Vier Songs in einem Monat - es läuft. Zeitlich habe ich mich für einen relativ großen Sprung entschieden. Meine Kindergartenjahre sollen mal mit drei Songbeispielen abgedeckt sein, meine Grundschulzeit überspringe ich erstmal. Die war musikalisch nicht sehr ergiebig, für eine Trash-Party langt's, aber das wär dann ein Spezialthema für ambi und Cobra. Vielleicht gibt's später nochmal ein Special (der Thread soll ja schließlich die Zwei-Jahres-Grenze knacken), in meinen ewigen Top-100 spielt tatsächlich keiner dieser Songs eine Rolle. Also springen wir mal lockere fünf Jahre, ins Jahr des Herrn 1995. Bis dahin im Glauben, mit Technoversionen bekannter Kinderlieder, Schlumpfenparty-CDs und Bravo Hits musikalisch hervorragend aufgestellt zu sein, begegnete mir: Punk. Nicht der dreckigste, nicht der stinkendste, eher die domestizierte mainstreamkompatible Variante, aber immerhin. Wenn ich bedenke, was das damals aus meinem CD-Regal und aus meinen Ohren geblasen hat, muss es das 1995er-Äquivalent eines Swans-Erlebnisses gewesen sein. "Basket Case" war der Song, mit dem ich bei einem Freund konfrontiert wurde, und es war um mich geschehen. Das zügig zusammengesparte Taschengeld reichte neben "Dookie" gleich auch noch für das damals brandneue "Insomniac", das ich - soviel Punk musste selbst bei mir sein - dann auch gleich besser fand als Dookie mit seinen offensichtlichen und seitdem allgegenwärtigen Hits "Basket Case" und "When I Come Around". Drei ordentliche Platten im Regal, aber schon Musiksnob... Exemplarisch hab ich mal "Stuck With Me" rausgegriffen, es hätte aber auch nahezu jeder andere Song auf der Platte sein können, die Platte lief bei mir (bis dahin überwiegend Singles-Hörer) immer komplett von vorn bis hinten durch. Und dann nochmal. Und dann nochmal. Heute würde mich das bekloppt machen, aber mit elf ging's.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
ZitatGreen Day fand ich damals scheiße, was aber auch daran lag, dass ich in der damaligen Grunge-infizierten Zeit jeglicher Gitarrenmusik vollkommen überdrüssig war. Heute spricht mich der Pop-Appeal dieser Songs schon eher an, wobei man ihren aktuellen Sound wohl eher als Prog-Punk bezeichnen muss.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
1996 bekam ich meinen ersten PC, und weil Windows 95 so supergeile Multimediafunktionen bot, befand sich auf der Installations-CD neben dem Betriebssystem und dem damals schon lächerlichen Hover! auch ein Musikvideo. Komisch war's. Sah altertümlich aus (woher sollte ich als kabellos aufgewachsenes Landei auch "Happy Days" kennen?). Aber die Musik war richtig gut. Und was macht man, wenn man ein Video mit einem tollen Song findet? Genau, man guckt sich genau dieses Video wieder und wieder an und kommt nicht auf die Idee, sich mal die Platte zu besorgen. Ich habe Weezer allen Ernstes für ein Projekt gehalten, das Microsoft ausschließlich zu Technik-Demonstrationszwecken zusammengebastelt hatte. Erst mehrere Jahre später, als in der Schule irgendwer auf seinem Eastpack-Rucksack einen Weezer-Aufkleber hatte, wurde mir klar, dass ich möglicherweise was verpasst hatte. Das mit den Platten habe ich nachgeholt, und es gibt so viel tolles Zeug von Weezer, aber das Blaue Album wird in meinem Herzen immer einen besonderen Platz haben, und das gilt besonders für "Buddy Holly". Als ich sechs Jahre nach meinem ersten PC mein erstes Auto hatte, kündigte sich meine Ankunft häufig durch frühzeitig hörbares "Ooooooo-eeeeehhhhh-ooooo" an. Geiler Song und tödlicher Ohrwurm.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
ZitatMit Weezer habe ich mich auch noch nicht genug beschäftigt. Ich kenne tatsächlich vor allem die "Make Believe", die ja gemeinhin nicht unbedingt als ihr Meisterwerk gilt.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
ZitatDas Video war natürlich lustig. Ansonsten habe ich Weezer damals meist mit Wheatus verwechselt, die mir mittelfristig sogar mehr im Ohr geblieben sind.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
ZitatMit Weezer habe ich mich auch noch nicht genug beschäftigt.
Ich werde bei den nächsten 95 Songs noch genug entzückt zu loben haben, darum mal eben ganz frech: Doch, hast du meiner Meinung nach allemal. Ich kann nicht mehr ansatzweise nachempfinden, warum ich das blaue Album mal für ein Meisterwerk gehalten habe.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Zitat006. Rage Against the Machine - People of the Sun
Ein weiterer Blick in meine musikalische Frühpubertät. Ein Tipp aus der damals von mir noch regelmäßig gelesenen BRAVO... Jaja, die Hard'n'Heavy-Seiten. Gibt's die eigentlich noch? Man bedenke: Mein musikalischer Referenzrahmen war Anfang 1996 gerade durch Pop-Punk deutlich erweitert worden, vorher herrschten da "Bravo Hits" und Sachen, die heute nur noch Cobra (und teilweise vielleicht der Senator) unironisch hören kann. Green Day kamen mir anfangs schon vor wie die Reiter der Apokalypse. Und dann das. Nach Bravo-Empfehlung brav (und blind) gekauft, vom Cover noch freundlich angelacht (Englisch konnte ich damals noch nicht, der dezente Fingerzeig in Form des Titels ging also spurlos an mir vorüber), kann ich mich kaum erinnern, was die ersten Minuten dieser Platte mit mir gemacht haben. Schraddelgeräusch, dann Drums, ein wummernder Basslauf und dazu ein Bekloppter, irgendwo zwischen Rap (kannte ich damals nur von den Fantastischen 4 bzw. von dem, was bei Eurotrash zwischen den Refrains veranstaltet wird) und DGB-Kundgebung auf Stierhormonen (mangelnde Sprachkenntnis hat mir hier sicher geholfen, wobei - vielleicht hätte mir das damals zugesagt). Gefallen hat mir das nicht von Anfang an, aber wenn man mit elf Jahren 20 Mark für ein Album ausgegeben hat, ist Weglegen keine Option. Man mag es "Schönhören" nennen, aber irgendwann ist mir die Platte nähergekommen, und einzelne Songs habe ich lieben gelernt. Über die Jahre (und spätestens über Studentenpartys der mittleren 2000er) habe ich mir die Band wieder "unschöngehört", "People of the Sun" gehört mit "Sleep Now in the Fire" aber noch immer zu den Songs, die ich mir alle zwei Jahre mal gut anhören kann. Und prägend für mein Musikleben waren RATM allemal, weil sie jahrelang den "Extrempunkt" meiner Musikwelt darstellten.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
ZitatDie Parolen nervten mich schon damals, aber ich konnte sie irgendwie überhören. Meine Klassenkameraden verstanden sie wohl erst gar nicht. Entsprechend fanden wir die Band ziemlich klasse. Ich merke gerade: Klingt immer noch erstaunlich anhörbar, hätte ich schlimmeres erwartet.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
ZitatDie Band mochte ich damals überhaupt nicht, aber zu jener Zeit waren Gitarren für mich als Grunge-Geschädigten und vom "Handmade Music" propagierenden ME frustrierten Techno-Fan ein absolutes No-Go. Die Lage hat sich insgesamt inzwischen entspannt.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Was hab ich die Platte geliebt, 1996. Dass man der Platte anhört, dass nach dem Vorgänger mit Brett Gurewitz einer der beiden Songwriter abgesprungen ist? Dass man den 4/4-Rhythmus im Grunde vom ersten Takt von "The Gray Race" bis zum Outro von "Cease" durchklopfen kann? Die stellenweise grausam simpel-pauschal gesellschaftskritischen Texte? Alles egal. Den Vergleich zum Vorgänger hatte ich nicht, den Rhythmus fand ich geil (die Platte dauert eh nur etwas über 30 Minuten) und die Texte verstand ich nicht. Hab die Platte schon lang nicht mehr gehört, aber beim Durchhören heute, um den definitiven Song zu finden (schwer bis nicht machbar, dafür sind sie zu... homogen), hat sie mir mächtig Spaß gemacht. Das ist simpler Punk-Rock, schnell gespielt, nicht zu hart, schön melodisch, im Refrain könnte man gar von Harmoniegesang reden.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
ZitatDer nächste Song sollte eigentlich irgendwas von Rammstein sein. Nicht, weil ich die Band bis heute verehren würde, 1997 habe ich nahezu nichts anderes gehört als "Herzeleid" und "Sehnsucht", und eine für mich so wichtige Band wollte ich trotz mittlerweile etwas abgeklungener Liebe in der Liste mit abbilden. Beim Durchhören der beiden Alben gab es aber beim besten Willen kein einziges Stück, das ich guten Gewissens in diese Liste hätte heben können. Deshalb weiter mit:
008. Blind Guardian - Mirror, Mirror
Der Song reiht sich nahtlos ein in ein Klima aus ersten Alkoholexperimenten mit Sangria, mühsam weggepafften Zigaretten und Vox-Filmchen freitags um 23.15 Uhr. Nichts, worum sich mein Leben heute noch drehen würde, aber die Erinnerungswerte sind gut, und wo wäre ich heute ohne das?
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."