Haldern Pop 2021 Na gut, hierzu sollte ich natürlich auch noch was schreiben. Haldern Pop also, das ich dieses Jahr samt seinem Organisationskomitee und den Heerschaaren an Freiwilligen noch tiefer in mein Herz geschlossen habe, eben weil sie das Rückgrat und den Mut hatten, an der Durchführung des Festivals trotz Pandemie festzuhalten und noch dazu so ein wunderbares Konzept auf die Beine gestellt haben. Doch der Reihe nach: Donnerstag Zuerst gab es ein hier ja schon gewürdigtes "Überraschungskonzert" in der Kirche des Ortes: Christoph Dallach & Andreas Dorau dachten allerdings überhaupt nicht daran, zu musizieren, sondern trugen gemeinsam eine Stunde lang aus einem Buch über Krautrock vor. Warum sie das taten, blieb offen, die anschließende Recherche ergab aber, dass der Journalist Dallach selbiges geschrieben hat. Die Rollen waren dabei klar verteilt. Dorau fungierte als Stichwortgeber, Dallach las die Passage vor. Da die beiden offenbar ahnten, dass das kein sehr tragfähiges Konzept war, hatten sie ein paar Gags vorbereitet, die sie aber dermaßen bieder von ihren chronisch ungeordneten Zetteln vorlasen, dass der Fremdschämfaktor konsequent im dunkelroten Bereich verweilte und man durchaus dankbar sein konnte, dass man aufgrund der Kirchenakustik sowieso kaum etwas verstand. Als weitere Auflockerung wollten die beiden ein paar Krautrock-Songs anspielen, aber Christoph Dallach hatte die Plattenkiste daheim vergessen. Dafür gab es dann ein paar Videos von Krautrockkonzerten und Ausschnitte aus alten Talkshows. Kann man machen, aber vielleicht vorher mal die Videodateien benennen, dann klickt man auch nicht jedes Mal erstmal drei falsche Clips an. Warum wir uns das angetan haben? Es war kaum jemand in der Kirche, da wollten wir dem nervösen Duo da vorne durch demonstratives Hinausgehen nicht auch noch moralisch das Genick brechen. So orientierungslos, wie Dorau anschließend durch den Ort stolperte, ist zu befürchten, dass er nächstes Jahr versucht, als örtlicher Problembär unsere halbvollen Pfandflaschen zu klauen. Dann also: Der Markt. Acht Stunden, vier Konzert, dazu per Klick auf dem Smartphone zwei frisch gezapfte und bereits bezahlte Bier innerhalb von etwa 30 Sekunden auf dem Tisch. Dieses Konzept hat uns alkoholtechnisch natürlich etwas das Genick gebrochen, zum Glück ist eine nicht minder partyfreundliche Damenclique an unserem Tisch aber über die gesamte Distanz das Tempo frivol mitgegangen. Das Line-up: Faux Real Französisches Brüderpaar mit 80s Pop mit starkem Houseeinschlag. Die Musik kam leider fast komplett von der Konserve, während die beiden ziemlich extrovertiert durch die Menge (von 80 glücklichen Besuchern) getobt sind. War ok. Dann Johnny Mafia, ebenfalls aus Frankreich mit etwas biederem Partyrock, in den besten Momenten klang das nach den Pixies, zu oft aber nach den Weezer der späteren Alben. Was soll's, sie waren authentisch mit Herz und Freude dabei. Dann endlich Kikagaku Moyo diese grundsympathische japanische Band zwischen Prog- und Krautrock. 2019 auf dem Haldern war das für mich ein absoluter Höhepunkt und noch dazu eines der letzten Konzerte, das ich zusammen mit (einem sehr begeisterten) Squonk geschaut habe. Etwas wehmütig war ich deshalb zu Beginn schon aufgelegt, aber dieser erneut tolle Auftritt hat mich dann doch mitgerissen. Die ganze Welt sollte mehr Kikagaku Moyo hören. Zum Abschluss gab's The Holy, die ich zuvor gar nicht kannte und die mit ihrem pathetischen Stadionrock mit starkem U2-Einschlag schon ziemlich angreifbar sind, aber just zum Abschluss dieses wunderbaren Konzertabends machten sie alles richtig. Zugegebenermaßen war unser Tisch inzwischen bei den Verstößen gegen das Hygienekonzept führend, deshalb endete der Abend keine Sekunde zu früh.
Freitag Nach einer kurzen Begegnung mit dem werten Freeman wurden wir einer von zehn Wandergruppen zugeteilt, die fortan samt fachkundigem Guide den ganzen Tag um und durch die Wälder und Felder um Haldern eilte, wobei es an unterschiedlichen Locations in der Natur Konzerte gab, die Getränkeapp funktionierte auch dort überall wunderbar. Habe ich schon erzählt, wie großartig dieses Organisationskomitee ist? Zunächst gab es sympathischen Folkrock mit Souleinschlag von Fabian Simon & The Moon Machine. Hat Spaß gemacht, ansonsten habe ich jetzt beim Nachhören mit dieser Band das gleiche Problem, das ich auch immer mit dem ganzen Output auf Tapete Records hatte: Alles gut gemacht und auf "internationalem Niveau", aber für den Heimgebrauch vielleicht eine Spur zu bieder. Anschließend wartete auf einem Pferdehof ein junger Mann mit Gitarre, der in 30 Metern Abstand rundherum mit Publikum umrahmt war, was ich mir sehr schwierig vorstelle. Hat er aber gut gemacht, auch wenn diese 90s Alternative-Songs schon eher nach einem Band-Setup verlangt hätten. Name reiche ich nach, fällt mir gerade nicht ein. Anschließend haben wir ein Trinkspiel mit einer anderen Gruppe gemacht und gewonnen, wie überhaupt das alles wunderbare Menschen in unserer Wandergruppe waren. Auf ging es zu einem Bauernhof samt DJ Set von Tereza. War gut, wir haben sogar ein bisschen getanzt, glaube ich. Dann wieder zur großen Bühne auf der großen Wiese und ein weiteres Mal The Holy. Die Akustik war diesmal nicht ganz so gut wie auf dem Marktplatz am Vortag, aber konnte man sich gut ein zweites Mal anschauen. Zum großen Finale ging es im Rahmen unserer sehr feierfreudigen Wandergruppe noch in einen Privatgarten zum Abschluss, wo wir vom Hausherrn mit Bier und Pizza verköstigt wurden. Hierbei haben meine beiden Mitstreiter dann etwas konditionelle Schwächen gezeigt, so dass wir zeitnah mit dem Taxi heimgedüst sind. Fazit: Das beste Haldern aller Zeiten. Fu*k Covid.
Zitat von LFB im Beitrag #1013Stella Sommer (20. August, Die Börse, Wuppertal) Der Außenbereich der "Börse" in Wuppertal ist eigentlich die perfekte Konzertlocation: Ein blickgeschützter kleiner Biergarten, der sich an eine Felswand schmiegt, mit ein paar alten Bäumen, zentral gelegen und doch eine wahre Oase der Ruhe, perfekt für ein intimes Konzert wie dieses. Wenn, ja wenn nicht direkt eine wichtige Zufahrtsstraße (v.a. für LKW) am Gelände vorbeiführen würde (samt einer Ampel für zusätzliche Sounddynamik) hinter der sich gleich vier Bahntrassen für den Güterverkehr anschließen. Was hilft es da, dass Stella Sommer es mit Humor nahm ("gestern habe ich neben einem Flughafen gespielt und musste bei startenden und landenden Flugzeugen immer Pause machen, dagegen sind das hier ideale Bedingungen") und ansonsten konzentriert ein akustisches Soloset spielte...bruuuummmmmmmmmmmmm...mit Songs von ihren ... quieeeeeeeeetsch....famosen Soloalben aber .... huuuuuuuuuup...Heiterkeit, dabei sogar Raritäten ... ratttatttatttatttatttaaa...neuer Song oder "Robert Smith", diese charmante...wuuuuuuschhhhhhhhhhh...ebenjenen. Was hätte das potenziell ...mmmmmmmmhhhhhhrrrrrrrrrrrr...tolles Konzert sein können.
Zitat von LFB im Beitrag #1013Der Außenbereich der "Börse"
Mir war nicht bewussst, dass es einen gibt. Jetzt weiß ich wohl, warum. Hab einige Jahre nur zwei Bushaltestellen weiter gewohnt.
Ich als junge, hübsche Unschuld vom Land war in dieser Hood komplett überfordert und hatte große Bedenken auf den 250 Metern vom Konzert zum Auto nach Einbruch der Dunkelheit ein unseliges Ende als unfreiwilliger Protagonist einer Polizeimeldung zu finden. War aber dann doch ganz friedlich und das Auto war auch nicht ausgebrannt.
Ich zieh das jetzt mal durch und veröffentliche am Freitag die Folge zum Thema Haldern. Ein bisschen Schulfhof-Gerede zum Festival, kurzes Gespräch mit einer Freundin, die als Tourguide gearbeitet hat, das Interview mit Veranstalter Stefan Reichmann (knappe 15 Minuten) und ein wenig Fazit-Gerede und illegale Konzertmitschnitte. Fertig ist die Folge. Alles unterwegs aufgenommen (und fancy im Hotelzimmer). Dann schreib' ich sicher noch ein wenig dazu.
Dass man überhaupt auf einem Festival sein durfte war komplett großartig. Man verlernt sowas ja nicht als Besucher, hab' ich gemerkt.
Nächsten Monat könnte bzw. sollte eine Musikzeitschrift dann noch ein paar Seiten dazu auf Lager haben. Habe einen mMn ganz netten Text schreiben dürfen, der sicherlich etwas strukturierter ist als das ganze Gerede, aber mal schauen.
L.A. Salami 25.08.21 Haldern Pop Bar "Bitte bringen Sie das digitale Ticket ausgedruckt mit." Gesagt getan und dabei zu meiner Überraschung gemerkt, dass ich damals nicht zwei sondern vier Tickets für das zunächst im Mai geplante Konzert bestellt hatte. Somit verbliebenen mir nun nur etwa 15 Minuten bis zur Abfahrt um nicht nur Ersatz für meine erneut kurzfristig ausgefallene Begleitung, sondern auch für zwei weitere Tickets zu finden. Tatsächlich war ein Nachbar aber bereit, seine Gartenarbeit für das Konzert zu unterbrechen und die beiden anderen wurde ich vorm Eingang der Pop Bar noch an ein sehr freundliches Pärchen los. Mit einer guten halben Stunde Verspätung betrat dann der schlacksige und sichtlich übermüdete Lookman Adekunle Salami murmelnd die kleine Bühne im Garten der Pop Bar ("Entschuldigung, train was late ... worldwar II bomb disposal ... so sorry.") und begann erstmal eine weitere halbe Stunde seinen Soundcheck, bevor es endlich losging. Dem Konzept eines reinen Solo-Akustikkonzerts geschuldet spielte er ausschließlich langsame Folksongs (die "Hits" wie Generation L(ost), I wear this because life is war! oder Things ain't changed habe ich dabei schon vermisst), bevor die örtliche Nachtruhe und der stärker werdende Regen den Gig nach gerade mal einer Handvoll Songs beendeten ("thanks, going to sleep now, so tired.") Weil derzeit kaum jemand so originelle, ehrliche und schöne Folksongs um skurille und lustige Anekdoten bastelt wie er, war es trotzdem ein toller Abend und das Publikum begeistert. Beim nächsten Mal aber bitte mit Band und den Hits, ok?
Pop-Kultur Festival (Tag 4 von 4) Endlich wieder Konzerte! Das diesjährige Pop-Kultur-Festival kann ich als sanften Wiedereinstieg werten. Das Programm gab diesmal insgesamt nicht viel her für mich, so war ich tatsächlich nur am letzten Tag dabei, was mir allerdings beruflich sehr entgegenkam, da das Schlafdefizit sich in dieser Woche schon sehr bemerkbar gemacht hätte. Gesehen habe ich drei Acts: Culk, Sometimes with Others und Naari.
Die Konzerte waren allesamt bestuhlt. Die letzten beiden Konzerte fanden sogar in einem großen Saal eines Multiplex-Kinos statt. Da saß es sich besonders bequem, und die Akustik war geradezu optimal.
Nneka und Noga Erez haben zuvor abgesagt, also kamen mit Sometimes with Others und Naari zwei Acts in meine Auswahl, die ich vorher noch nicht kannte.
Auf Culk aus Wien war ich sehr gespannt. Ich habe soweit kein Album von denen, hatte aber einige Stücke gehört, insbesondere „Nacht“, die ich interessant fand. Ich muss allerdings sagen, dass mich die Performance nicht ganz überzeugt hat. Es war mir ein Stück zu verhalten. Von musikalisch vergleichbaren Acts wie The Cure (die man eindeutig als Vorbild festmachen kann) und Blonde Redhead bin ich energetischere Darbietungen gewöhnt. Es hätte allerdings geholfen, wenn man insgesamt auf mehr Lautstärke gesetzt hätte. Das könnte aber am Festival liegen.
Sometimes with Others war mein persönliches Highlight des Abends. Das Bandinfo beschreibt sie wie folgt:
Zitat The musical influences merge into a Sound Noir carried by guitarist Mika Bajinski's timelessly glacier-melting voice. With cellist Marie–Claire Schlameus, double bassist Yoyo Röhm (Mick Harvey Band/Martin Dean) and Kristof Hahn (Swans/Pere Ubu) on lap steel guitar, Bajinski heads a band that can confidently point to a wealth of musical experience and should be considered the most interesting new band to come out of the Berlin swamp at the moment.
Die Stimme wird mit der von Nico verglichen, was von der Stimmlage her schon zutrifft, vom Gesangstil nicht so ganz. Ich sehe da mehr Ähnlichkeit mit Nadine Shah - die kennen aber nicht so viele wie Nico. Kontrabass, Cello und Pedal-Steel (mit Gitarren-Effekten versehen) sorgten für getragene Klänge. Die Pedal-Steel-Gitarre wurde dankenswerterweise nicht so gespielt, wie man es aus dem Country-Western-Bereich kennt, wo ich sie meistens als besonders penetrant empfinde. Die sind auf jeden Fall auf meiner Liste für den kommenden Bandcamp-Friday.
Naari ist eine junge Musikerin, die vor ein paar Jahren von Delhi nach Berlin umgesiedelt ist. Ihr entspannter Gitarren-Pop wird vor allem durch eine lebendige Bass-Begleitung aufgewertet. Das hört sich alles sehr angenehm, aber wirklich aufregend fand es nicht. Ein bisschen mehr Originalität, bzw. mehr ungewöhnliche Elemente hätte ich mir gewünscht, aber das sind dann eben meine Wünsche.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Tocotronic - The Hamburg years (27.07.2021, kunst!rasen Bonn) Welch grausame Ironie, dass der Spontankauf (dadurch immerhin Plätze in Reihe 1 ergattert!) der Tickets ausgerechnet mich, den großen Fan des Spät- und demonstrativen Geringschätzer des Frühwerks der besten deutschen Band zu diesem Konzeptkonzert geführt hat. "The Hamburg years" deckt nämlich nur die erste Dekade des Bandschaffens ab, aber habe ich wirklich darauf gewartet einmal "Michael Ende, du hast mein Leben zerstört" live zu hören? Doch egal, ich will nicht meckern, ein bisschen wehmütig war ich als Fan der zumindest zweiten Stunde (so ab 1996) schon und erfreute mich vor allem an den m.E. aus dieser Epoche besser gealterten langsameren Stücken wie "Nach Bahrenfeld im Bus", "Sie wollen uns erzählen" oder "Dieses Jahr", außerdem beinhaltete das Konzept ja auch noch das halbe "K.O.O.K." Album (besonders "Das Geschenk" war großartig), drei Stücke vom weißen (weiterer Höhepunkt: "Neues vom Trickser") sowie als konzeptionelles Zugeständniss den Lockdown-Song "Hoffnung" in einer recht rockigen Version. Summa sumarum hat sich der Abend also gelohnt, auch weil der Sound sehr gut war und die Stimmung ebenso. Da alle Stühle aufgrund des vorherigen Starkregens nass waren, verursachte der Massenverstoß gegen die Abstandsregeln (es fühlte sich wieder wie ein richtiges Konzert an!) nicht wirklich ein schlechtes Gewissen.
Ich wäre eigentlich ja in zwei Wochen in Wien bei Tocotronic - aber das ist verschoben worden. Stattdessen kommt Wien ja dann nach Königswinter...
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed
Ah, ok. Wurde das wegen der Erkrankung von Arne Zank verschoben oder davor schon? Gestern abend fiel das Konzert ja aus, weil er laut Bandmitteilung gesundheitliche Probleme hat (in Bonn war ihm nichts anzumerken). Wirklich schade, dass es für mich keine realistische Option gibt, den zweiten Teil dieses Konzepts zu sehen. An zwei aufeinanderfolgenden Abenden wäre das natürlich spannend gewesen.
Vor Wochen leider schon. Aber so steht immerhin dem Treffen nichts im Wege.
Und ich mache mit der Freundin 2022 einen neuen Tocotronic-Anlauf...
Die letzten Sechs in der Playlist: Honeyglaze - Real Deal || Laura Marling - Patterns In Repeat || Nieve Ella - Watch It Ache and Bleed || Dawn Richard & Spencer Zahn - Quiet In a World Full of Noise || Flip Top Head - Up Like a Weather Balloon || Haley Heyndericks - Seed of a Seed