Zitat von Merseburg im Beitrag #53 Man kann nicht beschließen, "primitiv" zu werden. Die Beatles trieb die wilde Entschlossenheit, zu werden wie die Kinder, lediglich zu Albernheiten unterschiedlicher Art.
Es ist angeboren, eine Art mütterlicher Urinstinkt. Würde man (oder könnte man, das sei mal dahingestellt, wenn man soziologische Fallstudien heranzieht) die pure Primitivität wählen, in einer Art Kontraindikation zu- sagen wir, auch wenn wir es vielleicht nur vage imaginieren- "erwachsener" bzw. "gereifter" Kunstfertiglkeit, wäre die Primitivität ein gewollter Rückschritt zum Atavismus. Und der Atavismus, meine Freunde, gebiert. Was? Ein Rhinozeros? Nur des schlechten Reimes willen, bleiben wir beim Sujet. Von dem ich keine Ahnung habe, aber gerne eine hätte. Also: die Albernheiten jeder Art (ungefragt einen Plüschpinguin auf dem Kopf tragen; Topflappenweitwurf mit verbundenen Augen; das Imitieren eines epileptischen Maulwurfs kurz vor der Schwarzwurzelernte) manifestierten sich in jenem Stück. Als Kampfansage gegen den neuen Rationalismus in der Popmusik? Als tiefenpsychologisches Manifest, dessen Ernsthaftigkkeit vierteljährlicher Überprüfung bedurfte, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben und State of the art zu sein? Als Käsebrot? Das alles transzendiert die große Frage in der Popmusik: Strawitz? Oder Strawutz?
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Zitat von Merseburg im Beitrag #48"Yellow Submarine" - das ist Pop in Reinkultur. Auf den ersten Blick witzig, auf den zweiten platt, bei jeder weiteren Wiederholung eine Beleidigung.
das schöne ist ja, dass man als kind eben diese kinderlieder lieben lernt, als größeres kind dann die schmissigen hits schätzt, als jugendlicher irgendwann fassungslos vor "helter skelter" steht, als student die gewitztheit der lennonschen anspielungen auf sgt pepper ins feld zu führen weiß, in verliebten momenten plötzlich nur noch harrison-songs gut zu finden, um dann in reiferen jahren irgendwann den subtilitäten der zweiten-reihe-lieder zu erliegen. irgendwie nimmt einen dieses universum auf dem kindertöpfchen (keine metapher, war bei mir so) an die hand und begleitet einen bis zur bahre (bislang noch eine metapher, darf aber ruhig so sein). in meiner familie sind die beatles der kulturelle kitt, auf den sich sämtliche doch stark divergierenden musikinseln einigen können - wenn ich mit hiphopsohn, hardrock/elektrosohn und klassiktochter im auto sitze, und alle zusammen laut "no reply" grölen, ist die welt in ordnung.
Zitat von Merseburg im Beitrag #53 Man kann nicht beschließen, "primitiv" zu werden. Die Beatles trieb die wilde Entschlossenheit, zu werden wie die Kinder, lediglich zu Albernheiten unterschiedlicher Art.
Es ist angeboren, eine Art mütterlicher Urinstinkt. Würde man (oder könnte man, das sei mal dahingestellt, wenn man soziologische Fallstudien heranzieht) die pure Primitivität wählen, in einer Art Kontraindikation zu- sagen wir, auch wenn wir es vielleicht nur vage imaginieren- "erwachsener" bzw. "gereifter" Kunstfertiglkeit, wäre die Primitivität ein gewollter Rückschritt zum Atavismus. Und der Atavismus, meine Freunde, gebiert. Was? Ein Rhinozeros? Nur des schlechten Reimes willen, bleiben wir beim Sujet. Von dem ich keine Ahnung habe, aber gerne eine hätte. Also: die Albernheiten jeder Art (ungefragt einen Plüschpinguin auf dem Kopf tragen; Topflappenweitwurf mit verbundenen Augen; das Imitieren eines epileptischen Maulwurfs kurz vor der Schwarzwurzelernte) manifestierten sich in jenem Stück. Als Kampfansage gegen den neuen Rationalismus in der Popmusik? Als tiefenpsychologisches Manifest, dessen Ernsthaftigkkeit vierteljährlicher Überprüfung bedurfte, um auf der Höhe der Zeit zu bleiben und State of the art zu sein? Als Käsebrot? Das alles transzendiert die große Frage in der Popmusik: Strawitz? Oder Strawutz?
ich finde auch ein stück weit das ambivalent erotische verhältnis von picasso ("ich habe 20 jahre gebraucht, um zu malen wie ein meister, und weitere 20, um wieder zu malen wie ein kind") und nietzsche (gesundheit!) ein hier nicht zu vernachlässigendes, insoweit als wie nämlich auch die albernheit als solche eine unterschätzte tugend ist. oder wie schon heidegger sagte: "der gedanke permutiert in der transzendenz des irrationalen seins, und wird im sosein des daseins existent. prost!"
@King: Sehr schöner Beitrag! Ich haben ihn ab "pure Primitivität" plötzlich im Kopf mit der Stimme von Reich-Ranicki gelesen - ein ganz besonderer Genuss!
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."
@tenno: es ist ja auch nicht so, daß ich "Yellow Submarine" nie gemocht hätte. Aber mittlerweile ist es für mich ziemlich tot. Hängt wohl auch mit seiner Wiedergeburt im Fußballstadion zusammen; ein Schicksal, das "Seven Nation Army" hoffentlich erspart bleibt.
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(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Zitat von Merseburg im Beitrag #48"Yellow Submarine" - das ist Pop in Reinkultur. Auf den ersten Blick witzig, auf den zweiten platt, bei jeder weiteren Wiederholung eine Beleidigung.
Zitat von CobraBora im Beitrag #55Schlimmer ist aber noch "Obladi Oblada".
Gut, dieses Stück möchte ich zwar nicht hochleben lassen, aber man muss auch bedenken, dass es am 11. Juli 68 aufgenommen wurde und eine tiefe Verneigung vor dem bedeutete, was gerade zu der Zeit von Ska zum Reggae überging. Der Begriff "Reggae" fiel zum ersten mal 1968, eben zu jener Zeit, als die Beatles sich am Off Beat versuchten. So weit mir bekannt, hat das sonst keine einzige britische oder nordamerikanische Band versucht. Die Beatles waren eben nicht nur am Puls der Zeit, sondern dieser in vielen Momenten weit voraus. Entsprechend ungewohnt dauerte es auch 42 Stunden, bis der Song fertig gestellt wurde.
Ganz so ungewöhnlich war dieser Ausflug in die World Music nicht – Ska/Bluebeat war besonders in England seit "My Boy Lollipop" (von 1964) ein durchaus gängiges Nischen-Genre.
In Deutschland hatte schon 1966 der Vater von Elvis Costello einen kleinen Hit mit dieser Bluebeat-Perle (inkl. parodiertem Jamaika-Akzent):
------------------------------ "Be good to your neighbor, and you have better neighbors." (Ernest Tubb)
Aber um zu wissen, ob "Obladi Oblada" wirklich"für die Ewigkeit" ist, müsste man ein Prophet sein, und im Großen und Ganzen hat sich die Musikkritik nicht durch eine besondere Prophetengabe ausgezeichnet. Jeder von uns, der alt genug ist, erlebt zu haben, wie aus Gegenwart Vergangenheit wird, weiß, wie sehr sich die Moden verändern. Kitsch, das ist stets was gestern als ein Modisches erlebt wurde. "Yellow Submarine", "Seven Nation Army" z.B. müssen heute dran glauben, weil sie von gestern sind und gestern populär waren, das heißt: durch Massenbrauch abgenützt, entwertet wurden.
Zitat von Merseburg im Beitrag #72Jeder von uns, der alt genug ist, erlebt zu haben, wie aus Gegenwart Vergangenheit wird, weiß, wie sehr sich die Moden verändern.
Ich komme ja eigentlich aus der Zukunft ....
... und ich kann bestätigen, daß wir ""Obladi Oblada" noch alle kennen!
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Bach geriet nach seinem Tod nicht in Vergessenheit, wie oft behauptet wird, aber was wirklich in Vergessenheit geriet, war seine Kirchenmusik. Das hat mit den Umwälzungen zu tun, die das Christentum ab 1750 erlebte.