Zitat von Lumich im Beitrag #840Wenn wir von Macht sprechen, ist damit nicht gemeint, dass eine Seite omnipotent und die andere willenlos ist. Es ist aber klar, dass der 60jährige Till Lindemann von mehr jungen Frauen, dessen Großvater er sein könnte, als attraktiv und begehrenswert empfunden wird, als wenn er der nette Klempner von nebenan wäre, der in seiner Freizeit dumme Gedichte schreibt.
Das ist sicherlich richtig, ich würde das aber nicht als Macht bezeichnen, sondern eher als Wettbewerbsvorteil. Männer, die öffentliches Ansehen, viel Geld oder halt auch Macht haben, werden halt von vielen Frauen als attraktiv empfunden. Umgekehrt werden Frauen meist als attraktiv empfunden, die besonders gut aussehen. Wenn die ihr Aussehen einsetzen, um sich den Mann ihrer Wahl zu holen, ist das ja auch kein Machtmissbrauch.
Man kann es auf die einfache Formel verkürzen: Prominente tragen die gleiche Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen, wie alle anderen auch. Nur tun sie das gegenüber mehr Menschen als andere.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Lumich im Beitrag #842Wenn sie ihre Attraktivität ausnutzen, um andere zu übervorteilen kann man das auch Machtmissbrauch nennen.
Ich bin hier in vielen Aspekten durchaus bei dir, aber manche Ansätze schießen übers Ziel hinaus. Solchen Thesen stellen ja jegliche Sexualität unter einen Anfangsverdacht auf sexuellen Missbrauch.
Zitat von Lumich im Beitrag #842Wenn sie ihre Attraktivität ausnutzen, um andere zu übervorteilen kann man das auch Machtmissbrauch nennen.
Ich bin hier in vielen Aspekten durchaus bei dir, aber manche Ansätze schießen übers Ziel hinaus. Solchen Thesen stellen ja jegliche Sexualität unter einen Anfangsverdacht auf sexuellen Missbrauch.
Ich sehe da eher die normale Vorsicht, die jeder von uns im alltäglichen Leben walten lässt. Wenn zwei Menschen miteinander intim werden, gehen beide damit Risiken ein, körperlich und/ oder seelisch Schaden zu nehmen. Die Risiken sind jeweils selten gleich groß. Die Person von der das größere Schadenspotential ausgeht trägt die größere Verantwortung. Exakt das gleiche gilt übrigens auch in der StVO.
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Zitat von Mory im Beitrag #825Weil garantiert sofort jemand kommt, der hinterfragt
Ich glaube, du kennst mich gut genug um zu wissen, daß ich eigentlich ganz auf deiner Seite bin. Das ist für mich aber noch lange kein Grund, das "Hinterfragen" anzuzweifeln. Natürlich muß man alles hinterfragen; das sind schwerwiegende Vorwürfe, die du als Mann nie wieder loswirst und die dein Leben und deine Karriere restlos ruinieren können, selbst wenn du unschuldig bist.
Langsam kann ich dieses "Argument" echt nicht mehr hören. Wo sind sie denn, all die Männer, deren Leben auf ewig zerstört sind, obwohl sie nie was getan haben??
Und was willst du mir damit sagen? Daß man deswegen jeden Vorwurf ungeprüft abnicken sollte? Davon abgesehen, daß ich es von zu unrecht Beschuldigten hatte: wie bei jedem Verbrechen gilt zunächst einmal die Unschuldsvermutung, bis Beweise auf dem Tisch liegen. Und nur, weil Arschlöcher damit durchkommen, heißt das noch lange nicht, daß es nicht auch einen Unschuldigen treffen kann. Das dann als Kollateralschaden zu betrachten, ist Zynismus. Hier mit R. Kelly zu kommen, finde ich auch lustig: auch wenn Leute seine Musik kaufen (warum auch immer) und sein Einkommen steigt, sitzt er trotzdem 30 Jahre im Knast und wird dort als prominenter Sexualstraftäter eine Menge Spaß haben. Da stellt sich eher die Frage, warum den noch jemand hört; das muß nicht unbedingt sein, weil jemand seine Taten gutheißt, sondern weil er halt im Knast sitzt und das vielleicht so eine Art Faszination für die dunkle Seite des Daseins ist.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
es gibt in meiner branche tatsächlich jemanden, der nach ziemlich eklig-übergriffigen vorfällen zuerst seinen leitenden posten bei einer größeren firma los war, und dann als freelancer noch mal weiträumig zur persona non grata wurde, als weitere vorfälle bekannt wurden. er ist nicht unter einer brücke gelandet, aber er backt wesentlich kleinere brötchen als früher. so sehr dieser kerl es verdient hat (ich hab ihn live erlebt, und war ganz froh, als ich nicht mehr mit ihm arbeiten musste) - ich hab mich natürlich trotzdem immer wieder mal gefragt, was wäre, wenn jemand mir ähnliche verhaltensweisen nachsagen würde. in diesem fall weiß ich ziemlich sicher, dass die gerüchte zumindest einen wahren kern hatten, der die ächtung rechtfertigte. aber das hätte auch anders laufen können. es gibt halt keine "harten" fakten; wären mir nicht von einer vertrauenswürdigen person aus erster hand interna gesteckt worden, ich weiß nicht, ob mir das unangenehme öffentliche machogehabe des betreffenden zu einem urteil jenseits meines kontaktabbruchs gereicht hätte.
Ich finde die Twitter-Liste ziemlich polemisch, und möglicherweise will sie auch nichts anderes sein. So zu tun, als hätten alle diese Männer ihren Karriereknick schadlos oder nahezu schadlos überstanden, trifft so bestimmt nicht zu. Bei Johnny Depp bspw. ist für mich auch nicht eindeutig, was genau man ihm eigentlich vorwerfen kann, und inwiefern diese Vorwürfe gerechtfertigt sind. Abgesehen davon hatte er zwar seinen großen Auftritt in Cannes, aber wie seine Karriere weiterhin verlaufen wird, weiß zu diesem Zeitpunkt niemand.
Ich glaube auch, dass die Aufmerksamkeit in die verkehrte Richtung gelenkt wird, wenn man sich zu sehr auf einzelne Personen konzentriert, anstatt auf die Systeme, die deren mutmaßliche Übergriffe erst möglich machen. Deshalb möchte ich auch nochmal betonen, dass Rammstein und Lindemann mir einigermaßen egal sind. Das System oder die Mechanismen hinter diesem systematischen Machtmissbrauch, das ist, was mich interessiert, und wo ich mir eine strukturelle Verbesserung wünsche.
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Unterm Strich bleibt das Problem, dass das mit der Unschuldsvermutung vor Gericht gilt, der „court of public opinion“ sich aber seine Meinung bilden wird und dabei halt keinen festen Gesetzen folgt. Ich verstehe also, warum das Thema immer wieder so aufbringt.
Die Frage, ob nun die Unschuldsvermutung wichtiger ist oder Frauen Glauben zu schenken, die sich trauen, einen Übergriff öffentlich zu machen, wurde hier allerdings schon diverse Male mit relativ ähnlich uneindeutigem Resultat besprochen. Wahrscheinlich müssen wir einfach akzeptieren, dass das ein Dilemma bleiben wird.
Zitat von Lumich im Beitrag #850Viel klüger und pointierter als ich äußert sich Sarah Bosetti zu diesem Thema. Es lohnt sich, ihre Argumentation bis zum Ende zu verfolgen!
Danke 👍 Hat mich auf jeden Fall auch etwas eingefangen.