Gut faxe, das sehe ich auch so. Allerdings nerven langsam die Storch-Analogien hier. Dieses Was-wäre-wenn. Das hilft hier nichts. Storch hats nicht geschrieben/gesagt - und fertig. Was halt klar ist - Böhmermanns Sermon hat mit Satire nichts zu tun, ist eine reine Schmähschrift. Korrekt wäre gewesen, wenn Erdogan, ganz privat, einen Anwalt beauftragt hätte, Klage einzureichen. Ganz ohne diplomatische Aufforderungen an den deutschen Staat, hier tätig zu werden. Hätte zwar noch immer poliotische Wellen geschlagen, aber das wäre ein gangbarer Weg gewesen.
Das Gedicht war beleidigend und sollte es auch sein. Das bestreitet ja nun wirklich niemand. Die Satire entstand durch den Kontext - erst recht durch alles, was auf die Sendung folgte (Staatsaffäre, türkische Reaktionen, öffentliche Diskussion).
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Ja, aber man sollte unterschiedlicher Meinung sein können, ob es immer falsch ist (ob juristisch oder moralisch) einen türkischen Moslem einen Ziegenficker zu nennen oder ob es auf den Zusammenhang ankommt. Ich habe da keine feste Meinung und weiß nicht, was daran borniert sein solle. Für Krolock gibt es nur eine Wahrheit, wer sie nicht sieht, hat es nicht kapiert.
Und ich finde, die Storch-Frage ist in diesem Fall kein whataboutismus. Darf nur linke Satire alles oder auch der echte Satiriker, der sich über Netanjahus Empfindlichkeit lustig machen will, indem er eine antisemitische Schmähkritik verfasst?
Natürlich spielt am Ende auch eine Rolle, wer etwas äußert. Aber nur als ein Puzzleteil in der Bewertung. Ich lese auch in Foren, in denen ich unterwegs bin, dass Leute Muslime als Ziegenficker bezeichnen. Auch die meinen das irgendwie satirisch.
Das ist auch der eine Punkt, den ich wirklich nicht verstehe: Warum "Ziegenficker"? Warum der "Döner"-Verweis? Dass er mit sowas nicht nur die Person Erdogan beleidigt bzw rassistische Stereotype reproduziert und deshalb eine Riesenflanke aufmacht, musste ihm klar sein. Den Punkt der Schmähkritik vs Satire hätte er auch rübergebracht, wenn er einfach nur "Arschloch" oder "Wichser" oder "Kindermörder" gedichtet hätte. Aber nun gut, damit muss er jetzt halt auch leben.
“Troubled times, kids, we got no time for comedy.” (Phife Dawg)
Man kann es echt übertreiben mit der Verallgemeinerung. Wir sind uns doch wenigstens darin einig, dass es "Gedicht" ohne "Song" bzw. die Reaktion darauf nicht gegeben hätte. Die Beleidigungen in "Song" könnte ich nicht finden, während "Gedicht" natürlich voll davon waren. Die Reaktionen darauf waren zumindest bis zu einem gewissen Grad beabsichtigt und waren eher Mittel zum Zweck als Beleidigung an sich, trotz natürlich erfülltem Tatbestand der Beleidigung.
Satire ist auch nicht per se links, aber rechte Satire scheitert meistens schon an (Vorsicht: es folgt bornierte Selbstgewissheit) Humor und Geist. Gegenbeispiele bin ich natürlich gerne zu tolerieren und akzeptieren bereit
Das entspricht dann eben auch exakt dem Standesdünkel-Böhmermann, der irgendwas auf "Kannackisch" vorträgt. Deshalb werd ich ihn wohl auch nie zu 100% verstehen. In diesem Fall wurde aber wohl zum Kontext der Schmähkritik schon alles gesagt, jetzt geht's doch eigentlich nur noch um Befindlichkeiten.
Zitat von Von Krolock im Beitrag #217 Satire ist auch nicht per se links, aber rechte Satire scheitert meistens schon an (Vorsicht: es folgt bornierte Selbstgewissheit) Humor und Geist. Gegenbeispiele bin ich natürlich gerne zu tolerieren und akzeptieren bereit
Das stimmt so eher nicht. Es gibt Rechte mit Geist bzw. Intelligenz (ob Satire Humor braucht? Glaube ich nicht). Rechte Satire scheitert daran, dass man weiß, dass die das, was durch den Kakao ziehen, ernst meinen.
Im Zusammenhang mit dem „Fall Böhmermann“ stellen sich mir vor allem zwei Fragen.
Frage 1: wenn man vorab auf die Rechtswidrigkeit einer Äußerung hinweist, kann man diese dann letztlich doch (scheinbar rechtens) äußern? Böhmermann selbst hat ja geäußert, dass es beim Gedicht um einen so eigentlich gar nicht erlaubten Inhalt geht. Diesen dann aber in er Sendung dennoch von sich gegeben… In dieser Form könnten auch beliebige Personen z.B. extrem volksverhetzende Parolen verbreiten, indem alles zuvor schön brav als „ja eigentlich illegal“, aber als eben „rein satirisch gemeinte Äußerung“ ankündigt würde.
Wenn man etwa die Gefahr im Straßenverkehr dadurch praktisch demonstrieren wollte, dass man sagt, man dürfe eigentlich nur mit Tempo 50 fahren, um dann aber vor laufender Kamera mit 120 km/h durch die Innenstadt zu brausen, wäre eine solche Fahrt natürlich dennoch absolut illegal und würde auch geahndet…
Je nach Satirethema hätte Böhmermann in der Sendung auch einige Fotos der israelischen Regierung mit Hakenkreuzen bemalen oder vor der Kamera eine Frau schlagen können, etc. Die Folgen wären ähnlich: einerseits wären es klar strafbare Handlungen und andererseits stünde erneut die Frage im Raum, wann diese - mit dem Etikett Satire versehen - durch Recht und Gesetz dennoch mit abgedeckt sind. Es dürfte schnell klar werden, dass man auch ganz „satirisch gemeint“ etwa niemanden zu schlagen hätte… und das der Deckmantel der Satire künftig nicht etwa zur Verbreitung von eigentlich illegalen Inhalten führen darf. Für mich steht damit fest, dass ein Satiriker keine wie auch immer gearteten illegalen Äußerungen/Handlungen mit einbeziehen darf bzw. eine Satire spätestens da auch ihre rechtlichen Grenzen finden muss.
Frage 2: darf man satirisch Beleidigungen aussprechen oder satirisch die Würde eines Menschen herabsetzen? Satire will laut Wikipedia „durch Spott, Ironie und Übertreibung bestimmte Personen, Anschauungen, Ereignisse oder Zustände kritisieren oder verächtlich machen.“ Der § 185 schützt einzelne Personen und keine Personengruppen. Man darf sagen "Polizisten sind dumme Schweine" oder „ACAB“ oder „Soldaten sind Mörder“, weil diese Äußerungen keine persönlichen Beleidigungen sind. Ebenso gilt mit Blick auf die Kölner Silvesternacht: ein kurzer Griff an Brust oder Po ist nicht strafbar. Aber: es sind persönliche Beleidigungen, weil sie ja implizieren, man könne mit dem Opfer alles machen.
Darf Satire also alles? Nein. Satirische Darstellungen etwa Franz Josef Straußs als fickendes Schwein wurden einst gerichtlich verboten, da sie entwürdigend waren. Die von Böhmermann im - nicht als Zitat vorgelesenen sondern selbst geschaffenen - Gedicht benutzten satirischen Bezeichnungen als Ziegenficker etc., die könnte man als für eine Person persönlich beleidigend und entwürdigend betrachten. Wobei entscheidend ist, dass sich jemand beleidigt oder entwürdigt fühlt, was ja bereits gegeben ist. Satire darf also Menschen nicht beleidigen und in ihrer Würde herabsetzen. Und ja, Satire hat oft das Glück, dass sich die dabei Beleidigten nicht immer an die Justiz wenden. So gesehen kann man auch sagen, Böhmermann hat da kräftig ausgeteilt und sollte ggf. auch einstecken können.
Insgesamt stelle ich für mich fest, dass Böhmermann teils illegal gehandelt und auch beleidigt hat. Wobei das illegale Handeln von ihm selbst ja quasi mit angekündigt wurde. Seine eigene Motivation war aber nicht unbedingt die einer Beleidigung und Entwürdigung, sondern die einer satirischen Verspottung. Das Töten eines Menschen ist nicht immer ein vorsätzlicher Mord, sondern es kann Totschlag sein oder ein mit herbeigeführter Unfall. Auf Böhmermann bezogen hat er vom Motiv her nicht unbedingt alles so gewollt, hat eben nicht beleidigen und entwürdigen wollen. Um sich selbst recht medienwirksam in Szene zu setzen, hat er bei der Satire aber eine beleidigende Wirkung billigend mit ein Kauf genommen. Und das könnte man ihm (neben dem illegalen Inhalt an sich) auch vorwerfen…
P.S.: bedenken sollte man, dass einst (und da rede ich jetzt vom Mittelalter!) jeder Hofnarr die sog. Narrenfreiheit hatte, die es ihm ermöglichte, ungestraft Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu üben. Selbst eine böse Parodie von Adeligen war einem Hofnarren erlaubt. Der Narr hatte einen relativ großen Handlungsfreiraum, eine gesonderte Stellung ohne Bindung an höfische Normen. Denn alles, was er sagte, musste aufgrund seiner „Narrheit“ ja auch nicht ernst genommen werden. So viel liberaler als einst ist unser heutiger Umgang mit Narretei und Satire also scheinbar auch nicht… aber vielleicht nehmen wir die Narren und ihre fragwürdigen Späße auch nur viel zu ernst.
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von akri im Beitrag #221 Seine eigene Motivation war aber nicht unbedingt die einer Beleidigung und Entwürdigung, sondern die einer satirischen Verspottung. Um sich selbst recht medienwirksam in Szene zu setzen, hat er bei der Satire aber eine beleidigende Wirkung billigend mit ein Kauf genommen. Und das könnte man ihm (neben dem illegalen Inhalt an sich) auch vorwerfen…
Woher weiß man denn, dass es nicht als Beleidigung gemeint war? Böhmermann ist doch intelligent, er weiß was eine Beleidigung ist. Da trifft, denke ich, das sich in Szene setzen eher zu: Einen Scoop landen (Erdogan bietet sich an) und dann genießen. Dass es so nach hinten losgeht, hätte er wissen müssen - und hat es im Eifer seines zukünftigen Superstardaseins vermutlich verdrängt. SO könnte man das Ganze nämlich auch sehen.
Und dass das - hier wiederum hoffe ich, dass es nicht borniert klingt - "Gedicht" zb bei Türken mit Hauptschulabschluss (es gibt auch viele mit Abitur, ich meine aber gerade diese) direkt beleidigend ankommt und sie diese Metaebene nicht nachvollziehen können, kann ich auch verstehen. Zu blöd halt, würde Krolock sagen.
Zitat von akri im Beitrag #221 Seine eigene Motivation war aber nicht unbedingt die einer Beleidigung und Entwürdigung, sondern die einer satirischen Verspottung. Um sich selbst recht medienwirksam in Szene zu setzen, hat er bei der Satire aber eine beleidigende Wirkung billigend mit ein Kauf genommen. Und das könnte man ihm (neben dem illegalen Inhalt an sich) auch vorwerfen…
Woher weiß man denn, dass es nicht als Beleidigung gemeint war? Böhmermann ist doch intelligent, er weiß was eine Beleidigung ist. Da trifft, denke ich, das sich in Szene setzen eher zu: Einen Scoop landen (Erdogan bietet sich an) und dann genießen. Dass es so nach hinten losgeht, hätte er wissen müssen - und hat es im Eifer seines zukünftigen Superstardaseins vermutlich verdrängt. SO könnte man das Ganze nämlich auch sehen.
Ich weiß dies nicht, vermute es aber. Ausgangspunkt war ja das Erdogan-Lied und dessen Reaktion darauf. Dies satirisch durch den Kakao zu ziehen, war wohl die Intention von Böhmermann, seine Motivation...
"Good taste is the worst vice ever invented" (Edith Sitwell)
Zitat von Nilslofgren im Beitrag #219 Das stimmt so eher nicht. Es gibt Rechte mit Geist bzw. Intelligenz (ob Satire Humor braucht? Glaube ich nicht). Rechte Satire scheitert daran, dass man weiß, dass die das, was durch den Kakao ziehen, ernst meinen.
Ich sehe das auch so, aber für die Justiz ist es nicht einfach, diese Unterscheidung zu machen. Natürlich werden sich viele Rechte auf einen Präzedenzfall Böhmermann berufen.