Martin von Arndt hat tatsächlich sein Metier gefunden, daß er meisterlich beherrscht (obwohl ich auch gerne mal wieder anderes von ihm lesen würde, aber seine Politthriller sind zumindest erfolgreich). Hier geht es um den Algerienkrieg, Protagonisten, die 1961 in der BRD untergetaucht und von französischen Rechtsextremisten genauso gejagt werden wie von eigenen Leuten. Gute Figuren, eine spannende Handlung, Plot - Twists, die einen natürlich nicht mehr dermaßen überraschen, wenn man bereits die komplette Reihe ("Tage der Nemesis", "Rattenlinien" und "Sojus") durchhat, verbunden mit einem kritischen Blick und aufklärerischem Duktus, der aber niemals moralisierend daherkommt, sondern Dinge (und somit auch sich selbst) infrage stellt. Ich mache mir ja keinen Hehl daraus, daß uns eine gewisse persönliche Sympathie verbindet, aber abgesehen davon ist das immer noch ein Tip für FreundInnen anspruchsvoller Unterhaltung. Die einzigen Kritikpunkte sind der etwas zähe Einstieg sowie die Figur der Fabienne, die mir etwas zu konstruiert wirkt, aber ansonsten hatte ich das wieder mit großem Vergnügen in kurzer Zeit durch.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Der Schriftsteller Peter Aaron schreibt über das Leben seines Freundes Ben Sachs, der sich beim Hantieren mit Sprengstoff selbst in die Luft gejagt hat; das passierte bereits auf der ersten Seite, also ist dies kein Spoiler. Vom Stil her ist das nicht übermäßig schwer zu lesen, jedoch besticht das Buch (neben dem wirklich grandiosen Cover) durch eine Fülle von außergewöhnlichen Ideen, Gedanken und Charakterstudien, präsentiert in einem recht verschachtelten Aufbau, wofür ich grundsätzlich empfänglich bin (und was ich ja selbst gerne praktiziere). Einige Zufälle in dem Buch erscheinen mir recht weit hergeholt, aber aus eigener Erfahrung weiß ich, daß im Leben selten etwas unmöglich ist, also winke ich die mal durch. Ein sehr gutes Buch, das ich teilweise förmlich verschlungen habe und das viel Interpretationsspielraum bietet.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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(Auf Englisch.) Sprachlich finde ich absolut sensationell, was DeLillo hier veranstaltet. Den ganzen Roman durchzieht so eine psychologische Spannung, die alleine durch die Worte und ihre Anordnung produziert wird, sehr assoziativ und ausdrucksstark. Inhaltlich: weiß ich nicht. Es verbleibt alles sehr unterkühlt und verwirrt, aber wenn die Absicht des Autoren gewesen sein sollte, Schockstarre und posttraumatische Belastungsstörung erfahrbar zu machen, dann hat er das geschafft.
Mein Gott, ist das ein neunmalkluger Erzählstil, schrecklich. Andreas Pflüger hält sich für unglaublich gebildet und legt seinen Figuren halbe Wikipedia-Artikel in den Mund. Und das immer so dümmlich verbrüdernd, kennste-kennste-mäßig. Beispiel: "Der Sohn von Jacob Lieber müsste sich mal einen Superhelden ausdenken, der da richtig aufräumt. (...) Ab und zu haben wir Schach im Schmitz gespielt. Sein Junge kam manchmal vorbei. Der war fünfzehn, wollte Comiczeichner werden und nannte sich Stan Lee." Das sagen Menschen unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg zueinander. Diese Namen werden nur fallen gelassen, weil Pflüger das möchte, zur Handlung tragen sie nichts bei. Und so geht das die ganze Zeit. Dann haben wir noch das Problem, dass seine Hauptfigur eine dermaßene "Wir hätten ja alles besser gemacht"-Grundhaltung an den Tag legt, dass es unangenehm wird. Sehr schade, denn die erzählte Geschichte ist nicht uninteressant und spannend zu lesen.
Ich war schon lang nicht mehr so begeistert von einem Buch. Die erste Hälfte hat ein zwar schnell durchschautes, aber dann mit jedem Kapitel sehnsüchtig erwartetes Erzählkonzept. In der Mitte ändert sich die Erzählung erstmal zu einem vermeintlich so la la spannenden Halb-Krimi, aber spätestens nach zwanzig Seite hab ich gemerkt, dass da weiterhin mit viel Liebe von den Personen erzählt wird. Also zwanzig Seiten noch mal gelesen und schließlich mit viel Freude bis zum perfekt unpeinlichen in keinster Weise abgedrehten wunderbaren Schluß im Buch versunken.
Hätte ich nicht vor ein paar Monaten "Mädchen Frau etc" gelesen, so würde ich sagen, "Unerhörte Stimmen" ist schönste Buch seit Jahren. So teilt Elif Shafak sich meinen privaten Ruhmestitel mit Bernadine Evaristo.
Dieses Buch hat mich schwer begeistert. Es geht um die Beziehung eines schwarzen Kindergärtners und eines japanisch-stämmigen Kochs. Die Verbindung befindet sich an einem heiklen Punkt und wird nicht durch gemeinsame Gespräche, sondern eher durch Versöhnungssex zusammengehalten. Bryan Washington schreibt in seinem ersten Buch über Freundschaften, Liebe, dem Zuhausesein und die eigene Herkunft. Das Ganze auf sehr erfrischende Weise mit viel Herzlichkeit und Humor, obwohl es meist um recht ernsthafte Themen geht. Toll vor allem auch, wie sehr die oft kurz gehaltenen Szenen auf den Punkt kommen. Außerdem wechselt Washington in seinen Hauptkapiteln die Perspektive zwischen den beiden Hauptfiguren, was dem ganzen nochmals einen zusätzlichen Kick gibt.
Kein Wunder, dass sich A24 die Rechte für eine Serie gesichert hat.
Ein wunderschöner Roman über das Erwachsenwerden. Es geht um den Jugendlichen Frieder und seine Erlebnisse während der Sommerferien. Der Tonfall des Buchs ist sehr warmherzig und über die oftmals humorvollen Dialoge lässt sich gut schmunzeln. Der Roman hat mich mit seiner Wärme und den leicht melancholischen Untertönen ein wenig an Strunks "Junge rettet Freund aus Teich" erinnert.
Das das im Stil nahtlos an "Tadellöser & Wolff" anschließt und ich dieses ausführlich besprochen habe, kann ich mir das hier sparen. Immer noch faszinierend. Kempowski muß mit der Chronik seines Lebens und seiner Familie tausende von Seiten vollgeschrieben haben. Da gibt es noch einiges zu entdecken.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
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Ich war bisher kein großer Fan, fand die Romane interessant, aber irgendwie blutleer (ähnlich ergeht es mir übrigens bei Murakami). Der hier hat ja hymnische Kritiken allerorten bekommen, und ich habe ihn auch sehr gern gelesen. Eine seltsame Anschlagserie während des französischen Präsidentschaftswahlkampfes, und die Rahmenhandlung spielt eine verblüffend kleine Rolle. Gerade in der zweiten Hälfte da ungewöhnlich warmherzig erzählt.
Ich habe "Vernichten" gerne gelesen, aber die Vorgängerromane haben mir hingegen besser gefallen. Einerseits zwar schön, dass Houellebecq mal eine andere Richtung einschlägt, aber irgendwie hat mir sein zynischer Humor und die Provokation etwas gefehlt. Dass er aber mal so glaubhaft über die Liebe schreibt, ist aber schon eine Überraschung. Den großen Sinn mit den unterschiedlich gefärbten Kapitel erschließt sich mir nicht wirklich, aber den letzten Teil des Buchs fand ich zumindest ziemlich gut und sehr berührend.
Dies ist das erste Buch, das ich bewusst von einem Literaturnobelpreisträger gelesen habe. Als ich seinerzeit "Istanbul" las, das mir gut gefiel, wusste ich das noch nicht. Ändert so etwas die Wahrnehmung? "Schnee" ist jedenfalls ganz fantastisch und von einem tiefgehenden Wunsch nach Verständigung und Humanismus geprägt. Pamuk bringt einem den immerwährenden innertürkischen Konflikt zwischen tiefverwurzeltem Glauben auf der einen und westlich geprägter Säkularität auf der anderen Seite anschaulich näher, ohne Partei für eine der beiden Seiten zu ergreifen. Bleibt nicht mein letztes Buch dieses Autoren.
durchaus gelungen und dem verständnis zuträglich, nach dem spannenden "aufstieg" mit all seinen verflechtungen kommen allerdings immer mehr namen und für mein verständnis zu viel finanzgeschehen ins spiel. das mag für den vorgebildeten interessant sein, mich hat es in seiner detailfülle schlicht überfordert. unterm strich und am ende nur noch quergelesen ist man immerhin schlauer als vorher, wofür man sich bei dem scheiß da draussen aber auch nichts kaufen kann.
Mein Gott, ist das ein heftiges Buch. Es hat mich wirklich mitgenommen. Hatte auch nicht erwartet, dass der Roman hundert Jahre nach seiner Entstehung noch so gut lesbar ist.