Zitat von Reverend im Beitrag #44http://www.jetzt.de/fernsehen/was-boehmermanns-gedicht-ausloest
Ich halte das ja für ein großes Missverständnis. Man kann halt nicht die Satire-Debatte von dem Gedicht abkoppeln. Isoliert betrachtet ist es natürlich rassistisch, aber isoliert stand es nicht da. Aber die Frage, ob Böhmermann nicht absichtlich mit diesen Missverständnissen kalkuliert und ob das ok ist oder nicht, kann man natürlich stellen. Was aber wieder zu der Frage führt, was Satire darf. Das ist die Leistung von Böhmermann, dass man seinem Beitrag nur gerecht werden kann, wenn man sich mit dieser Frage auseinandersetzt.
Klar. Ich finde aber auch, man macht es sich zu leicht, indem man hier immer auf den "Kontext" verweist. Das Problem dieser Satire ist ja gerade, dass man immer darauf verweisen muss. Alleine das zeigt doch schon, dass dieser Versuch misslungen ist. Ein Witz, den man erklären muss, ist kein guter Witz.
Man muss bei sowas auch mitdenken, dass ein rassistisches Gedicht nicht immer nur um zwei Ecken gelesen wird, sondern auch einfach als rassistisch rezipiert werden kann. Da reicht es dann nicht zu sagen: Ihr versteht das nicht, das war anders gemeint, nämlich genau als Gegenteil dessen, wie ihr es versteht. Säßen bei Böhmermann auch Migranten in der Redaktion, wäre das vielleicht auch anders gelaufen. Diesen Vorwurf muss er sich schon gefallen lassen. Würde auch nicht ausschließen, dass er sich dazu noch äußert. Er äußert sich ja gerne mal öffentlich, hab ich mir sagen lassen.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Zitat von Reverend im Beitrag #44http://www.jetzt.de/fernsehen/was-boehmermanns-gedicht-ausloest
meine güte, da wünscht man sich ja den faz-ke zurück. der schreibt wenigstens nicht mit penetranten grossbuchstaben. die ganze argumentation steht und fällt mit der annahme, man könnte "erdogan" und "türken" synonym verstehen. kann man, aber dann hat man eben unrecht. und genau auf diesem argument reitet herr tanriverdi die ganzen text lang herum. es gibt menschen, die fühlen sich gerne angegriffen. wenn satire unbedingt unmissverständlich sein muss, um zu funktionieren, brauch man sich erst gar nicht bemühen, welche zu verfassen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Reverend im Beitrag #47Klar. Ich finde aber auch, man macht es sich zu leicht, indem man hier immer auf den "Kontext" verweist. Das Problem dieser Satire ist ja gerade, dass man immer darauf verweisen muss. Alleine das zeigt doch schon, dass dieser Versuch misslungen ist. Ein Witz, den man erklären muss, ist kein guter Witz.
Na ja, Satire kann witzig sein und in Böhmermanns Sendung geht es ja offensichtlich auch um Lacher, aber ich würde sagen, dass eine gute Satire nicht witzig sein muss. Und dass man den Punkt immer wieder erklären muss, deckt eben auch gerade wieder einen besonders betonungswürdigen Punkt auf: Dass nämlich heute vor allem im Netz die Leute immer gleich über alles steil gehen, ohne sich die Zeit genommen zu haben, sich wirklich darauf einzulassen.
Genau. Aber wenn Böhmermann so raffiniert wäre, wie er immer vorgibt zu sein, könnte er das ja theoretisch auch schon mitdenken. Bzw. das ZDF hätte ja, als Teil des konkreten Problems, auch in der Pressemitteilung schreiben können, diese Form der Satire sei allzu missverständlich gewesen, oder so ähnlich. Stattdessen schreiben sie sinngemäß, das Ding sei geschmacklos. Und machen es damit erst zum Skandal.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Böhmermann wollte natürlich den Skandal und hat es deshalb nicht entsprechend kommentiert. Für mich ist noch nicht ausgemacht, welche Rolle das ZDF dabei spielt. Entweder sie stecken bei der ganzen Aktion mit Böhmermann unter einer Decke, oder sie haben ihn wirklich zensiert. In letzterem Fall wäre die Erklärung dann etwas deplatziert, denn sie liefert eine Begründung dafür, warum man das Video eigentlich nicht sperren müsste.
Zitat von Olsen im Beitrag #45Ich muss sagen, dass sich zum ersten Mal mit dem Vorurteil konfrontiert werde, Muslime seien zoophil (super Wort übrigens). Ist das verbreitet?
sagt man nicht allen aus ländlichen gebieten gerne sex mit tieren nach, wenn nicht sogar verwandtschaft? witze in diese richtung gab es im neo-magazin auch über das saarland.
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dieses titanic-cover gab es vor einigen jahren, anlässlig einer türkeireise des papstes benedikt XVI., kurz nach einer einer vorlesung, die er hielt, die vielfach als islamfeindlich empfunden wurde:
da bekommen natürlich viele leute 'nen pawlowschen und regen sich auf, bevor sie begriffen haben, worum es geht. tatsächlich zielt die satire auf den damaligen papst - das wort "ziegenficker" wird ihm ja in den mund gelegt. man kann sich darum streiten, wie zielgenau diese satire war. die lust an der überschreitung war sicherlich ausschlaggebender. allerdings muss man, wie so oft bei der titanic, die reaktionen darauf mitdenken. mich zumindest amüsiert es, mir vorzustellen, wie leute wie bspw. mattussek sich massloss darüber aufregen. ebenso belustigt mich die vorstellung, wie erdogan einen tobsuchtsanfall nach dem anderen bekommt.
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Ich finde diesen jetzt.de-Text tatsächlich ziemlich auf den Punkt, was an dieser Sache bei allem theoretischen Blabla sehr unangenehm ist. Man muss nicht "Erdogan" durch "Türke" ersetzen, um zu sehen, dass viele dieser Beleidigungen solche sind, die seit langem immer wieder gegen Türken in Deutschland benutzt werden. Schmähkritiken kann man auf viele Arten geschmacklos gestalten. Böhmermann hat sich für die Art entschieden, die alle möglichn rassistischen Klischees bedient. Das wäre für den Witz nicht notwendig gewesen und hinterlässt auch bei mir deshalb einen unschönen Beigeschmack. Ich mag ihn normalerweise ganz gerne und finde vieles, was er macht sehr lustig. In letzter Zeit lässts aber stark nach.
Zitat von Quork im Beitrag #55Man muss nicht "Erdogan" durch "Türke" ersetzen, um zu sehen, dass viele dieser Beleidigungen solche sind, die seit langem immer wieder gegen Türken in Deutschland benutzt werden. Schmähkritiken kann man auf viele Arten geschmacklos gestalten. Böhmermann hat sich für die Art entschieden, die alle möglichn rassistischen Klischees bedient. Das wäre für den Witz nicht notwendig gewesen und hinterlässt auch bei mir deshalb einen unschönen Beigeschmack.
das kann ich zwar nachvollziehen, aber ich würde dafür trotzdem auf den kontext hinweisen. hier wird ja so getan, als hätte böhmermann einfach nur erdogan beschimpft. wenn dem so wäre, könnte man sich tatsächlich über die art und weise streiten. hierbei ging es aber darum in jeder hinsicht über das ziel hinauszuschiessen, um den unterschied zwischen satire und schmähkritik zu demonstrieren. deshalb ist in dem gedicht alles drin, was irgendwie geeignet ist, erdogan aufs übelste zu beleidigen. das ist, bei aller kritischer haltung, nicht das, was böhmermann wirklich über erdogan denkt.
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Wie gesagt – es geht dem Autor (und auf dem Umweg mir) ja auch gar nicht darum, was Böhmermann über Erdogan denkt. Da sind meinetwegen alle möglichen Beleidigungen erlaubt. Der Text stellt ja aber heraus, dass die Beleidigungen sich teilweise sehr auf Erdogans Türkischsein einschießen. Während der Mann eine Vielzahl von Angriffsflächen bietet, sowohl begründete als auch unbegründete, wird in dem Gedicht eben die eine gewählt, die rassistisch ist und genau genommen keine Angriffsfläche sein sollte. Und auch wenn ich glaube, dass man sich bei Böhmermanns im Schreiberzimmer das Ganze genau so gedacht hat, wie du es schreibst, ist es doch misslungen, weil es eben im Vorbeigehen auch Schläge austeilt, wo bei dem Witz eigentlich keine hingehören.
Aber ein Schießen auf die Dinge, die Erdogan tatsächlich angreifbar machen, wäre doch genau die inhaltliche Auseinandersetzung gewesen, die Böhmermann eben nicht liefern wollte. Auch der Büttenredenduktus (ta-tää-ta-tää-ta-tää-ta-tää, ta-tää-ta-tää-ta-tää-ta-tää!) haut für mich in dieselbe Kerbe.
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
Schmähkritik Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdoğan der Präsident. Sein Gelöt stinkt schlimm nach Döner, selbst ein Schweinefurz riecht schöner. Er ist der Mann, der Mädchen schlägt und dabei Gummimasken trägt. Am liebsten mag er Ziegen fickenund Minderheiten unterdrücken … Kurden treten, Christen hauen, und dabei Kinderpornos schauen. Und selbst abends heisst’s statt schlafen,Fellatio mit hundert Schafen. Ja, Erdoğan ist voll und ganz ein Präsident mit kleinem Schwanz. Jeden Türken hört man flöten, die dumme Sau hat Schrumpelklöten. Von Ankara bis Istanbul weiss jeder dieser Mann ist schwul, pervers, verlaust und zoophil: Recep Fritzl Priklopil. Sein Kopf so leer, wie seine Eier, der Star auf jeder Gang-Bang-Feier. Bis der Schwanz beim Pinkeln brennt, das ist Recep Erdoğan, der türkische Präsident. (Gedicht von Jan Böhmermann; Neo Magazin Royale vom 30.03.2016)
Merkwürdig seitens Böhmermann ist, dass er nun eher ironisch zwar die "lupenreinen Demokraten" um Verzeihung bittet, nicht aber jene, die sich durch sein Gedicht bzw. seine „Satire“ womöglich tatsächlich beleidigt fühlen.
"In hunderten von Telefonaten, die ich heute erhalten habe, haben sowohl türkisch- als auch deutschstämmige Bürger und Bürgerinnen ihre verletzten Gefühle zum Ausdruck gebracht und ihre Meinung geäußert, dass Herr Böhmermanns Video an das Rassistische grenzt". „Diese Sache hat nichts mit Presse- oder Meinungsfreiheit zu tun, sondern befindet sich im Abgrund der Widerwärtigkeit und geht sogar über die Grenzen des Rassismus. Das ist keine Frage der Toleranz oder der Kritik. Hier wird auf dies gesamte türkische Bevölkerung abgezielt. Niemand soll hier auftreten und sagen, dass ein Politiker und nicht ein ganzes Volk im Visier ist. Das stimmt einfach nicht. Könnte man dasselbe mit einem Israeli machen? Unmöglich“. Hüseyin Avni Karslioğlu, türkischer Botschafter in Berlin
„Hässlicher Angriff auf Erdogan im deutschen Staatsfernsehen“ Der deutsche Staatssender ZDF hat eine Sendung gebracht, in der schwerwiegende Verleumdungen gegen den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vorgebracht wurden. Aufgrund von Zuschauerprotesten musste die Sendung „Neo Magazin Royal“ aufgrund der Hetze gegen die Türkei und gegen das türkische Volk aus dem Programm genommen werden. (Zeitung Sabah, Türkei)
Turkophobie beim deutschen Staatssender“ Das deutsche Staatsfernsehen ZDF hat unter dem Vorwand der Satire eine Sendung gebracht, die sich als Hetzkampagne gegen Erdogan und das türkische Volk entpuppte. Da die Sendung nicht den Satire-Kriterien des ZDF entsprach und es zahlreiche Proteste gab, wurde sie wieder aus dem Programm genommen. (Zeitung Haber 7, online, Türkei)
ZDF verblödelt die ernste Lage in der Türkei Als Gebührenzahler muss man fragen: Warum missbrauchen die Sender die Milliarden, die sie mit Zwang von jedem Haushalt einstreifen, für derartige Ablenkungen und berichten nicht mit voller Kraft von dem, was wirklich wichtig ist? Die Pressefreiheit der öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland ist das geringste Problem, mit dem sich Europa heute beschäftigen muss. Warum werden die Ressourcen nicht eingesetzt, um über den Krieg der Regierung Erdogans gegen die Kurden ausführlich und investigativ zu berichten? Wo waren die Undercover-Journalisten der Sender, die die Botschafter zu den Prozessen gegen die kritischen Journalisten begleitet haben? Wo ist die investigative Arbeit der Sender, die den Anschuldigungen des jordanischen Königs nachgeht, der gesagt hatte, die türkische Regierung schicke gezielt Terroristen nach Europa? Warum werden nicht die Kräfte gebündelt, um den Vorwürfen von Amnesty International nachzugehen, wonach die Türkei seit Wochen Flüchtlinge nach Syrien zurückschickt? Warum wird das Augenmerk der deutschen Öffentlichkeit nicht mit Beharrlichkeit auf die Menschenrechte der Flüchtlinge und Einwanderer in der Türkei gelenkt? Wo sind die Sondersendungen, die den Verstrickungen der Türkei in die Finanzierung und Bewaffnung der Terror-Miliz IS nachgehen? Genau dafür stehen die Cumhuriyet-Journalisten nämlich vor Gericht. Man würde sie wirklich unterstützen, indem man ihre Recherchen fortführt. Sie haben nämlich nicht einfach ein Schmähgedicht vorgelesen, sondern riskierten Kopf und Kragen mit investigativem Journalismus. Stattdessen entfesselt das ZDF eine Debatte über den begabten Anarchisten Jan Böhmermann – und liefert Erdogan einen willkommenen Vorwand, den Blick weg von den wirklich gefährlichen Entwicklungen in seinem Land zu lenken. (Deutsch-Türkische Nachrichten, online)
„Satiren, die der Zensor versteht, werden mit Recht verboten.“ Karl Kraus, 1919 in der „Fackel“
Satire ist eine durchaus positive Sache. Nirgends verrät sich der Charakterlose schneller als hier, nirgends zeigt sich fixer, was ein gewissenloser Hanswurst ist, einer, der heute den angreift und morgen den. (Kurt Tucholsky)
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Ich meine nur: Man kann den Mann ebenso unter der Gürtellinie schmähen, indem man sich über die Größe etwaiger Genitalien lustig macht oder ähnliches (wird ja teilweise auch gemacht in dem Gedicht). Es gibt ja viele Dinge, die sachlich nicht gerechtfertigt und demütigend wären. Dass man auf den "Ziegenficker" zurückgreift, ist dann wirklich so unglücklich wie unnötig für das Ziel des Beitrags.
Dass das bei der einschlägigen Presse schlecht ankommt – geschenkt. Dass der türkische Botschafter Israelis mit reinzieht: peinlich.