Ich koennte wieder stundenlang rumranten, wie toll ich es finde, Geld für den Austritt aus einer Organisation zu bezahlen, in die man nie eintreten wollte.
... oder daß man den Bischöfen und anderen "Würdenträgern" der Organisation, der man dann nicht mehr angehört, dennoch das Gehalt zahlen muss aus seinen normalen Steuern.
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Eigentlich werden ja die Beamten und zuständigen Ämter ohnehin durch Steuern bezahlt. Allerdings werden für Arbeiten auch fast immer zusätzliche Gelder von den Bürgern zu verlangt. Es muss also jeder „Verwaltungsakt“ bezahlt werden. Ob man eine Firma gründet, einen neuen Personalausweis benötigt oder eben aus der Kirche austritt.
Wichtig ist zu wissen, dass man beim Austritt aus einer Religionsgemeinschaft des öffentlichen Rechts mit Wirkung für den staatlichen Bereich austritt. Durch Abgabe der Austrittserklärung wird man von den staatlichen Stellen nicht mehr als Mitglied der Kirche behandelt. Die innerkirchlichen Folgen sind dabei uninteressant; es geht vor allem um die Erhebung der Kirchensteuern. Man erklärt den Kirchenaustritt also nicht gegenüber einer kirchlichen, sondern einer staatlichen Stelle. Zuständig dafür ist zumeist das Standesamt (mitunter ein Amtsgericht).
Viele Bundesländer verlangen für die Bearbeitung der Kirchenaustrittserklärung eine Gebühr.
Das BVerfG sieht in der Gebühr einen Eingriff in den Schutzbereich der Religionsfreiheit, da Art. 4 Abs. 1 GG das Recht gewähre, sich jederzeit durch Austritt von der kirchlichen Mitgliedschaft mit Wirkung für das staatliche Recht zurückzuziehen. Der Eingriff sei verfassungsrechtlich aber gerechtfertigt. (Beschl. v. 02.07.2008, Az. 1 BvR 3006/07).
In NRW etwa ergibt sich die Gebührenpflicht aus dem Justizgesetz NRW und § 6 Kirchenaustrittsgesetz. Nr. 5 des Gebührenverzeichnisses sieht für den Austritt aus einer Kirche eine Gebühr von EUR 30 vor. In NRW begründet die Landesregierung die Gebühr mit der Bearbeitungsdauer von mindestens 15 Minuten sowie Material- und Sachkosten.
Dies hält das BVerfG für zumutbar. Die zuverlässige und formalisierte Verarbeitung der Kirchenaustritte sei für eine geordnete Verwaltung der Kirchensteuer erforderlich, die durch Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 6 WRV verfassungsrechtlichen Schutz genießt.
Bei der Gebühr handele es sich um eine öffentlich-rechtliche Geldleistung, die dem Austrittswilligen aus Anlass einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung, nämlich der Bearbeitung des Kirchenaustritts, auferlegt werde. Eine Abweichung vom gebührenrechtlichen Kostendeckungsprinzip sei daher nicht erforderlich.
Die Kirchenaustrittsgebühr darf jedoch nicht mit dem Ziel festgesetzt werden, das Verhalten des Austrittswilligen zu lenken und ihn von einem Kirchenaustritt abzuhalten. Mit einer Gebühr in Höhe von 30 Euro wird aber das durchschnittliche austrittswillige Kirchenmitglied nicht unzumutbar belastet.
Das BVerfG verlangt aber eine Berücksichtigung von besonderen Härtefällen, in denen selbst diese objektiv geringe Gebühr ein ernsthaftes Hindernis für den Austritt darstellt. Der Gesetzgeber ist verpflichtet, Befreiungen und Ermäßigungen vorzusehen.
Nach § 124 Justizgesetz NRW ist die Justizverwaltungskostenordnung des Bundes (JVKostO) auf die Erhebung von Kosten durch die Justizbehörden des Landes anwendbar. Gemäß § 12 JVKostO kann die Behörde ausnahmsweise die Gebühren ermäßigen oder ganz von der Erhebung der Kosten absehen, wenn dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zahlungspflichtigen geboten erscheint. Für Hartz-IV-Empfänger etwa ist die Gebühr ein ernsthaftes Hindernis und bei der Ausübung des Ermessens muss die Behörde daher das Gebührenrecht im Lichte der negativen Religionsfreiheit aus Art. 4 Abs. 1 und 2 GG auslegen und anwenden.
Das Grundgesetz verlangt, dass der Kirchenaustritt im Einzelfall nicht an fehlenden finanziellen Mitteln scheitern darf.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Tauchen da übrigens tatsächlich noch irgendwelche Pfaffen auf, die einen zu überreden versuchen? Bei meinem Vater war das der Fall. Wenn ja: ich freue mich schon drauf.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
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Es ist ein reiner Verwaltungsakt einer gelangweilten Büromitarbeiterin, so war es bei mir. Vorher natürlich bezahlen, ist klar. Erst mit dem Nachweis durfte ich dann meinen Austritt erklären.
Zitat von King Bronkowitz im Beitrag #4686... trete endlich mal aus der Kirche aus. Überfälliger geht es kaum noch, bin aber lange Zeit wegen meines Jobs und der damit verbundenen Tätigkeit in Häusern mit kirchlichem Träger davor zurückgeschreckt.
eine gute entscheidung am atheist day (ich weiß, du bezeichnest dich als agnostiker. trotzdem)
ich wurde mit 5 jahren von meiner mutter aus der kirche ausgetreten, nachdem sie mich auf familiären druck hin nach meiner geburt in den verein eingetreten hat und daraufhin, so weit in einem erzkatholischen land möglich, frei von religion erzogen. ich bin ihr sehr dankbar dafür, wenn ich mir anschauen, was manche freund:innen und bekannte an schäden durch religiöse erziehung davongetragen haben. angefangen von im kindesalter eingebleuten ängsten (hölle! sünde! fegefeuer!) bis hin zu übergriffen.
Zitat von oasupp im Beitrag #4703hier nicht. kein "wenn sie jetzt wieder eintreten, garantieren wir ihnen eine messweinversorgung bis 2028 gratis" oder sowas. nix.
Das Seelenheil stand auch schon höher im Kurs. Vielleicht denken die auch "je mehr austreten, desto mehr Meßdiener bleiben für uns".
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Zitat von beth im Beitrag #4705 eine gute entscheidung am atheist day
Habe die Entscheidung eigentlich schon vor Jahren getroffen, aber nie ausgeführt, weil ich berufliche Nachteile fürchtete. Agnostiker, ja. Nach wie vor. Auch wenn ich tendenziell eher an nichts glaube; aber ich lasse mich mal überraschen.
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Zitat von oasupp im Beitrag #4703hier nicht. kein "wenn sie jetzt wieder eintreten, garantieren wir ihnen eine messweinversorgung bis 2028 gratis" oder sowas. nix.
In diesem Kontext ist das ja angenehm, aber es passt halt auch ins Bild einer komplett lethargischen Amtskirche, die sich im wesentlichen damit abgefunden hat, jedes Jahr hunderttausende Mitglieder zu verlieren und immer weniger junge Männer (auf die Frauen verzichtet man ja immer noch) dafür zu begeistern, vor immer leereren Kirchen zu predigen. Das wird eben alles stoisch hingenommen, vielleicht auch, weil ja jeden Monat noch genug Geld reinkommt. Ich sag ja, man kann von den ganzen obskuren US-Kirchen halten, was man will, aber es sind zumindest noch agile Kirchengemeinden, vermutlich auch sie im Wettbewerb stehen und keine Kirchensteuer kassieren. Klar, man muss das nicht bedauern, aber der Zustand der beiden großen Kirchen bei uns ist eben ein Trauerspiel, die bräuchten mal so einen klerikalen Uli Hoeneß.