Ich weiß, dass einige Reiche gern Steuern hinterziehen. Ich weiß auch, dass Politiker manchmal lügen. Und dass teilweise ekliges Zeug in unserem Essen ist, weiß doch sicher auch jeder. Kann das ein Argument gegen Investigativjournalismus sein? Und natürlich unterscheidet sich die diffuse Vorstellung "das ist sicher teilweise gescriptet" von der Erkenntnis, die man durch eine versteckte Kamera beim Dreh gewinnt.
"Auf deinem Shirt steh‘n die Dinge, Die du gerne wärst, nicht die du bist, Was im Grunde völlig in Ordnung ist. Nur: Wir können alle lesen Und du bist nie ein Dreckstück gewesen."
zu hoffen ist allemal, dass sich was ändert. ich fürchte allerdings, dass das unterhaltungsbedürfnis die ethische nachdenklichkeit schnell wieder ablöst. ich kann sowas ja grundsätzlich schon seit jahren nicht gucken, ob "bauer sucht frau" oder dschungelcamp. dann noch lieber einen splatterfilm, da kann ich mir zur not sagen, dass das alles nur effekte sind.
Beim Anschauen von 5 Minuten Dschungelcamp überkommt mich immer ein Tatendrang, mein Leben mit sinnvollem zu füllen, dass ich nie mehr davon anschauen kann. Alle anderen scripted reality-Sendungen sind dann noch einmal eine Stufe schlimmer und für mich nicht zu ertragen. Inzwischen wundere ich mich, dass ich mit 18-19 mal regelmäßig "Mitten im Leben" geguckt habe und das lustig fand.
Ich sag es trotzdem, vielleicht freut sich ja irgendjemand drüber, oder es hilft doch, den Unterschied zwischen "Schwiegertochter gesucht" und "Bauer sucht Frau" (die für mich bis auf graduelle Unterschiede prinzipiell dasselbe tun) und "Ich bin ein Star" herauszuarbeiten. Bei ersteren werden Laien, unschwer zu erkennen häufig an der Grenze zur geistigen Behinderung (teilweise auch nur noch mit Sichtkontakt zur Grenze), für einen Hungerlohn (eine meiner Erkenntnisse aus dem NMR-Clip, mir war nicht klar, dass es da so wenig gibt) in gescripteten Situationen der Lächerlichkeit preisgegeben. Bei IBES werden Medienprofis in einem klar erkennbaren Format in eine soziale Grenzsituation gebracht und bei der Bewältigung/Nichtbewältigung derselben gefilmt. Dafür gibt es anständiges Geld und eine Öffentlichkeitsplattform, die in der Regel von den Teilnehmern rege genutzt wird. Da habe ich das Gefühl, dass sich die Vertragsparteien einigermaßen auf Augenhöhe begegnen. Mögen muss man die Sendung deshalb natürlich nicht.
"Auf deinem Shirt steh‘n die Dinge, Die du gerne wärst, nicht die du bist, Was im Grunde völlig in Ordnung ist. Nur: Wir können alle lesen Und du bist nie ein Dreckstück gewesen."
Deshalb auch das "eine Stufe schlimmer". Dschungelcamp ist für mich inhaltlich halt nicht nachvollziehbare Unterhaltung (musst du mir aber auch nicht erklären, an anderer Stelle gibts da ja ganze Threads zu, falls ich das wirklich mal nachvollziehen will). Bauer/Schwiegertochter/MittenImLeben/WeAreFamily und wie sie alle heißen ist nicht nur inhaltlich sondern auch formal schlimm.
dass menschen an der grenze zur geistigen behinderung für sendungen wie schwiegertochter gesucht, bauer sucht frau oder auch frauentausch ganz gezielt ausgewählt werden, damit sich andere daran belustigen können, ist ja nichts neues. ebenfalls nicht neu ist, dass die sendungen gescriptet sind. ehemalige frauentausch-kandidaten waren in den letzten 10 jahren immer wieder in den medien. sei es wegen der darstellung der familien und ihrer lebenssituationen (ob man der asi-familie oder der spießer-familie angehört, stellt sich erst bei ausstrahlung der sendung heraus) oder aufgrund der hohen psychischen belastung, denen die menschen ausgesetzt sind, wenn sie vom produktionsteam so angestachelt und fertig gemacht werden, dass das ausrasten vor der kamera irgendwann kommen muss. vor zwei jahren gab es den fall, dass eine mutter sich beschwerte, das produktionsteam habe ihrem sohn drogen untergeschoben, um die gewünschte asigkeit und drogenabhängigkeit dazustellen. klagen gegen die prodktionsfrimen gibt es laufend und die wenigsten leute interssieren sich dafür. skandale waren bisher nicht in sicht. und dann kam böhmermann. und hat alles richtig gemacht. obwohl den meisten menschen längst klar ist, wie formate wie schwiegertocher gesucht funktionieren, hat ein undercover-einsatz nochmal einen andere wirkung (das mit den 150€ hat mich schockiert) und vor allem ein anderes ziel. öffentlich die missstände in den produktionen anzuklagen und damit eine diskussion auszulösen ist den in den formaten mitwirkenden kaum möglich. zum einen aufgrund von knebelverträgen, zum anderen aber auch, weil es kein schwein interessiert, was der im fernsehen als volldepp dargestellte familienvater erlebt und dabei gefühlt hat. der wurde ja eh schon diffamiert und lächerlich gemacht. dessen wort hat keinerlei autorität. im gegensatz zu böhmermanns. und deshalb halte ich das einschleusen von rene und robin bei schwiegertochter gesucht für sehr wichtig und richtig. und genial. mich hat's fast umgeworfen gestern. ganz davon abgesehen, sehe ich die aktion auch als einen akt der solidarisierung mit nicht-durchschnitts-menschen, die unter dem spott und der ausgrenzung mehrheitsgesellschaft leiden müssen.
Zitat von Berthold Heisterkamp im Beitrag #22Ich sag es trotzdem, vielleicht freut sich ja irgendjemand drüber, oder es hilft doch, den Unterschied zwischen "Schwiegertochter gesucht" und "Bauer sucht Frau" (die für mich bis auf graduelle Unterschiede prinzipiell dasselbe tun) und "Ich bin ein Star" herauszuarbeiten. Bei ersteren werden Laien, unschwer zu erkennen häufig an der Grenze zur geistigen Behinderung (teilweise auch nur noch mit Sichtkontakt zur Grenze), für einen Hungerlohn (eine meiner Erkenntnisse aus dem NMR-Clip, mir war nicht klar, dass es da so wenig gibt) in gescripteten Situationen der Lächerlichkeit preisgegeben. Bei IBES werden Medienprofis in einem klar erkennbaren Format in eine soziale Grenzsituation gebracht und bei der Bewältigung/Nichtbewältigung derselben gefilmt. Dafür gibt es anständiges Geld und eine Öffentlichkeitsplattform, die in der Regel von den Teilnehmern rege genutzt wird. Da habe ich das Gefühl, dass sich die Vertragsparteien einigermaßen auf Augenhöhe begegnen. Mögen muss man die Sendung deshalb natürlich nicht.
und noch ganz kurz der unterschied zu sendungen wie mitten im leben: bei diesen sendungen ist viel klarer erkennbar und teilweise auch im abspann oder vorspann zu lesen, dass es sich um scriptet reality handelt. es gibt häufig "hauptpersonen", um die sich die sendungen drehen, die nicht als moderator aufscheinen, sondern teil der handlung sind. das ist bei bauer sucht frau und co. nicht der fall. dort wird sehr viel wert darauf gelegt, dass alles so natürlich und authentisch wie möglich und ja nicht nach scriptet reality aussieht, es gibt einen "außenstehenden", "neutralen" moderator und die szenen werden aus dem off kommentiert. das alles sind faktoren, die den zuschauer in die irre führen.
Ich bitte euch. Das fragwürdige Vorführen (etwas anderes ist es ja eigentlich kaum) von Menschen in derartigen Sendungen zur Befriedigung von voyeuristischen Gelüsten ist doch gerade das wichtigste quotenbringende Prinzip. Ohne entsprechende „Freaks“, „schräge Vögel“ oder „Außenseiter“ bzw. nur mit „Normalos“ besetzt würde sich dies alles doch nun wirklich keiner anschauen wollen. Die spannende Frage ist, ob nun die TV-Sender mit ihren Methoden die alleinigen Buhmänner hinter alledem sind oder auch die jeweiligen Zuschauer, für die der ganze Rummel ja erst „fernsehgerecht“ in Szene gesetzt wird. Die Frage, ob die Würde eine Menschen 150 oder 1500 oder 15000 Euro kosten sollte, stellt sich mir da eher nicht so sehr…
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von akri im Beitrag #26Ohne entsprechende „Freaks“, „schräge Vögel“ oder „Außenseiter“ bzw. nur mit „Normalos“ besetzt würde sich dies alles doch nun wirklich keiner anschauen wollen.
richtig. ich zumindest möchte gerne gutes fernsehen haben mit guten formaten.
Zitat von akri im Beitrag #26Die Frage, ob die Würde eine Menschen 150 oder 1500 oder 15000 Euro kosten sollte, stellt sich mir da eher nicht so sehr…
150 € "aufwandsentschädigung" ist schon ein betrag, den ich mir derart niedrig nicht vorgestellt hätte. gemessen an den werbeeinnahmen, die dadurch generiert werden, ist das schon ein zusätzlicher ausdruck der geringschätzung.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Berthold Heisterkamp im Beitrag #22Ich sag es trotzdem, vielleicht freut sich ja irgendjemand drüber, oder es hilft doch, den Unterschied zwischen "Schwiegertochter gesucht" und "Bauer sucht Frau" (die für mich bis auf graduelle Unterschiede prinzipiell dasselbe tun) und "Ich bin ein Star" herauszuarbeiten. Bei ersteren werden Laien, unschwer zu erkennen häufig an der Grenze zur geistigen Behinderung (teilweise auch nur noch mit Sichtkontakt zur Grenze), für einen Hungerlohn in gescripteten Situationen der Lächerlichkeit preisgegeben. ...
In diesem Zusammenhang würde ich gerne den "Bachelor" erwähnen!