Debütroman der in Irland lebenden Roisin Maguire. Großartige Übersetzung von Andrea O'Brien.
Ein kleines irisches Dorf an der Küste. Hier lebt die kauzige, im Dorf als leicht verrückt geltende, Grace mit ihrem Hund, einem Esel und einer Ziege. Sie geht zu jeder Jahres-und Tageszeit, ja, auch nachts, schwimmen, meidet den Kontakt zu (fremden) Menschen und vermietet doch ein Cottage an Touristen.
Eines Tages, früh im Jahr, es ist kurz vor dem Lockdown, mietet sich Evan ein. Seine Frau will Abstand von ihm, so plant er eine Woche Auszeit am Meer, um dann wieder zurück zu kehren zu ihr. Doch der Lockdown verhindert dies, und so bleibt er in dem kleinen Dorf zunächst widerwillig hängen. Zwangsläufig lernt er die wenigen Menschen, die dort leben, und alle sehr eigen und speziell sind, kennen, und nach und nach auch zu schätzen
Mit der Zeit werden wir eingeweiht, in die Ursachen für den gewollten Abstand, die Auszeit. Aber auch, weil Evan selbst auch erst nur zögerlich klar wird, was eigentlich passiert ist, wer meint, die Verantwortung für das Unglück, das geschah, tragen zu müssen und unter dieser Last zu ersticken droht.
So rauh wie das Meer, so natürlich und schön die Gegend, so sind dann auch die Begegnungen mit Grace, die Ablehnung, die Faszination, der spezielle Humor, die Ironie und Schönheit des Lebens, trotz härter Schicksalsschläge in beider Leben. Es geht um Loslassen, Zulassen, Vertrauen, Leben und Lieben, Toleranz und Aufmerksamkeit. Und es passieren absolut unvorhersehbare Dinge, die eine Spannung aufbauen, und emotional in die Geschichte ziehen.
Ein so lebendig, herrlich geschriebener Roman. Er ist voller Lebensliebe, Humor, hat gleichermaßen Anspruch und zieht trotz (oder wegen) einiger heftiger psychologischer Untiefen in den Bann. Das in einer wunderschönen Sprache, die bildgewaltig und naturverliebt ist. Die Übersetzung trifft oftmals so wunderbare Begriffe und auf einen zauberhaften Wortschatz - ich habe das Buch genossen, eingeatmet und alles bildlich vor mir gesehen, gehört und gerochen, habe gelitten und mich gefreut.
Es handelt sich übrigens nicht um einen Covidroman, niemand erkrankt an Corona.
Es geht vielmehr um die Chancen und Möglichkeiten, die der Lockdown und die Verlangsamung oder Deaktivierung aller anderen Zwänge und Gewohnheiten dieser Umstandsgemeinschaft zuspielt.
Einmal im Leben möchte ich die Kunst meistern, meine Gedanken zu irgendeinem Thema so gut in Worte kleiden zu können wie Palmen. Die Reflektionen, die sie ihren Figuren hier in ihre Beziehung zueinander einbaut, die sind extrem beeindruckend. Die Autorin versteht ganz offensichtlich einiges von Pychologie und Philosophie. Hatte schon einen anderen Roman von ihr sehr gemocht ("Luzifer"), der hier ist aber noch besser.
Ihr aktuelles Buch wurde übrigens von unserer foreneigenen Lisn aus dem Eis übersetzt.
ein coming-of-age-roman? ein sozialdrama? erzählt wird aus der perspektive des 13-jährigen erzählers, wie eine familie mit drei kindern und zwei hunden durch ganz europa flieht, um der polizei in deutschland zu entkommen - der vater ist ein hallodri, dem seine krummen geschäfte über den kopf wachsen und dessen leben ins haltlose abdriftet (und das seiner familie eben auch mit). was als netter schwank beginnt und die grenze des seichten fstreift, entwickelt einen sog ins drama, wird zu einem mitreissenden buch, in dem man die beklemmung der kinder geradezu mitfühlt. vom mittelklasseleben in deutschland über ein luxusdasein in südfrankreich zur bitteren armut in portugal und zurück - nur eben ohne das luxusdasein, immer weiter auf den abgrund zu. man legt das buch weg und denkt "puh".
fünf menschen ("die gastgeberin", "der lebensgefährte der gastgeberin", "der ehemann", "die ehefrau", "der schweizer") treffen sich in der wohnung der gastgeberin zu einem gemeinsamen abendessen, durch ihre namenlosigkeit entsteht eine seltsame, sich durch das gesamte buch ziehende, atmosphäre der distanz zu dem geschehen und zu den personen. drei entwürfe der geschichte werden präsentiert, erst im dritten wird der abend zu ende erzählt, die beiden vorigen enden im nichts. der roman hat wenig von einer "schwungvollen geschichte", sondern ist vielmehr ein sammelsurium aus gedankengängen und gesellschaftsanalyse, ein portrait von menschen wie, ja, uns. eins der bücher, in denen man kalt erwischt wird mit seiner ittala-karaffe im küchenschrank, den ottolenghi-büchern dem (aufgesetzten) kulturpessimismus und den dänischen mid-century-möbeln. das allseits beliebte (so oft lustig gedachte und ebenso oft ins seichte gelangende) "ottensen-bashing" aber bleibt aus, prääuers buch ist trocken wie staub und seziert diese gesellschaft wie mit einem skalpell, das schicht für schicht das gehirn in hauchdünne scheiben zerlegt. "foodporn" spielt eine rolle, ebenso wie die zentrale frage, ob man in der gesellschaft "angekommen" ist, wenn man zum ersten mal "die gastgeberin" war, einen abend ausgerichtet hat, der mit genügend "bff"-beweisfotos in den sozialen medien geteilt wurde. welchen einfluss hat die eigene vergangenheit, wie steigt man in der gesellschaft auf, und: will man das überhaupt, bewusst oder unbewusst -ein recht kurzes buch, ich finde es absolut lesenswert.
Nochmal gelesen, da ich davon fast nichts mehr in Erinnerung hatte. Einerseits erstaunlich zäh (mußte mich da stellenweise durchwürgen), andererseits immer mal wieder grandiose Passagen zum Niederknien, verbunden mit der Feststellung, wie sehr ich Frisch immer noch liebe. Niederschmetternd allerdings die Erfahrung, eine Interpretation davon zu lesen samt dem Gefühl, das Buch nur in Ansätzen begriffen zu haben, wenn überhaupt. Ich komme mir dann tatsächlich geistig minderbemittelt vor.
Hans Fallada: Bauern, Bonzen und Bomben (1931)
Erstaunlich, wie es Fallada schafft, mich sogar bei einem Thema, das mich nicht die Bohne interessiert (der nach Pommern verlegte schleswigsche Bauernprotest von 1929, der in einen ursprünglich geplanten Kleinstadtroman integriert und mit eigenen Erfindungen angereichert wird), stellenweise zu packen. Alles extrem dialoglastig, Unmengen Figuren und Figürchen, aber alle mit eigenem Charakter ausgestattet ... und nach den 600 Seiten merkt man, wie wenig im Lauf des Buches eigentlich passiert ist, da Fallada jedes kleinste Ereignis mit seiner Detailbesessenheit auswalzt. Liest sich teilweise in einem Rutsch, hat aber auch furchtbare Längen. Nachdem ich jetzt (im SPIEGEL - Kanon wie auch im Vor - und Nachwort dieses Buches) in kurzer Zeit oft lesen mußte, Fallada habe als Autor technische Schwächen gehabt, frage ich mich, ob ich zu doof bin, die zu erkennen. Fast alles, was ich bisher von ihm gelesen habe (außer seinen frühen Geschichten und der ersten Hälfte des "Trinkers") hat mich aufgrund seiner Ausgefeiltheit schwer beeindruckt. Lassen wir Günter Caspar im Nachwort des Buches selbst zu Wort kommen, der 60 Seiten lang eine ausgefeilte Analyse dieses Werks verfaßt, nur um dann am Schluß festzustellen:
Naturalistische Erzählweise, Saloppheit in der Formulierung, Achtlosigkeit im Stilistischen, Elemente der Kolportage, die unbedenkliche Verwendung von Jargon und Argot - das alles drückt das gestalterische, das künstlerische Niveau beträchtlich hinab. Nur um dann den Autoren im nächsten Satz als "geborenen Erzähler" zu loben und zu preisen. Na was nu?
Bild entfernt (keine Rechte)
Georges Simenon: Maigret hat Geduld (1965)
Hab ich tatsächlich in dieser Ausgabe von 1973, noch dazu als preisreduziertes Mängelexemplar mit 70er - Jahre - Remittendenstempel. Hatte ich als Jugendlicher mal gelesen und komplett vergessen, gehörte einst meiner Mutter. Was soll man dazu sagen? Dasselbe wie immer: Simenon erzählt in lakonischem Stil interessante Geschichten, die sich weglesen wie nichts. Es gibt kaum etwas besseres für Zwischendurch.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Dick Francis - Hurrikan - Lies sich ganz gut runter, aber im Kern ist es ein belangloser Krimi. Suzanne Collins - Sunrise On The Reaping - Super geschrieben, aber enttäuschend, weil uns Collins zum dritten Mal dieselbe Geschichte erzählt. Nick Hornby - Juliet, Naked - Wie fast alles von Nick Hornby: nett.
Ich weiß nicht genau, was er mit dieser Parallelgeschichte sagen will, habe es aber wie schon Eurotrash sehr gern gelesen. Ein Mann soll das perfekte Weiß in einem Datenzentrum schaffen (der als eine Art Schicki-Innenausstatter für so eine schlichte Skandinavische Moderne steht, wie sie zb auch in Luxusrestaurants schick war) und landet in einer seltsamen Parallelwelt (in der das einfache Zeug im Alltag gegessen wird; eine märchenhafte Gegend mit einem bösen Herzog und geflohenen Menschen, die in einer Steinstadt leben). Ich mag seinen Stil sehr. So ein Fantasy-Schlenker ist normal nicht meins, funktioniert hier aber gut.
bin inzwischen auch durch, geht ja schnell. ich hab ihn auch gern gelesen und mag das spiel mit den ebenen, von denen man in zeiten von KI ja nicht mal sagen kann, ob es bewusstseinsebenen, träume oder digitale welten sind.
Der Typ, der permanent reingeredet hat, war unerträglich.
Schoch: Wild nach einem wilden Traum. Letzter Band der Trologie. Ein Buch ging über den Moment, als plötzlich eine Halbschwester in ihr Leben trat. Der zweite, beste, über die schleichende Trennung von ihrem Mann (Das Liebespaar des Jahrhunderts). Dieser über die Affäre mit einem Katalanen (und über das Schreiben).
Ich nag den Ton und ihre Reflektionen. Nicht der beste der drei, aber auch gut.
Ich weiß nicht genau, was er mit dieser Parallelgeschichte sagen will, habe es aber wie schon Eurotrash sehr gern gelesen. Ein Mann soll das perfekte Weiß in einem Datenzentrum schaffen (der als eine Art Schicki-Innenausstatter für so eine schlichte Skandinavische Moderne steht, wie sie zb auch in Luxusrestaurants schick war) und landet in einer seltsamen Parallelwelt (in der das einfache Zeug im Alltag gegessen wird; eine märchenhafte Gegend mit einem bösen Herzog und geflohenen Menschen, die in einer Steinstadt leben). Ich mag seinen Stil sehr. So ein Fantasy-Schlenker ist normal nicht meins, funktioniert hier aber gut.
bin inzwischen auch durch, geht ja schnell. ich hab ihn auch gern gelesen und mag das spiel mit den ebenen, von denen man in zeiten von KI ja nicht mal sagen kann, ob es bewusstseinsebenen, träume oder digitale welten sind.
Vorteil der senilen Bettflucht: Zwischen meinem Aufstehen gegen sechs Uhr und dem Aufstehen der Kinder durchgelesen. Liest sich wie immer bei Kracht angenehm und zügig, mir gefiel die Stimmung (in der Parallelwelt fühlte ich mich ein bisschen an Murakami erinnert), aber insgesamt scheint es mir eher Kunsthandwerk als Kunst zu sein, und ob es in mir so nachhallen wird wie „1979“ oder „Ich werde hier sein…“, scheint mir auch ungewiss. Weiter geht es mit Clemens Meyers „Die Projektoren“, in der Erwartung, nicht nur vom Umfang her auf ein anderes Format zu treffen.
€: Hat das eigentlich irgendjemand hier gelesen? @faxefaxe vielleicht?
"Auf deinem Shirt steh‘n die Dinge, Die du gerne wärst, nicht die du bist, Was im Grunde völlig in Ordnung ist. Nur: Wir können alle lesen Und du bist nie ein Dreckstück gewesen."
Kann ich verstehen, "Im Stein" und "Als wir träumten" waren aber so gut, dass ich hier den Künstler ignorieren und das Buch trotzdem lesen werde. Beim Kauf - da war der Skandal grad frisch - hatte ich ein sehr nettes Gespräch mit der Buchhändlerin in der tollen und mittlerweile leider geschlossenen Berliner Buchhandlung "lesen & lesen lassen", die der Meinung war, man solle das Buch trotzdem lesen.
"Auf deinem Shirt steh‘n die Dinge, Die du gerne wärst, nicht die du bist, Was im Grunde völlig in Ordnung ist. Nur: Wir können alle lesen Und du bist nie ein Dreckstück gewesen."