Man könnte glauben, dass es kaum noch Bahnstrecken in Portugal gäbe, die man noch stilllegen kann.
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Aber die seit dem EU-Betritt stattfindende Verlagerung des Verkehrs von der Schiene auf die Straße geht weiter. Das Zentrum von Coimbra wird ab Anfang 2024 von der Bahn abgehängt. Sind ja nur 1,3 Millionen Fahrgäste pro Jahr, eine Zahl von der viele hochsubventionierte Flughäfen nur träumen können. Es gibt zwar eine Petition dagegen, aber wir wissen ja, was die bringen.
Die Eisenbahn in Portugal hat generell einen erheblichen Wettbewerbsnachteil,. Sie wird mit einer Spurweite von 1668 Millimetern betrieben wird (5 portugiesische Fuß). Die meisten Staatsbahnen in Mittel- und Westeuropa haben eine Spurweite von 1435 Millimetern. Damit haben alle Züge von Portugal aus keinen direkten Anschluss an das europäische Bahnnetz. Dies sorgt für massive Probleme/Kosten etwa im bahngebundenen Güterverkehr...
Außerhalb der eigentlichen Hauptlinien war die Bahn in Portugal schon immer langsam unterwegs. Die größte Ausdehnung des portugiesischen Eisenbahnnetzes gab es 1952 mit 3.627 Kilometern. Dies blieb auch bis 1987. Dann erfolgte die Stilllegung der Stecke Èvora-Mora. 1990 wurden weitere acht Strecken stillgelegt. 1988 wurde eine Verbindung nach Spanien geschlossen (Poçinho nach Salamanca). Von einst sechs Grenzübergängen gibt es noch drei. Heute sind noch 2.500 Kilometer in Betrieb.
Immerhin: das deutsche Eisenbahnnetz ist anteilig viel stärker geschrumpft! Es gibt aber einen großen Unterschied. In Deutschland fährt die Bahn auch auf Nebenstrecken einen Stundentakt.
In Portugal fahren auf vielen Strecken täglich nur noch drei oder viermal Züge. Selbst die Route von Lissabon nach Èvora wird nur sieben Mal pro Tag bedient.
Es bleibt zu hoffen, dass zumindest verbliebene Strecken weiter erhalten bleiben. Aber alles ist fraglich. Portugal möchte aus dem Corona-Hilfsprogramm der EU Geld für die Bahn abzweigen. Immerhin wurde 2021 bereits die Strecke von Guarda nach Covilhã wiedereröffnet.
Der Grund für den Niedergang wird schnell klar: in Portugal gibt es überalterte Züge, schlechte Wartung und auch fehlende Ersatzteile. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe litten unter den massiven Folgen der Finanzkrise. Die Regierung hat das Problem wohl zu spät erkannt. Viele S-Bahnzüge sind schon sechzig Jahre alt. Im Sommer fällt öfters die Klimaanlage aus und technische Probleme führen zu Verspätungen und Zugausfällen. Fehlende Investitionen machen es nicht besser. Der jahrelange Sparzwang hat Spuren hinterlassen. Die Staatsausgaben mussten ja stark gekürzt werden.
Die Einnahmen des ÖPNV im Großraum Lissabon stammen nur zu 10 % aus öffentlichen Mitteln. In Berlin sind es vergleichsweise 60 %. Der Sparzwang führt dazu, dass man noch nicht einmal den Erhalt der Fahrzeuge garantieren kann. Es fehlen Ersatzteile, Räder können nicht nachbestellt werden und die Wartung der Motoren wird aufgeschoben.
Zugleich wurden in der Finanzkrise die Fahrpreise erhöht. Und die Nachfrage sank: von 2008 bis 2013 verlor man 20 % der Fahrgäste. Aufgrund höherer Arbeitslosigkeit pendelten auch weniger Menschen. Wirtschaftlich steht es nun besser mit allem, aber die Portugiesen fahren derweil lieber per PKW.
Eine Kurskorrektur erfolgt nur langsam. In Lissabon gibt es ein Monatsticket für den gesamten Großraum, für das die Regierung 2019 über 80 Millionen Euro bereitstellte. Denn es gibt schlicht zu wenig Fahrgäste. Die Portugiesen sind vom Auto fasziniert. Der ÖPNV in Portugal wurde noch bis zur Jahrtausendwende von allen genutzt. Heute ist er Transportmittel für die sozial schwächere Bevölkerung (ähnlich der Entwicklung etwa in den USA).
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
So weit, so schlimm. Allerdings erklärt es nicht ganz, warum ausgerechnet eine vielgenutzte Strecke wie Lissabon - Coimbra (Zentrum) eingestellt wird. Die Bahnpolitik hierzulande ist spätestens seit ca. 25 Jahren eine Schande, aber zumindest hat man Strecken eingespart, die wenig genutzt waren (fatalerweise). Und bei den 60-Jahre-alten S-Bahnen musste ich ein bisschen lachen. Bis in die frühen 2000er waren in Berlin noch Züge aus dem Kaiserreich aktiv.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Wie gesagt, man muss das mit Blick auf die gegebene Realität aka Finanzlage sehen.
Für Berlin zahlt der Steuerzahler jeweils 60 von 100 benötigten Euros. Der ÖPNV muss also nur die restlichen EUR 40 selbst erwirtschaften.
In Portugal muss die Eisenbahn hingegen 90 von 100 Euro selbst erwirtschaften. Was ja letztlich gar nicht geht. Man spart und kürzt sich also zu Tode.
Der Rest ist dann wie bei einem großen Kaufhaus. Da können täglich noch so viele Kunden ein und aus gehen. Wenn am Ende ständig nur Minus gemacht wird, schließt der Laden irgendwann. Oder man macht eben eine Bahnstrecke dicht...
In Portugal ist der PKW derweil das bevorzugte Verkehrsmittel geworden. Ähnlich ist es in den USA. Da spielt die Eisenbahn für den Personenverkehr kaum eine Rolle.
Man sollte nicht vergessen, dass in Deutschland der ÖPNV noch nicht einmal zur Hälfte aus dem Fahrkartenerlös finanziert wird. Der Nahverkehr ist immer Sache der jeweiligen Länder und Kommunen, die die Leistungen bestellen und auch aus der Steuerkasse bezahlen. Allein der Bund subventiert bis 2031 mit ca. 8 Milliarden Euro jährlich die Finanzierung des ÖPNV mit. Hinzu kommen steuerliche Entlastungen für den Kraftstoffverbrauch in Milliardenhöhe.
Wäre die Situation hier wie in Portugal, müssten in Deutschland alle Fahrpreise verdoppelt werden, damit (fast subventionsfrei) überhaupt noch etwas fahren kann! Was ja die Fahrgastzahlen nicht unbedingt erhöhen würde. Private Anbieter konzentrieren sich natürlich auf jene Routen, die entsprechende Gewinne mit und ohne Subvention ermöglichen.
Natürlich geht es extremer: in Luxemburg ist der gesamte ÖPNV seit dem März 2020 für alle Benutzer kostenlos. Kein Problem, denn Luxemburg zahlte schon zuvor 90 % der Kosten aus der Steuerkasse. Weitere 40 Millionen Euro pro Jahr sorgen dafür, das man nun auf Ticketautomaten und Kontrolleure verzichten kann.
Dennoch hat Luxemburg (ca. 630.000 Einwohner) den höchsten individuellen Motorisierungsgrad in der EU. Fast 220.000 Pendler fahren täglich nach Frankreich, Belgien oder Deutschland - viele mit dem eigenen Auto. Man ist froh, wenn man Pendler dazu bewegen kann, für die letzten Kilometer das Auto stehen zu lassen. So soll die Zahl der Park-and-Ride-Parkplätze in Luxemburg verdoppelt werden. Auch soll es Pendlerspuren geben, die Autos mit mindestens drei Insassen Vorrang gewähren, da 60 % der Pendler alleine im Auto sitzen.
Der luxemburgische Verkehrsminister Bausch betont, dass auch ein kostenloser ÖPNV keine Verkehrswende mit sich bringe. Auch umsonst biete ein schlecht organisierter ÖPNV keine Anreize zum Umsteigen. Es benötige neue Gesamtkonzepte. In Deutschland gibt es zumeist Tests. Etwa in Monheim am Rhein (drei Jahre gratis per Bus fahren). Auch in Augsburg ist der Nahverkehr in der Innenstadt kostenfrei. In Templin scheiterte alles einst an den zu hohen kommunalen Kosten.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Wenn die meisten LuxemburgerInnen das Land verlassen, um zur Arbeit zu fahren, sind die Möglichkeiten des ÖPNV ohnehin begrenzt. Auch ein kostenloses Angebot muss einen ja da hinbringen, wo man man hin möchte oder muss.
Was Portugal betrifft: Gerade wenn die Finanzierung hauptsächlich durch Tickets generiert wird, ist es umso unverständlicher, dass eine viel frequentierte Strecke eingespart wird.
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Es wird ja letztlich darum gehen, was alles kostet. Und wie hoch die Einnahmen wirklich sind.
Die Route Lissabon - Coimbra wird ja auch parallel von Busunternehmen befahren, die scheinbar sehr günstig sind. Wenn die Bahn da nicht kostendeckend arbeiten kann oder zu teure Sanierungen anstehen (oft genügt schon eine marode Brücke), wird eben gleich ganz dicht gemacht. Auch in Deutschland wurden diverse Bahnlinien stillgelegt, weil einfach die Kosten für neue moderne Bahnübergänge, Signalanlagen, etc. zu hoch waren...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Falls es missverständlich war: Es fahren weiterhin zahlreiche Züge zwischen Lissabon und Porto über Coimbra, aber über den abgelegeneren Bahnhof Coimbra-B. Eingestellt und durch Busse ersetzt werden nur ein paar km zwischen dem zentralen Bahnhof Coimbra und Coimbra-B. Ist aber ärgerlich genug, da Umsteigenmüssen in den Bus das Bahnfahren unattraktiver macht.
In Portugal wurde in den letzten Jahrzehnten gleichzeitig mit den Einsenbahnstilllegungen viel Geld in den Bau von Autobahnen investiert. Auf denen man oft alleine ist, weil sich kaum jemand die Autobahngebühren leisten kann/will.
Sehr trist sieht es inzwischen beim grenzüberschreitenden Bahnverkehr aus: Um mit dem Zug von Madrid nach Lissabon zu fahren, muss man großer Bahnenthusiast sein und viel Zeit haben: The Man in Seat 61 hat beschrieben wie es geht. In den 1980ern gab es noch folgende Verbindungen zwischen Spanien und Portugal: Vigo - Porto Badajoz - Entroncamento Hendaye - Lisboa/Porto (Sud Expresso) Madrid - Lisboa ("Lusitânia") (Salamanca -) Fuente de San Esteban - Barca de Alva - Porto Huelva - Ayamonte / Vila Real de Santo Antonio - Faro Geblieben sind nur die ersten beiden. Mit zwei Zügen bzw. einem täglich pro Richtung.
Bei der Strecke Lissabon–Madrid war eigentlich geplant, dass sie so ab 2013 die Hauptstädte mit der Normalspur verbinden sollte. Allerdings wurde das Projekt hinsichtlich des 204 km langen portugiesischen Teils im März 2012 gestoppt.
Der spanische Teil (437 km) ist weiterhin in Bau bzw. Planung, aber ohne konkreten Fertigstellungstermin. Geplant ist/war, die Strecke zwischen Madrid und Lissabon bis 2030 in Betrieb zu nehmen.
Geplant sind in Portugal fünf neue Hochgeschwindigkeitsstrecken. Eigntlich sollten sie schon 2013 bis 2015 in Betrieb gehen. Zugleich wird von Breitspur auf Regelspur umgestellt, was auch die Verbindung mit Resteuropa vereinfacht. Bei einer Streckengeschwindigkeit von 350 km/h beträgt die Fahrzeit zwischen den Hauptstädten dann 2 Stunden und 45 Minuten.
In Portugal wollte man 2010 mit dem Bau beginnen. Aufgrund der finanziellen Probleme erwog das Verkehrsministerium einen Verzicht auf die Strecke. Dies hätte aufgrund der abgeschlossenen Bauverträge hohe Konventionalstrafen mit sich gebracht. Auf den Bau der dritten Tejobrücke wurde daher verzichtet. Die Züge sollen ab Poceirão über die gewohnte Strecke nach Lissabon fahren.
Im Juli 2011 stoppte Premierminister Pedro Passos Coelho das Bahn-Projekt. Zu teuer. 2012 wurde die Bauvergabe vom zentralen Gerichtshof Portugals für teils nichtig erklärt.
Das ganze Projekt der Schnellfahrstrecke von Madrid nach Lissabon wurde von der Regierung für eingestellt erklärt. 2021 gab die Regierung bekannt, dass der Streckenabschnitt Évora–Elvas bis Ende 2023 fertiggestellt werden soll. Diese Strecke wurde aber für den Güterverkehr geplant.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
corona. mal eine frage an die ärzte oder akris hier... (wie viele haben wir eigentlich?), ich bin auch gerne bereit, demnächst fragen zu bauanträgen zu beantworten ;)
ich selbst bin ja am 20.03. positiv getestet worden, habe alles mehr oder weniger hinter mir, und gelte ab dem 19.04., also morgen, offiziell als genesen.
leider ist die liebste heute ebenfalls positiv getestet worden. was bedeutet das nun in punkto quarantäne? kann ich mich direkt wieder anstecken und müssen wir dementsprechend wieder das ganz große besteck auspacken (schlafen im wohnzimmer, bloss nicht nahekommen etc.), oder bin ich noch einigermaßen "safe", auch, wenn wir in den nächsten tagen ganz normal weiterleben? ich habe da ECHT keine ahnung.
ich weiß, daß ich ins bü+ro gehen d a r f, und ich schätze, dass ich nicht unbedingt zum yoga gehen s o l l t e... ist das korrekt?
beth hatte das gleiche Anliegen und Berthold hatte damals darauf geantwortet. Ich weiß nur nicht mehr, in welchem Thread. Entweder Corona, Medizin und Gesundheit oder hier.
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