Zunächst sollte man wohl die Sachlage beachten. Vor einem Monat war das Virus hierzulande aktiv und aktuell ist es immer noch aktiv. Vor einem Monat waren 100 % der Bevölkerung noch nicht infiziert und aktuell sind es immerhin noch 99 %. So dramatisch viel hat sich da nicht geändert. Man kennt aber derweil die Wirkung von Maßnahmen...
Alle Lockerungen müssen so gestaltet werden, dass die Kontaktsperre weiter Bestand haben kann.
Bei Geschäften ist dies machbar – aber eben nur so lange, wie dadurch nicht die Busse, Straßen- und U-Bahnen und Einkaufspassagen, etc. zu voll werden. Man stelle sich kurz die Hohe Straße in Köln vor, wo neben der ganzen Shopping-Karawane auch noch Kunden allerorten vor den Geschäften auf Einlass hoffen. Das geht gar nicht und somit muss auch die Gesamtzahl der Kunden dadurch reduziert werden, dass nicht zu viele attraktive Einkaufsquellen zugleich geöffnet haben. Dies war wohl auch mit der 800 qm-Regelung beabsichtigt, man hat aber zu wenig kommuniziert, dass es eigentlich nur darum geht, die großen attraktiven Publikumsmagnete gezielt weiter geschlossen zu halten.
Gastronomie ist sehr schwierig. Masken kann man ja beim Essen und Trinken kaum tragen und wenn zu viel Alkohol ausgeschenkt wird, könnte dies zu Unvorsichtigkeiten führen. Hinzu kommt, dass die Kontaktsperre kaum zu überprüfen ist bzw. da dann durchaus wieder Personen aus verschiedenen Haushalten als „Brüder, Schwestern oder Familien“ irgendwo zusammen am Tisch sitzen. Das würde mit einer Kontrolle schwierig und hier müsste man wohl die Anzahl der Gäste pro Tisch ebenso beschränken wie die Zahl pro Lokalfläche…
Kinos, Livekonzerte und Theater gehen allein deshalb schon nicht, weil die Verweildauer mit diversen Personen in einem Raum viel zu lange wäre (etwa im Vergleich zu den Einkäufen). Hier muss man klar zwischen den diesbezüglich notwendigen Aktivitäten (Beruf) und Freizeitaktivitäten trennen. Von daher dürfte der Kulturbetrieb erst dann wieder anlaufen, wenn zuvor andere Lockerungen möglich waren und noch Spielraum für weitere Lockerungen gegeben ist.
Für die Schulen wird es sicher künftig stärkere Veränderungen geben. Denn viele Klassen müssen allein schon von der bisherigen Größe her gesplittet werden. Daher wird die tägliche Schulzeit verlängert werden müssen oder man wird sich auf Kernfächer beschränken müssen oder es werden eben nicht mehr alle Altersgruppen allein an der Schule unterrichtet, sondern auch vermehrt zu Hause. Dass es kurz- bis mittelfristig mehr Schulen gibt oder mehr Lehrkräfte, ist auszuschließen, da ein Großteil der Lehrer ja selbst mit zur Risikogruppe zu zählen ist.
Da insbesondere Kindergärten und Kitas als Brutstätten für Krankheitsübertragungen zu gelten haben, wird sich deren Betrieb sicher auf einen Notfallbetrieb beschränken. Meine Mutter und auch meine Schwester waren beide Kindergärtnerinnen. Selbst dann, wenn Zeit gegeben wäre, sich die Hälfte des Tages einzeln mit den Kids zu beschäftigen, bleiben für ein Kind maximal 10 Minuten am Tag. Und dies nun noch mit körperlicher Distanz. Es gab Fälle, da musste den Eltern dazu geraten werden, ihre Kinder auch zu Hause möglichst mit zu erziehen und dazu ggf. auch den Beruf aufzugeben, weil manche Defizite ansonsten einfach nicht zu beseitigen wären. Ich selbst vermute daher, dass es nur einen Notbetrieb geben kann und Kinder nur dann betreut werden, wenn die Eltern außer Haus berufstätig sind.
Ich denke auch, man weiß jetzt, wie man die Infektionszahlen ggf. eindämmen kann und wird alles immer nur so weit auflockern, wie es machbar ist. Da es ja irgendwann ein Medikament geben könnte oder einen Impfstoff, wären bis dahin zusätzliche Todesopfer als Folge von Lockerungen kaum ethisch vertretbar – wenn auch von manchen wirtschaftlich oder sozial durchaus gewollt. Tauschgeschäfte vom Typ: sollen halt 500 Menschen im Monat zusätzlich sterben, wenn dafür wieder Kinos und Kneipen öffnen können, dürfte es also nicht geben. Den Job verlieren, Stress haben, verarmen oder frustriert sein ist nicht schön, aber eben immer noch etwas anderes als sterben.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von akri im Beitrag #1111 Kinos, Livekonzerte und Theater gehen allein deshalb schon nicht, weil die Verweildauer mit diversen Personen in einem Raum viel zu lange wäre (etwa im Vergleich zu den Einkäufen).
Eben.
Zitat von akri im Beitrag #1111 Da es ja irgendwann ein Medikament geben könnte oder einen Impfstoff, wären bis dahin zusätzliche Todesopfer als Folge von Lockerungen kaum ethisch vertretbar wenn auch von manchen wirtschaftlich oder sozial durchaus gewollt.
Wer wünscht sich denn bitte Todesfälle? Ist das wieder dein Hass auf die FDP, der sich da Bahn bricht? Hattest dazu in der Vergangenheit ja schon so deine "Thesen".
Prinziell hat Boris Palmer in dieser Frage nicht ganz Unrecht (wie eigentlich immer): Es ist mit Blick auf die treuesten Wählerstimmen (von CDU und SPD) eben politisch risikoloser, Kindern und Jugendlichen ein Jahr die Betreuung und Bildung vorzuenthalten, statt der Ü70 Risikogruppe zum eigenen Schutz Auflagen zu machen.
Zitat von LFB im Beitrag #1112statt der Ü70 Risikogruppe zum eigenen Schutz Auflagen zu machen.
wenns "nur" das wäre. aber ich war überrascht und erschrocken, wieviele leute aller altersgruppen allein in meinem bekanntenkreis auch zur riskogruppe zählen. da wäre der freund meiner tochter (27, schwerer asthmatiker), der nette junge kollege (mitte 30, spenderniere), der herzensfreund (58, macht gerade ne chemo), die nette aufnahmeleiterin (ca 30, hat ein immunschwaches kind zuhause) - und und und. allein der asthmatikeranteil ist enorm, auch sonst sind chronische krankheiten nicht ohne. selbst ich wurde schon unter "risikogruppe" einsortiert, und vermutlich ist das gar nicht mal so weit hergeholt (mitte 50, raucher). wie sich überhaupt in meiner altersgruppe die vorerkrankungen häufen; da kann man das generelle Ü70 schon fast zu Ü50 machen. letzten endes denke ich, dass wir einen weitaus größeren anteil der bevölkerung unter auflagen haben werden, als wir jetzt glauben. und ob sich der "entlastete" teil dann noch so rücksichtsvoll verhalten wird, wage ich zu bezweifeln.
Zitat von King Bronkowitz im Beitrag #1109Ich bin dermaßen davon überzeugt, daß die Infektionszahlen ein paar Tage nach den ersten Lockerungen wieder komplett durch die Decke gehen werden, ich würde sogar darauf wetten. Es reißt ja jetzt schon in Hinblick auf Montag wieder ein Laissez - Faire ein. Also am Montag Plattenladen, Buchladen und mit den Vorräten daheim verschanzen, bis am Donnerstag meine Nachtschichtwoche beginnt.
Ich bin auch mal gespannt, wie sehr und wie schnell die Zahlen nach den Lockerungen wieder hoch gehen. Die beiden ganz großen Archillesfersen sind aus meiner Sicht die Öffies und die Schulen. Wenn da wieder ordentlich was los ist...
Das unaussprechlich Innige aller Musik, vermöge dessen sie als ein so ganz vertrautes und doch ewig fernes Paradies an uns vorüberzieht, so ganz verständlich und doch so unerklärlich ist, beruht darauf, daß sie alle Regungen unseres innersten Wesens wiedergibt, aber ganz ohne die Wirklichkeit und fern von ihrer Qual. (Arthur Schopenhauer)
Zitat von LFB im Beitrag #1112Prinziell hat Boris Palmer in dieser Frage nicht ganz Unrecht (wie eigentlich immer): Es ist mit Blick auf die treuesten Wählerstimmen (von CDU und SPD) eben politisch risikoloser, Kindern und Jugendlichen ein Jahr die Betreuung und Bildung vorzuenthalten, statt der Ü70 Risikogruppe zum eigenen Schutz Auflagen zu machen.
Boris Palmer? Recht wie immer...?
Der hat ja „schwarzfahrende Flüchtlinge“ als wachsendes Problem bezeichnet.
Und über einen Verkehrssünder gesagt, dieser müsse aufgrund des Aussehens wohl Asylsuchender sein. Palmer zum falschfahrenden Radfahrer: „Das gehört sich für niemand und für einen Asylbewerber schon dreimal nicht.“
Und 2019 bemängelte Palmer, dass die Bahn AG ihre Werbung macht. Und zwar mit einer Tochter türkischer Einwanderer (Nazan Eckes) und einem dunkelhäutigen Koch (Nelson Müller). Palmer fragte sich, „welche Gesellschaft“ die Deutsche Bahn damit darstellen wolle.
Selbst aus der eigenen Partei gab es Rücktrittsforderungen. Die Tübinger SPD attestierte Palmer „eine Nähe zu rassistischem Gedankengut“.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
palmer hat den unterschied zwischen "menschenverstand" und "volksempfinden" nie so richtig begriffen. und wenn man sich da vertut, ist es halt nicht mehr "gesund".
@tenno: Bin da ja als selbst Betroffener (meine Gattin räumt dank Asthma und MS ja direkt in zwei Kategorien ab) prinzipiell deiner Meinung, allerdings lässt sich - wenn man sich vorrangig auf die Sterblichkeit bezieht - schon in diese Richtung argumentieren, also dass für die U70 Generationen für einen längeren Zeitraum (falls es wirklich ein bis zwei Jahre dauern sollte, bis ein Impfstoff existiert) vorrangig die eigene Risikoabschätzung maßgeblich sein sollte und keine zentralen Verbote und Geschäftsschließungen mit massiven sozialen und wirtschaftlichen Folgen.
die wirtschaftlich-sozialen folgen erlebe ich ja auch unmittelbar im umfeld - auch wenn ich selbst bislang ein höllenglück hatte (ich hab arbeit + kontrollierte soziale kontakte), sehe ich in meinem bohemischen künstler-freundeskreis ganz andere schicksale. ich werde auch den teufel tun, und als nicht-experte hier irgendeine handlungsmaxime ausgeben. insbesondere, da ja nach wie vor mindestens im drei-tages-rhythmus neue erkenntnisse reintröpfeln. wie froh bin ich, hier nur für mein eigenes handeln entscheiden zu müssen (und dafür auch noch einen gesetzlichen rahmen zu haben).
Palmer ist kein Populist, sondern jemand, der zu seinen Ansichten steht, diese immer ausführlich begründet und keinem Konflikt aus dem Weg geht. Für mich eine Ausnahme in unserem weitgehend mutlosen Politikbetrieb. Ganz bestimmt niemand, der irgendjemand nach der Schnauze redet, genau deshalb wird er ja je nach Thema aus allen Lagern scharf kritisiert, häufig übrigens auch aus dem konservativen bis rechten Spektrum. Leider lässt das dominierende linksdogmatische Weltbild für jeden Kritiker von Multikulturalismus und Identitätspolitik nur die Kategorie "Populist" zu, eine wirkliche Überzeugung wird hierbei ja von vornherein kategorisch ausgeschlossen.
Und wie viele wissen gar nicht, dass sie möglicherweise zur Risikogruppe gehören, da sie keine Routineuntersuchungen vornehmen lassen. Die Dunkelziffer an Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wird hoch sein.
@tenno: Ich finde es eben grundsätzlich richtig, auch die Frage aufzuwerfen, inwiefern die (auch zukünftigen) Maßnahmen generationengerecht sind und nicht auch wahltaktisch beeinflusst. Immerhin sind wir ein Land, in dem es einen riesigen Investitionsstau bei der Infrastruktur gibt, während jährlich etwa einhundert Milliarden Euro aus Steuermitteln als Zuschuss ins Rentensystem fließen oder in dem man sich seit Jahrzehnten nicht dazu durchringen kann, regelmäßige obligatorische Überprüfungen auf Fahrtauglichkeit bei Seniorinnen und Senioren einzuführen. Bisher sehe ich das Maß diesbezüglich durchaus gewahrt, aber Schulschließungen über ein Jahr oder länger wären beispielsweise in diesem Kontext schon deutlich zu hinterfragen, allerdings ist sowas derzeit ja auch nicht angedacht.
Zitat von miam im Beitrag #1122Und wie viele wissen gar nicht, dass sie möglicherweise zur Risikogruppe gehören, da sie keine Routineuntersuchungen vornehmen lassen. Die Dunkelziffer an Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen wird hoch sein.
Ich weiß es von mir, aber ich opfere mich gerne für die Rentenkasse!
Das unaussprechlich Innige aller Musik, vermöge dessen sie als ein so ganz vertrautes und doch ewig fernes Paradies an uns vorüberzieht, so ganz verständlich und doch so unerklärlich ist, beruht darauf, daß sie alle Regungen unseres innersten Wesens wiedergibt, aber ganz ohne die Wirklichkeit und fern von ihrer Qual. (Arthur Schopenhauer)