Wie schon besprochen: Album unter anderem Namen aus vertraglichen Gründen. Aus Tricky`s Sicht mehr eine Compilation. Mein persönlicher Einstieg in die Musik von Tricky.
Aus diesem Album wurde nur eine Single, nämlich "Poems" ausgekoppelt. Mir würde auch kein anderer Track einfallen, der singletauglich wäre. Nicht dass es an guten Tracks fehlen würde, ganz im Gegenteil. Hier dominieren windschiefe Loops und Samples, manchmal dissonant überlagert durch andere Loops/ Samples. Die Stücke scheinen oft auf der Stelle zu treten, ohne viel Entwicklung. Gleichzeitig verleiht das der Musik eine hypnotische Sogwirkung.
Die US-Version des Albums hat zwei Stücke mehr, nämlich das Depeche Mode-Cover "Judas" und das Slick Rick-Cover "Children's Story". Ebenso ist der Eröffnungs-Track "Tattoo" ein Cover von Siouxsie & the Banshees. "Yoga" hingegen, eins von zwei Duetten mit Björk auf diesem Album, hat nichts mit dem (fast) gleichnamigen Stück vom Björk-Album "Homogenic" zu tun. Dafür singt Björk auf "Keep your Mouth shut" ihr Stück "You've been flirting again". Zu der Zeit hatten Tricky und Björk eine kurze Affaire. Terry Hall, vor allem bekannt als Sänger der Specials, ist auf zwei Stücken vertreten. Terry Hall ist einer der ganz großen Helden von Tricky. Alison Moyet singt auf einem weiteren Track.
Das Album stört zwar weniger beim Bügeln als die Alben, die darauf folgten, ist aber gleichzeitig deutlich weniger gefällig und experimenteller als der Vorgänger.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Ich liebe das Stück mit Alison Moyet. Das zeigt wieder, was für eine tolle Sängerin sie ist, was auf ihren Mainstreamquatschplatten leider ziemlich unterging.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Das mit den Bonus-Tracks auf der US-Ausgabe habe ich ganz vergessen im Laufe der Jahre. Aber dem "Judas" Cover konnte ich schon immer herzlich wenig abgewinnen
Einer der Höhepunkte kommt gleich zu Beginn: "Vent" ist ein Stück, dass live praktisch immer auf der Setlist steht. Insbesondere in den früheren Tagen, als Tricky's Konzerte noch ausschweifender waren und noch eine volle Bandbesetzung hatten, wurde das Stück auch gerne in 10-minütigen Jams ausgeweitet, was wirklich eine intensive und einlullende Erfahrung war. Der leiernde Loop und der treibende Beat darunter sind einfach goldwert. Danach kommt die erste von insgesamt 3 Singles "Christiansands", welches ich ebenfalls zu den Höhepunkten zähle. Track 3 ist "Tricky Kid", ebenfalls eine Singleauskopplung, straighter Hip-Hop mit schleppendem Reggae-Beat. Für's Radio vielleicht etwas zu monoton.
Coverversionen gibt es auch diesmal einige: Der vierte Track "Bad Dreams" stammt im Original von Chill Rob G.:
Es ist wohl fair zu sagen, dass Tricky's Version albtraumhafter wirkt.
"Makes Me Wanna Die" ist die zweite Single: düster, melancholisch mit Martina's umwerfend warmer, kratziger Stimme. Und doch ist das nicht der typische Single-Smasher. Mal wieder tritt der Song auf der Stelle, wird sogar am Ende abrupt abgebrochen. Gefällig war gestern! Ab jetzt wird die Geduld des Hörers/ der Hörerin auf die Probe gestellt: In "Ghetto Youth" erzählt ein jamaikanischer Gangster einen Schwank aus seinem Leben. Als ob sein Patois-Slang nicht schon schwer genug zu verstehen wäre, wird die Stimme fortwährend durch den Loop im Hintergrund überlagert. Das Ganze dauert dann 5:37 min.. Inzwischen kann man den Text aber nachlesen. Man muss dazu wissen, dass Tricky für das Album eine Zeit in Jamaika verbracht hat, wo er auch Verwandte hat. Große Teile des Albums wurden auch dort aufgenommen - der Rest in New York.
"Sex Drive" ist m.E. der schwächste Song auf dem Album. Das collagenhafte mag zwar noch ganz reizvoll sein, aber irgendwie fehlt mir der Drive. "Bad Things" wird immerhin noch getrieben von der Band, die er da im Rücken hat. Es wird schon besser, aber so richtig stark finde ich den Track auch nicht.
"Lyrics of Fury" ist die nächste Coverversion. Der King hat's bereits gepostet - das Original stammt von Eric B. & Rakim:
Das Original ist schon ziemlich klasse, auch wenn der Produktion eindeutig der Saft fehlt. Das hat Tricky dann für sie nachgeholt. Ein Höhepunkt auf diesem Album, ebeso wie live.
"My Evil Is Strong" hat wahrscheinlich manche in den Wahnsinn getrieben, die es bis hier hin durchgehalten haben. Auch das letzte Stück der regulären Edition "Piano" könnte leichter verträglich sein, ohne den Beat, der wie ein Dampfbügelautomat klingt. Mir gefällt's so.
2016 kam das Album nochmal remastert raus, mit Bonus-Tracks. Neben der wunderbar sperrigen B-Seite "Flynn", wo noch einmal "Bad Dreams" von Chill Rob G. verarbeitet wird, finden sich noch Remixe von "Piano" und "Makes Me Wanna Die", die ebenfalls zuvor schon auf B-Seiten zu finden waren. Zusätzlich gab es aber noch zwei Stücke von der EP "Tricky presents: Grassroots", die im gleichen Jahr, wahrscheinlich noch vor "Pre-Millenium Tension" herausgekommen ist. "Devil's Helper" hätte gut zu "Nearly God" gepasst. Auch auf "Pre-Millenium Tension" hätte es den ein oder anderen Track ersetzen können - das hätte das Album aufgewertet. Das gleiche gilt auch für den anderen Track "Grass Roots" mit dem Rapper Drunkenstein, von dem man dann nie wieder etwas gehört hat.
Das nehme ich mal als Überleitung für:
Tricky presents: Grassroots (1996)
Neben dem schon bekannten Track "Tricky Kid" befinden sich noch 4 weitere Tracks auf dieser EP. Zwei davon sind bereits oben besprochen, als Teil der Bonus-Tracks. Das müsste einer der ersten Veröffentlichungen von Tricky's erstem Label-Versuch Durban Poison sein. Später folgte sein zweites Label Brown Punk. Bei beiden Labels konnte man sich allerdings sicher sein, dass, wer immer auf diesen gefeatured wird, garantiert unbekannt bleiben würde. Die Idee war bestimmt, mit diesen 4 Kollaborationen die jeweils anderen KünstlerInnen bekannter zu machen. Das wurde nichts. Dennoch eine sehr hörenswerte EP.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von King Bronkowitz im Beitrag #52Als ich gerade die "Gravediggaz" nachgoogelte, sah ich dies:
In 1995, the three rapping members (without Prince Paul) released a collaborative EP titled "The Hell E.P." with UK trip hop artist Tricky.
Kennst du die?
Ja, das ist die Single von "Hell Is Round The Corner":
Tricky Vs. The Gravediggaz – The Hell E.P. (1995)
Neben der Album-Version von "Hell Is Round The Corner" gibt es den "Hell & Water Remix" - ich nehme mal an von den Gravediggaz. Dazu den Hammer-Track "Psychosis" und den ebenfalls grossartigen Track "Tonite Is A Special Nite", welcher auch auf dem phantastischen Soundtrack zu "The Crow II: City Of Angels" zu finden ist - ein Soundtrack, der noch deutlich besser ist als der Film dazu. Dort wiederum findet sich eine Zusammenarbeit von Bush und Tricky (die Tricky später bereute):
Dies ist eine Coverversion eines posthum erschienenen Joy Division-Songs.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Gott, ist das alles lange her. Ich hatte die "Hell E.P." damals, hatte sie aber irgendwann mal verscherbelt.
Die Grassroots EP finde ich auch gut. Die kam auf jeden Fall vor dem Album aus und mit der HipHop Ausrichtung wurde da wohl Richtung USA geschielt. "Live W/Y Self" ist noch immer ein toller RnB-Song
Das "Nearly God" Album ist mir damals tatsächlich durchgegangen, das kommt von dem Versteckspiel, wenn nicht einfach Tricky draufsteht. Vorhin nachgeholt, klingt sehr vielversprechend, spontan hat mir der Track mit Björk am besten gefallen.
Zum Thema EP ging vermutlich vielen durch, dass er 2020 zusätzlich zum Album noch zwei EPs veröffentlicht hat, zum einen "20,20" mit drei unveröffentlichten Songs, mutmaßlich Outtakes zum Album (das mit 29 Minuten ja auch rammelvoll war, haha) sowie die "Doorway EP" mit drei Versionen von besagtem Song, die unterschiedlicher nicht sein könnten, ich habe gleich zwei davon auf meine Jahres-MIB genommen:
Vorab-Single war das Duett mit PJ Harvey, mit der Tricky für kurze Zeit liiert war. Gleichzeitig gab es die Single auch als Doppel-A-Seite: "Broken Homes/ Money Greedy". Diese Singles enthalten neben einem Hip Hop-Remix von "Broken Homes" die Tracks "360°" und "Anti-Histamine". Desweiteren gab es eine Single von "6 Minutes" mit diversen Remixen.
Es gibt verschiedene Versionen des Albums: Die reguläre Version hat 12 Tracks, die französische Edition der Kaufhauskette Fnac enthielt zusätzlich die Tracks "Peyote Sings" und "Taxi", die japanische Edition hat eine andere Reihenfolge und zusätzlich die Titel "Time Slippin'" und "Peyote Sings".
Auch auf diesem Album wurde fleißig gecovert: "Mellow" ist im Original von ESG, "Singin' The Blues" ist von Mary McCreary, "The Moment I Feared" von Slick Rick (mit der Bomb Squad im Rücken). "Carriage For Two" ist zwar keine Coverversion, jedoch singt Martina "God Bless The Child" von Billie Holiday.
Das Album entstand mit so vielen Musikern im Studio wie nie zuvor oder danach. Scott Ian von Anthrax spielt auf gut der Hälfte der Tracks Gitarre, ebenso wie Greg Cohen am Kontrabass zu hören ist - den kennt man u.a. als langjährigen Live-Bassist von Tom Waits. Aus diesem Umfeld findet sich auch Marc Ribot, zu hören auf zwei Stücken. Perry Melius spielt auf 5 Tracks Drums - den kennt man u.a. von African Head Charge. Desweiteren spielen noch zahlreiche weitere Studiomusiker auf diesem Album, darunter noch zwei weitere Drummer.
Das Album ist das vorletzte, das für Island Records/ Polygram aufgenommen wurde und das letzte mit Martina Topley-Bird. Sie hinterlässt eine Lücke, die nie wieder annähernd gleichwertig gefüllt werden konnte, auch wenn ich die aktuelle Sängerin Marta Zlakowska besser finde, als die meisten anderen Sängerinnen, die zeitweise Tricky gesanglich begleitet haben.
Es schmerzt mich bis heute, dass ich die Tour zu diesem Album verpasst habe. Wenn ich mich richtig erinnere, wurde das Berlin-Konzert damals abgesagt. So habe ich nicht nur die Tour zu meinem Lieblingsalbum von Tricky verpasst, sondern ich habe ihn auch nie zusammen mit Martina sehen können [indieTischkantebeiß].
Wie bereits erwähnt, sehe ich dieses Album als konsequente Weiterführung von "Pre-Millenium Tension". Zum einen hat er seine Zusammenarbeit mit Studiomusikern ausgeweitet, zum anderen arbeitete er verstärkt mit hektischen Rhythmen und aggressiven Stimmungen - im Gegensatz zu seinem Debut, dass vor allem für seine Entspanntheit so beliebt ist. Weiterhin arbeitet er auf Basis von Sample-Loops, die aber nicht selten weiter im Hintergrund laufen als zuvor, da den Live-Musikern mehr Raum eingeräumt wird. Das bestärkt mich auch in meiner These, dass Tricky sein Niveau von damals heutzutage nicht mehr erreicht, weil die vielen Leute um ihn herum fehlen, die auf seine Ideen einsteigen und sie veredeln, neben den Produzenten, die ebenfalls ihren Anteil gehabt haben dürften.
Tricky befindet sich hier auf dem Höhepunkt seines Wahnsinns. Neben dem Drogenkonsum kommt eine Lebensmittelunverträglichkeit, die sein Bewusstseinszustand wohl beeinträchtigt hat. Diese wurde ein oder zwei Jahre nach diesem Album diagnostiziert. Seitdem lebt Tricky diätisch. Die Texte, die hier sogar abgedruckt sind, sind auf beunruhigende Weise konfus und unzusammenhängend. Dauerthemen für ihn sind der Ruhm, Leute, die sich darauf zu viel einbilden und sein Ärger mit Plattenfirmen. Andererseits geht es in dem Song "Record Companies" nur am Rande um diese.
Der Eröffnungs-Track "Money Greedy" hat bereits das, was ich besonders mag, nämlich diese Mischung aus warmen, sehr dicken Bässen, die einen schon fast in Sicherheit wiegen, während ein hektischer Beat einem die Beine wegreisst. Die Coverversionen orientieren sich nur vage an den Originalen - meistens ist es nur der Gesang, der übernommen wird. In "Singin' The Blues" scheint Martina gegen die Instrumente anzusingen, die sie kaum unterstützen, was wunderbar mit dem Text korrespondiert. "The Moment I Feared" bringt den Text eigentlich noch viel besser zur Geltung als das für sich schon tolle Original, ähnlich wie bei "Lyrics Of Fury" auf dem Album zuvor.
"Talk To Me" ist wieder eins der wunderbar verstörenden Stücke, in dem das Schlagzeug vor sich hinstolpert und auch der Loop dahinter wenig Orientierung bietet und somit eine albtraumhafte Stimmung erzeugt, ähnlich wie bei "Psychosis" aus der Hell EP. "Record Companies" ist der perfekte Abschluss des (regulären) Albums, fast etwas wie eine Quintessenz. Ich bin regelmäßig völlig platt nach diesem Song, wenn ich das Album durchhöre.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Sehr schöner Text mit Infos, die in meinem Kopf verschüttet gegangen sind und einigen Infos, die ich erstmals höre. Da höre ich mir das Album doch gerne gleich mal wieder an