Zitat von Quork im Beitrag #5037Elektromobilindustrie
Nicht nur die, Opel hat deswegen Kurzarbeit angemeldet, weil die Elektronik für Airbags fehlen.
Ford stoppt die Bänder des Fiesta in Köln.
In ganz vielen Branchen gibt es momentan massive Lieferengpässe. Extrem seit Okt/Nov und nun noch befeuert durch das Desaster im Suezkanal. 90% aller Waren global werden auf dem Seeweg transportiert. Die Schiffe auf den Hauptrouten (Asien-USA, Asien-Europa) sind weit, weit im Voraus ausgebucht. Gründe liegen im steigendem Konsum seit Covid in den USA und Europa, Container-Engpässe, überfüllte Häfen, fehlende Schiffskapazitäten... Ich könnte ein längeres Lied darüber singen, aber ich habe schon längst Feierabend.
Zitat von Quork im Beitrag #5037Irgendwie faszinierend. Hat da das Handelsblatt nicht vielleicht mal ein spannendes Dossier zu oder so? Also was die Pandemieauswirkungen auf die Lieferketten angeht?
Ist bei uns sehr intensiv Thema. In der Autoindustrie stehen ja immer wieder die Fabriken still derzeit.
Bei den Autos ist es wohl so, dass am Anfang der Pandemie der Absatz massiv eingebrochen ist, also wurde die Produktion heruntergefahren und keine Chips mehr bestellt. Die Chiphersteller haben dann natürlich Chips für Unterhaltungselektronik z. B. hergestellt. Die Umstellung der Produktionsstraßen geht aber nicht von heute auf morgen, sondern dauert teilweise mehrere Wochen. Selbst wenn sofort umgestellt werden könnte, bliebe noch das von der Vermoosten Pfote angedeutete Problem mit dem Transport. Vor ein paar Tagen habe ich gehört, dass es im Moment so gut wie keinen freien Container mehr gibt.
Und dann kommt hinzu, dass es im November und im März in zwei verschiedenen Chipfabriken von AKM, eines der größten Halbleiterherstellers Asiens, gebrannt hat. Wobei der im März bei Renesas wohl nicht so große Auswirkungen hat wie der in Nobeoka im November.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #5017Es ist wohl auch nicht trivial, selbst nach Patentfreigabe das Nachzumixen, wenn der Patentinhaber beim Aufbau der Produktion nicht unterstützt.
Meine Antwort darauf war: Mir greift das alles zu kurz; man forscht an irgendwas und bekommt es dann einfach weggenommen. Davon abgesehen, daß das nicht gerade ein Ansporn ist, in Deutschland weiterhin an etwas zu forschen, schlenkert man sich nicht mal Milliarden von Impfdosen aus dem Ärmel, denn es braucht qualifizierte Mitarbeiter und geeignete Prduktionsstätten, um diese herzustellen, und ob die im Jemen oder in Guinea - Bissau gerade verfügbar sind, sei mal dahingestellt. Außerdem sollte man die Biontech - Mitarbeiter nicht außer acht lassen, die wahrscheinlich nicht begeistert davon sind, wie mit ihrem Arbeitgeber umgesprungen wird und vielleicht deswegen erstmal streiken. Und: wenn man so anfängt, wo hört man dann auf? Theoretisch kann man alles Mögliche unter dubiosen Begründungen zum Allgemeingut erklären, und das hätte dann etwas von diktatorischer Willkür.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Im Februar konnte man in der Süddeutschen Zeitung etwas zum Thema Chip-Produktion lesen...
Es gibt momentan einfach eine globale Knappheit an Silizium-Chips. Der weltgrößte Chip-Fertiger TSMC hat gar neue Grundstücke und Ausrüstung gekauft und auch Tausende Mitarbeiter neu eingestellt. Es werden neue Werke errichtet und man will innerhalb von drei Jahren rund 100 Milliarden Dollar investieren. TSMC rechnet auch damit, dass viele Kunden verstärkt Lager auffüllen, um sich künftig besser vor derartigen Lieferengpässen zu schützen.
Es gibt schlicht zu wenige Chips – egal ob für die Autobauer oder die Produzenten von Smartphones, Laptops, PC-Komponenten, Spiele-Konsolen, etc. Die Lieferengpässe führen zu geringer Verfügbarkeit und zu hohen Marktpreisen. Daher werden Grafikkarten teils auch für das Drei- bis Vierfache des empfohlenen Verkaufspreises gehandelt. Hersteller Intel sagte gar, es würde noch Jahre dauern, bis diese Knappheit endet. Intel möchte nun auch verstärkt selbst produzieren und mit in die Auftragsfertigung einsteigen.
TSMC profitiert von der extrem hohen Nachfrage nach Halbleitern – bedingt durch den gestiegenen Technikbedarf in Homeoffice-Zeiten. Der Umsatz stieg um rund 25 % an. Chiphersteller TSMC ist nun schon doppelt so viel wert wie Intel.
Die Lieferzeiten liegen aktuell bei bis zu sechs Monaten. Oft war es ganz anders: da produzierten die Hersteller zu viele Chips, überschwemmten den Markt und die Preise stürzten ab. Aktuell sind Chips knapp, die Nachfrage danach ist bedingt durch Corona (Homeoffice-Technik, Firmentechnik, etc.) immens. Es gibt immer mehr Produkte, die ohne Halbleiter nicht funktionieren. Auch neue PKW-Modelle und vor allem die Elektro-Autos benötigen weltweit mehr Chips.
Zur Herstellung der Chips werden Scheiben aus hochreinem Silizium benötigt – Wafer. Die Hersteller sagen dazu, dass die Corona-Pandemie für die Chip-Krise verantwortlich ist. Man hätte nach dem ersten Lockdown nicht mit einer schnellen wirtschaftlichen Erholung gerechnet. Aber die Konjunktur in vielen Ländern verlief dann so: voll runter und schnell wieder alles hoch. Kunden hätten teils eine längere Krise erwartet und bei Zulieferern weniger Halbleiter bestellt. Weil durch das Homeoffice der Absatz von Computern und Smartphones weltweit boomte, wurde ein Teil der Produktion in diese Boom-Branchen umgeleitet.
Die Corona-Pandemie hat die Nachfrage nach Laptops, Monitoren oder Druckern derart erhöht, dass etwa Apple heute mehr Halbleiter benötigt als die gesamte Autoindustrie. Daher reagierten viele der Chipfertiger und Anlagen für Auto-Halbleiter wurden für die Konsumelektronik-Branche umgerüstet. Eine erneute Umrüstung dauert und bis zur Lieferung vergehen Wochen. Die in der Autoindustrie fehlenden Chips haben einen Wert von zumeist unter einem Euro. Nun fällt eben wegen eines derartigen Billigteils oft die Produktion eines Autos komplett aus.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
@King Bronkowitz: Deine Darstellung vereinfacht das medizinische Forschungssystem jetzt aber ebenfalls ganz schön in die andere Richtung. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo in der Mitte. Denn es ist ja durchaus so, dass die meisten Pharmaunternehmen nicht die Grundlagenforschung machen sondern die klinischen Studien übernehmen, um Produkte markttauglich zu machen. Dabei bauen sie häufig auf Technologie auf, die von öffentlicher Hand entwickelt wurde. Häufig werden sie dann noch für die klinische Forschung vom Staat mit großzügigen Subventionen bedacht - wie ja zB auch bei BioNTech geschehen. Wenn dann am Ende das Patent allein bei den Pharmafirmen liegt und diese sehr häufig damit Preisgebende Monopolmacht haben, dann darf man schon mal hinterfragen, ob das System so ganz sinnvoll im Sinne des Allgemeinwohls aufgebaut ist. Und mir geht es dabei jetzt nicht primär um Biontech sondern um die allgemeine Frage. Die Geschichte als ein „mir wird etwas weggenommen, was mir allein gehört“ zu erzählen, greift einfach ebenfalls zu kurz.
Die Preise bei Pfizer/Biontech sind ja ebenfalls recht undurchsichtig (nicht nur bei ihnen versteht sich).
Richtig interessant wird es, wenn man sich Medikamentenpreise für andere Krankheiten anschaut. Da führt das derzeitige Patentsystem zum Beispiel dazu, dass wirksame Hepatitis-C-Medikamente so teuer sind, dass sie selbst von reichen Industrienationen rationiert werden, da ihre Anschaffung das Gesundheitssystem komplett überlasten würde. Und das obwohl die Herstellungs- und Forschungskosten bei weitem nicht den Preis rechtfertigen. Aber weil man halt als einziger ein Patent hat, kann man halt viel dafür verlangen.
Diese Patentfragen sind teilweise ziemlich komplex und werden sicher manchmal verknappt wiedergegeben, aber die Pharmaindustrie da in der reinen Opferrolle zu sehen, halte ich auf jeden Fall auch nicht für gerechtfertigt.
Außerdem möchte ich nochmal daran erinnern, wie viel Firmen und Privatpersonen in dieser Pandemie schon alles abverlangt wurde. Dass man Pharmaunternehmen keine Gewinneinbuße zumuten könnte, würde ich vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar finden.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.