ich musste jetzt erst mal darüber nachdenken, was mich da eigentlich so triggert; und es sind so viele sachen gleichzeitig, dass ich damit noch lange nicht fertig bin. darum erst mal sorry, dass du mein sandsack warst. was du von meinem gemecker wirklich verdient hast, werd ich hoffentlich irgendwann extrapoliert haben, bis dahin gilt die unschuldsvermutung.
I'm a septic tank half full kind of guy / got a twinkle in my eye / that I've been told is just astigmatism / I've got a s-skip in my step like / the undead half risen
Zitat von Lumich im Beitrag #134Was ich die ganze Zeit zu sagen versuche ist, dass es Musik gibt, die durch ihre Vorhersehbarkeit leicht durch Algorithmen zu ersetzen ist. Und genau das passiert wahrscheinlich schon und wird weiter passieren. Meine persönliche Meinung ist, dass ich keinen Verlust darin sehe, wenn Fließbandware tatsächlich vom Fließband kommt.
Ich fürchte, dass dein (durchaus sympathischer) Denkfehler darin liegt, dass du die KI und ihre Entwicklung unterschätzt sowie in Bezug auf Komplexität, Berechenbarkeit und Kreativität eine zu scharfe Trennlinie zwischen belächelter Gebrauchsmusik und anspruchsvolleren Werken ziehst. Mag sein, dass als erstes Schlagerpop maschinell erstellt wird, aber zwei Jahre später wirst du das reale neue Radiohead-Album nicht mehr mit Sicherheit aus mehrere KI-generierten bestimmen können. Das gleiche gilt perspektivisch vermutlich auch für Literatur, Architektur oder jede andere Kunstform. In allen Bereichen menschlicher Kreativität ist es nicht unwahrscheinlich, dass KI uns überholen wird.
Zu KI-Musik und Videos habe ich nicht mehr viel zu sagen (außer das ich das Simpsons-Ding auch sofort gucken würde), aber das Thema von vor einigen Tagen beschäftigt mich schon seit einiger Zeit immer mal wieder als Gedankenspiel:
Zitat von Lumich im Beitrag #120Die KI in „her“ imitiert aber nicht nur, sie entwickelt tatsächlich ihre eigene Identität. Für so eine Entwicklung sehe ich soweit keinen Hinweis. Abgesehen davon handelt „her“ meiner Ansicht nach nur vordergründig von künstlicher Intelligenz, aber das ist ein anderes Thema.
Hätte ich "Her" mal zu Ende geschaut damals... Vielleicht ist jetzt ein guter Zeitpunkt für einen zweiten Versuch. Bei meiner Antwort bezog ich mich tatsächlich vor allem auf das "sich in die KI verlieben".
Wie nah oder fern wir aber tatsächlich solchen "Bewusstseins"-Szenarien sind, halte ich tatsächlich für schwer zu beantworten, weil es meines (sehr mangelhaften) Wissens nach keine allgemeingültige Definition dessen gibt, was Bewusstsein eigentlich ausmacht. Ob es den Menschen exklusiv innewohnt oder auch Tiere ein Bewusstsein besitzen etc. Woran würden wir denn erkennen, dass eine KI eine "eigene Identität" oder ein Bewusstsein entwickelt hat? Woran erkennen wir es bei Tieren? Woran am Menschen (außer, dass wir aus unserer eigenen Erfahrung und dem Abgleich mit dem Verhalten anderer Menschen ableiten, dass wohl bei anderen ähnliches im Kopf(?) vorgehen muss). Dieser Beitrag im Deutschlandfunk ist dazu ganz spannend, finde ich.
Wenn ich laienhaft darüber nachdenke, was es bräuchte, damit ich annähme, ein Computer hätte ein Bewusstsein oder eine Identität entwickelt, dann fallen mir ein paar Punkte ein: ein wiedererkennbarer Charakter mit speziellen Eigenschaften, emotionale Äußerungen, der Ausdruck von Wünschen, Hoffnungen, Änsten, selbstständiges Handeln, Selbsterhaltungstrieb. Wenn ich davon all das Verhalten abziehe, dass die KI im Austausch mit dem Mensch mutmaßlich auch nur deshalb an den Tag legen könnte, weil sie statistisch erwartbares menschliches Verhalten nachahmt, dann bleibt wohl vor allem eines übrig: zielgerichtetes Verhalten aus eigenem Antrieb, das losgelöst von irgendwelchen Prompts entsteht.
De facto wissen KI-Expert*innen bereits heute in vielen Fällen nicht, warum manche KI bestimmten Output liefern oder ein bestimmtes Verhalten an den Tag legen. Die Systeme sind bereits jetzt zu komplex. Gänzlich unangestiftetes Verhalten irgendeiner Art ist mir allerdings tatsächlich ebenfalls nicht bekannt. Ich glaube aber auch, dass niemand von uns ernsthaft voraussagen kann, ob, wann und weshalb solches Verhalten jemals auftreten könnte oder nicht. Und ist das dann der Beweis für Bewusstsein? Wahrscheinlich nicht.
Am Ende wird selbst dann immer die Unsicherheit bleiben, ob das Ganze nicht doch nur eine Reaktion auf äußere Reize und/oder eine gute Kopie menschlichen Verhaltens ist. Die KI ahmt menschliches Verhalten inzwischen mindestens mal so gut nach, dass es bereits KI-Expert*innen gibt, die glauben, sie hätten mit bewussten KI-Entitäten kommuniziert. Klar ist sehr wahrscheinlich dabei der Wunsch oder die Angst Vater der Gedanken (oder Hybris, eine Marketing-wirksame Wunder-Erzählung?). Vielleicht ist das in der Tat auch nur der Zug auf der Leinwand der Lumières. Spannend an diesem speziellen Moment in unserer kulturen Entwicklung empfinde ich aber, dass es scheinbar doch gar nicht so wenige moderne Gebrüder Lumières gibt, die selbst sehr fest an ihren Zug glauben und die wenigstens mit Sicherheit ausschließen können, dass der rasante technische Fortschritt nicht doch irgendwann dazu führt, dass der Zug von der Leinwand springt.
Ich glaube ja auch nicht daran, dass uns Matrix- oder Terminator-Szenarien bevorstehen. Ich frage mich aber schon manchmal, ob wir es denn überhaupt erkennen könnten (oder akzeptieren), falls so ein System eines Tages Bewusstsein entwickeln sollte - oder ob das am Ende dann für uns kein "echtes" Bewusstsein ist, weil sowas dann doch irgendwie etwas Magisches, etwas ausschließlich Menschliches sein muss.
Zitat von Lumich im Beitrag #134Was ich die ganze Zeit zu sagen versuche ist, dass es Musik gibt, die durch ihre Vorhersehbarkeit leicht durch Algorithmen zu ersetzen ist. Und genau das passiert wahrscheinlich schon und wird weiter passieren. Meine persönliche Meinung ist, dass ich keinen Verlust darin sehe, wenn Fließbandware tatsächlich vom Fließband kommt.
Ich fürchte, dass dein (durchaus sympathischer) Denkfehler darin liegt, dass du die KI und ihre Entwicklung unterschätzt sowie in Bezug auf Komplexität, Berechenbarkeit und Kreativität eine zu scharfe Trennlinie zwischen belächelter Gebrauchsmusik und anspruchsvolleren Werken ziehst. Mag sein, dass als erstes Schlagerpop maschinell erstellt wird, aber zwei Jahre später wirst du das reale neue Radiohead-Album nicht mehr mit Sicherheit aus mehrere KI-generierten bestimmen können. Das gleiche gilt perspektivisch vermutlich auch für Literatur, Architektur oder jede andere Kunstform. In allen Bereichen menschlicher Kreativität ist es nicht unwahrscheinlich, dass KI uns überholen wird.
das sehe ich jetzt erst, und unterschreibe das voll (nur dass ich den denkfehler nicht so richtig sympathisch finden kann). ergänzend möchte ich noch mal darauf hinweisen, dass das empfinden von "fließbandware" sehr subjektiv ist. während zahllose musiker, mit denen ich im laufe meines lebens zu tun hatte, diesen begriff für ihre für mich kaum zu ertragenden ergüsse empört ablehnen würden, sehe ich mich selbst diese bezeichnung auf ziemlich vieles anwenden, was in diesem forum abgefeiert wird. etliche werke zB aus den feldern elektro, goth und shoegaze könnte ich von udio.com-erzeugtem nicht unterscheiden, und würde das auch nicht wollen. but that's just me (und wahrscheinlich das prinzip von popmusik im weitesten sinne).
Vielleicht würde es helfen, für einen Moment die Kategorien „sympathisch“ oder „unsympathisch“ mal außen vor zu lassen. Unabhängig davon, wie KIs sich entwickeln, werden vorhersehbarere Prozesse immer leichter zu imitieren/ replizieren sein als weniger vorhersehbare. Ich sehe positiv einen weiteren Anreiz für Kreative darin, weniger vorhersehbares zu produzieren.
Vom Schlager bis zum Werbejingle hat sich ein Geschäftszweig etabliert, der genau das nie gewollt hat. Daneben gibt es auch zahlreiche musikalische Spielarten, die ohne einen sehr hohen Anteil an vorhersehbaren Bestandteilen nicht auskommen (wollen). Vorhersehbarkeit, bzw. erfüllte Erwartungen gehören zu jeglicher Kunst mit dazu. Das ist jeweils der Punkt, wo KonsumentInnen abgeholt werden, unabhängig ob es sich um eine/n ConnaisseurIn oder einer beiläufig interessierten Person handelt. Der Unterschied liegt im Anteil an solchen Elementen innerhalb eines Werkes.
Natürlich kann auch ich nicht in die Zukunft schauen, aber bisher sehe ich wenig Anlass, mir über die Zukunft der Kunst an sich sorgen zu machen. Die Fotografie hat nicht die Malerei obsolet gemacht, aber sie musste sich neu aufstellen. Das gleiche galt bisher für jede technische Neuerung, die das künstlerische Schaffen für mehr Menschen zugänglich gemacht hat.
☟ smog in berlin. nichts wie hin. weil du mich küsst, bin ich kein tourist.
Zitat von Mory im Beitrag #147Ich denke, da hat Lumich nicht unrecht.
Da hat er zwar theoretisch nicht unrecht, aber ich behaupte, dass sein Anspruch für die gesamte Musik, die hier im Forum behandelt wird, nicht gilt. "Unsere" Musik erfüllt immer in irgendeiner Weise Erwartungen und wird vorhersehbar, sobald man ihre Hintergründe für Ihre Entstehung kennt (davon, dass das meiste, was wir hier lieben, sowieso ziemlich eingefahrenen Spuren folgt, ganz zu schweigen). Auch Audiohead lassen sich auf ihre Einflüsse zurückführen.
Und jetzt kommt ins Spiel, wie KI generierte Musik entsteht. Da setzt sich ja nicht der Computer hin und dudelt mal so irgendwas vor sich hin und findet das gut, sondern ein Mensch setzt sich hin und sagt dem Computer "mach mal was, das ungefähr so und so ist". Jetzt muss man dem Computer nur noch sagen: "mach mal was das eine Kombination aus Band A und B ist und stimmungsmäßig wie ein Film von X", wobei A, B und X die Einflüsse von Audiohead sind. Der Name "Audiohead" muss garnicht fallen, um das zu bewerkstelligen.
Und um was neues zu schaffen muss der Mensch an der Prompteingabe nur ein paar absurde Kombinationen ausprobieren: "Mach mal was mit balinesischen Instrumenten, das die Stimmung von bairischer Blasmusik hat, und trotzdem in der Disco kein Tanzflächenkiller wäre." -> Das probiert der Prompteingeber zehn mal und dann hat er nach vier Stunden ein neues, vorraussichtlich erfolgreiches Genre.
KI im Zusammenhang mit Musik bedeutet in erster Linie, dass die Verwertungsindustrie (von den "Platten"-Firmen bis hin zu den Clubbetreibern) sich den ganzen organisatorischen, finanziellen, und sozialen Ballast der Herstellung ihrer Ware "Musik und Vergnügen" sparen kann. Man braucht nur noch jemanden der gute Prompts entwickeln kann und danach den geschmacklich richtigen Riecher für das Ergebnis hat.
Zitat von Mory im Beitrag #147Ich denke, da hat Lumich nicht unrecht.
Da hat er zwar theoretisch nicht unrecht, aber ich behaupte, dass sein Anspruch für die gesamte Musik, die hier im Forum behandelt wird, nicht gilt. "Unsere" Musik erfüllt immer in irgendeiner Weise Erwartungen (…)
Genau das habe ich ja geschrieben. Nun besteht grundsätzlich ein Spannungsfeld zwischen Erwartbarkeit/ Erwartungserfüllung und Überraschung/ Unvorhersehbarkeit. Die einen tendieren mehr in die eine Richtung, die anderen in die andere, aber einen gewissen Anteil von beidem haben alle.
Ja, schon jetzt kann man mit Prompts in einer KI-Anwendung erstaunliche Ergebnisse produzieren, in Zukunft wird das sicherlich noch besser. Aber jeder Ungeübte kann seit langem schon gute Bilder mit seinem Smartphone erstellen, und trotzdem gibt es heute noch professionelle Fotografie, von der Dienstleistung bis zur großen Kunst. Es ist schwieriger geworden für Menschen, die damit ihr Geld verdienen wollen, aber verschwunden ist diese Kunst dadurch nicht. Was für Einzelne augenblicklich eine weitere Härte bedeutet, ist für die Kunst insgesamt nichts Schlechtes, nach meiner Ansicht.
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15.05.2024 21:51
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