Ein recht zwiespältiges Vergnügen. Vorausgeschickt: ich liebe die Marx Brothers, vor allem Groucho. Vor allem der chronologisch absichtlich wirre erste Teil hat trotz seines überwiegend recht antiquierten Humors einige herrliche Passagen zu bieten, über die ich herzlich gelacht habe. Aber gerade dieser antiquierte Humor macht den zweiten Teil, in dem einige Essays versammelt sind, teilweise echt mühsam; wir reden hier vom gepflegten Herrenwitz Vorkulenkampff'scher Prägung, der zu der Zeit gang und gäbe war (weswegen ich ihm das auch nicht zum Vorwurf mache), der heute aber beim besten Willen nicht mehr funktioniert und - passend zum Autor - manchmal allenfalls hochgezogene Augenbrauen hervorruft. Dabei wird er Frauen gegenüber nicht einmal explizit despektierlich und versucht, ein gewisses Gleichgewicht zu halten zwischen Respektsbezeugungen und Schenkelklopf, es wirkt aber trotzdem zumeist auf eine sehr patriarchalische Art gutmütig onkelhaft - herablassend. Man kann das eigentlich nur durchwinken, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Groucho von 1890 bis 1977 gelebt hat und zum Zeitpunkt der Niederschrift bereits über 70 war; das an heutigen Maßstäben zu messen, wäre deswegen nicht ganz fair, auch wenn ich verstünde, daß manche/r damit Probleme hat. Das ändert nichts daran, daß einige Passagen sensationell komisch sind, wie auch vieles der Marx Brothers, was ja ebenfalls wiederum Probleme aufwirft (zum Beispiel das Blackfacing in "A Day At The Races", von - hust - 1937, als man in der Hinsicht nicht sonderlich sensibel war ... auch als amerikanischer Jude nicht). Man kann es lesen. Man kann es aber auch seinlassen und tut damit einem der größten jemals gelebt habenden Komiker möglicherweise unrecht. Interessantes Detail: sogar der weitgehend unbekannte Bruder Gummo taucht im Buch ständig auf und liefert teilweise seitenlange Anekdoten, während Zeppo quasi nicht stattfindet. Ich denke, das sagt genug über Grouchos Verhältnis zu seinem jüngsten Bruder aus, der ja auch bereits 1934 aufhörte, Filme mit ihen zu drehen, weil er ständig mit unkomischen Nebenrollen abgespeist wurde.
Gänzlich unerträglich an dem Buch sind eigentlich nur die Anmerkungen des Übersetzers Sven Böttcher. Anstatt einfach nüchterne Anmerkungen zu machen, die Informationen transportieren meint er, der Welt beweisen zu müssen, daß er so witzig und schlagfertig wie Groucho Marx sein kann; und das geht gewaltig nach hinten los. Ich wollte ihn beim Lesen einfach nur hauen für diesen ganzen anbiedernden, belanglosen und selbstverliebten Shlonz, den er da zwischen nützlichen Informationen absondert. Grauenhaft.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
ja, spannendes thema, sehr spannend sogar. ich bin dankbar für diesen einblick in die amerikanisch-mexikanische geschichte und das beleuchten des schicksales der apachen, das ganze auf verschiedenen erzähl(zeit-)ebenen. leider fand ich sprachlich ein wenig ermüdend, teils auch einfach zäh, am ende war ich froh, als ich es durch hatte. auch die darstellung der apachen als "edle wilde" und deren glorifizierung war mir ein wenig zu viel, am ende sind sie ebenfalls mordend und plündernd durch die landschaft gezogen. da kann ich beim besten willen nichts heroisches dran finden. der widerholte hinweis, daß der "große, starke und so männliche" häuptling es der protagonistin "die ganze nacht lang herrlich besorgt" lässt mich vermuten, daß da noch einiges mehr mitspielt, als ein geschichtliches interesse. schade, in seinen guten momenten war das buch wirklich gut.
Ich fand das Buch insgesamt besser als Du. Aber diese Liebesgeschichte fand völlig bizarr und unplausibel, wie sie sich dem Häuptling, der sie entführt hat, sofort an den Hals wirft.
Erich Maria Remarque: Liebe deinen Nächsten (1941)
Mittlerweile war das schon 12/16 der Gesamtausgabe und mal wieder ein Roman, der herausragt. Beschrieben werden diverse Emigrantenschicksale von Juden, Sozialdemokraten, kirchlichen Widerständlern und Kommunisten, von einfachen Menschen wie auch Intellektuellen und Künstlern. Diese Heimatlosigkeit, diese ständige Angst vor Abschiebung und Verhaftung als Illegale, dieses Hin - und Hergeschobenwerden von einer Grenze zur anderen, dieses Abgeschnittensein von den Liebsten zuhause, die Furcht, denunziert zu werden ... das alles ist leider immer noch brandaktuell. Und die Szene, in der sich der Protagonist Steiner vor seiner Flucht aus der Heimat von seiner Frau verabschiedet, ist eine der bewegensten des ganzen Buches; es erforderte schon Beherrschung, lesend in der Straßenbahn sitzend nicht in Tränen auszubrechen.
Wie erwähnt, bin ich gerade auf dem Endspurt der Gesamtausgabe; man muß wirklich nicht zwingend alles haben, aber das gehört (nebst "Schatten im Paradies", das ich gerade in der komplett überarbeiteten und aufgepimpten Neufassung [200 Seiten mehr] noch einmal lese, nachdem ich nur die verstümmelte Erstfassung kannte]) definitiv dazu. Da ich nur noch zwei Frühwerke und das letzte große Fragment vor mir habe, hier mal ein Tip, was man von ihm kennen sollte:
Im Westen nichts Neues Der Weg zurück Drei Kameraden Liebe deinen Nächsten Der Funke Leben Zeit zu leben und Zeit zu sterben Schatten im Paradies
Mit diesen sieben hat man einen guten Überblick über das ganze relevante Schaffen; der Rest kann meiner Meinung nach, muß aber nicht zwingend (auch wenn mir bei "Arc de Triomphe" und "Die Nacht in Lissabon" da nicht wenige widersprechen dürften).
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Wieder eine Breitwand-Familiengeschichte, diesmal ein Pastorenhaushalt in den USA. Die 800 Seiten müssen einen nicht schrecken, es ist leicht zu lesen. Ich mag die Ambivalenz der Figuren, alle auf ihre Art immer mal unsympathisch, aber Franzen erzählt, wie sie wurden, was sie sind. Niemand hat bösen Willen (fast niemand). Kleine Schwächen hat es schon, die drehen sich teils um das Thema Religiösität, manchmal sind die Dialoge zu sehr auserwählt. Man kann das schon gut lesen, ich habe nun aber etwas schwereres, poetischeres angefangen, das mehr Lücken lässt, das tut ganz gut.
So ich bin jetzt auch durch, hab es auch wieder gern gelesen. Natürlich ist das recht konservativ erzählt, aber so ein Panorama über Beziehungsgeflechte zwischen ambivalenten und (dadurch) lebensnahen Figuren aufbauen, das kann er halt einfach. Ich finde tatsächlich diesen religiösen Aspekt schon spannend, da das ja aus unserer Perspektive immer etwas befremdlich wirkt. Gibt es eigentlich irgendwelche Infos, ob Teil 2 schon "in Vorbereitung" ist bzw. ob Franzen das in einen Rutsch schreibt?
Mittlerweile wird von drei Jahren Wartezeit auf den Nachfolger gesprochen. Das Thema rund um eine Pfarrersfamilie hat mich jetzt nicht so sonderlich interessiert, aber ich fand das auch wieder toll. Wie er die Personen verknüpft und ihnen Tiefe gibt, ist einfach brillant. Ich habe es sehr gerne gelesen.
Mach das und lass es bitte drucken. Ich bin sicher einer der ersten Leser. So wie ich auch die Berichte von @beth aus der Schule gerne lese - auch wenn sie manchmal auch nicht so Schönes erzählen. Wenn man wie ich im Beruf meist mit vernachlässigbaren "1st-World"-Problemen zu tun hat, dann mag man solche Tagebücher.
Ein ... hmmm ... seltsames Buch. Zum einen berührt es manchmal sehr, an einigen Stellen ist es sehr interessant (v.a. zu den Beziehungstheorien), aber es kann sich nicht entscheiden, ob es nun ein sachbuchartiger Bericht oder ein aus sehr persönlichern Erlebnissen adaptierter Roman sein soll. Auf jedenfall ein lesenswerter Einblick in die Arbeit von @beth Danke für den Tipp
Erich Maria Remarque: Schatten im Paradies (13/16) Wie erwähnt, bin ich gerade auf dem Endspurt der Gesamtausgabe; man muß wirklich nicht zwingend alles haben, aber das gehört (nebst "Schatten im Paradies", das ich gerade in der komplett überarbeiteten und aufgepimpten Neufassung [200 Seiten mehr] noch einmal lese, nachdem ich nur die verstümmelte Erstfassung kannte]) definitiv dazu.
So schrob ich in meinem jugendlichen Leichtsinn und muß das bedauernswerterweise relativieren. Aber zunächst die Kritik: Remarque schreibt autobiographisch gefärbt über einen Emigranten in New York gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Bevor man den Anhang liest, fallen einem im Buch einige merkwürdige Schwächen auf: einige inhaltliche Wiederholungen und seltsame Grammatikfehler. Der Grundton des Buches, in dem ein entwurzeltes Leben beschrieben wird (der verhaßten alten Heimat mit merkwürdiger Sentimentalität widerwillig verbunden, in der neuen Heimat richtungslos dahintreibend), ist extrem desillusioniert und sarkastisch. Auch viele Mitemigranten werden negativ dargestellt, weil Menschen immer Menschen bleiben und erlebtes Leid sie zu keinen besseren macht. Der Protagonist ist erstaunlich unsympathisch und lädt nicht wirklich dazu ein, ihm gegenüber empathisch zu sein; vor allem eine Stelle im Buch gibt es, mit der ich echt ein großes Problem habe (es geht darum, sich in James - Bond - Manier eine widerspenstige Frau gefügig zu machen, und das ist erstaunlich ekelhaft).
Im Anhang erfährt man dann, daß Remarques Witwe Paulette Godard (ja, genau die) mit einem recht gewieften Berater darum bemüht war, einen unzulänglichen Roman (der von Remarque nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war) mal flott als großen, nachgelassenen Roman zu Geld zu machen; zum Zeitpunkt seines Todes arbeitete Remarque gerade an einer kompletten Überarbeitung, die 1998 als Fragment "Das gelobte Land" erschien. Paulette Godard überließ nicht nur Droemer Knaur das Manuskript, die das in unfaßbar sulchigen Pressemitteilungen abfeierten (findet man ebenfalls im Anhang) und brach damit Abmachungen mit Remarques Hausverlag KiWi, sondern ließ es auch zu, daß die Droemer - Lektorin nicht nur 15% des Textes kürzte, sondern das Buch quasi auch komplett umschrieb. Was mir damals so gut gefallen hat, war also die Rumpffassung. Jetzt hat KiWi also den ursprünglichen Text wiederveröffentlicht, ohne Streichungen ... deswegen also auch Wiederholungen und teilweise seltsamer Satzbau.
Im Endeffekt hat man Remarque mit diesem unausgegorenen Schinken einen Bärendienst erwiesen; nach dem groß behupten "großen Nachlaßroman" verschwand "Schatten im Paradies" auch relativ schnell wieder aus den Läden, nicht ohne den AnstifterInnen dieser Leichenfledderei ein respektables Salär eingebracht zu haben, selbst auf die Gefahr hin, Remarques Reputation zu beschädigen.
Mit Bedauern revidiere ich meine ursprüngliche Meinung: "Schatten im Paradies" kann man sich getrost schenken.
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Alfred Andersch/Max Frisch: Briefwechsel Alfred Andersch: Efraim
"Efraim" hatte ich vor gut zwanzig Jahren schonmal gelesen und war damals sehr beeindruckt von dem völlig wahnsinnigen Aufbau und Spiel mit diversen Zeitebenen. Da bei der aufschlußreichen Lektüre des Briefwechsels (der einen angesichts des Stellenwerts, den Literatur und SchriftstellerInnen vor gut 50 Jahren noch innehatten, fast schon melancholisch stimmt ... das liest sich wie Nachrichten aus einer versunkenen Welt) "Efraim" eine tragende Rolle spielt, las ich es gleich nochmal. Und war ernüchtert. Neben dem immer noch sensationellen Aufbau, der die Story in ständigen Vor - und Rückblenden und zeitlichen Überlagerungen wie ein Puzzlestück zusammenfügt, ist - auch in Anbetracht der Biographie Anderschs, von der vermutet wird, daß er sie geschönt hat und die seinen zeitweisen Opportunismus augenfällig macht - an diesem Buch so viel grundverkehrt, daß man es teilweise als ärgerliche Anmaßung empfindet.
Ich zitiere kurz mal Wikipedia: Am kontinuierlichen Schreiben wurde Andersch durch den Zweiten Weltkrieg gehindert: 1940 wurde er zum ersten Mal zur Wehrmacht eingezogen und in Frankreich eingesetzt. Im Herbst desselben Jahres lernte er auf Fronturlaub in Köln seine spätere zweite Frau, die Malerin und Lehrerin Gisela Groneuer, kennen. 1941 wurde Andersch – möglicherweise aufgrund einer Selbstanzeige – wegen seiner Ehe mit einer nach den Nürnberger Gesetzen „Halbjüdin“ vorläufig aus der Wehrmacht entlassen.[6] Als Büroangestellter bei einer Kosmetikfirma in Frankfurt am Main begann er ein Liebesverhältnis mit Gisela Groneuer, die ein Kind von ihm bekam.
1942 trennte sich Andersch von seiner Frau Angelika, die Ehe wurde 1943 geschieden.[7] Seine Schwiegermutter Ida Hamburger wurde 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und fiel dem Holocaust zum Opfer.[8][9][4] Um das Recht zu publizieren zu erlangen, gab er sich in einem Antrag an die Reichsschrifttumskammer vorzeitig als geschieden aus.[10] In der Folge wurde Andersch 1943 erneut zum Kriegsdienst eingezogen.
Am 7. Juni 1944[11] desertierte Andersch als Obersoldat der 20. Luftwaffen-Felddivision bei Oriolo[12] nördlich Rom und lief zur US-Armee über. Von 1944 bis 1945 war er Kriegsgefangener in Louisiana, Rhode Island und Fort Hunt Park, Virginia; er arbeitete als Redakteur an der Lagerzeitung Der Ruf – Blätter für deutsche Kriegsgefangene mit. Gegenüber den Amerikanern berief er sich auf seine vormalige Ehe mit einer „Halbjüdin“, um nach Deutschland zurückkehren zu können.
Unter dieser Prämisse ist es erstaunlich geschmacklos, aus der Sicht eines gebürtigen berliner Juden zu schreiben, der mittlerweile die englische Staatsbürgerschaft besitzt und als Soldat für England im Krieg war. Perfide wird es, daß er seine Figur die englischen Luftangriffe auf Deutschland kritisieren läßt; ist man nämlich in der Handlung drin, muß man sich mit Kraft in Erinnerung rufen, daß diese Aussagen nunmal kein Jude tätigt, sondern ein deutscher Autor, der bei der Wehrmacht war und sich opportunistisch verhalten hat, auch wenn er später desertierte. Aber bis dahin machte er lange genug mit. Zumal seine Figur des George Efraim genausowenig sympathisch ist wie die des Chefredakteurs Keir Horne, der - obwohl ein verfetteter, ungepflegter Alkoholiker - natürlich wie selbstverständlich jede Frau in seiner Redaktion flachlegt, was gegen Ende augenzwinkernd (johoho, was für ein toller Hecht) thematisiert wird. Man merkt den Zeitenwandel allmählich, wenn man Literatur aus dem letzten Jahrhundert liest; selbst Autoren wie Remarque oder eben hier Andersch, die ständig starke Frauenfiguren auftreten lassen (hier: Anna Krystek und Efraims emanzipierte Ehefrau Meg), um im nächsten Moment wieder auf dermaßen weltmännisch - connaisseurhafte Klischees zurückzuverfallen, daß man - sofern man begonnen hat, sich ernsthaft von solchen und ähnlich gearteten lösen zu wollen - die Hände über dem Kopf zusammenschlägt. Technisch finde ich "Efraim" nach wie vor brilliant; inhaltlich jedoch provoziert es geradezu zum Widerspruch; was vielleicht einmal gutgemeint war, empfinde zumindest ich heutzutage nur noch als dreist.
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Ein Zeitdokument, das sehr viel über die alte BRD und den damals vorherrschenden Geist aussagt. Jegliche Verklärung der Bonner Republik zum "guten Deutschland" ist Geschichtsklitterung und ein historischer Fehler. DDR und BRD waren beide auf ihre ganz spezielle Art räudig.
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Ein guter Kumpel hatte das aus dem Bücherschrank gerettet, weil er es in seiner Jugend gelesen und sich prächtig amüsiert hatte und es mir dann geschenkt. Dachte, für die arbeitsfreie Zeit in der Nachtschicht ist das ideal und habe es in einem Rutsch durchgelesen, weil ich ja - ähnlich wie "Das geheime Tagebuch des Adrian Mole" von Sue Townsend - solche Schülertagebücher gerne mag und letzteres immer noch sensationell komisch finde, obwohl es mittlerweile 40 Jahre auf dem Buckel hat. Das hier hat mich komischerweise extrem vergrätzt. Es hat ein Amerikaner geschrieben und gezeichnet, und es ist sehr amerikanisch; von subtilem britischen Humor also keine Spur. Stattdessen wurde mir die Hauptfigur Greg zunehmend unsympathischer; ein kleiner Junge, der Mitschülern Streiche spielt, die zumeist auf die Kosten Schwächerer gehen und somit genau die Art von Humor sind, über die Jungs lachen, die einem früher im Turnunterricht die Hosen runtergezogen oder absichtlich Bälle an den Kopf geschossen haben.
Erstaunlich unangenehm und unerfreulich. Fratboy - Humor.
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Titel und Umschlaggestaltung sprachen mich sofort an. Also habe ich das Buch mal aus der Bücherei mitgenommen, ohne eine Ahnung zu haben, wovon es handelt. Das ist oftmals ja nicht die schlechteste Idee. Hat mir sehr gefallen, der recht nüchterne Erzählstil erinnerte mich ein bisschen an John Irving.
Dass ich das letzte Mal 560 Seiten in zwei Tagen verschlungen habe, ist sehr lange her. Aber dieser dystopische Horror, der sich hier vor dem Leser entrollt, dem kann man sich nicht entziehen. Man will die ganze Zeit schreien, seinen Laptop zerhacken und sein Handy ins Klo werfen. Eine absolut beängstigende Zukunftsvision, die gar nicht so fern scheint. Ein kleiner Wermutstropfen ist Eggers Stil (oder der der Übersetzung?), den ich nicht wahnsinnig ansprechend finde.
Das Gute an meinen depressiven Phasen ist, dass ich mich dann komplett vor der Welt verstecke und manchmal die Kraft finde, ein Buch nach dem nächsten zu lesen.
Edward Snowden - Permanent Record
Ich hatte nicht erwartet, dass mich Snowdens Schilderung so fesseln würde. Er erzählt zwar auch von sich, ist aber kein Selbstdarsteller, es geht ihm im Kern um die Sache und er zieht interessante Querverbindungen. Erwartungsgemäß lässt das Buch die Leser:innen deprimiert zurück. Oder sagen wir resigniert.
Meg Rossof - So lebe ich jetzt
Besser als der (für sich stehend mittelmäßige, aber nach der Lektüre miserable) Film von Kevin MacDonald, aber unbedingt gelesen haben muss man es auch nicht. Spannend ist auf jeden Fall der Ansatz, nicht nur aus der Sicht eines Teenagers zu erzählen, sondern auch teilweise deren Sprache zu benutzen. Ich sage bewusst "teilweise", denn Meg Rossof war beim Schreiben schon viel zu alt, um sich dort noch einfühlen zu können. Das Buch wird etwas von seinem unglaubwürdigen, viel zu harmonischen Schluss runtergezogen.