Wollte mir selbst ein Urteil bilden. Kurz: Fand es jedenfalls unterhaltsamer, als ich erwartet hatte (dennoch zu lang für das, was es kann).
Eine Art satirisches Sittengemälde Österreichs nach dem zweiten Weltkrieg. Ob man die Phänotypen, die da gezeichnet werden, vom Dorfdepp über den Dorftrinker bis zur Dorfmatratze, nun lustig findet oder abgedroschen, ist sicher ein schmaler Grat. Politisch finde ich es eher unbedenklich.
Wenn ich es richtig verstanden habe, hält niemand den Inhalt des Buches für bedenklich. Die Bedenken bezogen sich doch immer auf einen Auftritt bei den Mitternachtsspitzen vor 2 Jahren.
Ja, aber es geht in der Diskussion ja um ihre Gesinnung und die Frage, ob sie da eine Kunstfigur ist oder im Grunde sie selbst. Im Roman gäbe es genug Gelegenheiten, zu entgleiten, es ist von „dem Russen“, „den Juden“ und „Negern“ die Rede, etc, es geht ja um Österreich... Mir ist aber keine einzige Passage aufgestoßen (die Schlüpfrigkeiten nerven zuweilen bissl). In Hamburg sollte sie ja auch aus dem Roman lesen, meine ich (abgelehnt, neben ihr zu sitzen, hat dann der Quaderer).
ich hab in das buch reingelesen und finde ihre sprache auch schriftlich unfassbar unangenehm, egal bei welchem thema. selten eine*n künstler*in gesehen/gelesen, die*der mich sprachlich so abstößt.
Auf einen Tip von faxe hin gekauft und gelesen. Nur fand ich es nicht gut. Nehmen wir mal das Positive: ich habe mich nie mit Heimkindern in der BRD beschäftigt und nahm das Buch zum Anlaß, mal über die sogenannte "Schwarze Pädagogik" zu recherchieren; ich war ziemlich fassungslos, was in der BRD bis 1974 noch möglich war, als man mit 21 volljährig wurde und man noch mit 18 in ein Heim gesteckt werden konnte, weil man lange Haare hatte und "aufmüpfig" war, um dort Zwangsarbeit zu leisten und geschlagen und erniedrigt zu werden, oft von ehemaligen SS - Männern und sonstigem Gesindel aus Dunkeldeutschland. So war sie halt, unsere gute, alte BRD: gegenüber der DDR ein Hort der wahren Menschlichkeit.
Nur beschreibt Achten das nicht nur in einem ungewollt faden, trockenen Stil, mir sind auch einige Elemente ziemlich aufgestoßen: einige sprachliche Schludereien. Binsenweisheiten, wo er versucht, nachdenklich zu sein. Schlampige Recherche (1974 gab es in Frankfurt mit Sicherheit noch keinen Willy - Brandt - Platz; die Nationalhymne zum Sendeschluß wurde im deutschen Fernsehen meines Wissens erst frühestens Ende der 80er eingeführt); "Procul Harum" und "Jimmy Hendrix". Ständig sprunghaft aufeinanderfolgende Ereignisse, um Tempo zu erzeugen, die aber dafür kaum mal tiefergehend auserzählt werden. Bei meinen Recherchen über Kinderheime stieß ich auf Textpassagen, die fast 1:1 übernommen wurden, ohne jedoch aus den beiden dazu angegebenen Quellen zu stammen. Zuletzt noch völlig unglaubhafte Figuren. Abgesehen von der demenzkranken Großtante, die auch nach einem einjährigen "Irrenhaus" (so hieß das damals)- Aufenthalt nach dem Absetzen ihrer Medikamente wieder ohne fortgeschrittene kognitive Defizite zu ihrem vorherigen Allgemeinzustand der liebenswürdig senilen Seniorin zurückkehrt, sag ich nur: ein Bäcker und Konditor und die Betreiberin eines Lottoannahmegeschäfts auf dem Dorf in den 70ern als Eltern. Der Vater liest Böll und philosophiert gerne, beide Eltern sind linksliberal und schämen sich für die Nazivergangenheit ihres Dorfes, über die sie mit ihren halbwüchsigen Söhnen natürlich auch reden, die Tierärztin, in die sich der Vater verliebt, liest Konsalik und Simmel.. Und das soll jemand, der selbst in den 70ern/frühen 80ern auf dem Dorf aufgewachsen ist, tatsächlich glauben? Aw, c'mon.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
In zwei Wochen liest der bei dem Festival, das wir für einen Verein organisieren. Ich bin gespannt (falls ich hin muss).
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Schade, dass es Dir nicht gefallen hat. Als 70er-Jahre-Kind sage ich mal: mit der Nationalhymne liegst Du falsch (und beim Stil und dem Rest ;-) )! Ich recherchiere das mal. Edit: Ha, der King hat recht mit dem Sendeschluss!
Nach dem eher mageren Erlebnis mit Vom Ende der Einsamkeit dachte ich mir, ich gebe ihm direkt die nächste Chance. Der Start war dann auch ganz ok, aber spätestens ab Seite 100 und im zweiten "Song" verlor er mich. Die Hauptfigur wirkt schludrig zusammen gezimmert, er hat überhaupt keine Tiefe und keine Sympathie. Es scheint, als habe der Autor lange die frühen Nick Hornbys und ähnliches gelesen und eine männliche Hauptfigur Ende 30 nach Reißbrett-Prinzip zusammen geschludert. Nur leider klappt das im Gegensatz zu z.B. Hornby in High Fidelity nicht. Dort kamen bei aller Oberflächlichkeit wichtige Rückblenden oder zumindest innere Monologe, die auch noch das widersprüchlichste kühle Verhalten etwas erklärten. Das fehlt hier komplett - Beck will nur kurze Beziehungen, bis er dann ohne besonderen Grund auf einmal doch mehr von einer zehn Jahre jüngeren Frau will. Als Grund fällt nur der Satz "vielleicht, weil er eben nicht mehr erwartet hatte". Äh ja: wenig von Beziehung erwarten = eine lange Beziehung wollen, ist klar.
Auch das Motiv mit dem jungen Litauer und sein Hintergrund wirken krampfhaft und nie richtig glaubhaft. Kann nicht begreifen, wieso Illies damals "das spannendste Debüt des Jahres" oder so rezensierte.
Sorry, ich war neugierig und in Interviews und auch in kurzen Texten ist mir Benedict Wells hochsympathisch. Aber seine Bücher sind nicht meins, hatte viel mehr erwartet.
Bekanntermaßen bin ich ja ziemlicher Fan, aber das hinterließ mich eher ratlos. Eine Sammlung imaginärer Textanfänge (sehr schön: "Anfang eines 688 - seitigen Liebesromans"), pendelnd zwischen sehr böse (wo er am besten ist), halbwegs amüsant und grauenhaft unkomisch. Werde ich mir (im Gegensatz zu Achten und Despentes) zwar mal wieder ins Regal stellen, aber eher aus Komplettierungsgründen.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Kleine große, einfach, behutsam und andeutungsreich Geschichten eines großartigen Erzählers über Einsamkeit, Isolation und Verluste. Hallt einige Zeit nach. Man liest viel zu selten Erzählungen.
Jacques Poulin: Volkswagen Blues
Schriftsteller in der Krise fährt mit der Halbindianerin "Große Heuschrecke" im Bulli von Quebec nach San Francisco, auf der Suche nach seinem Bruder und nach Inspiration. Eine Reise durch Amerika und die amerikanische Geschichte, sehr schlicht erzählt. Der Stil hat mich an Richard Brautigan erinnert. Erstmals auf deutsch erschienen, vermutlich im Zuge des geplanten Gastlandauftritts Kanadas auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse, obwohl schon 1984 erschienen. Vielleicht liest es sich deshalb auch etwas aus der Zeit gefallen. Gilt in (Franco)kanada als "Kultroman".
Milena Michiko Flašar: Ich nannte ihn Krawatte
Ein ehemaliger Hikikomori - also ein Jugendlicher, der sich im heimischen Zimmer vor der Welt zurückzieht - und ein Arbeitsloser, der immer noch zur Arbeit geht, weil er seiner Frau verschweigt, dass er gekündigt wurde, teilen den gleichen Alltag auf einer japanischen Parkbank und freunden sich vorsichtig an. Anrührend und poetisch geschriebener kleiner Roman über Druck, Schuld und Trauer, der vor allem deshalb so gut funktioniert und nicht ins Kitschige kippt, weil er nur rund 140 Seiten lang ist.
Bin Steinfest-Fan, vor allem die Büglerin habe ich sehr gern gelesen (und das mit den Spatzen auch, auch wenn es schon arg seltsam war). Hier geht es um einen Chauffeur, der nach einem Schicksalsschlag (der eigentlich soviel hergeben würde, aber fast nur am Rande behandelt wird) seinen alten Traum erfüllt und ein kleines Hotel eröffnet. Manchmal geht die Phantasie mit Steinfest durch, und es kommt zu Nebensträngen, die bizarr und völlig überflüssig sind, ich mochte das Buch dann aber doch wieder - und auch das Ende wieder, was ich schon bei der Büglerin eine Stärke fand.
Ein krass stilles Buch. Ein Mann, über den man wenig bis nichts erfährt, begleitet in einem Tessiner Bergdorf den 80-jährigen Felice ein paar Tage, der 365 Tage im Jahr morgens erstmal in einer Gumpe badet. Ein wenig Dorfleben mit seinen Charakteren, ansonsten passiert wenig. Dürfte aber gefallen, wem "Ein ganzes Leben" und "Acht Berge" gefallen hat (wobei ich ja mehr ein Fan von letzterem bin).
Sehr viele gleichförmige Bilder. Das ist das Eine. Inhaltlich:
ich war selbst mal großer Beat - Literaturfan, aber das ist 25 Jahre her. In den 50ern war das tatsächlich revolutionär, heutzutage wirkt das gar schaurig gealtert. Esoterisch verquarktes, teilweise komplett talentfreies Gestümpere, Päderastentum unter der Flagge sexueller Befreiung, naives Abfeiern aller Arten von Selbstzerstörung ... der Blick aus sechzig Jahren Entfernung auf die Beatgeneration ist sehr ernüchternd. Und die - recht nett gestaltete, das muß man ihr lassen - Graphic Novel nach ca. 120 Seiten tödlich langweilig, da die immerselben künstlerischen Ansätze und Lebensentwürfe, die mich abwechselnd befremden, anekeln oder die ich einfach hinter mir gelassen habe, hier in einem Endlosloop stecken.
Einen soft spot hab ich halt immer noch für Burroughs ... obwohl der einfach ein geisteskrankes, asoziales Arschloch war, nüchtern betrachtet.
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(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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