Zitat von Der Lokus im Beitrag #73Damit der BRAVO-Ausflug nicht ganz in Off-Topic kippt, hätte ich da eine Frage, die vielleicht nur jemand mit 13 Jährigem Nachwuchs beantworten kann:
Ist die Jackson-Sache dort überhaupt ein Thema? Wir kennen ihn ja im Prinzip von daher, aber 2019 interessieren sich die Kinder doch eher für Drake oder irgendwelche YouTube-Trottel.
Oh ja! Sogar explizit. Beispiel Mike Singer. Hat ihn bis vor kurzem noch geyped durch Promo-Schriftzüge auf seinen Shirts. Da kommt die Fanbase dann automatisch zu Michael.
Zitat von G. Freeman im Beitrag #61dass die "doku" sehr einseitig rangeht, ist auch völlig in ordnung, das thema ist die aufarbeitung der opfer und sicher keine gegenüberstellung.
Die Einseitigkeit wird klar kommuniziert - das ist irgendwie schon okay, aber trotzdem hat es mich gestört. Ich hab keinen Zweifel an Jackson's Schuld, und trotzdem kann ich nicht übersehen, wie manipulativ "Leaving Neverland" inszeniert ist.
Zitat von G. Freeman im Beitrag #61vor allem finde ich sie empfehlenswert, weil sie mehr fragen beantwortet als sie stellt (welche rolle hatten die eltern, wie kann das ganze "unentdeckt" bleiben, wie funktioniert die psychologische manipulation, wie kann ein mensch jahrelang nicht glauben, dass es nicht okay ist, wenn dir als siebenjähriger ein typ seine zunge ins rektum drückt etc. etc.)
Das war auch für mich das, was den Film am Ende doch sehenswert macht. Der Vorwurf an die Eltern der Kinder war allerorten zu hören, wie sie denn ihre Kinder an Jackson verkaufen konnten. Den Vorwurf kann man auch weiterhin formulieren, jedoch scheint die Wahrheit doch ein Bisschen komplexer als das. Es ist etwas sehr menschliches, selbst eine offensichtliche Realität zu ignorieren, wenn alles, worauf man sein Leben aufgebaut hat droht, sich in Nichts aufzulösen. Das soll nichts entschuldigen, nur erklären, wie so etwas überhaupt möglich ist.
Was den Umgang mit Jackson's musikalischem Lebenswerk angeht, werd ich sicher nicht in nächster Zeit seine Alben rauskramen. Ich könnte aber auch nicht sagen, dass ich sie in Zukunft nicht mehr hören würde. Klar gibt es Künstler, die aus banaleren Gründen für mich indiskutabel sind. Es ist schwierig, dabei konsequent zu sein. Tatsächlich bin ich nicht nur mit seiner Musik aufgewachsen, sondern auch gleichzeitig praktisch immer schon mit einer Abneigung gegen seine Person, sei es durch seinen perversen Reichtum, seine patriotischen Inszenierungen (in der Reagan-Ära besonders unappetitlich), seine offensichtlichen Heucheleien, seine überladenen Live-Shows, in denen die Musik in den Hintergrund rückte. Natürlich waren die Pädo-Vorwürfe erstmal ein Hammer, aber sie haben ihn für mich nie vom Thron gestossen, weil er da für mich nie war. Wenn ich ganz ehrlich bin, muss ich sogar zugeben, dass dadurch, dass vor dem Prozess schon die Vorwürfe über so viele Jahre im Raum standen, dass ich mich irgendwie daran gewöhnte. Ich weiss, dass das eigentlich ganz furchtbar ist, aber vielleicht hat auch die Tatsache, dass Jackson so eine unwirkliche Figur war, die irgendwo in einem riesigen Vergnügungspark zu leben schien, dazu beigetragen, dass die schrecklichen Vorwürfe nie so ganz in mein Bewusstsein gedrungen sind. In dieser Hinsicht hat "Leaving Neverland" bei mir schon was verändert.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Im Grunde das, was Lumich sagt. Aber: es gibt deutlich schwieriger umzusetzende Momente im Leben, um konsequent zu handeln, als halt einfach nichts mehr von Michael Jackson aufzulegen. Punkt. Ich finde das tatsächlich überhaupt nicht diskutabel, und das hat auch Null mit Moralapostelei zu tun. Da verstehe ich die krampfhafte Differenzierwut wirklich nicht mehr. Wenn es diverse, voneinander unabhängige und plastische, nachvollziehbare Aussagen von Arbeitnehmer*innen über die miserablen Arbeitsbedingungen beim Dorfbäcker gibt, die dieser nicht glaubhaft ausräumen kann, dann bleibt da - voll beweisbar oder nicht - soviel Zweifel, dass ich da nicht mehr einkaufe, und wenn seine Brötchen noch so gut sind.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Aber wenn du die Brötchen bereits gekauft hast, wenn die Vorwürfe aufploppen, bleibt die Frage ob du sie trotzdem isst oder wegschmeißt. Nicht dass ich suggerieren will, jeder sollte eine Jackson-Session machen, aber wenn du das verständlicher Weise nicht willst, dann hilft das nur dir und sonst keinem.
Außerdem ist der Dorfbäcker seit zehn Jahren tot und saß zweimal zu Lebzeiten jahrelang wegen exakt dieser Vorwürfe vor Gericht ohne dass ihm die letztlich nachgewiesen werden konnten. Deshalb gehöre ich zu jenen, die sich nicht in eine bestimmte Sicht der Dinge (inklusive symbolischer Konsequenzen) drängen lassen, vor allem weil diese sich in diesem speziellen Fall letztlich genauso wenig zweifelsfrei beweisen wie widerlegen lässt und m.E. ein paar gewichtige Rechtsgrundsätze dagegen sprechen, so unbefriedigend dieser fehlende Schlussstrich fürs Moralempfinden auch sein mag.
(Persönlich tendiere ich übrigens inzwischen eher dazu, den Vorwürfen zu glauben und finde es gut, wenn jemand einen persönlichen Playlist-Boykott für das Mittel der Wahl hält, ich tue mich mit sowas immer schwerer und würde vermutlich dann auch innerhalb seines Schaffens nach Entstehungszeit differenzieren.)
Zitat von Squonk im Beitrag #79Aber wenn du die Brötchen bereits gekauft hast, wenn die Vorwürfe aufploppen, bleibt die Frage ob du sie trotzdem isst oder wegschmeißt
Hui, schwere Frage, für deren Beantwortung ich erstmal tagelang in Klausur gehen muss. Schade ums Geld, aber man wusste es ja nicht besser.
Just a MF from hell.
Rotation:
Cindy Lee - Diamond Jubilee | Being Dead - Eels | Shellac - To All Trains
Zitat von Squonk im Beitrag #79Aber wenn du die Brötchen bereits gekauft hast, wenn die Vorwürfe aufploppen, bleibt die Frage ob du sie trotzdem isst oder wegschmeißt
Hui, schwere Frage, für deren Beantwortung ich erstmal tagelang in Klausur gehen muss. Schade ums Geld, aber man wusste es ja nicht besser.
Ich finde in dem Fall ist es wirklich eine persönliche Entscheidung, bei der ich beide Optionen (also "ja, weiter hören" und "nein, ertrag ich nicht mehr") verstehen kann. Beim Umzug letztens habe ich beispielsweise eine Lostprophets-CD weggeschmissen, die ich früher sehr gerne gehört habe, weil ich die Musik ohnehin nicht mehr genießen konnte. Und weiterverkaufen wollte ich sie nicht, weil ich damit kein Geld verdienen wollte.
Merkwürdig fänd ich es aber, wenn man jetzt nach all den Erkenntnissen noch in einen Plattenladen läuft und sich den gesamten MJ-Katalog kaufen würde.
Heavy Rotation → ◉ Fleetwood Mac - Tango in the Night ◉ Bonobo - Black Sands ◉ The Decemberists - As It Ever Was, So It Will Be Again ◉ Interpol - Our Love to Admire ◉ Skeewiff - Something Like That?
ich habe bis 3:36 geschaut und schon die schnauze voll. es ist dieselbe masche wie so oft bei opfern sexueller gewalt: es wird die glaubwürdigkeit infrage gestellt, es wird jeder widerspruch gegen sie verwendet, es wird geldgier unterstellt. was zur hölle? es ist vollkommen normal, dass opfer von sexuellem missbrauch, vor allem, wenn er im kindesalter passiert, total widersprüchlich reagieren, erinnerungen fragmentiert oder verdreht sind und sie auch beispielsweise ihre liebe zum*zur täter*in bekunden, da große teile der persönlichkeit sich mit dem*der täter*in identifizieren. das ist eine "normale" strategie, um den missbrauch zu überleben. und warum um alles in der welt, sollte sich jemand in die öffentlichkeit stellen und sich das stigma "missbrauchsopfer" mitsamt allen abwertungen und angriffen antun? keine summe der welt kann das aufwiegen. die gefahr, als lügner*in dazustehen und von der öffentlichkeit wieder und wieder niedergemacht zu werden ist viel zu groß. das nimmt man nicht einfach so hin für ein paar tausender.