Musings of a Cigarette Smoking Man / Gedanken des geheimnisvollen Rauchers [Staffel 4, Episode 7] Erstausstrahlung: 12.04.1996 Regie: James Wong Autor: Glenn Morgan
Eine weitere Stärke der Serie ist für mich, dass sie nicht nur viele hervorragend gespielte Antagonisten erschuf, sondern auch die wiederkehrenden Nebenrollen genug Tiefe besitzen und schauspielerisch gut besetzt sind, dass sie alleine ganze Folgen tragen können. Neben einigen gelungenen Episoden mit Assistant Director Walter Skinner (Mitch Pileggi) als Hauptfigur spielt der sinistre, mysteriöse "Cigarette Smoking Man" in einigen Folgen eine zentrale Folge, diese ist ihm sogar ausschließlich gewidmet.
"Musings of a Cigarette Smoking Man" treibt dabei das zentrale (vor dem Hintergrund der steigenden und gefährlichen Popularität entsprechender Verschwörungstheorien vor allem in neurechten Kreisen durchaus kritisch zu sehende) Narrativ der Serie, dass die Geschicke der Welt von einem kleinen Zirkel anonymer Verschwörer v.a. in amerikanischen Geheimdienstkreisen gelenkt werden in fast schon parodistischer Weise auf die Spitze und präsentiert den zum damaligen Zeitpunkt noch namenlosen, von William B. Davis genial verkörperten, Kettenraucher als zentrale Figur der wichtigsten (angeblichen) Verschwörungen des 20. Jahrhunderts. Dieser bewusst überspitzte Ansatz, bei dem auch offen gelassen wird, ob die gezeigten Ereignisse im Kanon der Serie wirklich so stattgefunden haben, nimmt dem großen Verschwörungshandlungsbogen von seiner humorlosen, bis dahin oft die erzählerischen Mittel beschränkenden Schwere und befreit den Charakter des Kettenrauchers aus seiner bisherigen Randexistenz. Die wahre Stärke der Folge liegt für mich aber darin, wie sie diese Figur als gleichermaßen düster und bedrohlich aber auch verletzlich und sympathisch präsentiert. Dieser Ansatz kam selbst für William B. Davis so unerwartet, dass er angeblich in stundenlangen Gesprächen vom Serienschöpfer Chris Carter davon überzeugt werden musste.
Naja, das halte ich wieder mal für Legendenbildung.
Die Folge hat mir auch gut gefallen, die beiden Alienfolgen danach waren solide. Das ist mein aktueller Stand, was bedeutet, dass ich jetzt aufhören muss, LFBs Rezensionen zu lesen.
Ich halte meine Kurzbesprechungen ja extra so spoilerfrei wie möglich. Schade, dass mir die Zeit für einen kompletten Re-Run der Serie fehlt und ich mich auf die mir besonders in Erinnerung gebliebene Folgen beschränken muss (das sind dann zwangsläufig fast nur originelle Einzelfolgen außerhalb des Alien-Handlungsbogens), gäbe nämlich noch viele weitere Episoden, die ich mal wieder gerne sehen würde.
Small Potatoes / Ein unbedeutender Niemand [Staffel 4, Episode 20] Erstausstrahlung: 20.04.1997 Regie: Cliff Bole Autor: Vince Gilligan
In einer Kleinstadt werden in kurzen Abständen fünf Kinder mit der gleichen Anomalie geboren, wie sich herausstellt vom selben biologischen Erzeuger. Problem ist nur, dass die Mütter beschwören, dass entweder ihr jeweiliger Ehemann oder niemand geringeres als Luke Skywalker der Vater sein muss, wobei vor allem letztere Behauptung Mulders Interesse weckt. Dauert nicht lange, bis der vielleicht sympathischste Antagonist der ganzen Serie (gespielt von Akte X Autor Darin Morgan) ins Fadenkreuz von Mulder und Scully gerät und deren Ermittlungsarbeit und schließlich ihr Verhältnis zueinander ordentlich auf den Kopf stellt.
Für mich die seichteste aller humorvollen Folgen (zumindest bis dato), aber aufgrund der Vielzahl an skurrilen Momenten trotzdem ein Höhepunkt der insgesamt sehr guten, aber überwiegend recht düsteren vierten Staffel.
Paper Hearts war übrigens 4.10 sehe ich gerade, aber wurscht.
4.12 - Leonard Betts
Ich bin froh, dass ich nach der ersten Staffel meinen damaligen Entschluss, fortan nur die Mythologie-Folgen zu schauen, schnell geändert habe. Denn sonst wäre mir bizarres Zeug wie diese Episode entgangen. Genau sowas will ich von der Serie sehen. Als besonderes Schmankerl spielt Paul McCrane mit, der nur wenig später eine der Hauptrollen in "E.R." übernehmen sollte und hier schon mal etwas weiter unten für einen medizinischen Beruf trainiert. Und Vince Gilligan hatte seine Finger im Drehbuch. Zwei nachgewachsene Daumen hoch.
Leonard Betts hätte es eigentlich auch auf meine Liste der besten 10 geschafft, aber die ist leider übervoll ...
Aber der Artikel ist geschrieben! Endlich - ich hab mich ewig gedrückt und nur vor mich hin recherchiert. Gestern und heute hab ich ihn dann runtergeschrieben, am Wochenende gehe ich ihn noch mal durch. Es sind mehr als zehn Seiten, ich glaube, das wird so nicht angenommen. Yay!
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Zitat von Mory im Beitrag #53 Aber der Artikel ist geschrieben! Endlich - ich hab mich ewig gedrückt und nur vor mich hin recherchiert. Gestern und heute hab ich ihn dann runtergeschrieben, am Wochenende gehe ich ihn noch mal durch. Es sind mehr als zehn Seiten, ich glaube, das wird so nicht angenommen. Yay!
Yay! Ich bin sehr gespannt!
Derweil mache ich mal weiter mit meiner Vorauswahl für meine Top 10 Liste:
The Post-Modern Prometheus [Staffel 5, Episode 5] Erstausstrahlung: 30.11.1997 Regie: Chris Carter Autor: Chris Carter
Definitiv außerhalb der kanonischen Chronologie angelegte, märchenhafte Hommage an Frankenstein mit allerlei Logiklöchern und stark überzeichneten Charakteren, die einen zunächst über weite Strecken ratlos zurücklässt. Die originelle Erzähltechnik, welche die vierte Wand ignoriert (Mulder: "Where's the writer? I want to speak to the writer"), das tragische aber sympathische Monster, die vorhersehbare aber trotzdem rührende Botschaft und das seine eigene Unglaubwürdigkeit unbeschwert ignorierende Happy End entschädigen dafür und sorgen für einige der schönsten Momente der ganzen Serie.
Eine nur rudimentär ausgearbeitete, im ländlichen Texas angesiedelte Vampirstory dient als Vehikel für den Ansatz, einen Fall einmal in der Version von Scully und einmal von Mulder zu erzählen. Dadurch jagt eine gelungene Situationskomik die nächste und den Darstellern wird eine enorme charakterliche Bandbreite abverlangt (sehr toll: Luke Wilson als Dorfsheriff), vor allem aber wird die Beziehung zwischen Mulder und Scully durchaus seriös weiterentwickelt.
Ich finde es bemerkenswert, wird raffiniert beide Folgen die Glaubwürdigkeit der Erzählperspektive der ganzen Serie hinterfragen ohne ihrem Flow und ihrer Chronologe zu schaden.
Keine herausragenden Folgen, in meinen Top 10 werden sie allesamt nicht landen, aber alle in den letzten Tagen wieder sehr genossen:
Folie à Deux [Staffel 5, Episode 19] Erstausstrahlung: 10.05.1998 Regie: Kim Manners Autor: Vince Gilligan
Interessantes Gedankenspiel: Was ist, wenn ein Mensch mit vermeintlich offenkundiger paranoider Schizophrenie tatsächlich Recht hat, während der Rest der Menschheit eine grauenhafte Gefahr nicht erkennt? Und übernimmt Mulder im Folgenden diese Wahnsymptomatik oder besitzt auch er die Fähigkeit, die Wahrheit zu erkennen? Eine durchweg spannende Folge, die bewusst Raum für zwei grundverschiedene Interpretationen lässt, wie auch bei "Bad Blood" durch die gegensätzlichen Perspektiven von Mulder und Scully.
Bryan Cranston in der prägenden Vorgängerrolle von Walter White nimmt als antisemitischer, dumpfer Hinterwäldler Mulder als Geisel auf einem düsteren und spannenden Roadtrip, der wohl primär als Hommage an "Speed" gedacht war, aber auch eine philosophische Ebene besitzt. Hieraus hätte man ohne weiteres einen abendfüllenden Spielfilm machen können.
Triangle [Staffel 6, Episode 3] Erstausstrahlung: 22.11.1998 Regie: Chris Carter Autor: Chris Carter
Zeitreisen und ihre Paradoxa gehen ja immer und erlauben in diesem Fall einen Transfer der halben X-Files Besetzung in das Jahr 1939 auf das Luxusschiff Queen Anne, das gerade von der SS gekapert wird. Wesentliche Erkenntnis: Auch in einem komplett entfremdeten Kontext funktionieren die Figuren und ihre Beziehungen untereinander problemlos.
Dreamland I & II [Staffel 6, Episode 4 & 5] Erstausstrahlung: 29.11.1998 Regie: Kim Manners / Michael Watkins Autor: Vince Gilligan John Shiban Frank Spotnitz
Nur oberflächlich in der UFO-Mythologie verhaftete Doppelfolge, deren zentrales Element ein unbeabsichtigter Körpertausch zwischen Mulder und einem sog. "Man in Black" ist. Die Kritiken waren damals eher verhalten, ich finde aber, dass der Spagat zwischen Spannung und Humor sehr gut gelungen ist auch wenn keine tiefergehenden Erkenntnisse geliefert werden.
Mir gefällt nicht so wirklich, in welche Richtung sich die Mythologie momentan entwickelt. Es ist alles etwas Kraut und Rüben und die Erklärung, die der Dude vom Verteidigungsministerium am Start hatte, ist mir zu dämlich. Aber das drehen sie in der Zukunft sicher eh noch zwanzig Mal von links nach rechts. Und dann auch noch frech eine meiner Lieblingsfiguren aus dem Spiel genommen. (Wobei so richtig wohl auch nicht, denn der Typ spielt noch in weiteren Folgen mit. Werden wohl nicht alles Rückblenden sein.)
Insgesamt merkt man bei den Staffeln 6 & 7 schon, dass es qualitativ leicht bergab geht. Diese Alien-Mythologie hat sich irgendwie totgelaufen (wobei ich die Folgen diesmal auch bestenfalls oberflächlich schaue, meistens aber ganz skippe) und die "Monster of the week"-Episoden recyclen meistens Ideen bekannter Blockbuster sowie vorheriger Folgen oder fungieren als zumeist schwächere Fortsetzungen jener. Trotzdem gibt es für mich noch ein paar wirkliche Höhepunkte:
How the ghosts stole christmas [Staffel 6, Episode 6] Erstausstrahlung: 13.12.1998 Regie: Chris Carter Autor: Chris Carter
Eine wunderliche, rührende Weihnachtsepisode, die eher an ein Kammerspiel als an eine reguläre Akte X Folge erinnert: Fast die gesamte Handlung spielt in nur wenigen Räumen einer alten Spukvilla und neben Mulder und Scully tauchen mit Ed Asner und Lily Tomlin als schrullige Schlossbewohner nur zwei weiteren Charaktere auf. Mit diesem bewusst reduzierten, entschleunigten Ansatz kreiert Chris Carter ein modernes Märchen mit Horror-, Spuk-, Humor- und Romantikelemente, das im dramatischen Ende auf einen Showdown der unterschiedlichen historischen Vorstellungen von Romantik hinausläuft.
Monday [Staffel 6, Episode 14] Erstausstrahlung: 28.02.1999 Regie: Kim Manners Autor: Vince Gilligam & John Shiban
Zugegeben, eine reine Zeitschleifen-Folge klingt nach einem wenig originellen "tick in the box" der Serie. Dramatik gewinnt die Episode allerdings dadurch, dass die drei zentralen Personen (ein Bankräuber sowie Mulder und Scully) sich ihrem Festhängen in einer solchen gar nicht bewusst sind (im Unterschied beispielsweise zu Phil Connor in Groundhog day/Und täglich grüßt das Murmeltier). Stattdessen obliegt es der eigentlich eher tatunbeteiligten Freundin des Bankräubers, die Abläufe so zu beeinflussen, dass der scheinbar unausweichliche katastrophale Ausgang des Überfalls verhindert werden kann.
Field Trip [Staffel 6, Episode 21] Erstausstrahlung: 09.05.1999 Regie: Kim Manners Autor: Frank Spotnitz
Die Urangst, dass die Realität nur eine vorgespielte Illusion ist, hat ja durchaus schon für eine Menge tolle Filme und Serienfolgen gesorgt, deshalb natürlich - ähnlich wie die Zeitschleifen-Folge "Monday" - eine so naheliegende wie wenig originelle Wahl als zentrales Thema für eine Akte X Episode. Während der zu Grunde liegende Fall zunächst gar nicht sonderlich interessant scheint, ist die Umsetzung voller falscher Fährten und vermeintlicher Auflösungen für mich ein spannendes Wechselbad der Gefühle und bietet noch dazu interessante Einblicke in das Unterbewusstsein von Mulder und Scully.
Für mich die neben "Bad Blood" lustigste Folgen der ganzen Serie. In einem fiktiven Crossover mit der Reality-Serie Cops jagen Mulder und Scully zusammen mit dem örtlichen Polizeidepartment ein mutmaßliches Monster, das in einer Vollmondnacht die Straßen Chicagos terrorisiert. Trotz der bewusst konfus konzipierten Storyline voller unzuverlässiger Augenzeugen ensteht aufgrund des Echtzeit-Ablaufs der Ereignisse und der verwackelten Kamerafahrten eine konstante Spannung, die mit zahlreichen humoristischen Momenten (insbesondere die komplett unterschiedlichen Reaktionen von Scully und Mulder auf die omnipräsenten Reality-TV Kameras) aufgelockert wird.
Kein so Banger wie "Burn" (The Crow), aber die Atmosphäre der Serie trifft der Song ganz gut, finde ich. Überhaupt hatte der 1998er Film damals einen gelungenen Soundtrack. Muss ich gleich mal wieder auflegen.