Hier wird die Tat immer über "verletzte Ehre" begründet, um sie dadurch in die Nähe von sog. toxischer Männlichkeit und schlimmerem zu rücken, das ist manipulativ. Wenn jemand einen Witz über die Erkrankung meiner Frau machen würde, würde ich eventuell auch rot sehen, aber das hätte nichts mit einer etwaigen Verletzung meines Stolzes oder meine "Ehre" zu tun (eine abwegige Annahme), sondern würde aus einem Schutzreflex resultieren, der sich ein Stück weit bei einer solchen Konstellation unvermeidlich entwickelt. Trotzdem würde ich beim ersten Reflektieren erkennen, dass ich einen Fehler gemacht hätte, genauso wie wir uns hier ja alle einig sind, dass der Schlag ein Fehler war. Dass solche Kontextualisierungen dann sofort moralinsauer als "Rechtfertigung" und Rückschritt in die Steinzeit fehlgedeutet werden, ist auch so eine typische Diskussionssackgasse, mit der wir es uns hier manchmal unnötig zäh machen.
also ich würde darin auch sehen, was an männlichkeit toxisch sein kann. und das wort "unvermeidlich", wenn auch nur ein stück weit, gibt mir auch ein sehr ungutes gefühl. denn dessen gebrauch in diesem kontext empfinde ich wiederum als manipulativ.
Es gibt dir ein ungutes Gefühl, wenn ich konstatiere, dass sich aufgrund einer Erkrankung des Partners wohl "unvermeidlich" Schutzreflexe entwickeln (übrigens unabhängig vom jeweiligen Geschlecht)? Nun denn...
Das ist eine erwachsene, selbstbewusste Frau, bei der die Haare an manchen Stellen ausfallen. Sie hat nicht Krebs im Endstadium. Und da gibt es unvermeidliche Reflexe, die dazu führen, jemand anderem ins Gesicht zu schlagen, wenn er einen unangebrachten Witz macht. Für mich ist das auch nah an toxischer Männlichkeit. Dafür sprechen auch die Körpersprache und die Nicht-Entschuldigung danach - war ja unvermeidlich. Das ist ein Mann, der Medien erzählt, dass er gern mit 20 Frauen um die Welt reisen würde und mit seiner Frau eine (zeitweise) offene Beziehung führt. Da haben die Schutzreflexe wohl kurz ausgesetzt.
Ich habe nie geschrieben, dass er unvermeidlich zuschlagen musste, sondern dass es in so einer Situation zu einer wie auch immer gearteten Kurzschlussreaktion kommen kann, die aller Wahrscheinlichkeit nach eher aus einem Schutzreflex entwachsen dürfte als aus gekränkter männlicher Ehre (was hier eben die allgemeine Unterstellung ist). Ob die beiden eine offene Beziehung führen, tut da nichts zur Sache (1950, bist du es?). Relevant ist auch nicht unsere Bewertung ihrer Erkrankung, sondern welche Rolle und Relevanz diese im Leben der beiden spielt, die psychischen Folgen können da durchaus drastischer sein als die körperlichen. Ich wiederhole jetzt auch nicht zum dritten Mal, dass auch ich den Schlag für einen Fehler halte und die anschließende Reaktion/Rede von Smith für schwach und unangemessen. Aber in Bezug auf seine vermeintliche Motivation finden hier eben Vorverurteilungen statt, die ich deutlich hinterfragen möchte.
Das tut sehr wohl zur Sache. Umso mehr Du von Deinem Privatleben preisgibst, desto mehr musst Du damit leben, dass es thematisiert wird.
Dass es ein Schutzreflex ist und nicht vor allem sein Ego verletzt war, ist nur Deine These. Ich glaube nicht, dass Du das selbe Verständnis Südländern entgegen bringst, die die Ehre ihrer Tochter oder Frau verteidigen.
im zusammenhang mit "rot sehen" etwas als "unvermeidlich" zu rationalisieren und die gründe zudem nicht in mir sondern nur im äußeren zu suchen, lässt mich erschaudern, ja. du hast die aussage zwar etwas abgeschwächt, dennoch ist das in etwa der toxische dreisprung. wieso ist das wichtig, wenn da irgendjemand was sagt? wenn die person meint, dass das witzig ist, muss sie das mit sich selbst aushandeln. ein "not cool dude, my wife is sick" hätte es an energie getan. wenn mir das wohlergehen meiner frau am herzen liegt, kümmere ich mich lieber um meine frau. was jetzt passiert, ist das gegenteil. die ganze welt spricht drüber und die privatsphäre der frau ist ziemlich ruiniert. sie wurde das gegenteil von geschützt.
Zitat von LFB im Beitrag #46Ich habe es zunächst wirklich für eine Inszenierung gehalten.
Als ich das heute morgen als erste Radionachricht hörte, war das mein erster Gedanke, noch bevor ich überhaupt wusste, dass es um die Oscars ging. Und ich gehe nach wie vor davon aus. Zu sehr erinnert das an all die inszenierten Hollywood-Skandale wie z.B. dieser Quatsch mit Janet Jackson und Justin Timberlake. Triple-Win: Alle Welt redet jetzt von Rock und Smith und der Oscar-Verleihung. Mit aktuellen Filmen war das nicht zu erreichen.
Zitat von LFB im Beitrag #94Hier wird die Tat immer über "verletzte Ehre" begründet, um sie dadurch in die Nähe von sog. toxischer Männlichkeit und schlimmerem zu rücken, das ist manipulativ. Wenn jemand einen Witz über die Erkrankung meiner Frau machen würde, würde ich eventuell auch rot sehen, aber das hätte nichts mit einer etwaigen Verletzung meines Stolzes oder meine "Ehre" zu tun (eine abwegige Annahme), sondern würde aus einem Schutzreflex resultieren, der sich ein Stück weit bei einer solchen Konstellation unvermeidlich entwickelt.
Es tut mir fast weh, gegen einen so harmlosen und eigentlich ja positiv besetzten Ausdruck wie "Beschützerinstinkt" zu argumentieren, aber genau das ist doch Teil der "toxischen Männlichkeit": Männer, die sagen, dass Frauen beschützt werden müssen, sprechen ihnen die Fähigkeit ab, sich selbst zu verteidigen. Und sie sprechen ihnen die Fähigkeit ab, selbst zu entscheiden, ob ein Angriff einer Verteidigung überhaupt wert ist. Eine erwachsene Frau, ob nun chronisch krank oder nicht, beschützen zu wollen, wie man es mit einem Kind tun würde, ist Bevormundung. Will Smith hat entschieden, dass Jada Pinkett jetzt beleidigt zu sein hat, und er hat entschieden, dass dieses Unrecht auzumerzen ist, mit Gewalt. Das ist Bevormundung. Und das ist toxisch. Gesetzt den Fall, die beiden haben in ihrer Beziehung irgendwann mal über dieses Thema gesprochen und Jada hat beschlossen und kundgetan, dass es für sie total okay und wünschenswert wäre, wenn Will links und rechts Backpfeifen verteilt, wann immer ihr jemand dumm kommt - cool. Sollen sie machen. Dann halte ich zwar immer noch nicht mehr von körperlicher Gewalt, aber es geht wenigstens nicht gegen den Willen derjenigen, die im Grunde als Einzige von diesem lahmen Witz betroffen war.
Aber Mory - höre ich es da in meinem eigenen Hinterkopf - willst du etwa nicht beschützt werden? Gegen die Unbillen der Welt verteidigt? Vielleicht will ich das, ziemlich sicher sogar. Aber nicht ungefragt und bestimmt nicht mit Gewalt gegen dumme Witze.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
Zitat von LFB im Beitrag #46Ich habe es zunächst wirklich für eine Inszenierung gehalten.
Als ich das heute morgen als erste Radionachricht hörte, war das mein erster Gedanke, noch bevor ich überhaupt wusste, dass es um die Oscars ging. Und ich gehe nach wie vor davon aus. Zu sehr erinnert das an all die inszenierten Hollywood-Skandale wie z.B. dieser Quatsch mit Janet Jackson und Justin Timberlake. Triple-Win: Alle Welt redet jetzt von Rock und Smith und der Oscar-Verleihung. Mit aktuellen Filmen war das nicht zu erreichen.
Verdächtig finde ich vor allem, wie unglaublich elegant Rock das Einsteckt und weiter macht.
für mich spielt weder diese ehrenverteidigung, toxic masculinity (auch wenn dieses „love makes you do things“ klassischer problematischer beziehungssprech ist) auf der einen seite, noch die frage nach der dosis ableismus im witz, auf der anderen seite, eine relevante rolle. ein mann schlägt einem anderen vor der ganzen welt ins gesicht.
wenn ich dich lfb richtig verstehe kannst du es nachvollziehen, und gleichzeitig auch nicht rechtfertigen. diese hermeneutisch-dialektische fleissaufgabe gehe ich dann bis zu einem gewissen punkt gerne mit, so wie ich auch verstehe, dass manche mörder als in die ecke gedrängte menschen austicken können und dann im affekt handeln. bei diesem körperlichen angriff im live tv überwiegt der episodische bewertungsaspekt aber mmn ungleich mehr, als die frage nach der ursache und dem zustandekommen.