De Moor: Schlaflose Nacht. Eine kurze Novelle zwischendurch. Eine schlaflose Nacht einer Frau, deren Mann sich vor mehr als zehn Jahren nach nur zweieinhalb Jahren Ehe umgebracht hat. Kann man gut lesen (wie schon derKehlmann recht teuer für die Lesezeit ;-) )
Also, in diesem Buch steckt ja irgendwo schon eine berührende Familien- und Liebesgeschichte, und es gibt auch immer wieder mal Passagen, in denen Wells' Figuren mir kurz nahegekommen sind. Ich kann auch verstehen, wenn man das Buch mag. Aber es gibt zwei Gründe, weswegen ich es aber eben nicht mochte: 1. Der Stil: Wells schreibt sehr bieder und altbacken, erzählt viele banale Details mit einer ganz platten Sprache, und überlässt dem Leser überhaupt keinen Raum für die eigene Vorstellung. Das liest sich leider oft wie der erste Roman eines durchschnittlich talentierten Jungautors, der eine ganz große Geschichte erzählen will. Für ein Jugendbuch sind die Themen aber wiederum zu, naja, "erwachsen". 2. Die Struktur: Das Buch erzählt einen Zeitraum von über 30 Jahren und unterteilt das dann in bestimmte Zeitabschnitte. Durch die Zeitsprünge wird man aber immer wieder aus der Story gerissen und entfernt sich von den Figuren. Fand ich störend. Ja, und da haben wir auch noch gar nicht über die manierierten Namen gesprochen: die Figuren heißen Jules! Liz! Alva! Marty! Neeee, neeee.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Der Spiegel hat es im Jahresrückblick als brutalen Kitsch abgewatscht. Ich will es aus Neugier schon noch lesen. Bislang veröffentlicht er aus ideologischen Gründen keine Ebooks, will das aber mit der Taschenbuchausgabe ändern.
Ich hätte es ihm ja auch geschenkt, weil ich es zweimal habe - aber der faxe ist da sehr strikt. Mir hat es sehr gut gefallen. Wie bisher alles, was ich von Wells gelesen habe. Und deshalb haben mich auch die Lobpreisungen und Auszeichnungen für ihn sehr gefreut.
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Burnside: Lügen über meinen Vater. Ein sehr wuchtiges, gutes Buch. Er erzählt von seiner Kindheit bis zum Erwachsenwerden, vom verhassten Vater, der ein Alkoholiker war, von seinen eigenen Süchten und vom Leben ohne Perspektive in den Arbeiterstädten. Teil zwei ist auf deutsch gerade raus.
Shalev: Liebesleben. Habe ich gelesen, weil er im Spiegel-Kanon war. Wie schon Schmerz: Ein stellenweise irritierender, aber in jedem Fall interessanter Roman (über eine verheiratete Frau, die obsessiv einem älteren Mann verfällt). Israel hat schon viele gute Autoren.
Robert Hültner: Tödliches Bayern. Echte Mordfälle aus zwei Jahrhunderten, als Sozialstudie literarisch aufbereitet. Ich fand es interessant, ich habe eine Lesung von ihm bei uns im Dorf organisiert. Wenn es passt liest er auch als Weltpremiere erstmals aus seinem neuen Roman.
Solider Arktis-Krimi mit schönen Landschafts- und Leutebeschreibungen - manchmal bissl zuviel gewollt (warum es die Explosiom im Eis gab weiß ich zb auch nach Beendigung nicht!)
Ich werde jetzt mal nicht im Detail auf die üppige Ausstattung eingehen, die andernorts mehr als erschöpfend behandelt wurde und immer wieder wird. (Natürlich ist das Buch schon durch die zahlreichen Beigaben und den wundervollen Druck etwa Besonderes; das Lesen eines solch liebevoll gestalteten Buches macht viel Freude.) Wichtiger war mir schon immer der Inhalt eines Werks, und der passt hier meines Erachtens ebenfalls: Verwirrspiele begeistern mich immer. Ein fiktiver Autor namens VM Straka hat das Buch "Das Schiff des Theseus" geschrieben, das seine Übersetzerin FX Caldeira überträgt und - da große Teile des letzten Kapitels verschollen sind - komplettiert. In zahlreichen Fußnoten setzt sie sich mit Gerüchten um Strakas Identität auseinander; niemand kennt den Autor. Ähnliche Themen haben auch zwei Leser des Buches, Eric und Jen, die sich in Randnotizen der "gemeinsamen" Ausgabe unterhalten, näherkommen und schließlich verlieben. Der Literaturwissenschaftler Eric sucht auch nach Strakas wahrer Identität, Jen will ihm dabei helfen, und beide geraten in einen angedeuteten Krimi mit Brandstiftung, Stalking und unsichtbaren Mächten, die diese Suche unterbinden und zur Not auch das Leben der beiden Leser zerstören wollen. Die Binnengeschichte VM Strakas aber ist es, die am meisten beeindruckt: Ein Mann namens "S" erwacht eines Tages ohne Erinnerung an sein früheres Leben, seine Identität, Herkunft oder Ziel, und macht sich auf die Suche genau danach.
Diese Suche führt ihn immer wieder in Situationen, in denen ihm eine Art Weltbedrohung durch einen dubiosen Waffenfabrikanten begegnet und nach und nach verliert er sich im Kampf um die vermeintlich gute Sache. Spannend, mystisch, am Ende in einer meisterhaften Antiklimax großartig aufgelöst.
Kritikpunkt: Das ständige Beharren auf "Liebe ist das Wichtigste!" und "Lass uns nicht die Fehler der anderen wiederholen!" So was nervt mich rasch. Aber was soll man machen, wenn ein Vexierspiel um Identität und Verschwinden dringend durch eine Liebesgeschichte gewürzt werden muss, weil das dem Publikum angeblich gefällt -- einem Publikum, das Liebesgschichten offensichtlich nur noch erkennt, wenn immer wieder und wieder möglichst explizit von Liebe und Beziehung gesprochen wird... Das Vergnügen an dem Buch trübt das aber nur wenig, ich hatte meinen Spaß damit.
Ich lese das auch gerade und empfinde es geradezu als Qual. Wenn ich es nicht geschenkt bekommen hätte und es deswegen ein Stück weit als Pflicht ansehen würde, hätte ich es schon lange weggelegt. Nach mehr als 300 Seiten interessiert mich inzwischen null, wer Straka eigentlich war, zumal ohnehin inzwischen genug Personen infrage kommen, über die ich schon lange den Überblick verloren habe. Was mich aber am meisten nervt, sind die Anmerkungen dieser "Literaturwissenschaftler" im Text. Da werden Dinge angestrichen und mit Pseudoweisheiten verteilt, die sogar mit einen rudimentären Textanalyse überhaupt nichts mehr zu tun haben. Überinterpretation ohne Ende, auch wenn die kafkaeske Grundgeschichte sicherlich Potential hat, auch biographisch gelesen zu werden, gilt das für die beiden Anmerkungsprotagonisten ausschließlich und sie übertragen das gleich noch alles in ihr eigenes Leben. Irgendwelche Halbsätze werden da unterstrichen und dann "so fühl ich mich auch" an den Rand gepinselt. Das macht mich wahnsinnig. Eine Rose ist nunmal eine Rose ist eine Rose. Die Gestaltung ist tatsächlich sehr schön, vor allem die des Buchs selbst. Am besten gefallen mir die sorgfältig vergilbten Seiten. Die meisten Einlagen braucht man aber nicht zwangsläufig. Auch finde ich dieses Lesen auf mehreren Ebenen zwar anstrengend, aber durchaus interessant. Aber wenn man keine gute Grundgeschichte zu erzählen hat, dann bleibts leider bei der Idee.
Kästner: Das doppelte Lottchen. Zwillingsschwestern sind seit der Trennung ihrer Eltern getrennt und wissen nichts voneinander, da die Trennung sehr früh war. Im Ferienlager treffen sie aufeinander und tauschen ihre Plätze. Den Rest will ich nicht spoilern!
Vor allem für jüngere Leser etwas, ich denke, von dem Autor wird man noch einiges hören.
Stevenson: Die Schatzinsel. Den Anfang dem Junior vorgelesen, dann selbst zuendegelesen (er auch). Auch heute noch gut, auch die neue Übersetzung ist gut. Ist ein Jugendbuch, man wartet im letzten Drittel als Erwachsener noch auf einen Plot Point.
Vor allem für jüngere Leser etwas, ich denke, von dem Autor wird man noch einiges hören.
ich kann ja dieser ganzen popliteratur nichts abgewinnen, das hab ich schon bei hölderlin gemerkt. aber vielleicht geb ich ihm trotzdem mal eine chance.