Das hängt bei mir immer vom Autor ab. Ich komme komischerweise häufig bei neueren Werken nicht mit dem Ton zurecht, weil mir häufig zu wenig auf den Stil geachtet wird. Vielen reicht es, eine Geschichte einfach nur zu erzählen, darum hat mich der "Turm" auch so beeindruckt.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
die Diskussion führe ich schon immer mit meiner Schwiegermutter :-)
Meiner Meinung nach gibt es heutzutage genausoviel gute, gut geschriebene Literatur wie früher (nur dass man von der aktuellen noch mehr zur Kenntnis nimmt, während bei der alten im Lauf der Jahrzehnts schon ausgesiebt wurde.
"Ausgesiebt" empfinde ich als zu hart, denn es gibt genug gute Autoren, die zu unrecht vergessen wurden. Das ist eher das mangelnde Fassungsvermögen des Kollektivgedächtnisses... und das sogar offensichtlicher Müll immer noch fröhliche kursiert, zeigen "Der Gott, der Eisen wachsen ließ, duldet keine Knechte" und ähnlicher deutschtümelnder Scheiß, der gerne zitiert wird. Wäre ausgesiebt worden, würde sich an solche Grunzdummheiten zurecht keiner mehr erinnern.
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(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Das gute durchs Sieb fallen, passiert natürlich. Aber nach 100 Jahren wird schon eher ein Thomas Mann noch gelesen als irgendein Schrott aus der damaligen Zeit.
Es kommt halt immer darauf an, wer von wem protegiert wird. Die Frage, ob Goethe dermaßen überlebt hätte, würde er nicht ständig zu jedem Anlaß aus der Mottenkiste geholt werden, ist auch müßig.
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Finde ich nicht. Einiges von Goethe ist absolut unerträglicher Schmock, und wäre er nicht so ein Bildungsbürger - Allgemeinplatz, wäre er auch nur ein toter alter Autor.
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Ich kann Deiner Argumentation nicht folgen. Wer hat ihn protegiert? Und was hat das mit seinem Bildungsbürgertum zu tun?
Goethe war einer der bedeutendsten Schriftsteller seiner Zeit, wurde lange noch gelesen und gespielt. Als Literatur wird es heute sicher primär als Stück deutscher Kulturgeschichte gelesen, weniger aus Vergnügen, aber das schmälert das ja nicht. Einen Faust kann man auch heute noch aufführen. Dass manches Dir heute nicht mehr gefällt, schmälert seine verdienste meiner Meinung nach auch nicht. Schwer genug, über Jahrhunderte aktuell/lesbar/verstanden zu bleiben.
dass das werk eines schriftstellers/künstlers über die zeit kanonisch wird, ist ja nicht nur irgendwelchen seilschaften zu verdanken, sondern in erster linie der innovativen und künstlerischen qualität seines werkes. war zumindest immer mein eindruck.
Mein ich auch. Natürlich kannst Du heute ein Buch oder eine CD mit Marketing in die Charts pushen und manch gutes wird zu Unrecht nicht entdeckt. Aber über die Jahrzehnte hält sich dann doch nur Bahnbrechendes.
Meiner Meinung nach ist die Schaffung eines Kanons hauptsächlich ein Zusammenspiel aus Protektion, Zufall und Bequemlichkeit. Es ist ja weniger Qualität, warum viele Leute heute Goethe lesen, sondern eher das Gefühl, daß man ihn gelesen haben muß, um als literarisch interessierter Mensch ernstgenommen zu werden. Kanonschaffung: der Literatur - Nobelpreis ist da ein gutes Beispiel. Eckhard Henscheid hat darüber einmal eine recht großartige Polemik geschrieben, der ich zwar nicht in allen Punkten zustimme, die aber sehr gut das Funktionieren solcher Mechanismen beschreibt. Und ja, ich liebe den "Faust". Aber beim "Werther" oder der "Novelle" bekomme ich das Laufen.
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Den ersten Satz halte ich für Käse. Thomas Mann zB ist meiner Meinung nach objektiv ein großer Schriftsteller. Und große Schriftsteller landen irgendwann im Kanon. Innerhalb des kanons ist es dann natürlich Geschmackssache, ob man den einzelnen mag. Und der eine oder andere mag reinrutschen, obwohl ein anderer besser war. aber Relevanz lässt sich schon beurteilen. Die Beatles haben ihre Rolle in der musikhistorie. Und zwar zurecht. Und dass der Sohn gerade alte Sachen von ACDC hört, ist auch kein Zufall. Aber müssen ja nicht einer Meinung sein :-)
Zitat von faxefaxe im Beitrag #103 Aber müssen ja nicht einer Meinung sein :-)
Wann sind wir das schonmal? Natürlich ist die These auch provokant, aber das darf sie auch gerne sein.
Nur ein aktuelles Beispiel: daß (meiner bescheidenen Meinung nach) veritabler Scheißdreck wie Süskinds "Parfüm" heutzutage Schullektüre ist, wird ebenfalls zur Kanonisierung desselben beitragen, und in hundert Jahren führen vielleicht irgendwelche Leute darüber die gleiche Diskussion, sollten die Menschheit, das "Parfüm" oder am besten beide bis dahin nicht im Orkus verschwunden sein. Trotzdem wird Süskind mit Sicherheit niemals einflußreicher sein als Hans Henny Jahnn oder Arno Schmidt, die heute kaum noch jemand kennt und die tatsächlich innovativ waren, aber nunmal nicht massentauglich.
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ich find das "parfüm" ja super. fantastische, bildhafte sprache und ein widerling von held, der einem dennoch irgendwie ans herz wächst. als ich es zum ersten mal gelesen habe, hab ich mich geärgert, dass niemand in der nähe war, dem ich es hätte vorlesen können (was ich später mit großem erfolg nachholte). imho völlig zu recht im kanon, welchem auch immer.