Zitat von Anorak Twin im Beitrag #765Worin besteht das Machtgefälle zwischen Künstler*innen und Fans? Wenn mir ein*e Künstler*in Avancen macht, kann ich doch weiterhin Platten kaufen und zu Konzerten gehen, auch wenn ich Nein sage. Die genauen Kriterien für ethisch und respektvoll würden mich auch interessieren. Fantum geht nicht, also am besten von Sexpartner*innen unterschreiben lassen, dass sie einen musikalisch scheisse finden. Aber gibt es für den angemessenen Altersunterschied eine Liste? 18-23 und 36-39 geht nicht, aber wie ist es mit 24 und 35? Oder 29 und 30?
Das Machtgefälle besteht, wie Freeman schon schrieb, auf mehreren Ebenen: Geld, Ansehen oder Reichweite sind z.B. solche Ebenen. Und natürlich gibt es keine Liste für angemessene Altersunterschiede und ich denke, dass mit zunehmendem Alter die Altersdifferenz auch egaler wird. Junge Erwachsene, also 18-, 19-, 20jährige verfügen nicht unbedingt über die nötige Reife, die Tragweite aller ihrer Handlungen und Entscheidungen zu überblicken aufgrund mangelnder Lebenserfahrung. Nicht umsonst kann das Jugendstrafrecht bis 21 angewendet werden. Aus dem Bereich Pflegekinder/Fremdunterbringung weiß ich, dass z.b. eine Nachbetreuung bis 25 angestrebt wird, um jungen Erwachsenen einen wirklich guten Start ins Erwachsenenleben zu ermöglichen. Gerade im Bereich Sexualität dauert der Reifungsprozess oft wesentlich länger, bis man sich bewusst ist, welche Art von Sexualität man gerne ausleben möchten und was nicht in Frage kommt.
Grundsätzlich würde ich sagen: Machtgefälle ist nicht gleich Machtgefälle. Insgesamt hat ein Rockstar mehr Macht und Einfluss durch Geld, Bekanntheit, Reichweite etc. als ein durchschnittlicher Fan. Aber ich habe noch nicht ganz verstanden, welche Macht diese Faktoren ihm über den Fan geben. Er ist ja nicht deren Vorgesetzter, es besteht kein Abhängigkeitsverhältnis. Nur weil jemand insgesamt mehr Macht hat als jemand anderes, ist das doch für zwischenmenschliche Beziehungen nicht zwingend ein Problem. In fast jeder Paarbeziehung gibt es Machtgefälle, manchmal kleinere, manchmal größere. Das kann problematisch sein, wenn ein Abhängigkeitsverhältnis und damit eine Art Erpressungssituation daraus wird. Es muss aber nicht per se moralisch verwerflich sein, wenn das nicht der Fall ist.
Das da oben ist aber rein theoretisch, denn in Butlers Fall wird ihm ja ganz klar übergriffiges und nicht-einvernehmliches Verhalten vorgeworfen. Ich habe nach 1,5 der 4 Fälle aufgehört zu lesen, aber das, was ich da gelesen habe, hätte ich auch unter zwei gleichberechtigten Rockstars für nicht ok befunden. Da ist eigentlich egal, ob die Person arm oder reich, 18 oder 48 ist.
Zitat von Quork im Beitrag #767Grundsätzlich würde ich sagen: Machtgefälle ist nicht gleich Machtgefälle. Insgesamt hat ein Rockstar mehr Macht und Einfluss durch Geld, Bekanntheit, Reichweite etc. als ein durchschnittlicher Fan. Aber ich habe noch nicht ganz verstanden, welche Macht diese Faktoren ihm über den Fan geben.
Echt jetzt? Dann stell dir folgendes vor: 18jähriger Fan himmelt 36jährigen Künstler an, verehrt ihn, glorifiziert ihn. Künstler baggert Fan an, Fan flirtet zurück, Fan fühlt sich irgendwie geschmeichelt, aber auch sehr unwohl und unsicher. Fragen wie "warum fühle ich mich unwohl damit, darf ich überhaupt Nein sagen, das ist ja schließlich nicht irgendwer, müsste ich mich nicht eigentlich geehrt fühlen" u.a. kommen auf. Künstler zieht Fan an sich und küsst ihn. Fan möchte das nicht, traut sich aber nicht richtig, das zu äußern. Künstler beginnt seine Hände über den Körper des Fans wandern zu lassen, Fan schiebt Hände immer wieder weg. Künstler greift an Brüste und Po, Fan versucht sich wegzudrücken, Künstler sagt "komm schon", Fan sagt "Ich möchte das nicht" Künstler ignoriert das und macht weiter. Fan hat Selbstzweifel und versucht aus der Situation rauszukommen ohne das Idol zu verletzen. Eine Provokation einer Negativreaktion würde ja auch das eigene Bild vom Künstler sehr beschädigen. Der Typ, den man angehimmelt hat, plötzlich als übergriffig und möglicherweise aggressiv zu erleben, irritiert, verunsichert und macht Angst. Vorstellung und Realität sind nicht mehr kongruent. Zu Hause ist der Fan alleine mit sich: was ist da passiert? Darf er erzählen, was passiert ist? Wenn ja, wer würde ihm glauben? Wer würde überhaupt zuhören? Wen würden andere für glaubhafter halten: ihn oder den Künstler? Welche Konsequenzen hätte das für das Image des Künstlers? Darf er dieses Image beschädigen. Was, wenn sich der Künstler juristisch wehrt? Wie sollte der Fan eine juristische Vertretung finanzieren? Überhaupt kennt er gar keine Anwält:in. Uswusf... das alles hat mit Macht zu tun, ohne dass ein Abhängigkeitsverhältnis gegeben ist.
Ich tu mir bei einigen Postings hier echt schwer damit, von wie wenig Phantasie einerseits und Empathie andererseits sie zeugen. Volljährigkeit ist eine juristische Größe. Für ein Machtgefälle ist keine Abhängigkeit nötig. Für respektvollen Umgang gibt es keine allgemein gültigen Richtlinien. Ethik lebt vom Abwägen. Einvernehmlichkeit kann nicht vertraglich geregelt werden. Dieses depperte Polemisieren geht mir auf die Nüsse.
Worauf ich hinaus wollte war nicht, dass das Verhalten von Win Butler ok war - oder das Verhalten wie das, was du jetzt beschrieben hast. Das schrieb ich ja. Und ich schrieb ja auch, das Machtgefälle durchaus zu Problemen werden können. Das wäre dann so ein Fall, wie du ihn beschreibst. Was ich sagen wollte war, dass erstmal grundsätzlich ein irgendwie geartetes Machtgefälle keine einvernehmliche Beziehung moralisch verwerflich macht. Wenn das nicht einvernehmlich war oder jemand unangenehmen psychischen Druck aufbaut, dann ist das für mich das Hauptproblem. Was die von dir beschriebene Situation angeht, finde ich schon, dass der Fan nicht in einer Zwangssituation ist, zu irgendwas zuzustimmen, wenn es vielleicht auch emotional schwer fallen kann, solche Avancen abzulehnen, wie du schreibst. Da ist aber für mich weniger das Machtgefälle der verursachende Faktor. Problematisch wird es, wenn, wie du beschreibst, Druck aufgebaut wird, nicht-einvernehmlich gehandelt wird, eine öffentliche Person sich sicher fühl in ihrer Grenzüberschreitung. Aber folgt daraus für dich wirklich, dass jemand wie Win Butler aus moralischer Sicht nicht mit Leuten verkehren darf, die nicht mindestens genauso bekannt oder reich sind oder alt sind wie er? Ab wann ist das problematisch und bis wohin ok? Ich finde, das ist ein ganz schwieriges moralisches Regelwerk, das da aufgebaut wird, weil überhaupt nicht klar ist, wie für solche Menschen richtiges Verhalten aussähe.
Und um das nochmal ganz klar zu machen: Es geht mir nicht darum, Win Butlers verhalten in irgendeiner Weise zu verteidigen. Nicht-einvernehmliche Handlungen wie die, die da beschrieben werden, sind absolut nicht in Ordnung. Wäre das alles einvernehmlich gewesen, wäre die gleiche Beziehung dann aber ein ethisch-moralisches Problem für dich gewesen?
Zitat von beth im Beitrag #768Ich tu mir bei einigen Postings hier echt schwer damit, von wie wenig Phantasie einerseits und Empathie andererseits sie zeugen. Volljährigkeit ist eine juristische Größe. Für ein Machtgefälle ist keine Abhängigkeit nötig. Für respektvollen Umgang gibt es keine allgemein gültigen Richtlinien. Ethik lebt vom Abwägen. Einvernehmlichkeit kann nicht vertraglich geregelt werden. Dieses depperte Polemisieren geht mir auf die Nüsse.
http://www.last.fm/de/user/DerWaechter ehemaliger Influencer * Downtown * Radebrecht * "Die einzige Bevölkerungsgruppe, die man risikolos beleidigen kann, sind die Dummen. Da fühlt sich nie einer angegriffen." (Ronja von Rönne) “The sex and drugs have gone and now it’s just the rock ‘n’ roll” (Shaun Ryder)
Ansonsten sei mir noch der Hinweis erlaubt, dass „deppertes Polemisieren“ nicht gerade gewaltfreie Kommunikation ist. Ich kann verstehen, dass dich meine Naivität im Hinblick auf die Potentiale von Machtunterschieden im konkreten Fall verärgern, aber polemisch fand ich mich in unserer Unterhaltung bisher nicht.
Nochmal lesend, was ich geschrieben habe, möchte ich nochmal geradeziehen, weil ich mich wahrscheinlich missverständlich geäußert haben: Mit der Erwähnung der 18 in meinem Text wollte ich darauf hinweisen, dass die Altersfrage zwar Teil eines Machtgefälles sein kann, für mich mit Blick auf die Problematik möglicher Machtgefälle keine so große Rolle spielte. Ich wollte damit nicht sagen, dass es komplett unproblematisch wäre, wenn ein Mittdreißiger Mann mit 18-Jährigen flirtet - den übrigen oben genannten Gründen, warum das nicht gut ist, stimme ich zu.
Zitat von Quork im Beitrag #771Ansonsten sei mir noch der Hinweis erlaubt, dass „deppertes Polemisieren“ nicht gerade gewaltfreie Kommunikation ist. Ich kann verstehen, dass dich meine Naivität im Hinblick auf die Potentiale von Machtunterschieden im konkreten Fall verärgern, aber polemisch fand ich mich in unserer Unterhaltung bisher nicht.
damit warst auch gar nicht du gemeint. und nein, gewaltfreie kommunikation ist das nicht. strebe ich auch nicht an.
"Schmutzkampagnen, Schläge, Tritte, Psychoterror – mehrere Ex-Partnerinnen von Profifußballern sprechen gegenüber CORRECTIV und Süddeutscher Zeitung erstmals von struktureller Gewalt. In einigen Fällen wurden sie mit Verschwiegenheitsverpflichtungen zum Schweigen gebracht."
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Der Artikel ist lesenswert, wenn auch unappetitlich. Was es für mich besonders interessant macht ist, dass dies Teil des Rock‘N‘Roll-Mythos ist, der jahrzehntelang quasi unwidersprochen hingenommen wurde. Die Akteure wurden sogar gefeiert dafür, werden es mitunter noch immer. Steven Tyler schrieb darüber unbekümmert in seinen Memoiren. Viel interessanter also, als was mit Steven Tyler passiert (ist mir nicht so richtig wichtig, ehrlich gesagt) wäre für mich eine Aufarbeitung dieser Zeit, und der sexuellen Gewalt, die diese in diesem speziellen Kontext hervorbrachte, nicht zuletzt auch an Minderjährigen.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Ich sage nur: Led Zeppelin und der Fisch (keine Ahnung, ob das nur ein Mythos ist)
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Zumindest die Unsitte der Frischfleischbeschaffung vor Ort habe ich 2004 mit hochgezogener Augenbraue aus nächster Nähe beobachten können, eine eben darauf hoffende und gut vorbereitete Konzertbegleiterin gehörte zu den Auserkorenen. Dabei gab's für sie nur ein eher enttäuschendes Erlebnis, und für mich ein liebevoll von allen Rammlern bekritzeltes und signiertes CD-Booklet. Gelegenheiten müssen ergriffen werden, wie sie kommen.