Ihre Doktorarbeit ist von 2009. Die Guttenberg-Affäre kam erst zwei Jahre später, insofern hätte Frau Giffey das nicht von Anfang an befürchten müssen. Allerdings wusste sie schon seit Jahren, dass man ihr auf die Schliche gekommen ist. Aber was soll‘s… Theoretisch könnte ein Hühnerdieb auch ein Ministeramt ordentlich bekleiden, nur ist es nunmal blöd, wenn man ihn bereits als Hühnerdieb kennt. Kann man niemandem übel nehmen, wenn sie oder er sich lieber nach jemand anderem umschaut.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Lumich im Beitrag #1261 Theoretisch könnte ein Hühnerdieb auch ein Ministeramt ordentlich bekleiden, nur ist es nunmal blöd, wenn man ihn bereits als Hühnerdieb kennt.
Solange der Staat Hühnerdiebe konsequent aus der Laufbahn oder sogar dem Beamtenverhältnis entlässt, können selbige kein Ministerium führen.
Kurzer Einwurf: Es ist meines Erachtens nicht nur "Schlampen", wenn man in einer großen wissenschaftlichen Arbeit plagiiert. Ein wissenschaftliches Studium dient dazu, nicht nur Fakten und den aktuellen Wissensstand zum Fachgebiet zu erlernen, sondern eben auch das wissenschaftliche Arbeiten an sich - und das korrekte Zitieren ist dabei grundlegend. Wer das in einer Doktorarbeit (noch mal: im Normalfall ist das eine große, langwierige Arbeit, in die eigene Forschung - egal ob praktisch oder theoretisch - einfließt) nicht macht, der WILL es nicht machen.
You all want the whole world to be changed so you will be different.
@faxe: Also zumindest bei der Bundeswehr werden beim Studium und beim Stabsoffizierlehrgang nicht gekennzeichnete Zitate als Betrugsversuch bewertet und führen zum Nichtbestehen, was im ersten Fall dann in den meisten Fällen auch die Beendigung des Dienstverhältnisses bedingt (da das Studium im Normalfall die Voraussetzung für die Beförderung zum Truppendienstoffizier ist), im zweiten, dass man nicht in den höheren Dienst übernommen wird. Inwieweit es da in Grenzfällen noch Spielraum gibt, weiß ich nicht, selbst habe ich das nicht ausgetestet. Deshalb war zu Guttenberg damals m.E. als Verteidigungsminister definitiv nicht mehr tragbar, auch wenn er ansonsten ja in der Truppe überwiegend gut angesehen war.
Zitat von faxefaxe im Beitrag #1263werden im normalen Leben Leute aus dem Staatsdienst entlassen, weil sie bei ihrer Doktorarbeit geschlampt haben? Oder wie ist das gemeint?
Zitat von Mory im Beitrag #1264Kurzer Einwurf: Es ist meines Erachtens nicht nur "Schlampen", wenn man in einer großen wissenschaftlichen Arbeit plagiiert. Ein wissenschaftliches Studium dient dazu, nicht nur Fakten und den aktuellen Wissensstand zum Fachgebiet zu erlernen, sondern eben auch das wissenschaftliche Arbeiten an sich - und das korrekte Zitieren ist dabei grundlegend. Wer das in einer Doktorarbeit (noch mal: im Normalfall ist das eine große, langwierige Arbeit, in die eigene Forschung - egal ob praktisch oder theoretisch - einfließt) nicht macht, der WILL es nicht machen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist die Begründung, die Frau Giffey für ihren Rücktritt angibt. Darin führt sie das Prüfverfahren an, dass für sie belastend gewesen wär. Sie würde es den Wählerinnen und Wählern schulden, für Klarheit zu sorgen. Ich weiß, dass diese Art der Umkehrungen zum politischen Spiel mit dazugehören, jedoch glaube ich, dass Frau Giffey zu einem frühen Zeitpunkt sich einen großen Gefallen getan hätte, wenn sie, auf ihre betont volksnahe Art, gesagt hätte: „Ich habe Mist gebaut.“ Selbst die politische Karriere von Theo von Tunichgut ist m.M.n. nicht durch sein äußerst dreistes Plagiat beendet worden, sondern durch sein schlimmstmögliches Krisenmanagement.
Von einer Schuldeingeständnis seitens Giffey findet sich bis heute keine Spur. Sie spricht über die Prüfverfahren, als ob sie an der Doktorarbeit gar nicht beteiligt gewesen wäre. Jetzt schrieb ich ja bereits, dass dies im Grunde genommen nichts über ihre Fähigkeiten aussagt, eine Behörde zu leiten. Fehlendes Engagement kann man ihr wirklich nicht vorwerfen, selbst wenn einige ihrer Ankündigungen mehr dekorativen Charakter hatten. Allerdings, wenn man sich für ein politisches Amt bewirbt, dann wirbt man um Vertrauen.
Es ist auch ein bisschen schade, dass sich seit 2011 nichts geändert hat an der Wahrnehmung, was ein Doktortitel eigentlich ist und wofür er steht. Einem Doktor traut man im allgemeinen sehr viel zu, also deutlich mehr, als eine wissenschaftlich relevante Forschung zu betreiben, dessen Ergebnis als verdienstvoll für die Wissenschaft ausgezeichnet wird. Genau das ist, was der Doktortitel eigentlich bedeutet. Das Benutzen dieses Titels als Türöffner und Karrieresprungbrett ist nicht der eigentliche Sinn. Doktorarbeiten können sich sehr nahe am Rand zur Irrelevanz bewegen, erfüllen trotzdem die Formalien und adeln somit den/ die VerfasserIn. Ich selbst kann das nicht beurteilen, aber derartige Ambitionslosigkeit werfen KritikerInnen auch der Doktorarbeit von Frau Giffey vor, also abseits der Plagiatsvorwürfe. Es wäre also mal an der Zeit, den Blick auf und den Umgang mit Doktortiteln zu überdenken.
Interessanterweise ist der Titel nicht in allen Ländern im Personalausweis vermerkt. Nicht einmal in Österreich, dem Land, mit der vermutlich weltweit größten Verehrung für Titel. Außerhalb eines wissenschaftlichen Kontextes sollte dieser Titel eigentlich keine Relevanz haben.
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Zitat von Lumich im Beitrag #1266Doktorarbeiten können sich sehr nahe am Rand zur Irrelevanz bewegen, erfüllen trotzdem die Formalien und adeln somit den/ die VerfasserIn.
im ulmer unijournal wurde jeden monat eine liste der durchgewunkenen doktorarbeiten abgedruckt. mein highlight darunter: "die darstellung der wirbelsäule in der kunst des 20. jahrhunderts" - mit so einer arbeit hat man sich redlich einen "dr. med." verdient.
das thema meiner diplomarbeit in humangenetik (einfluss eines bestimmten gendefektes auf das onset-alter von morbus parkinson) war ursprünglich jenes einer medizinischen doktorarbeit. die medizinstudentin, die dafür vorgesehen war, hat abgebrochen, da zu zeitaufwändig (1 jahr). ich hab dafür einen "dipl.-biol." abgekriegt. für die geplante doktorarbeit musste ich dann die abteilung wechseln, weil mein prof keine lust ... äh, keine zeit hatte, hinterher auch noch die zu betreuen (in wirklichkeit hatte er das interesse am thema verloren). also: von vorne angefangen in der mikrobiologie und dann nach 4 jahren hingeschmissen, weil mir (durch die blume) vermittelt wurde, dass meine ergebnisse doch arg dürftig seien. in dieser zeit habe ich ein eingemottetes, nicht eben einfach zu handhabendes gerät zur proteinaufreinigung ohne fremde hilfe reaktiviert, ein radioaktiv-labor eingerichtet, diverse neue methoden in der abteilung etabliert, pro semester ein 6-wöchiges ganztagspraktikum und 2 diplomanden betreut. der dank: für ein halbes jahr eine halbe stelle, für den rest: ein halbes hiwi-gehalt (das waren damals 1400 vs. 1800 dm) und einen tritt in den hintern. so viel zum thema "unterschiedliche wertschätzung wissenschaftlicher arbeit".
Zitat von LFB im Beitrag #1265@faxe: Also zumindest bei der Bundeswehr werden beim Studium und beim Stabsoffizierlehrgang nicht gekennzeichnete Zitate als Betrugsversuch bewertet und führen zum Nichtbestehen, was im ersten Fall dann in den meisten Fällen auch die Beendigung des Dienstverhältnisses bedingt (da das Studium im Normalfall die Voraussetzung für die Beförderung zum Truppendienstoffizier ist), im zweiten, dass man nicht in den höheren Dienst übernommen wird. Inwieweit es da in Grenzfällen noch Spielraum gibt, weiß ich nicht, selbst habe ich das nicht ausgetestet. Deshalb war zu Guttenberg damals m.E. als Verteidigungsminister definitiv nicht mehr tragbar, auch wenn er ansonsten ja in der Truppe überwiegend gut angesehen war.
Ist aber zumindest ein anderer Fall. Da stehen ja Dienstverhältnis und die Arbeit im Zusammenhang. Während es beim Politiker oft aus dem Vorleben stand und nur indirekt einen Zusammenhang mit der aktuellen Tätigkeit hat. Natürlich ist ein Politiker, der betrügt, nicht tragbar. Aber die Grenze zum unsauberen Zitieren in einigen Fällen fließend und es ist halt eine Treibjagd, um Politiker, die man nicht mag, deren Ansichten man nicht teilt, etc zu erledigen.
Ich glaube, hier ging es um mehr als ein paar vergessene Anführungszeichen. Ja, man kann Aktionen wie Vroni-Plag kritisieren (beim Namen geht es schon los), aber es ändert nichts daran, dass man sich bei einer Doktorarbeit nunmal nicht mit fremden Federn schmücken darf. Dass sich in der Politik besonders viele solcher Fälle finden lassen, passiert meiner Vermutung nach auch nicht ganz zufällig.
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Zitat von faxefaxe im Beitrag #1270 Natürlich ist ein Politiker, der betrügt, nicht tragbar. Aber die Grenze zum unsauberen Zitieren in einigen Fällen fließend und es ist halt eine Treibjagd, um Politiker, die man nicht mag, deren Ansichten man nicht teilt, etc zu erledigen.
Ja, das kann man durchaus so sehen und man darf annehmen, dass die Motivation der Plagiatsjäger vorwiegend politischer Natur ist. Im Fall zu Guttenbergs vermute ich ja nach wie vor, dass er von seinem Ghostwriter vorsätzlich reingelegt wurde und gewisse Kreise inklusive Teile der Medien diese Information bereits besaßen, als die ganze Kampagne begann. Anders kann ich mir nicht erklären, warum darüber schon ausgiebig (und bei SPON mit beträchtlicher Schadenfreude) berichtet wurde, bevor die Überprüfung der Arbeit überhaupt offiziell begann, aber auch, warum er selbst sehenden Auges und mit peinlichen Aussagen in die Sache reingerutscht ist. Ändert aber ja moralisch nichts an seiner Schuld, im Gegenteil, sich von einem Ghostwriter so eine Arbeit schreiben zu lassen ist m.E. eine größere Verfehlung als lediglich Passagen nicht als Zitat zu kennzeichnen.
Tja, selbst ein Verschwörungs-Narrativ mit Opfermythos lässt zu Guttenberg wie einen Betrüger aussehen. Das ist schon bitter. Komisch nur, dass er als Lobbyist bis heute so viel Einfluss auf politische AkteurInnen hat, wie man in den Fällen Amthor und Wirecard bestaunen durfte.
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