Christian Kracht - Ich werde hier sein im Sonnenschein und im Schatten
So ganz kriegt er mich nicht, der Kracht von 2008. In einer selbst entworfenen Parallelwelt, in der Europa seit beinah 100 Jahren im Krieg steckt und Lenin die Schweizer Sojwetrepublik ausgerufen hat, von Logiklöchern zu sprechen, ist eventuell falsch. Aber ja, es gibt Löcher, wenn schon denn schon. Weshalb sollte die Technik über fast hundert Jahre auf dem Stand von 1910 stehenbleiben? Und ähnliche Fragen.
Was das Buch allemal kann: es ist atmosphärisch unfassbar dicht und trist. Ein Alptraum, in unter 180 Seiten und in einer Sprache, in der man baden möchte. Gelungen, wenn auch nicht mein liebstes von ihm.
Ich entwickle langsam eine unüberwindliche Aversion gegen John Updike. Vier Bücher habe ich von ihm gelesen, das fünfte liegt hier bei mir herum und brüllt mich an, nicht meine Zeit mit ihm zu verschwenden. Sexuelle Ausschweifungen des Bürgertums im Mittleren Westen mögen zwar in den 50ern bis zu den 80ern provokativ gewesen sein, mittlerweile öden mich diese zusammengefickten Zeilenschindereien nur noch an; und was am Schluß von ihm an Altherrenphantasien (sogar in "Terrorist") kam, finde ich in der Retrospektive relativ abstoßend. Ich glaube, ich spende mal wieder dem Bücherschrank.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Habe ich mir aus dem Bücherschrank mitgenommen, weil ich mich an die skandalumwitterte ZDF - Serie von 1985 erinnerte (mit Mario Adorf als tyrannischem Sägemüller Jonas Lauretz, der von seiner Familie auf ziemlich barbarische Art und Weise abgeschlachtet wird und Maruschka Detmers, die nackt in einem See baden darf) und erwartete eigentlich nichts. Bestimmt nicht ein derartig gutes Buch; die stolzen 700 Seiten werden nicht nur extrem selten mal langweilig, sondern beeinhalten alles, was ein Buch beeinhalten sollte: glaubhafte Charaktere, die detailgetreu gezeichnet werden, ebenso große Detailversessenheit beim Bau der Geschichte, eine Mischung aus Düsternis, subtilem Humor und dem Aufwerfen ethischer, politischer und philosophischer Fragen. Klar sind einige Inhalte nicht mehr zeitgemäß, was einen im Hinblick auf das Entstehungsjahr nicht wundern darf; trotzdem agieren die Frauenfiguren in dem Buch größtenteils sehr selbstbewußt, auch wenn die damaligen Rollenklischees natürlich nicht wegzudeuten sind. Daß die Biographie des Autors auch recht zwiespältig ist; geschenkt. Er war Schweizer, unterhielt wohl von der Schweiz aus Kontakte mit dem NS - Regime und galt zunächst als "Nazifreund", versuchte aber über seine Beziehungen, Sympathisanten der "Weißen Rose" vor dem Todesurteil zu bewahren und war ein Bewunderer Mahatma Gandhis. Das hatte zur Folge, daß er 1945 von der "Schwarzen Liste" gestrichen wurde. Das Buch jedenfalls würde ich auch noch heute jederzeit empfehlen; phasenweise war ich sogar begeistert.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Tja. Das ist sein Debüt, das vor 22 Jahren gefeiert wurde, als es auf Norwegisch herauskam. Als es vor fünf Jahren auf Schwedisch erschien, war es ein Skandal, weil es um einen Lehrer geht, der sich in eine 13-jährige Schülerin verliebt, einmal mit ihr ins Bett geht, flieht und nach ihr schmachtet (ich formuliere das so, weil das ganze Buch ausschließlich aus der Lehrerperspektive erzählt ist; es ist natürlich sexueller Kindesmissbrauch). Nun ist es auch auf Deutsch erschienen. Direkt um das Verhältnis der beiden geht es vor allem am Anfang und am Ende. Dazwischen viele Rückblicke und Ausschweifungen. Das Problem ist, dass ich das Buch eigentlich gern gelesen habe von Stil und Mittelteil, die Familiengeschichte ist gut, diese Lehrer-Schülerin-Geschichte aber einen schmierigen Charakter hat, weil es überhaupt nicht die Perspektive des Kindes berücksichtigt (bzw die einfach nur happy ist). Ich würde dennoch nicht davon abraten.
Da war ich am frühen Morgen zu ungeduldig. Danke für die Begleitworte, das werde ich wohl mal zwischen BvSB/Suter und "Accidentally Wes Anderson" auf den Wunschzettel setzen.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Zitat von faxefaxe im Beitrag #1521Teste immer erst, ob das Foto von der Größe passt :-) jetzt.
Dafür gibt es die Vorschaufunktion. ;-)
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Tja. Das ist sein Debüt, das vor 22 Jahren gefeiert wurde, als es auf Norwegisch herauskam. Als es vor fünf Jahren auf Schwedisch erschien, war es ein Skandal, weil es um einen Lehrer geht, der sich in eine 13-jährige Schülerin verliebt, einmal mit ihr ins Bett geht, flieht und nach ihr schmachtet (ich formuliere das so, weil das ganze Buch ausschließlich aus der Lehrerperspektive erzählt ist; es ist natürlich sexueller Kindesmissbrauch). Nun ist es auch auf Deutsch erschienen. Direkt um das Verhältnis der beiden geht es vor allem am Anfang und am Ende. Dazwischen viele Rückblicke und Ausschweifungen. Das Problem ist, dass ich das Buch eigentlich gern gelesen habe von Stil und Mittelteil, die Familiengeschichte ist gut, diese Lehrer-Schülerin-Geschichte aber einen schmierigen Charakter hat, weil es überhaupt nicht die Perspektive des Kindes berücksichtigt (bzw die einfach nur happy ist). Ich würde dennoch nicht davon abraten.
Ich arbeite mich gerade durch "Mein Kampf" (natürlich auch ein derber Scheißtitel für solch einen Zyklus) - also seine biographische Aufarbeitung. Jetzt im letzten Band ist jedoch stellenweise so unfassbar zäh geworden, dass ich es zur Seite legen musste. "Aus der Welt" fußt ja auch auf seiner Geschichte. Er war nach seinem Abitur Aushilfslehrer für ein Jahr im Norden in Norwegen...nach hunderten Seiten weiß ich gerade nicht mehr, ob diese Beziehung so tatsächlich gelebt wurde oder ob er sich diese Beziehung nur vor seinem inneren Auge "gedacht" hat.
Zur Zeit lese ich den "Baader- Meinhof- Komplex" von Aust.
J. J. Voskuil: Das Büro, Bd.1 Ein junger Mann fängt nach gescheiterter Lehrertätigkeit in einem volkskundlichen Institut in Amsterdam an, um dort einen Atlas der Volkskultur zu erstellen. Die Handlung beschränkt sich auf die Arbeit im Büro, auf die persönlichen Beziehungen dort, die hauptsächlich auf Arbeitsebene stattfinden, auf Karrierefragen und eher ausschnitthaft auch auf wissenschaftliche Vorgehensweisen. Die erzählte Zeit erstreckt sich über acht Jahre, angefangen 1957. Ich hab die rund 800 Seiten sehr gern gelesen (und auch schnell, viele Dialoge), und war zwischenzeitlich sehr fasziniert, wie gut das "Biotop Büro" im Allgemeinen hier eingefangen ist. Der Autor hat selbst 1957 in einem solchen Institut begonnen zu arbeiten und dann 30 Jahre sieben Bände geschrieben, die zwischen 1996 und 2000 erschienen sind. Der Erfolg in den Niederlanden wird gern mit Harry Potter verglichen. Jens Rosteck: Big Sur – Geschichten einer unbezähmbaren Küste Gerade erst erschienene Kulturgeschichte des kalifornischen Küstenabschnitts, wird der Natur dort in sehr anschaulicher Sprache gerecht. Die üblichen Verdächtigen in diesem Zusammenhang (Kerouac, Henry Miller, Joan Baez) kommen hier ebenso vor wie unbekanntere Personen. Ich hätte mir noch mehr richtige Fakten erhofft und weniger Nacherzählungen von Büchern oder Filmen, aber die kannte ich meistens auch noch nicht.
Den hatte ich vor 25 Jahren schonmal gelesen und fand ihn scheiße. Einer plötzlichen Aufwallung folgend, beschloß ich, mich nochmal durch das schmale Bändchen zu quälen und mir mal wirklich Gedanken darüber zu machen. Dieses mal gab er mir um einiges mehr. Beruhigend:
Dürrenmatt betont jedoch die Mehrdeutigkeit seiner Gleichnisse, sodass er seine Texte offen für verschiedene Auslegungen hält und trägt damit der Tatsache Rechnung, dass seine Modelle nicht rein naturwissenschaftlicher sondern künstlerischer Art sind und sich Kraft ihrer Vielschichtigkeit jeder Festlegung auf eine einzige Bedeutungsebene entziehen.
Dann ist ja gut, denn ich interpretierte tatsächlich Bezüge zum 3. Reich hinein. Wenn Dürrenmatt selig es geschätzt hätte, daß ich mir überhaupt Gedanken machte - egal welche - hat das ja seinen Zweck erreicht.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Daley-Ward, Tochter einer jamaikanischen Mutter und eines ihr unbekannten nigerianischen Vaters, erzählt, wie sie in England aufgewachsen ist und die Jahre danach. Über Herkunft, Sexualität, Drogen, Depressionen. Dabei sehr poetisch, hat mir sehr gut gefallen.