eh. beim sprechen ist das schwierig. ich muss mich auch immer noch sehr bemühen, genderneutrale bezeichnungen zu verwenden bzw. beide geschlechter zu nennen. bei "schülerinnen und schüler" hab ich's inzwischen intus, aber bei berufsbezeichnungen vergesse ich die weibliche form noch oft.
in diesem punkt beneide ich den englischen sprachraum. wenn da von "doctor" die rede ist, kommt entweder ein arzt odert eine ärztin, und auch eine ärztin bleibt ein "doctor", wenn sie erst mal da ist. wunderbares, geschlechtsneutrales "the", gepriesen seist du! natürlich gibt es da oft missverständnisse - oft wird ein mann erwartet, und stattdessen kommt eine frau - , aber das findet ausschließlich im rückständigen kopf, und nicht in der sprache statt. was es in meinen augen einfacher macht, die eigene haltung zu justieren.
(dieser umstand wird natürlich auch gerne in wort, bild und ton kulturell ausgeschlachtet, was mich beruflich oft in not bringt, und zu waghalsigen dialogkonstrukten zwingt.)
Zitat von tenno im Beitrag #1111 natürlich gibt es da oft missverständnisse - oft wird ein mann erwartet, und stattdessen kommt eine frau - , aber das findet ausschließlich im rückständigen kopf, und nicht in der sprache statt. was es in meinen augen einfacher macht, die eigene haltung zu justieren.
ich denke, es ist umgekehrt. wörter zeichnen bilder in unserem kopf. rückständige sprache löst also rückstänige bilder aus. die sprache bestimmt den rückständigen kopf. erst wenn die sprache angepasst wird, können im kopf neue bilder entstehen. kleines beispiel: wenn ich dich den satz "der vogel ist am himmel" lesen lasse, dann wirst du beim vorlegen von bildern, die vögel zeigen, einen adler mit gespreizten flügeln schneller als vogel erkennen als eine eule die auf dem ast sitzt. das läuft natürlich blitzschnell und unbewusst ab. aber es ist messbar.
ich denke, sprache und bewusstsein stehen in wechselwirkung. wenn die bezeichnungen neutral sind, hat der kopf es sicherlich leichter, andere optionen zu erwägen. auf der anderen seite zeigt sich an meinem beispiel, dass mn eben auch noch zeit und bewusstseinsarbeit jenseits von sprache braucht, um von althergebrachten erwartungshaltungen wegzukommen.
Ich muß anmerken, daß mich Unterstriche und Sternchen auch kolossal nerven und ich sie manchmal komplett lächerlich finde. Wenn bei einer Anti - Nazi - Demo Schilder mit "Rassist_innen vertreiben" (o.ä.) mitgeführt werden oder von "Salafist*innen" die Rede ist, bin ich raus. Sehr freundlich, Rücksicht auf die Empfindlichkeiten solcher Leute zu nehmen. Da wird es meiner Meinung nach zu Korinthenkackerei.
We don't believe in anything we dont stand for nothing. We got no "V" for victory cause we know things are tougher.
(Iggy Pop/James Williamson: "Beyond The Law")
---------------------------------------------------------------- From the river to shut the fuck up.
Ich frage mich manchmal, ob es so sinnvoll ist, immer in der Sprache zu gendern, weil damit zumindest verbal immer auf zwei und vor allem festgelegte Geschlechter reduziert wird. Die Besonderheiten, die durch Sternchen oder Unterstriche formal ausgedrückt werden sollen, lassen sich eben bisher schlecht sprechen. Nur, dass es eben selten natürlich klingende, geschlechterunspezifische Formen gibt. Versuche wie die prominenteren von Prof. Lann Hornscheidt und ihren -x-Endungen sprechen sich ja leider sehr künstlich. Da hat man es auf Englisch natürlich leichter.
und eine frage, die ich selbst mir noch stelle, ist: ob das generische maskulinum nicht generell als geschlechtneutral/er empfunden würde, wenn es eben tatsächlich eine 50/50-chance gäbe, dass nach "wir brauchen einen arzt" eine frau erscheint. bei "kapitän", "techniker" oder "chef" sehe ich diesen bedarf noch viel dringlicher. gegenderte sprache macht diesen missstand sicherlich deutlich, aber in meinen augen zementiert sie ihn auch auf gewisse weise dadurch, dass sie die ausnahmenhaftigkeit so betont.
Zitat von tenno im Beitrag #1119und eine frage, die ich selbst mir noch stelle, ist: ob das generische maskulinum nicht generell als geschlechtneutral/er empfunden würde, wenn es eben tatsächlich eine 50/50-chance gäbe, dass nach "wir brauchen einen arzt" eine frau erscheint. bei "kapitän", "techniker" oder "chef" sehe ich diesen bedarf noch viel dringlicher. gegenderte sprache macht diesen missstand sicherlich deutlich, aber in meinen augen zementiert sie ihn auch auf gewisse weise dadurch, dass sie die ausnahmenhaftigkeit so betont.
Man könnte ja auch einfach sprachliche Gegebenheiten akzeptieren (und sich entwickeln lassen…) anstatt der Sprache eine erzieherische bzw. ideologische Funktion aufzuzwingen.
Oder soll es damit enden, daß ich bei einem Unfall "Schnell, eine Ärztin!" rufe und der herbeieilende Notarzt sich nicht angesprochen fühlt und wieder geht…? Bzw. während des Hilferufes "Schnell, eine Ärztin oder einen Arzt! Es könnte ebenso ein Transgender-Wesen sein, und ich möchte auch andere Gender-Varianten mit entsprechender medizinischer Befähigung keineswegs ausschließen!!" das Opfer verreckt.
------------------------------ "Be good to your neighbor, and you have better neighbors." (Ernest Tubb)
Ich neige auch dazu, dass der Plural für männliche und weibliche Formen im deutschen nun mal so ist, respektiere aber die Motivation für eine andere Sicht.
Sprache beeinflusst das Denken. Ich bin sprachlich häufig Traditionalist, aber in dem Fall hat bei mir ein grundlegender Meinungswandel stattgefunden. Natürlich kann man auf "Ist doch viel wichtiger, dass Frauen Ingenieurswissenschaften studieren, als dass man sich drum kümmert, wie man das dann nennt" verweisen, aber a) kann nur gedacht werden, was auch benannt werden kann, und b) warum nicht einfach beides machen?
"Happy Holidays... is what terrorists say. Merry Christmas, from Avery and Jack."