Was ich in den 80ern scheiße fand, finde ich auch heute noch scheiße, keine Sorge. Und was ich damals gut fand, fand ich jahrelang immer noch latent gut, nur stehe ich heute dazu.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Zitat von tenno im Beitrag #247bei aller liebe - das meiste, was in den 80ern und 90ern so prickelnd in den mainstream suppte, wurde in den 60ern und vor allem den 70ern erfunden. postpunk ist eh klar; housemartins & co haben klare 60s-wurzeln, die ganze EDM mit trance/techno/house etc wie auch der 80er new-romantic-synthpop ist mehr oder minder das gemeinsame kind von kraftwerk und krautrock; und die rare-groove-welle der 90er kommt wohl woher? jep, da wo auch die ganzen knackigen samples geklaut sind. so, und jetzt erwarte ich eure prügel.
keine prügel von mir, in der tat dachte ich ähnliches. zwischen kraftwerk, den shangri-las, throbbing gristle und john cage war ziemliches vieles bereits gesagt, bzw. ausgereizt. steile these: "neue" musik kommt bestenfalls mit neuer technik. prügel ebenfalls erwartet.
Ich sehe das ganz ähnlich. Klar, Synthpop und Techno fußen auf dem, was Kraftwerk & Co. schon in den 70ern begonnen haben, aber erst mit der bezahlbaren Verfügbarkeit elektronischer Instrumente konnte das eine ganze Generation zu musikalischer Innovation inspirieren. Auch Kraftwerk selbst haben ja mit "Computerwelt" einen spektakulären Entwicklungsschritt vollzogen, so etwas wie "Heimcomputer" hatte es vorher noch nicht gegeben (allenfalls in Ansätzen in "Trans Europa Express" oder "Die Roboter", oder ein bisschen bei Giorgio Moroder und Jean-Michel Jarre).
Das ist für mich die Ursuppe von Techno in all seinen Spielarten, auch Acid House. Die Entwicklung nahm dann ab Mitte der 80er ihren Lauf und kam am Ende des Jahrzehnts im Mainstream an, als 808 State oder auch Steve "Silk" Hurley und Kevin Saunderson die ersten großen kommerziellen Hits landeten. Das war schon eine revolutionäre Umwälzung.
Zitat von tenno im Beitrag #247die ganze EDM mit trance/techno/house etc wie auch der 80er new-romantic-synthpop ist mehr oder minder das gemeinsame kind von kraftwerk und krautrock
Tadeln möchte ich, dass man das damals noch nicht EDM genannt hat. Abgesehen davon glaube ich, dass der Einfluss von Kraftwerk geringer ist als gemeinhin angenommen. Für viel wegweisender halte ich da Acts wie Wendy Carlos oder den BBC Radiophonic Workshop. Und sicherlich hat auch schon die Neue Musik viel von dem vorweggenommen, was uns später als Psychedelic, Ambient oder Techno begegnet ist. Das spannende an den 90ern war ja vor allem, das viele Scheuklappen gefallen sind, und vieles zusammenfloss, was vorher nebeneinander exestierte.
Ich möchte mal dezent klugscheißermäßig anmerken, dass der Begriff EDM für diesen ganz üblen Kommerz-Dance-Mist a la David Guetta, Avicii usw. verwendet wird
Zitat von tenno im Beitrag #254ich wüsste halt gerne mal, mit welchem geeichten gerät man die innovationskraft eines jahrzehnts so messen könnte. letzten endes erforderte es ende des 15.jahrhunderts vermutlich mehr kreative energie, die kirchentonarten zugunsten des dur-moll-systems zu überwinden, als alles, was in den nachkriegsjahrzehnten auf einen bereits vorhandenen reichen humus aus pop- und avantgardemusik verschiedenster kulturen aufbauen konnte. (und auch wenn mich die 80er geprägt haben: sie haben so FURCHTBARE dinge verbrochen!)
Eh klar, wir, die die 80er erlebt haben, können uns entweder nicht daran erinnern oder finden sie scheiße.
Aber Innovationskraft muss man ihnen schon zugestehen. Vergleiche mal, was sich zwischen 1980 und 1989 getan hat und im Vergleich dazu zwischen 2010 und 2019.
Zitat von victorward im Beitrag #261Ich möchte mal dezent klugscheißermäßig anmerken, dass der Begriff EDM für diesen ganz üblen Kommerz-Dance-Mist a la David Guetta, Avicii usw. verwendet wird
ich hab das akronym einfach mal als oberbegriff im eigentlichen sinne verwendet. in den 80ern gab es EBM (Electronic Body Music), von denen mir insbesondere à;GRUMH... sehr sympathisch waren, auch wenn ich ansonsten mit der stilrichtung nicht viel anfangen konnte.
grundsätzlich will ich den 80ern die innovationskraft beileibe nicht absprechen; ich würde aber den bogen der großen innovationen - zumindest was die moderne popmusik im weitesten sinne betrifft - von anfang der 60er bis kurz nach der jahrtausendwende spannen. nicht, dass es danach nicht auch noch weiterging und -geht, aber mittlerweile ist die fragmentierung soweit fortgeschritten, dass anscheinend die leitung gerissen ist, die all die jahre stetig elemente der avantgarde in den mainstream gepumpt hat. falls es sowas wie mainstream überhaupt noch gibt.
Zitat von JackOfAllTrades im Beitrag #234Da hier ja offenbar nichts mehr kommt, würde ich doch mal sagen, dass ich die Auswertung hier posten kann.
1. Depeche Mode - Violator (82 Punkte/4 Nennungen) 2. My Bloody Valentine - Loveless (62/4) 3. Pulp - Different Class (48/4) 4. Stereolab - Emperor Tomato Ketchup (44/2) 5. Portishead - Dummy (40/4) 6. Tricky - Maxinquaye (36/4) 7. Aphex Twin - Selected Ambient Works II (32/2) 8. PJ Harvey - To Bring You My Love (30/3) 9. Björk - Homogenic (30/2) 10. Oasis - (What's the Story) Morning Glory? & The Cranberries - No Need to Argue (je 29/2)
22 User haben 175 Alben genannt
Danke für die Auswertung, Jack! Weitgehend eine sehr geschmackvolle Liste, die sich als Höranleitung eignet. In 8/11 Fällen. Depeche Mode hatten für mich nach den ersten beiden Alben ihr Pulver verschossen, die Stadoinrockphase gab mir weniger. Interessanterweise in den Top 11 zwei Alben, die ich mal hatte, aber später an Oxfam spendete: - Ich liebe fast alles von My Bloody Valentine, die frühen Singles und EPs, das erste Album und die Reunoin. Aber "Loveless" klingt für mich wie eine leiernde Kassette. Ich dachte, dass mit meiner LP was nicht stimmt, aber auf Spotify stellte sich raus, dass das immer so klingt. - Die Cranberries-CD, das ist die mit dem Sofa, nicht wahr?, hatte ich mir 1994 sehr früh gekauft (damals Island in Deutschland noch Sublabel BMG), weil ich "Linger" von MTV kannte und toll fand. Das zweite Album kam ja kurz danach und wer sollte gleich ahnen, dass "Zombie" zu einem so schlimmen nervtötenden Hit werden würde. Das erste Album wäre vielleicht die bessere Wahl gewesen, aber auch mit dem könnte ich heutzutage wahrscheinlich nicht mehr viel anfangen: Auf der sehr feinen Compilation-Box "Cut me deep" ist ein Track aus der Frühphase der Cranberries enthalten, der mir überhauptichts gibt. Ich hätte Doloros ein langes und glückliches Leben gewünscht, aber mit ihrem Gesang ist mir unangenehm.
Zitat von tenno im Beitrag #263 nicht, dass es danach nicht auch noch weiterging und -geht, aber mittlerweile ist die fragmentierung soweit fortgeschritten, dass anscheinend die leitung gerissen ist, die all die jahre stetig elemente der avantgarde in den mainstream gepumpt hat.
Ich würde da gar nicht so sehr von Avantgarde und Mainstream sprechen wollen. Das Problem liegt imo eher in mangelnder Vorbildung und fehlender musikalischer Sozialisation. Die ersten Rave- und House-Produzenten waren ca. Jahrgang 1965 und sind mit der Musik der Beatles oder von The Who, mit Kraftwerk, Krautrock oder Psychedelic aufgewachsen, einige konnten sogar Instrumente spielen. Und weil es kein nicht-biographisches Schreiben gibt, ist das irgendwie immer in die Arbeit eingeflossen, bewusst oder unbewusst, in Form von Samples oder von cleveren Hommagen. Und dann wäre da noch der UK Rave der frühen 90er, der den Geist der New Wave mit den technischen Mitteln einer Autoalarmanlage verschränkt hat, das Ergebnis klang dann häufig wie Stock Aitken Waterman auf Acid.
Heute sieht das anders aus. Diese ganzen EDM produzierenden Millenials wissen meist nichts vom reichen musikalischen Erbe (außer sie covern grade erfolgreich "Stublin' In"), sondern berufen sich in ihrer Musik auf die Vorbilder aus den 00ern und 10ern. Das Ergebnis ist eine Musik, die selbstreferentiell bis zum Inzest ist. Dazu kommt, dass heute niemand mehr den Anspruch hat "ein Meisterwerk für die Ewigkeit zu schaffen", die wollen alle nur möglichst viele Klicks auf TikTok generieren, um ihr Gesicht bald darauf auf einer Limonadendose wiederzufinden.
Dementsprechend gilt mir EDM als Schimpfwort, irgendwie ist das nicht mehr als die Rache von Euro Dance.