzte Woche ein weiteres Album mit seinen Versionen amerikanischer Klassiker veröffentlicht. Ich sehe das zufällig erst jetzt und frage mich, ob ich wirklich nicht auf seiner Mailingliste stehe oder er ein bescheidenes Marketingteam hat. So oder so: Es kann nicht ganz mit dem letzten mithalten, das ja auch schon eher nur schön als wunderbar war. Aber anhören kann man es schon, wenn man den späten Dylan irgendwie mag.
Dylans Sinatra-Interpretationen haben mich nicht völlig überzeugt. Nicht bis zu jenem Punkt, der die grandiosen Originalversionen überflüssig gemacht hätte. Es scheint mir, dass zumindest ein Teil der Werke Sinatras mehr an die Instrumente (bzw. an den Big-Band-Sound) ihrer Enstehungszeit gebunden sind als die Musik Cohens oder Randy Newmans, Mitchells oder Dylans.
Um nochmals auf die Bootlegserie zurückzukommen und die Frage wer hinter der Veröffentlichung steckt. Ich bin kein Rechtsanwalt (kenne mich mit Urheberrechten also nicht sonderlich gut aus)- aber ich denke es ist zu einem guten Teil die Rechtsabteilung der Plattenfirma, die eine Rolle spielt um sich die Urheberrechte zu sichern, die nach 50 Jahren erlöschen- wenn sie nicht veröffentlicht werden. Insoweit ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung kein Zufall. Kann aber auch sein, daß ich mich irre.
Die Projekte der Bootleg Series werden von Dylans Manager/Berater/Kumpel John Rosen recherchiert und vorgeschlagen. Dylan selbst entscheidet dann, was realisiert wird, und arbeitet bei der Zusammenstellung und Bilderauswahl aktiv mit. Und er achtet genau darauf, daß die Archiv-Veröffentlichungen nicht seine regulären neuen Alben überschatten (wenn es nach der Plattenfirma ginge würden viel mehr dieser Sets erscheinen…). Daher ist es sehr wahrscheinlich, daß (jetzt nach dem neuen Album) gegen Ende des Jahres wieder eine neue Folge der Bootleg Series kommt.
------------------------------ "Be good to your neighbor, and you have better neighbors." (Ernest Tubb)
Dylan und sein Team haben nun wirklich besseres zu tun als am Mythos Dylan zu "arbeiten". (Wenn das der Fall wäre könnte er sich Neuaufnahmen und Tourneen sparen und einfach jedes Jahr zwei Bootleg-Folgen rausbringen.)
Die Veröffentlichung und Beschäftigung mit den Archiv-Aufnahmen ist (für den Künstler wie für die Fans und Käufer) interessant – besonders wenn Künstler und Manager beide selber fanatische Plattensammler und Käufer von Box-Sets sind. Außerdem will jemand wie Dylan (genauso wie McCartney z.B.) soweit wie möglich vorbeugen was die unvermeidliche Archiv-Plünderung nach dem Ableben betrifft. Und die Plattenfirma macht da gerne mit weil die Umsätze stimmen (vertraglich können sie sowieso nichts gegen Dylans Willen herausbringen).
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Aus der Süddeutschen Internet Ausgabe 13. November 2015 zu dem Boxset: "Dem Veröffentlichungswahnsinn Dylans liegt aber auch noch eine andere, ebenfalls knallhart merkantile Strategie zugrunde. Nach europäischem Urheberrecht nämlich verfällt das Copyright einer Aufnahme nach fünfzig Jahren. Jeder könnte dann theoretisch ein Label gründen und entsprechend alte Dylan-Songs legal veröffentlichen - wenn sie nicht zuvor offiziell veröffentlicht wurden. Werden sie es aber, verlängert sich das Copyright automatisch um zwei Jahrzehnte."
Zitat von Mychael im Beitrag #85Dylan und sein Team haben nun wirklich besseres zu tun als am Mythos Dylan zu "arbeiten". (Wenn das der Fall wäre könnte er sich Neuaufnahmen und Tourneen sparen und einfach jedes Jahr zwei Bootleg-Folgen rausbringen.)
Die Bootleg-Folgen sind selbstverständlich bloßes Beiwerk zum Mythos Dylan; sie tragen aber zu seiner narrativen Ausgestaltung* bei, entstehen kann er daraus nicht. Das ist richtig. Für den Mythos war Dylans Auftritt beim Newport Folk Festival erforderlich, dazu Pete Seegers Drohung die Verkabelung der Band mit einer Axt zu durchtrennen** - und der zeitweilige Rückzug ins Privatleben nach einem Motorradunfall.
* Siehe Bootleg Series Vol. 4 Bob Dylan Live 1966 (Folk-Puristen bezeichnen Bob Dylan als Verräter etc.) ** Führende Rockmagazine leben maßgeblich davon die Geschichten hinter Platten wie Highway 61 Revisited oder Blood On The Tracks aufzustöbern.
Schon richtig. Nur, wo bleiben denn eigentlich Leonard Cohens Bootleg-Folgen? Cohen hält nämlich sein Archiv weitestgehendst verschlossen. Oder Randy Newman? Warum veröffentlicht der keine?
Alles in Allem nehme ich nur wenig auf die leichte Schulter, individuelle Schwerkraft. Diese never ending Dylan Diskussionen berühren mich allerdings nicht im Mindesten, ich kann sie dem Checker, Intellektuellen, Sammler, dem Informierten, dem Belesenem oder wem-auch-immer überlassen, kann mich einfach nur über seine Musik freuen, und bin heute x-wieder euphorisiert von dieser Version:
Ich hatte vollkommen vergessen, daß wir einen Dylan-Thread haben. Dann kann man ihm hier ja nochmal gratulieren zum großen Preis.
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